Kategorien
Review

Dub Me Crazy: The United Nations Of Dub Weekender 2013

Iration Steppas auf dem UNOD-Weekender 2013

Eine Reise in die physische Natur des Bass: nach Nord Wales zum United Nations Of Dub Weekender, dem größtem Dub-Event aller Zeiten.
Text: René Wynands, Fotos: Giulia Mameli

Wir stehen im Zentrum eines jener in den Nachkriegsjahren gebauten Feriencamps der britischen Westküste; in Nord-Wales, um genau zu sein. Schmelzwasser tropft durch die Decke. Eimer, Schüsseln und Kanister sind strategisch im Raum verteilt und fangen das ungebetene Nass auf. Draußen geht die Welt in einem Schneesturm unter. Auch drinnen ist es ungemütlich kühl. Unser Blick schweift durch die gleichermaßen große, wie hässliche Mehrzweckhalle. Marilyn Monroe als billige „Warhol“-Kopie blickt auf uns herab. Im kalten Putzlicht lässt der öde Raum nicht erahnen, dass sich hier in wenigen Stunden der spirituelle Zauber einer Musik entfalten wird, der alle Anwesenden im großen Vibe des Bass selig vereint. Noch ist es still. Ein paar zu früh erschienene Gäste lümmeln sich auf der Tribüne, trinken vorsorglich ein Red Stripe und schauen dabei der kleinen Gruppe graubärtiger Männer zu, die sich mit großen Kisten und schweren Lasten abmühen. Mit routinierter Gelassenheit wuchten sie Lautsprecherboxen aufeinander, ziehen Kabel quer durch die Halle und errichten das Kontrollzentrum ihres Bosses und heutigen Zeremonienmeisters: Jah Shaka. Der Mann, der unbeirrt am Roots Reggae fest hielt und seinem kompromisslosen „Warrior Style“ treu blieb, als sich der Mainstream-Reggae längst Dancehall und Sleng Teng zugewandt hatte. Er war es, der die Entwicklung des Steppers-Sounds nahezu im Alleingang voran trieb und die kreativsten seiner Jünger dazu inspirierte, ihren eigenen „Warrior Style“ zu produzieren und in den 1990er Jahren das Genre des UK-Dub aus der Taufe zu heben.

Um Mitternacht ist es so weit: Shaka legte die erste Platte auf: Johnny Osbourne. Das knisternde Vinyl drehte sich auf einem steinzeitlichen Plattenspieler, hoch über dem Kontrollstand postiert. Dann folgt Burning Spear. Kein Übergang, geschweige denn geschicktes Ineinandermixen. Nadel hoch, Platte runter, neue Platte drauf, Nadel runter – kein Stress, kein Juggeling. Schließlich haben wir es hier nicht mit einem Soundtrack zu tun. Jeder Song bekommt die Aufmerksamkeit, die er verdient, von der ersten Note bis zur letzten. Die Pause, die beim Plattenwechsel entsteht, dient der Besinnung, ist Zeugnis der Wertschätzung des nächsten Songs, ein Moment von Vorfreude beseelter Stille. Eine halbe Stunde widmet Shaka dem Roots-Erbe der 70er, dann ist Steppers-Time und die versammelten Dub-Gläubigen geraten in Bewegung. Mit kleinen, wiegenden Mooves schwingen die Körper im Takt der Basswellen. So langsam beginnt sich die für Shaka-Dances typische, meditative, ja spirituelle Atmosphäre im Raum zu verbreiten. Vergessen ist die ans Absurde grenzende Hässlichkeit der Location, das winterliche Nord-Wales – die ganze Welt schrumpft zusammen auf das hier und jetzt, auf den Dub-Sound, der in Geist und Körper fährt und uns zu ekstatischen Teilnehmern eins Gottesdienstes im Namen des Dub werden lässt.

