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Five Star Review Zweite Meinung

Jim the Boss: Dub in HiFi

Das haben wir immer wieder: Sound-Ingenieure, die all ihr Können darauf verwenden, historische Sounds nachzuproduzieren. The master of them all könnte Jim the Boss sein. Er ging die Sache 2013 zielstrebig und planvoll an, vergrub sich in seinem Studio in New Jersey und bastelte so lange am Sound, bis es ihm gelang, den Klang des Reggae der frühen 1970er nahezu perfekt zu klonen. Natürlich nicht digital, sondern mit schönem, alten, angeranztem Analog-Studio-Equipment. Und siehe da, die Welt hatte auf seinen Reggae-Sound gewartet. Jim veröffentlichte 2016 die Sammlung seiner bisherigen Produktionen auf dem Dub-Album „Hudson Soul“ und stürmte damit die Genre-Charts bei iTunes und Beatport. Nun legt er nach mit „Dub in HiFi“ (Hudson Soul), und knüpft damit an „Hudson Soul“ an. Ist ja irgendwie auch logisch, dass es nicht Sinn eines Retro-Sounds sein kann, sich weiter zu entwickeln. Mich begeistert in solchen Fällen immer die handwerkliche Meisterschaft der Retro-Fetischisten, nicht aber das ästhetische Konzept. Warum Musik aufnehmen, die es schon gibt? Hier aber, muss ich gestehen, werde ich schwach: Ich finde nicht gut, was Jim da macht, aber ich bin ihm trotzdem verfallen. „Dub in HiFi“ klingt grandios, schön rau und kantig, enthält massenweise Zitate, denen nachzuspüren richtig Spaß macht und bietet darüber hinaus auch noch wunderbare Melodien. Übrigens gibt es das Album bei keinem einzigen Streaming-Dienst, dafür aber bei Bandcamp zum kostenlosen Download.

Bewertung: 5 von 5.
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Akae Beka: Better World Rasta Dub

Vaughn Benjamin aka Akae Beka, der charismatische Sänger aus St. Croix mit der Stimme, die mich immer entfernt an Norman Grant von den Twinkle Brothers erinnerte, ist tot. Diese Nachricht verbreitete sich gestern Abend wie ein Lauffeuer und löste in der Reggae Community große Bestürzung aus. Vaughn Benjamin, der ehemalige Sänger der Band Midnite, der seit 2015 als Akae Beka die Reggaewelt begeisterte, ist, wie seine Plattenfirma mitteilte, am 04.11. völlig überraschend im Alter von gerade mal 50 Jahren verstorben. So wie es aussieht, wird wohl das am 11. September veröffentlichte Album „Better World Rasta Dub“ (Rastar Records) sein letztes Lebenszeichen bleiben. Zu dem Album gibt es verdammt wenig Information, laut Album Notes soll es sich um einen Live-Instrumental Dub handeln, genauer erklärt wird das leider nicht. Das ungewöhnliche Album klingt rau, roh ist vielleicht die treffendere Beschreibung, auf Schnickschnack wie umfangreiche Remixe, Overdubs und andere musikalische Verfeinerungen wurde verzichtet. Hört euch bei Interesse die 11 Titel selbst an, eine Wertung von meiner Seite bleibt aus gegebenem Anlass aus.
RIP Vaughn Benjamin aka Akae Beka and many thanx for good vibrations

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Dubsouls: Dubsouls in Session

Momentan bewegt sich unter dem Aspekt Fusion von Reggae/Dub und Jazz erfreulicherweise ausgesprochen viel. Die endgültige Trendwende began für mein Gefühl mit den Veröffentlichungen des Jazztrompeters Nils Petter Molvaer zusammen mit Sly & Robbie, gefolgt von den Saxofonisten Nat Birchall und Jan „King“ Cooper sowie dem Chronicles Dub Trio/The Dub Chronicles (Duo). Alles gestandene Jazzer, die mit ihren Alben der „jazzy side of Reggae/Dub“ den verdienten Tribut zollen. Nun liegt das Debütalbum „Dubsouls in Session“ (youthsounds.net) von Andrew „Murph“ Murphy vor, einem Jazzgitarristen aus Bath (GB), der seit über 30 Jahren in allen Genres mit verschiedensten Bands (Robert Plant/Jimmy Page, Rhythmites, Goldfrapp, King Prawn, Lee Perry, Radical Dance Faction, Black Box), hauptsächlich jedoch im Jazz als Duo/Trio oder Quartett, am Start ist.
Das Album „Dubsouls in Session“ ist gerade auf dem unabhängigen Plattenlabel Youth Sounds mit Sitz in London erschienen, das vom Killing Joke-Bassisten Martin „Youth“ Clover gegründet wurde.

