Ein neuer Name mit altbekannten Protagonisten aus dem Sound-System-Dub-Umfeld der West-Londoner Nachbarschaft von Ladbroke Grove und Notting Hill. Hier entstand in den späten 70ern das Coverfoto, hier hat Nick Manasseh sein Studio The Yard, wo er zusammen mit David Hill die Soul Revivers ins Leben gerufen hat. Beide sind eher dem linken Flügel der jamaikanischen Musik zugetan und lieben die Roots der 70er Jahre. Der eine war Steppaz-Influencer der ersten Stunde und hat mit Sound Iration gespielt, der andere wurde nach seiner Zeit bei den Ballistic Brothers Berater für Label wie Soul Jazz oder Auralux. Mit Musikern der lokalen Jazz- und Reggae-Szene produzierten Manasseh und Hill im Yard das Album „On The Grove“, eine Kollektion von Vocal- und Instrumental-Tunes. Daran beteiligt unter anderen der Gitarrist und Gründer der Band Galliano und der Ruff Cut Drummer Adrian McKenzie, dessen filigran-virtuoses Spiel in dem Retro & Roots Set die stilistische Brücke zur Gegenwart baut. Die Hälfte der Songs sind jazzig angehauchte Instrumentals, zwei davon dienen dem Gitarristen Ernest Ranglin als Vorlage für Improvisationen. Ein opulenter Bläsersatz ist mit Veteranen wie Henry Tenyue, der schon auf Aswads „Live & Direct“ dabei war, und jungen Stars der Szene besetzt. Darunter die Trompeterin Sheila Maurice-Grey, deren Afro-Jazz-Band Kokoroko derzeit in London alles abräumt. Sie spielt das Solo auf der Instrumental-Version zu Earl 16s „Where The River“. Die Vocaltunes stammen durchweg von prominenten Artists. Earl 16 hat noch einen zweiten Tune, basierend auf seinem 1976 für Augustus Pablo aufgenommen Song „Changing World“. Der Song erlebt hier seine Auferstehung als „Got To Live“ und ist jetzt gesegnet mit einem Bläserthema für die Ewigkeit. Der 1997 verstorbene jamaikanische Sänger Devon Russel, den Manasseh noch kurz vor dessen Tod aufgenommen hat, singt Curtis Mayfields „Underground“. Das alte Studio One Playback „Tripe Girl“ der Heptones wird aufgefrischt für einen neuen Song der Soul-Sängerin Alexia Coley. Und Ken Boothe steuert einen Tune bei, über den David Rodigan sagt: „Glaubt mir, mit der Zeit wird ‚Tell Me Why‘ als einer seiner größten Tracks angesehen werden.“ Es war klar, dieses Album brauchte ein Dub-Pendant. Und es war ebenso klar, dass die Dubs analog am Mischpult entstehen mussten. „In Zeiten in denen Musik komplett am Computer entsteht“ sagt Nick Manasseh, „bleibt das Mischen von Dub ein Bereich, in dem Old School Mischpulte sowie Filter-, Hall- und Echogeräte unersetzlich sind für das organische Gefühl von Dub.“ Dort wo die Aufnahmen von „On The Grove“ entstanden, hat Manasseh auch „Grove Dub“ gemischt. Von der Musik hinter den Gesängen schuf er filigrane, zu keinem Zeitpunkt grobschlächtige Mixe, über die sich ein Netz malerischer Echos spannt. Schon der Auftakt „Meanwhile Dub“ zelebriert die Dubkunst als dynamisches Wechselspiel zwischen Offbeat, Posaunen-Fills und Drum’n’Bass-Parts. Der dezente Charme des unaufdringlichen Openers setzt sich fort in den weiteren Titeln, bei denen die ursprünglichen Sänger und Instrumentalisten nur noch Farbtupfer liefern. Am Computer wäre etwas anderes entstanden, da ist sich Manasseh sicher, seine Mixe stehen für den Augenblick in dem sie passieren: „Dub ist spontan. Du entscheidest on the fly und es dauert genauso lange wie der Tune läuft. Drei Minuten dreißig und du hast einen Dub.“ Die Veröffentlichung beider Alben auf dem renommierten Acid Jazz Label zeigt den hohen Stellenwert beider Platten, die vom NuJazz-Hype Londons genauso geprägt sind wie von den goldenen Jahren der Dread & Roots Ära.