Es ist der erste Abend des dreitägigen „United Nations Of Dub Weekenders“ – des größten Dub-Events, das es je gegeben hat. Veranstalter I-mitri und sein Kumpel Fedi haben es auf die Beine gestellt: rund 50 Dub-Artists stehen auf dem Programm, darunter die acht wichtigsten Dub-Soundsystems des UK: Iration Steppas, King Earthquake, Young Warrior, Kibir La Amlak, Aba Shanti-I, Channel One, Jah Tubby’s und natürlich Jah Shaka. Sie bespielen die große „Sound System Arena“ mit ihren eigenen, bassgewaltigen Anlagen. In der etwas kleineren Nachbarhalle, der „UNOD-Arena“ spielen zeitgleich Artists wie Alpha & Omega, Nucleus Roots, Dub Terror, Manasseh, Roots Garden, Mungo‘s Hi-Fi, Vibronics und Bush Chemists – um nur die bekanntesten zu nennen. Allerdings müssen sie hier mit einer fest installierten PA vorlieb nehmen. In einem kleinen Raum im ersten Stock befindet sich zudem die „Selector’s Arena“, die den Dub-Selectors aus aller Welt vorbehalten ist und fast schon die Atmosphäre einer Privatparty verbreitet. Wem der Sinn mehr nach Bildern und Worten, statt nach Dub steht, hat zudem die Möglichkeit, in einem frostigen (da ungeheizten) Reggae-Cinema, Filme aus Jamaika anzuschauen oder tagsüber ein Seminar-Gespräch mit Dub-Artists und Soundmen zu besuchen.

Samstagabend, der zweite Tag des Weekenders. Drei mächtige Soundsystems stehen sich, flankiert von ihren gewaltigen Boxentürmen gegenüber: Iration Steppas, King Earthquake und Kibir La Amlak. Alle drei Vertreter eines kompromisslosen UK-Steppers-Sounds. Jedes Soundsystem spielt drei Stücke, zuzüglich Rewinds und Versions, bevor der Staffelstab weitergereicht wird. Bei jeder Übergabe drehen wir uns mit den rund anderen 1000 Gästen in einer synchronen Bewegung um 90 Grad. Jeder, der schon einmal ein britisches Dub-Soundsystem live erlebt hat, wird wissen, dass die Musik hier – trotz aller Spiritualität – zu einer durch und durch körperlichen Angelegenheit wird. Die Bass-Druckwellen, die sich von den ca. vier Meter hohen Lautsprechertürmen lösen, sind so gewaltig, dass sie nicht nur die Hosenbeine flattern lassen und die Lungenflügel in Schwingungen versetzen, sondern buchstäblich jeden Hohlraum des Körpers wie einen Resonanzkörper zum vibrieren bringen (ich habe zum ersten Mal in meinem Leben meine Nasennebenhöhlen wahrgenommen – nicht schön, aber eindrucksvoll). Mit unvorstellbarer Wucht stampfen die Steppers-Beats durch den Raum – ohrenbetäubend laut, gewaltig und hypnotisch. Wird das erste Drittel eines Tracks mit weitgehend ausgewogenem Frequenzverhältnis gespielt, so gehört es zum Soundsystem-Ritual, dass unweigerlich der Punkt kommt, an dem der Soundman die Bassfrequenz zu hundert Prozent aufdreht und den Tänzern damit geradezu körperlich einen Tritt in den Hintern verpasst. Selbst die coolsten Dreadlocks können dann nicht mehr ruhig stehen.

Während die Bass-Druckwellen auf unsere Körper einschlagen, fällt es mir wie Schuppen von den Ohren: Die Dubs, die hier im Soundsystem perfekt funktionieren, sind genau jene Produktionen, die ich in meiner Riddim-Dub-Kolumne oft als wenig innovativ, ja manchmal gar als langweilig abqualifiziere. Doch hier im Soundsystem gilt: in der Einfachheit liegt die Kraft. Der von mir verehrte Nick Manasseh muss deshalb eine unangenehme Erfahrung machen. Als er in der UNOD-Arena seine aktuellen, wunderbar ausgetüftelten und vielschichtigen Produktionen für Roots Garden auflegt, läuft ihm das Publikum davon. Viel zu kompliziert. Das einzige, was hier funktioniert ist Steppers. Wie ein Fels in der Brandung widersteht der ebenso schlichte, wie machtvolle Steppers-Sound seit nunmehr fast drei Jahrzehnten aller Dynamik einer fortschreitenden Dub-Evolution. Während sich innovative und zeitgemäße Dub-Produktionen dem Einfluss anderer Genres öffnen, mit Rhythmen und Klang experimentieren und in ihrer Einfachheit faszinierend komplex wirkende Klangbilder entwerfen, bildet der Steppers-Sound unbeirrt den orthodoxen Gegenpol dazu. Er ist ein seit Jahren perfekt ausgereiftes Produkt: Seine Aufführungspraxis und seine Wirkung auf die Zuhörer sind exakt aufeinander abgestimmt, passen ineinander wie Schloss und Schlüssel, bilden eine untrennbare, wirkmächtige Einheit. Steppers ist zu 100 Prozent Körpermusik und gehört genau hier hin, ins Soundsystem.