Andrew „Murph“ Murphys musikalisches Spektum umfasst die Stile von Swing und Latin über Cool bis Gypsy Jazz. Seine unüberhörbaren Vorbilder sind Wes Montgomery, Django Reinhardt und natürlich der legendäre jamaikanische Gitarrist Ernest Ranglin. Reggae begleitet „Murph“ nach eigenen Aussagen bereits sein ganzes Leben und dieses Mal hat er ein Septett aus Allstars, die Dubsouls zusammengestellt, das seinen selbst komponierten Instrumental-Reggae mit leichten Dub-Anklängen sehr entspannt interpretiert. Die für Andrew „Murph“ Murphys prägenden Einflüsse reichen vom frühen jamaikanischen Ska über Rocksteady bis hin zur Dub- und der Soundsystem-Kultur der 70er Jahre.

Die Session wurde live eingespielt und auf 4-Track-Tape aufgenommen, was den Aufnahmen ein authentisches Old-School-Feeling verleiht. Abgemischt wurde das Album dann von Jamie Grashion. Die Stücke wurden im klassischen Jazzformat eingespielt, der Melodie folgt die Improvisation, die dann gegen Ende des Stückes zur urspünglichen Melodie zurückkehrt.
Ein schönes Instrumental-Album, jedoch ohne viel Dub, wie eigentlich der Titel erwarten ließe, das keinerlei Hektik aufkommen lässt, völlig relaxt daherkommt und auch (nur) als Hintergrundbeschallung für ein gepflegtes Candlelight Dinner oder zu einem entspannten Abend wie die Faust aufs Auge passt.

Bewertung: 4 von 5.
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Manjul: Dub to Mali, Season 3, „Douba“

Halb Afrika ist Dancehall-verrückt. Klassischer Reggae hingegen hat einen schweren Stand. Da braucht es schon einen französischen Produzenten wie Julien Souletie, besser bekannt unter dem Namen Manjul, der seinen Lebensmittelpunkt von Paris nach Bamako in Mali verlegt, um hier mit afrikanischen Musikern Roots-Reggae aufzunehmen. Einen Überblick seiner Produktionen lieferten 2004 und 2007 seine beiden ersten „Dub to Mali“-Alben. Nun – 12 Jahre später – ist mit „Dub to Mali, Season 3 – Douba“ (Humble Ark Records) das aktuelle Update erschienen und es macht eines klar: Majul schließt nahtlos an die beiden Vorgänger-Seasons an. Wie vor 12 Jahren bietet es handgespielten Roots-Reggae im typisch afrikanischen Sound, wie man ihn z. B. von Tiken Jah Fakoly kennt. Richtig schön wird es, wenn auch afrikanische Instrumente zum Einsatz kommen, oder (gelegentlich) Gesang erklingt. Dann spielt Majul die Stärken seiner Musik voll aus und das Album klingt wie der Soundtrack eines afrikanischen Road-Movies. Wonach es allerdings trotz seines Titels nicht klingt, ist Dub. Im Gegenteil: es hat mehr vom offenen, perkussiven Klang einer Live-Session, als von Elektro-Frickelei im dunklen Kellerstudio. Wer also mit der richtigen Erwartungshaltung kommt, kann an den schönen Melodien, den spannenden Arrangements und dem afrikanischen Flair viel Freude haben. Beinharte Dub-Fans sollten dem Titel nicht trauen.

Bewertung: 4 von 5.
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Chronicles Dub Trio: Reflections

Wir schreiben das Jahr 2016, damals hießen The Dub Chronicles noch Chronicles Dub Trio und das erste, selbst produzierte Album „Reflections“ wurde im Dezember veröffentlicht.

