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Alborosie: Dub the System

Dub the System

Das musste ja so kommen: Alborosie ist so dermaßen ein in der Wolle gefärbter Old-School-Fanatiker, dass es für ihn geradezu Pflicht ist, einem Vocal-Album die Dub-Version folgen zu lassen. So hat man es schon in den 1970er Jahren gemacht, und so ist es auch 2013 gut. Also, her mit der Scheibe – die natürlich aus schwerem, schwarzen Vinyl besteht: „Dub the System“, dem Dub-Reworking des vor wenigen Monaten erschienenen Albums Sound the System (Greensleeves). Den alten Thorens hervor gekramt und die Nadel in die Rille. Tatsächlich! Musik – physisch und analog. Und was da aus den Lautsprechern schallt, passt perfekt zu dem fast vergessenen Vinyl-Ritual: nämlich klassische, analog gemixte und durch historisches Studioequipment veredelte Dubs. Keine neumodischen Spielereien, kein Dubstep, kein Steppers, keine digitale Elektronik – nur ein Man und sein Mischpult. Pupa Albo ist der Alleinunterhalter auf dieser Reise in die Sphären des originalen, jamaikanischen Dub. Es ist seine Musik durch und durch, denn er spielte nicht nur nahezu alle Instrumente selbst, sondern war auch recording engineer und natürlich auch Dub-Mixer (lediglich das Mastering überließ er Kevin Metcalfe in London). Wenn Alborosie an den Reglern sitzt, dann ist es keine Frage, wohin die Reise geht: Schon die ersten Takte – unverkennbarer Sly & Robbie-Sound – machen klar: das Album ist in jeder Note eine Huldigung an den Roots-Sound der späten 1970er Jahre, analog aufgenommen und durchweg handgespielt. Hall, Echo und das Ab- und Anschalten von Tonspuren sind hier die einzig erlaubten Effekte. Ein puristisches Setting, das allerdings schon einiger Ideen bedarf, um mehr als nur die bloße Reinkarnation des 70ies-Dub zu sein. Mehr sein bedeutet: ein Dub-Album, das der Tradition verpflichtet ist, aber unsere von 40 Jahren Dub-Erfahrung geprägte Hörgewohnheiten trotzdem zu überraschen vermag. Ist dem Sizilianer dieses Kunststück geglückt? Ich bin da nicht so sicher. Die Rhythms sind gut („Guess Who’s Comming to Dinner“ und „Zion Train“ sind darunter), die Kompositionen sind gut, die Arrangements sind auch gut und letztlich ist auch das Dub-Mixing nicht schlecht. Aber andererseits fehlt da noch etwas, um mich wirklich glücklich zu machen. Wenn das Wesen des Dub wirklich darin besteht, einen Track vollständig in seine Bestandteile zu zerlegen und zu seinem Kern, bestehend aus purem Drum & Bass, vorzudringen, um den Dub von dieser Basis aus neu aufzubauen, dann ist Alborosie nur die Hälfte des Weges gegangen. Dub the System könnte mehr Konsequenz vertragen. Nach meinem Geschmack, dürften die Dubs deutlich radikaler sein. Vielleicht scheute sich der Entertainer, der Pupa Albo zweifellos ist, sein Publikum herauszufordern, ihm die Harmonien und üppigen Arrangements zu verweigern und den unbekümmerten Spaß durch Faszination zu ersetzen. Vielleicht liebt er seine Musik aber auch zu sehr, um sie brutal zu beschneiden und umzubauen. Der Mut zu Destruktion hat ihm gefehlt – was bahnbrechende Dubs leider unmöglich macht, aber irgendwie trotzdem sympathisch ist.
Rating 4 Stars

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