Also geben wir uns ihm voller Lust und Begeisterung hin. Drei Nächte lang. Lassen uns von ihm ganz und gar einnehmen, hypnotisieren, in Trance versetzen. Der Rhythmus bewegt unsere Körper, unsere Körper sind der Rhythmus – wir und die Musik sind eins. Wenig innovativ, ja fast langweilig, aber uns kümmert es nicht.

Interview mit I-mitri, dem Veranstalter des UNOD-Weekenders.

What was your motivation to call the Dub-Weekender to life?
The motivation came from seeing more and more big festivals supporting and promoting our sound system scene all over europe and still not having a proper event showcasing our amazing music scene and country to those from near and far! Additionally its an opportunity for those that are not into camping and the mud to attend a 3 day festival where they can stay dry, sleep well and have access to their own kitchen and supplies not just expensive food stalls like at most festivals!
The line up, the sheer amount of sound systems and artists and the indoor aspect set it apart from all other festivals! There has never been a dub/sound system event of this size before! Ever!

Are you satisfied with the result?
The event played host during the day time to a series of seminars/talks by the artists/soundmen involved discussing careers, studio works and record business as well as a cinema with rare films around the subject from all over the world and Jamaica. There was also a pool party during the day on Saturday and Sunday!

We were very happy with the event! We had a amazing group of dedicated reggae/dub/sound system followers from all over the world! Great vibes and as an event in terms of organization it run super smooth! We did of course learn much this year and hope to take it to the next level next year.

How many guests have come?
All together including acts and stuff we were somewhere in the region of a little under 1500.

From which countries did audiences come to the event?
We had people reach from: Angola, South Africa, Japan, Mexico, Brazil, San Francisco, Colorado, Lithuania, Germany, Italy, France, Spain, Greece, Romania, Poland, Sweden, The Netherlands, Belgium, Switzerland, Portugal, the UK of course and I am sure I am forgetting a couple more! Interestingly demographic wise: most of the ticket buyers were from abroad! Very few from the UK!

Was it the biggest dub event in Europe?
Certainly YES. Historical business!

What is – in your oppinion – the current health status of Dub?
I think mainly due to the sound system culture rise in Europe there is a strong yet underground scene in ever country with places like France leading the way in terms of popularity of the scene.

Is dubstep responsible for the new interest in dub?
Perhaps, certainly the switch back to bass heavy, dubplate culture music has helped a whole new generation link with the history of bass music more and thus inevitably come across dub. I don’t think however, that it was a conscious thing of the dubstep scene! I think they came across the same values, sub music, bassline, dubplates, vinyl etc. by chance and by the simple fact they grew up in the melting pot that is London and the UK in general! But then after arriving they started finding all the links to the past. A bit like how jungle once also went around the world.

Where today do the most interesting dub productions from?
The beauty of this scene is although based on and inspired by Jamaica, it grew and matured and evolved in the UK but then spread everywhere! There are great dub productions coming from everywhere! UK to Brazil, Japan to France and now even back again in Jamaica with the son of Augustus Pablo, Addis Pablo, picking up the ‚rockers‘ rains.

Who are the most innovative producers in your view?
I am a big fan of Vibronics (who I work with closely so fully biased), Iration Steppas, Manasseh, Bush Chemists, the classics basically but also as a radio dj weekly get to spin tough dubs from labels all over the world with new sounds and attempts at fusing new musics whilst retaining the authentic dub sound.

What exactly is their innovation?
As well as innovations in technics and compositional approaches the thing I see more and more is the local music of each outernational producer affecting more and more the music they make, adding so much more depth and variety to our music!