Chronicles Dub Trio ist (seit 2018 ein Duo) eine kanadische Dubwise-Roots-Rock-Reggae-Band aus Toronto, die virtuos den Sound der goldenen Vintage-Ära des Reggaes zu bewahren sucht und äußerst intelligent mit Jazz verknüpft. Das Trio hat sich voll und ganz auf die Rockers-Ära spezialisiert. King Tubby und Augustus Pablo sind als Vorbilder zweifelsfrei auszumachen.

Der Gitarrist, Alexei Orechin, ein absoluter Meister seines Fachs, ist wegen der Virtuosität auf seinem Instrument in Torontos Reggae-Szene auch als „Mad Mon“ bekannt. Er absolvierte das Elite-Jazz-Studium an der Universität von Toronto und ist laut eigener Aussage sehr vom Gitarrenspiel eines Ernest Ranglin und Jimi Hendrix geprägt. Mit satten Akkorden und/oder flüssigen, jazzigen Gitarrenläufen spielt er schöne, gleichzeitig intensive Melodien, die in analogen Dub-Delays dahinschweben.

Der Schlagzeuger Craig Rattos ist das Rückgrat der Band und hat seinen ganz eigenen Groove. Craig ist sehr stark von einigen der größten Schlagzeugern in der Geschichte des Reggaes, Leroy „Horsemouth“ Wallace, Carlton „Carly“ Barrett und Lowell „Sly“ Dunbar beeinflusst. Beim Hören werde ich oft an Carly Barretts drumming erinnert – einfach fabelhaft.

Der letzte im Bunde ist Jonathan Rattos, Pianolehrer und der Multiinstrumentalist in der Band. Zusammen mit seinem Bruder Craig absolvierte er eine Bachelor Jazz-Ausbildung am Humber College in Toronto. Jonathan hat neben dem Reggae/Dub eines Augustus Pablo auch noch ein unüberhörbar, großes Faible für den klassischen, alten Jazz-Sound. Die schweren Basslinien erzeugt er mit dem left-hand-bass for keyboards. Zusätzlich spielt er sämtliche Tasteninstrumente (org; piano, melodica) und steuert bei Bedarf, wie hier beim alten doo-wop Klassiker aus 1957 von The Rays „Silhouettes“ auch die Vocals bei. „Silhouettes“ wurde im Laufe der Jahre von vielen Künstlern neu interpretiert, auch von Dennis Brown gibts eine Version. Das Rattos Bruder-Duo ist in Sachen Klangdichte vergleichbar mit Carly und Aston Barrett oder den Rhythm Twins Sly Dunbar und Robbie Shakespeare. Alles in allem eine höchst interessante Klangmischung, die das Chronicles Dub Trio hier gekonnt abliefert.

„Reflections“ wird ganz sicher all denen gefallen, die den Jazzeinfluss im Reggae und Gitarrenläufe à la Ernest Ranglin schon immer lieben. Hörts euch selbst an, ich kann nicht genug davon bekommen. Die Jungs sind wirklich eine Klasse für sich.

Bewertung: 5 von 5.
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Radio 77: Future Wave Bass

„Shoowab-Shoowab, Shoowab-Shoowab …“, die ersten Textzeilen des Debut-Albums „Future Wave Bass“ von Radio 77 machen schon klar, wohin die Reise gehen wird: in seichte Gewässer. Vier sanft-melodiöse Songs (“Walking On The Moon“ von The Police, Carlton & The Shoes “Love Me Forever“,“I Only Have Eyes For You” von den Flamingos sowie “Tonight“ von David Bowie und Iggy Pop) plätschern hier über klassisch schöne, aber nicht minder sanftmütige Reggae-Backings. Der Laid-Back-Style ist dem sehr, sehr, sehr samtweichen und hellstimmigen Gesang von DJ Joey RAD1O geschuldet. Zweifellos schöne Melodien, aber so dargeboten, klingt es für mich etwas nach Schlager. Immerhin sind da allerdings noch die Reggae-Backings, und die kommen in Form vierer begleitender Dubs sehr zu ihrem Recht. Produziert von Dubmatix, sind sie für seine Verhältnisse zwar auch ein wenig glatt geraten, aber immerhin stört hier kein Gesang. Das Album ist nur in digitaler Form unter dem Titel „ Future Wave Bass“ erhältlich. Merkwürdiger Weise steht auf dem Cover aber der Titel „ Future Wave Dubs“. Egal, wobei: „Future“ stimmt angesichts der Titelauswahl auch nicht ganz.

