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Dub (R)evolution Review

Dub Evolution, Januar 2007

Kaum zu glauben, das nimmermüde, schnodderige Hamburger Rap- und Plappermaul Jan Delay  hält auf seinem neuen Album endlich mal die Klappe. Stammheims Söhne, der Flashgott und die Ragga Styler müssen draußen bleiben, denn auf dem neuen Album „Searching … – The Dubs“ (Echo Beach/Indigo) hat allein die Musik das Wort. Während Herr Delay schon weiter gezogen ist, den Reggae hinter sich gelassen hat und momentan in seiner Funk-Phase weilt, haben sich die Nachlassverwalter ans Werk gemacht und eine stilechte Dub-Version des 2001er-Hitalbums „Searching for the Jan Soul Rebels“ produziert. Und da die Hamburger Reggae-Mischpoke gerne unter sich bleibt, hat sich der große Dub-Master Matthias Arfmann des Werkes angenommen, es durch die Echo-Kammern seines Hamburger Turtle-Bay-Country-Club-Studios gejagt und auf dem ebenfalls in Hamburg ansässigem Label Echo Beach veröffentlicht. Wer Arfmann als Initiator der Kastrierten Philosophen und als Produzent von Patrice, Onejiru und den Absolute Beginners kennt – und wer vor zwei Jahren seine Remixe von alten Karajan-Aufnahmen gehört hat –, der dürfte keinen Zweifel daran hegen, dass Arfmann at the controls die Delay-Tracks kräftig aufgemöbelt hat. Während auf dem Original-Album von 2001 die Stimme, die Texte und das Marketing-Image von Jan Delay so sehr im Vordergrund standen, dass kaum jemand auf die Musik geachtet hat, kommt sie unter Arfmanns Federführung endlich zu ihrem Recht. Obwohl die Sam Ragga Band den Groove zwar nicht gefressen hat, ist es Matthias Arfmann gelungen, ein schönes, solides und sehr melodiöses Dub-Album zusammenzumixen. Dabei ist er durchaus klassisch vorgegangen: allein die überlegte Dramaturgie, das virtuose Handling von Melodiefragmenten und das zielsichere Timing genügen, um spannende Instrumentalstücke entstehen zu lassen, denen man über die komplette Länge bewusst und gerne zuhört. Sehr geholfen hat ihm dabei, dass – anders als im jamaikanischen Reggae, wo die Riddims unabhängig von der Vokal-Version entstehen – Jan Delay für sein Album schlicht und ergreifend gute Melodien komponiert hat, die nun auch die Dubs prägen. 

Aus Kanada kommt eine sehr interessante Dub-Compilation: Sub Signals Vol. I (Interchill/iTunes). Das Label ordnet die hier präsentierten Tracks den (wohl selbst kreierten) Genres „Psy Dub“, „Psy Dancehall“ und „Dubby Breaks“ zu. Wir nennen es lieber „Dub with attitude“, denn obwohl alle Tracks auf Reggae-Beats basieren, bewegt sich der Sound in Bill Laswellschen Sphären, Soll heißen: Schwere Bassläufe, sehr langsamer Rhythmus, sensible elektronische Klänge und relativ komplexer, anspruchsvoller Mix. Oder, einfacher ausgedrückt: Das genaue Gegenteil von Steppers. Ein Album eher zum Zuhören denn Kopfnicken. Versammelt sind hier sowohl bekannte Namen wie Sub Oslo, Zion Train, Noiseshaper, Creation Rebel, Dubadelic oder Manasseh, wie auch unbekannte (vielleicht Kanadische Acts): Mauxuam, Dub Alchemist, High Tone, Almamegretta oder Ashtech. Hinter letzterem steckt der Kompilierer der Sub Signals himself, Mr. Gaudi, ein weißer Dread aus London, der sich bisher vor allem durch Remixes von Pop-Stücken hervorgetan hat. Mit seinem Remix von Cool Jacks „Jus’ come“ kann er sogar einen Nr. 1 Hit in den Britischen Charts in seiner Vita aufweisen. Bei den Sub Signals beweist er jedenfalls gute Selector-Kompetenz, denn das Album versammelt nicht nur gute Musik, sondern fließt auch homogen und geschlossen, ohne langweilig zu werden. Da es in Deutschland nicht vertrieben wird, bietet sich der Download im iTunes Music Store an – wo es bekanntlich auch probegehört werden kann.

Neues gibt es auch aus dem Hause Universal Egg. „Bass Matters“ (Universal Egg/Cargo) heißt das erste reine Dub-Album des Radical Dub Kolektiv, für das die Musiker aus Zagreb Neil Perch, Mr. Zion Train himself, als Produzenten ins Boot geholt haben. Das war eine sehr gute Idee, denn der Dub-Tausendsassa hat aus den live eingespielten Aufnahmen ein beachtliches Dub-Album gemischt. Was lange währt wird endlich gut, denn Perch nahm sich für den Mix über ein Jahr Zeit. Soundtechnisch hat er die Tracks auf druckvolle Steppers-Beats eingenordet, wobei der handgespielte Charakter der Tunes den 90er-Steppers-Appeal angenehm abschwächen. Die Glätte der Synthie-Produktion wird hier durch eine gewisse Rauheit und Direktheit ersetzt, was den Stücken zusätzliche Energie verleiht. Außerdem haben sich Band und Produzent sehr um Abwechlung bemüht und neben einem guten Mix und schönen Arrangements auch immer wieder kleine, überraschende Ideen eingebaut, wie ein Chor, der genau vier Takte lang zu hören ist, oder kleine Dialoge oder Soundkulissen, die als Intro fungieren. Zwei Stücke sind zudem mit Vocals versehen worden. Einer der Vokalisten ist der angebliche Neffe von Lee Perry, Omar Perry.

Gussie P war schon immer für seinen minimalen Dub-Sound bekannt. Mit dem Remix alter Negus Roots-Aufnahmen aus den frühen 1980er Jahren hat er sich jetzt selbst übertroffen. „Firehouse Dub Volume 1“ (Gussie P/Import) heißt das Mixwerk und ist unter dem Artist-Namen Sip A Cup Meets Negus Roots gelistet. Zu hören gibt es hier Bass, Bass und nochmals Bass. Unter ferner Liefen rangiert das Schlagzeug, gelegentliche Keyboard-Einsprengsel und Gitarren-Licks. Wenn man genau hinhört, dann sind die frühen 80er noch zu erkennen, die typischen Haussounds des Channel One und Aquarius-Studios und auch Sly Dunbars militant Drumming. Doch Gussie P hat solide Arbeit geleistet: Auf den ersten Blick könnte das Album als aktuelle Produktion durchgehen. Vielleicht, weil nicht einmal in den frühen 80ern so minimalistisch gemixt wurde, wie es Gussies Art ist. Außerdem muss der Gute ziemlich intensiv am Bass-Sound herumgeschraubt haben, denn dieser hat eine geradezu unheimliche Präsenz. Interessanter Minimalismus ist – entgegen der vordergründigen Vermutung – äußerst mühsam zu erreichen. Denn, ist er nicht perfekt ausgetüftelt, dann gerät er sehr schnell langweilig und verliert alle Kraft, die potentiell in ihm steckt. Eine Falle, in die auch Gussie P leider– wenn auch nur mit einem Bein – getappt ist. So überwältigend sein Sound auf den ersten Tracks des Albums auch ist, Gussie schafft es nicht, die Spannung über die ganze Länge zu halten. Spätestens ab der Mitte des Albums wünscht man sich nämlich etwas mehr, als nur Bass, Bass und noch mal Bass.

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