Is the development of dub completed?
Definitely not. It is forever changing as it is being absorbed by the different cultures around the world. Especially together with the Sound System culture which also has evolved in many places like Italy to a much more communal, coming-together-of-people type of affair much more so then the original highly militant and competitive nature of early sounds in JA and the UK.

Where will the development lead to?
No one knows. But surely a much more organic and people-orientated way of organizing dances! The message also is very important! Conscious and positive!!!

What makes a good dub?
The tune itself obviously… The bassline and beat, the performance of the vocalist… But then its all about the deconstruction of that song structure into a more abstract world of sound and space that is dub. The technic of the producer to pick out parts of the song, to extenuate, to remix. All those things that are actually at the heart of all dance music, which is common knowledge, owes so much to the early dub producers like King Tubby, Lee Perry and Scientist.

And what is the main ingredient of a dub?
I would say in one word: „Space“.

Do you make a distinction between dub for Sound Systems and the rest of the genre?
No, not really although that is where one can experience the fullness of the tune the way it was meant to sound. We got used to a certain „armchair“ attitude to tough dubs like those of King Tubby here in Europe at first. A sort of lounge style music when it was always intended to be played through a custom bass heavy sound system and it was always intended as dance music. Without the weight and bass of the sound the music loses it‘s energy and becomes „chill-out“. That‘s why as performers and producers we are always dubious of club PAs. They are not the right equipment for the music.

More Info: UNOD-Weekender on Facebook

Kategorien
Review

Dubblestandart: Woman in Dub

Woman in Dub

Warum sind Frauen im Reggae eigentlich so dermaßen unterrepräsentiert? Ganz anders als etwa beim Pop, gehören Business und Bühne des Reggae den Männern. Dabei gibt es doch eigentlich nichts Schöneres, als eine helle, klare Frauenstimme über einem kraftvollen Reggae-Beat, oder? Wer sich in das Werk von Marcia Griffith oder Etana vertieft, wird zwangsläufig zu diesem Schluss kommen. Und trotzdem sind Female Artists absolute Mangelware. Genau deshalb besitzt der Titel des neuen Dubblestandart-Albums „Woman in Dub“ einen hohen Aufmerksamkeitswert. In Dub? Wer hier Instrumentalmusik erwartet, liegt natürlich völlig falsch. Würde ja auch irgendwie keinen Sinn ergeben. Die Österreicher nehmen es mit dem Dub im Titel jedenfalls nicht ganz so eng und präsentieren nonchalant 12 Tracks mit weiblichen Vocals im Vorder- und männlichem Dub im Hintergrund. 12 Tracks: 10 Frauen, wobei es dem bedauernswerten Frauenmangel des Reggae geschuldet ist, dass nur drei von ihnen unserem Lieblingsgenre entstammen: Marcia Griffith, Jazzmin Tutum und Ari Up. Die anderen neun Damen widmen ihre Stimmen normalerweise Pop-, Soul- oder House-Tunes. Daher wundert es nicht, dass der Sound der „Woman in Dub“ trotz dubbiger Reggae-Beats eher soulful anmutet und mancher Song offensichtliches Club-Crossover-Potential in sich birgt. „With Music We Communicate“ ist so ein Kandidat. Ein ruhiger, teils mit akustischer Gitarre angereicherter Reggae-Rhythmus begleitet hier Coshivas ungemein sanften, souligen Gesang. Ein melodiöser, schlicht wunderschöner Song. „Broken English“ mit Kira Nathaniel ist auch absolut Pop-tauglich. Ihr herber, kühler Gesang in Kombination mit Dubblestandarts treibendem Beat erinnert stark an die legendäre Zusammenarbeit von Grace Jones und Sly & Robbie. Chezere, die schon mit Jamiroquai und Bob Sinclair zusammen gearbeitet hat, liefert mit „Another Life“ hingegen einen lupenreinen Reggae-Song. Melodie, Rhythmus, Sound – ein großartiger Song. Gleiches gilt für „Holding You Close“ von der umwerfenden Marcia Griffith – ein Song, dem Dubblestandart zuletzt zwei EPs mit insgesamt 22 (!) Versionen gewidmet hat. Doch so schön die einzelnen Stücke auch sind, so harmonisch sie zusammen passen und so sehr es sich lohnt, für die weibliche Stimme im Reggae eine Lanze zu brechen, so wenig überzeugt das Konzept „Woman in Dub“ als Album. Es drängt sich unweigerlich der Eindruck auf, es statt mit einem Dubblestandart-Album mit einem Themen-Sampler zu tun zu haben. Auch die Tatsache, dass die drei einzigen echten Dubs als Bonus-Tracks etwas lieblos am Ende des Albums hängen, statt geschickt platziert im Flow der Tracks mitzuspielen, verstärkt den Sampler-Eindruck. Irgendwie fehlen eine überzeugende Dramaturgie, reizvolle Kontraste – und schlicht etwas Abwechslung. Die Summe ist mehr als ihre Teile – das trifft hier nicht zu. Die Teile jedoch sind klasse!