Bewertung: 3 von 5.
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Chuck Foster: Hotter Fire Dub

In amerikanischen Reggaekreisen und Kalifornien ist der Alt-Hippie Chuck Foster ein bekannter Name. Richtig bekannt wurde er als Moderator mit der Sendung Reggae Central beim Sender KPFK 90.7 FM in Los Angeles und als langjähriger Kolumnist für das nicht mehr existierende Beat Magazine und den Reggae Festival Guide. Chuck Foster ist Autor von zwei Sachbüchern über „Roots Rock Reggae: An Oral History of Reggae Music From Ska To Dancehall“ und „The Small Axe Guide To Rocksteady.“.

Seine Karriere startete er als Musiker und arbeitete dabei in einigen der besten Aufnahmestudios von LA. Das war lange bevor er seine Karriere als Moderator beim Radio begann. Neben seiner sonntäglichen Radiosendung, die er seit über 20 Jahren moderiert, besann sich Foster in den letzten Jahren wieder auf seine Wurzeln als Songwriter, Interpret, Produzent und Labelinhaber von „Catch Me Time Records“. Er hat mittlerweile auf seinem Label fünf eigene Song-Alben plus deren Dub-Pendants veröffentlicht. Seine jüngsten Veröffentlichungen sind ein Vokalset „It’s Time“ sowie das dazugehörige Dub-Set „Hotter Fire Dub“ (Catch Me Time Records). Sämtliche Tracks wurden im „Rough Sounds Studio“ in Redondo Beach, Kalifornien, aufgenommen. Die daran beteiligten Musiker waren Chuck Foster (vocs, git.), Mike Irwin (bass), Tony Bird (keyb.), Rex Bailey und Alberto Fernandez (lead-git) sowie Prince Fattys alter Kumpel, der englische Drummer Horseman.

Chuck Fosters Stil auf „Hotter Fire Dub“ ist solider, traditioneller Reggae/Dub, der tief in der klassischen, goldenen Reggae-Ära verwurzelt ist. Erwartet also keinen großen Schnickschnack mit tausend Effekten und akustischen Gimmicks, es ist einfach nur grundsolider Dub mit schönen Westcoast-Gitarrenklängen. Auf dem Album bedient sich Chuck Foster verschiedenster Musikstile, bei „Dance“, das mit einem Ska-ähnlichen Tempo daherkommt, klingen Country & Western Gitarrenriffs an. Bei „Wicked Dub“ sind subtile Rocksteady-Einflüsse nicht zu überhören und in „Dubbing The Blues“ wurden Bluesanleihen gekonnt verarbeitet. Eine Hommage an die klassisch lockere, gitarrenlastige Musik Kalifoniens sind dann „West Coast Version“ und „Homeless Encampment Version“, hier hören wir schöne, dubbige und typische Westcoast Gitarrenriffs. Abgemischt wurden die 15 Titel des Albums von Chuck Foster selbst und dem Bassisten Mike Irwin. Wie bereits bei den früheren Dub-Alben bleiben Foster und Irwin ihrer Linie treu und präsentieren soliden 70er Jahre Dub mit fetten Bass-Lines, One Drop und frei schwebenden Fetzen von Gitarrenriffs, die sich in Echos und Reverbs verlieren. Wie Chuck Foster bin auch ich der Auffassung, dass Dub die reinste Form des Reggaes ist, also die „Essenz“ des Ganzen.
Well done…

Bewertung: 4 von 5.
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I Fi Meets Askan Vibes: Well Conscious

Askan Vibes ist mir bereits mehrmals positiv auf einigen ODGProd Veröffentlichungen aufgefallen. Zuletzt beim letzten Werk von „Art-X – Nomad“.