My verdict: Nice, soulful songs. But the record sounds more like a sampler than an album.
My rating: 7 (out of 10)
Check it out: Amazon

Kategorien
Review

Lendublikation: Insane Dub Trips

Insane Dub Trips

Lendublikation aus Italien haben ein schönes neues Album vorgelegt: „Insane Dub Trips“ (Lendublikation). Auf dem Cover ist ein meditierender tibetischer Mönch, mit verbundenen Augen auf einem Riesenschwein reitend, abgebildet. Ganz schön „insane“. Die Musik kokettiert nicht minder mit dem Verrücktsein, ist aber tatsächlich einfach nur gut. Verspielte, ideenreiche, stets überraschende Dubs mit klasse Melodien, soliden Beats und guten Mixen. Komposition, Arrangement und der ausgeprägt individuelle Charakter der einzelnen Stücke lässt sie einem klassischen Song fast ähnlicher erscheinen, als einem aus purem Rhythm & Sound bestehenden Dub. Da zeigt sich mal wieder, wie schön umfassend und offen unser Lieblingsgenre ist – und dass es uns immer wieder überraschen und glücklich machen kann.

My verdict: Playfull dubs, full of ideas, always surprising with great melodies.
My rating: 7 (out of 10)
Check it out: Juno

Kategorien
Review

Ashley: Dub From Creation

Dub From Creation

Auf dem von mir sehr geschätzten Netlabel Dubkey ist soeben das neue, kostenlose Album von Ashley erschienen: „Dub From Creation“ (dubkey.com). Obwohl sein im letzten Oktober erschienenes Vorgängeralbum „Tribulation in Dub“ mir nicht sonderlich gefiel – und obwohl „Dub From Creation“ laut Infotext angeblich genau dort anknüpft, muss ich konstatieren: Ich bin sehr angetan. Ein schönes, harmonisches, geschlossenes Album, in dem eine ganze Menge netter Ideen enthalten sind. Der Rhythmus fließt gemächlich, fast träge. Der Sound ist voluminös und kraftvoll, zugleich aber auch völlig unaufdringlich. Zwar wird Ashley damit keinen Innovationspreis abstauben können, wohl aber ein fettes Lob für ein äußerst angenehmes Album.

My verdict: Pure, heavy dub-album with lots of musical ideas. And it’s for free!
My rating: 7 (out of 10)
Free download: Juno

Kategorien
Reggae Review

Ruts DC: Rhythm Collision Vol. 2

Ruts DC

1982 traf die britische Ex-Punkband Ruts DC zum ersten Mal den verrückten Professor in dessen Ariwa-Studio und nahm dort das Album „Rhythm Collision Vol. 1“ auf, das seit Bestehen des Labels Echo Beach dort rauf und runter gemixt wird. Nun, 31 Jahre nach diesem Werk, haben die verbleibenden Ruts-Mannen wieder bei Mad Professor angeklopft, um dort ein neues Dub-Album zu produzieren. Darüber dürfte sich Prof. Neil Fraser sehr gefreut haben (ebenso wie Echo Beach), denn selbst nach über drei Dekaden sollte der legendäre Name der Ruts noch eine Käuferschicht jenseits des Reggae-Stammpublikums mobilisieren können. Weniger gefreut hat sich der Professor aber wahrscheinlich darüber, dass seine ureigenste Profession, nämlich der Mix des Albums, gar nicht gefragt war. Diesen Job sollte Prince Fatty übernehmen. Nun liegt das vielversprechende Werk, „Rhythm Collision Vol. 2“ (Echo Beach), endlich vor – und ist gar nicht schlecht geworden. Okay, Enthusiasmus klingt anders. Letztendlich ist es eine Frage des Geschmacks. Mir kommt es eher wie ein Instrumentalalbum vor. Es ist bei weitem nicht so deep, wie ich mir ein modernes Dub-Album wünsche, andererseits ist es aber auch nicht so verspielt, wie ich es Prince Fatty durchaus zutraue. Statt auf puren Rhythm & Sound, setzten die Ruts DCs auf klassische Songstrukturen und authentischen Band-Sound. Und da kann man nicht meckern: Die Songs sind größtenteils wirklich gelungen und die Gastvokalisten (Tenor Fly, Molara, Aynzli Jones u.a.) durch die Bank sehr gut. Natürlich gibt es auch gute Dubs. Der Track „Sun and Stars“ ist so ein Fall. Von Prince Fatty wunderbar dekonstruiert, entschlackt und puristisch gemixt. Ebenfalls ein großer Old-School-Dub, der klingt, als hätte Scientist mit Augustus Pablo im Studio gesessen, ist der Track „Heavyweight Style“. Davon hätte ich mir mehr gewünscht.

My verdict: 31 years later – here it is: the new album from ex-punk-band Ruts DC. More instrumental than pure dub. But the songs are nice.
My rating: 6 (out of 10)
Check it out: Juno

Kategorien
Review

King Size Dub: Germany Downtown, Chapter 2

King Size Dub

Wer schön regelmäßig diese Dub-Rubrik liest, wird wissen, dass es in Deutschland eine ziemlich rege – und vor allem im Vergleich zum UK, zu Frankreich und Italien, eine ausgesprochen innovative Dub-Szene gibt. Das Hamburger Label Echo Beach widmete in der Vergangenheit bereits zwei King Size Dub-Sampler (1997 und 2004) dem Dub aus Deutschland. Nun liegt die dritte Bestandsaufnahme vor: „King Size Dub: Germany Downtown, Chapter 2“ (Echo Beach). 18 Tracks, die eine klare Botschaft vermitteln: noch nie war Dub outa Germany so gut wie heute. Das wird schon beim ersten Track mehr als deutlich: „Let There Be Dub“, Alldubbs ultimatives Dub-Manifest in einem beeindruckenden Remix. Mit wuchtig grollendem, dem Dubstep entlehntem Wobble-Bass, erschafft der Dub-Gott das ganze Genre, auf dass es sich Drum & Bass zum Untertan mache. Wie das geht, demonstriert sogleich Track Nr. 2: „Honeybadger“ von Chassy Wezar (der Sohn des Hamburger Dub-Veteranen Matthias Arfmann). In bester Major Lazer-Manier kombiniert er hier Samples von Yabby Yous Klassiker „Conquerin Lion“ mit der hellen Stimme Onejirus und mixt daraus einen grandiosen, clubtauglichen Dub, der locker das Potential hat, weit über die eingefleischte Fanbase des Dub hinaus für Furore zu sorgen. Ziemlich abgefahren ist hingegen die Kombination eines Dub Spencer & Trance Hill-Dubs mit klassischem Operngesang, was auf dem Track „Credo“ absolut wunderbar funktioniert. Noch einen drauf legen Hey-O-Hansen und Jazzmin Tutum mit ihrem ebenso skurril-schrägen, wie genialem Tune „Africa Don‘t“, auf dem der typische Tirol-Dub der Wahlberliner auf die Dub-Poetry von Mrs. Tutum trifft. Diese kleine Auswahl macht schon klar: das Interesse deutscher Dub-Artists gehört dem Experiment, dem Überschreiten von Genre-Grenzen und dem in Frage stellen von Konventionen. Mir gefällt das. Obwohl ich Steppers-Dub als „Software“ fürs Soundsystem wirklich liebe, so gehört mein Herz doch einem offenen, progressiven Verständnis von Dub, das keine Tabus akzeptiert, Tradition zwar respektiert, aber auch beherzt mit ihr bricht und in unbekanntes Terrain durchstartet. Das kann natürlich scheitern. Doch „King Size Dub: Germany Downtown, Chapter 2“ beweist in 18 Fällen, dass es auch wunderbar gelingen kann.