In den letzten Tagen veröffentlichte nun das französische Label „I Fi meets Askan Vibes – Well Conscious“ (ODGProd.com), ein Showcase Album gleichen Namens, das bei mir seither täglich läuft und mich immer wieder begeistert. Vor allem die vier Dubs von Askan Vibes haben es mir angetan. Eigentlich handelt es sich dabei um nichts besonderes, es sind lediglich sau coole, teilweise sehr bekannte Riddims ohne viel Brimborium im klassischen Stil der 70er. Auch der Vocal Part dieses Albums überzeugt mich einfach. Der Singjay „I Fi“ ist für mich bisher nirgends in Erscheinung getreten und Informationen über ihn sind im WWW leider auch Mangelware. Nur soviel, seine Stimme ist sehr angenehm und die Lyrics, vorgetragen im Patois, sind real conscious.

Über Askan Vibes am Mixing Desk gibt es kaum viel mehr Informationen. Es soll sich um ein Ein-Mann-Studio-Projekt aus Paris handeln, dessen Vorliebe für Roots Reggae & Dub offenkundig auf die bereits oft erwähnten 70er Jahre zurückgeht. Die Riddims soll der Multiinstrumentalist selbst komponieren und in seinem eigenen „Vineyard Studio“ einspielen, wo er anschließend auch die Overdubs und das Mixing macht. Doch, bei vielen Riddims handelt es sich um (ur)alte Bekannte aus den Studios Jamaikas und um keine Eigenkompositionen. Das hat auch auf Jamaika schon sehr lange Tradition, mit Copyright hält man es – wie Askan Vibes auch – eh nicht so genau. Askan Vibes veröffentlicht hauptsächlich aber nicht ausschließlich auf dem von ihm gegründeten Label „Vinyard Records“. Er arbeitet(e) aber auch mit anderen Labels und Künstlern zusammen, so auch mit Roberto Sanchez (Lone Ark). Die Franzosen machen nicht nur Steppers, das hier sind strikkly Roots.

Abschließend noch eine Empfehlung aus dem letzten Jahr: Imanytree Meets Askan Vibes – Inna Old Fashioned Stylee (ODGProd.com)

Bewertung: 4 von 5.
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Christafari: Dub Supreme

Eine Band, die regelmäßig Platz 1 der Reggae Billboard-Charts besetzt und eine entsprechende große Anzahl von Verkäufen und Streams vorzuweisen hat – aber trotzdem von der Reggae-Community weitgehend ignoriert wird? Eine Band, die jährlich weit über hundert Konzerte weltweit gibt, aber trotzdem heftigen Angriffen, mitunter auch körperlicher Gewalt ausgesetzt ist – etwa durch Buju Banton, der Bandmitglieder angegriffen und verletzt haben soll?

Das ist Christafari, ein Musikerkonglomerat rund um Pastor Mark Mohr und Avion Blackman – allesamt hingebungsvolle Christen, die mit ihrer Musik entsprechende Botschaften verbreiten. Das wird offensichtlich von Reggae-Enthusiast*innen nicht geschätzt, obwohl die Texte inkl. der ausgiebigen Verwendung des Wortes „Jah“ und Zitaten von Haile Selassie nahezu identisch sind mit Rasta-zentrierten Lyrics anderer, allgemein anerkannter Künstler*innen. Da helfen auch keine Dreadlocks oder perfektes Patois, das sich Mark Mohr in seiner langen Tätigkeit als Missionar in Jamaika angeeignet hat. Wer, wie er, Rastafari kritisch gegenübersteht, Haile Selassie nicht als Gottheit sondern als gewöhnlich-sterblichen Christen begreift und noch dazu Drogen jeglicher Art ablehnt, hat’s schwer in der Community.

Musikalisch macht sich die Abstinenz erwartungsgemäß nicht bemerkbar – Christafari sind versierte Musiker*innen, die sich vorwiegend im klassischen Roots Reggae-Genre, aber auch versiert im Dancehall, bewegen – inklusive der allseits beliebten Wiederverwertung altbekannter Riddims. Der eindrucksvolle Back-Katalog belegt das regelmäßige Erscheinen neuer Alben, allesamt aufgenommen im bandeigenen Studio und veröffentlicht auf dem zugehörigem „Lion of Zion“-Label. Dass man so ohne Zeitdruck am Sound feilen kann, ist unüberhörbar: Die Arrangements sind ausgefeilt, der Mix und das Mastering präsentieren sich makellos. Dieser produktionstechnische Vorteil birgt aber auch eine Gefahr: Zuviel des Guten wirkt sich mitunter negativ aus, verwässert die musikalische Essenz und ermüdet das Ohr der Hörer*in.