My verdict: Great sampler with innovative dubs made in Germany.
My rating: 8,5 (out of 10)
Check it out: Juno

Kategorien
Review

Fade 2: Interzone Dub

Interzone Dub

Da ist mir letztens ein ziemlich cooles Album über meinen Klickpfad bei Soundcloud gelaufen: „Interzone Dub“ (Black Redemption) von Fade 2. Super deeper Soundsystem-Dub mit fantastischen Basslines und hypnotischen Beats. Was mir besonders gefällt: Trotz Four to the Floor-Steppers-Basis, haben wir es hier mit richtig schönen Kompositionen zu tun. Da stecken echte Melodien in den Bassnoten und gelegentlich ergreift auch mal ein Sänger das Wort. Der Sound ist warm und wohlig, der Mix eher zurückhaltend, die Beats hingegen kraftvoll und treibend. Alles sehr schön. Wer Fade 2 eigentlich ist? Keine Ahnung. Ich habe selten erlebt, dass Musiker entweder so bescheiden hinter ihrer Musik zurück treten, oder aber Internetphobiker sind wie Fade 2. Also muss die Musik genügen – und das tut sie.

My verdict: Heavy soundsystem-dub with great basslines and hypnotic beats.
My rating: 8 (out of 10)
Check it out: Juno

Kategorien
Review Sonstiges

The Orb Featuring Lee Scratch Perry: Present The Orbserver In The Star House In Dub

The-Orb-Dub

Verrisse spare ich mir gerne, aber zu einem Album wie „The Orb Featuring Lee Scratch Perry: Present The Orbserver In The Star House“, das Ende letzten Jahres erschien, muss man einfach Stellung beziehen. Meines lautete: Lee Perry und The Orb passen zusammen wie das Plancksche Strahlungsgesetz und Micky Maus. Hinzu kommt: Perry ist schlimm, wie in den letzten 30 Jahren nicht anders gewohnt. Die Elektronik von The Orb ist hingegen ganz in Ordnung – hat nur leider mit Reggae nichts zu tun. Doch nun, knapp ein halbes Jahr später, machen The Orb endlich Nägel mit Köpfen, denn sie präsentieren mit „The Orb Featuring Lee Scratch Perry: Present The Orbserver In The Star House In Dub“ (Cooking Vinyl) eine Remix-Version des obigen Albums, auf der Perry in zumindest 50 Prozent der Tracks den Mund halten muss. Und zwar auf den 11 Instrumentalversionen, die zwar nach wie vor nichts mit Reggae zu tun haben, aber trotzdem – und das hört man erst jetzt ohne Perrys Redeschwall so richtig – ziemlich klasse sind. Statt öder House-Beats, bieten sie abgefahrene Rhythmuskonstruktionen, gespickt mit zahllosen Samples der analogen Musikwelt. Manche Tracks lassen eher an Funk, Afrobeat oder vertrackte Minimal-Produktionen denken, als dass sie gängige House-Klischees bedienen. Eigentlich haben die beiden Orb-Hintermänner hier so etwas wie Dub produziert, ihn allerdings durch die Unterschlagung des Reggae-Offbeats geschickt getarnt. Und noch etwas fehlt: Hall & Echo. Doch keine Sorge, genau das bieten die anderen 12 Tracks – allesamt Remixe dreier Songs: „Golden Clouds“, „Soulman“ und „Ball Of Fire“. Richtig spannend für Dubheads (mit Reggae-Offbeat-Vorliebe) sind davon allerdings nur vier Stücke, nämlich jene, bei denen Minimal-Produzent Deadbeat und Dub-Über-Producer Mad Professor an den Reglern saßen. Ersterer hat Perry & The Orb in eine Echokammer geschickt, aus der es scheinbar kein Entkommen gab. Vollkommen hypnotisch, geradezu mystisch, wabert sein Basic Channel-Minimal-Beat durch Zeit und Raum, während Perrys auf Silben gekürzte Vokals scheinbar endlos widerhallen. Mad Professor hat in seinem „Remix“ dem Orb-Original offenbar gar nicht vertraut und einen komplett neuen Reggae-Rhythmus unterlegt. Ich finde: es ist einer seiner besten Dubs der letzten Jahre geworden.