Christafari’s Dub Alben, die die Vocal-Releases komplettieren, sind weit von dieser Gefahr entfernt; „Dub Supreme“ (Lion of Zion Entertainment) ist hier keine Ausnahme. Als Roots-orientierter Dub-Companion zu den Alben „99.4.1 (Reckless Love)“ und „Original Love“ präsentiert es für Christafari-Verhältnisse zurückhaltende Versions, die die oft überbordenden Vocals als wohldosierte etherische Klangfetzen nutzen. Auch der klassische Dub-Mix und das Mastering sind von bester Qualität – und doch: Wenn die Produktion nicht ganz so fehlerlos und rein wäre, wenn ein wenig mehr Ecken und Kanten zu finden wären und wenn man die glatte Oberfläche mit ein klein wenig Schmutz behandelt hätte … dann stünde einer erstklassigen Bewertung nichts mehr im Weg. So aber bleibt es ein gutes Album, das seine Stärken am besten ausspielt, wenn man es laut und mit gehörigem Wumms hört.

Bewertung: 4 von 5.
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Dub Natty Sessions and Dennis Bovell feat. Matic Horns & Mad Professor: DNS And Friends

Zugegeben, das Album ist jetzt nicht gerade taufrisch, aber zwei meiner Helden aus der britischen Reggae- und Dubszene Dennis Bovell aka Blackbeard und Mad Professor waren maßgeblich daran beteiligt.

„Bei Dub Natty Sessions“ (DNS) handelt es sich um eine Band, die Anfang 2009 in einem Ghetto namens „Caricuao“ südwestlich von Caracas, Venezuela, gegründet wurde, um den Dub wiederzubeleben. DNS nahmen bereits 2014 mit dem legendären Mitbegründer der Reggae-Bewegung in Großbritannien, Dennis Bovell, ihre erste Platte auf, die sie schlicht „Dub Natty Sessions feat. Dennis Bovell“ nannten. Bereits auf ihrem Debüt-Album, das auch von Dennis Bovell produziert und abgemischt wurde, spielten sie einen astreinen Roots Reggae Dub.

DNS And Friends“ (Dub Natty Sessions – DNS 1) ist also die zweite Veröffentlichung des venezolanischen, mittlerweile in Großbritannien ansässigen Roots-Reggae-Dub Kollektivs. Dennis Bovell übernahm dieses Mal zusätzlich den Bass und leitete abermals die Aufnahmesessions. Den Feinschliff erledigte dann in den Ariwa-Studios Mad Professor. „DNS And Friends“ ist voller eingängiger, dubbiger Reggae-Instrumentals mit allen Ingredienzen, die man von Bovell und Mad Professor erwartet. Der Track „Un Amor“ klingt so authentisch, dass man meinen möchte, er stamme von Ricos „Jama Rico“. Auch „Plantation“ erreicht eine echte Brillanz, die mich unweigerlich an Bovells fantastische Arbeit mit „The 4th Street Orchestra“ erinnert. Obwohl Dub Natty Sessions bereits mit einigen wirklich guten und knackigen Grooves überzeugen können, sind das absolute Schmankerl auf diesem Album die Matic Horns. Dennis Bovells ex-Matumbi-Bandkollege Henry „Buttons“ Tenyue an der Posaune und die ex-Aswad-Mitglieder Eddie „Tan Tan“ Thornton an der Trompete und Michael „Bami“ Rose am Saxofon liefern hier eine brilliante Leistung ab. „DNS And Friends“ ist ein Album mit acht Instrumental-Dub-Tracks, dessen Einflüsse von Reggae, Jazz, Latin und dem großartigen Sound von Matumbi und Linton Kwesi Johnson geprägt sind. Dennis Bovells überzeugende Beteiligung an diesem Werk ist unüberhörbar und Mad Professors Mixing ist angenehm dezent ausgefallen, er setzt ganz gezielt und auf den Punkt genau seine Duftmarken.

Bewertung: 5 von 5.