Kategorien
Review Sonstiges

Dubstep-Remix-Contest mit BENGA

Zur Feier seines neuen Albums „Chapter 2“ veranstaltet der Star der britischen Dubstep-Szene in Kooperation mit der Künstler-Plattform Talenthouse einen Remix-Contest für seine Fans. Benga lädt DJs, Remixer und Produzenten aus der ganzen Welt ein, ihren eigenen Spin auf die erste Single des Albums mit dem Titel ‚Forefather feat. Kano‘ zu geben.  Für den Wettbewerb werden die Original-Stems zur Verfügung gestellt. Jedes Genre, jeder Musikstil ist willkommen! Der Remix des Gewinners wird gemeinsam mit dem offiziellen Remix-Bündel veröffentlicht und auf allen offiziellen Online-Kanälen von Benga promotet. Das ist eine Riesenchance für Musiker, schlagartig bekannt zu werden. Zusätzlich gibt es $ 1.000.
Wer an dem Remix-Contest mit Benga teilnehmen möchte, muss seinen Track bis 30. Mai 2013 auf Talenthouse.com hochgeladen haben. Vom 31. Mai bis 07. Juni kann über die eingereichten Remixe in einem öffentlichen Voting abgestimmt werden. Der Votingsieger gewinnt 500 US-Dollar und jede Menge Promotion. Benga selbst wird gemeinsam mit Kano den Gewinner bestimmen!
Weitere Infos gibt es hier: http://bit.ly/10rIwPm

Kategorien
Review

Mahala Rai Banda: Balkan Reggae

Balkan Reggae

Ich habe ein neues Naturgesetz entdeckt! Ich bin sehr stolz auf diese Entdeckung und ich publiziere sie hier zum ersten Mal. Also: immer, wenn man den hiesigen Worldmusic-Sender anschaltet, folgt spätestens nach dem dritten Lied ein Reggae-Stück. Dabei muss es sich nicht unbedingt um eine echte Reggae-Produktion handeln. Es kann auch z. B. ein Cumbia-Digital-Track mit deutlichem Reggae-Offbeat sein, oder ein Nouvelle Chanson mit Reggae-Backing. Dieses Gesetzt bestätigt sich nun kontinuierlich seit ca. fünf Jahren. Was lässt sich daraus ableiten? Ganz einfach: Die Worldmusic-Szene ist vom Reggae-Rhythmus durchsetzt. Egal, aus welchem Winkel der Welt ein Stück kommt, ein Reggae-Beat passt immer dazu. Die Nähe von Reggae zu Bhangra haben Sly & Robbie schon vor fast zwanzig Jahren bewiesen, dass Balkan-Beats und Reggae perfekt zusammen passen, hört jedes Kind, und dass Tecno Brega oder Cumbia Digital Reggae mit anderen Mitteln sind, liegt auf der Hand. Daher ist es nur konsequent, dass die rumänische Gypsy-Band Mahala Rai Banda den Remix ihrer letzten Single „Balkan Reggae“ in die Hände von Reggae-Dub-Koryphäen gelegt hat und ganz stilecht in den gleichnamigen One-Riddim-Dub-Sampler „Balkan Reggae“ (Asphalt Tango) verwandeln ließ. So bekamen u.a. Nick Manasseh, Mad Professor, Vibronics oder gar Kanka die Gelegenheit, Balkan-Funk in wuchtige, instrumentale Reggae-Dub-Tunes zu verwandeln. Das kann nix werden? Völlig falsch! Auch wenn single-minded Reggae-Puristen die Nase rümpfen, ich liebe das Album, gerade weil es Konventionen über den Haufen wirft und unverschämt postmodern zwei musikalische Welten miteinander vermischt. Das Ergebnis ist jedenfalls echter Reggae, mit hervorragenden Balkan-Bläsersätzen, einer coolen Bassline und wirklich schönen Melodien. So habe ich Dub noch nie gehört – aber ich will unbedingt mehr davon.

Hörprobe bei iTunes