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Pinnacle Sound: In Dub, Vol. 1

Auf den letzten Metern des Jahres 2023 erschienen, gehört das Album „In Dub, Vol. 1“ (Bat Records) von Pinnacle Sound für mich zu den Jahres-Highlights. Okay, ich habe Retro-Sound oft genug kritisiert und in der Tat kann man sich die Frage stellen, wie viel Sinne es ergibt, den Sound historischer Reggae-Stile nachzuspielen. Aber andererseits ist das historische Material rein quantitativ schon begrenzt – von der Klangqualität ganz zu schweigen. Wenn also neue Musik in historischem Stil entsteht, so lässt sich das leicht als eklektizistisch oder historistisch abtun, aber zugleich kann es ganz wunderbare Musik sein. Vielleicht würde es helfen, das „historisch“ zu streichen, und den Stil einfach ganz ohne implizite Wertung als das zu nehmen, was er ist: eine charakteristische Klangform. Wie wäre es also, wenn wir „Early Reggae“ einfach als Musikstil ohne historische Dimension verstehen würden? So wie z. B. Steppers oder One Drop? Obwohl der Vergleich hinkt, wäre das eine willkommene Lösung für mein Dilemma, dass mir das neue Werk von Pinnacle Sound so ungemein gut gefällt – obwohl es historisch anmutender Early Reggae in Reinform ist. Ich liebe das Album: Der Sound ist so unwiderstehlich frisch, so energetisch und so eingängig, dass es eine pure Freude ist – und sich jegliche akademische Diskussion über die Rechtfertigung von Eklektizismus von selbst verbietet. Abgesehen davon, bietet „In Dub, Vol. 1“ eine Qualität von Dub, wie sie vor 50 Jahren noch nicht existierte.

Mein neues Lieblingsalbum ist auf Bat-Records erschienen, jenem kleinen in Clermont-Ferrand ansässigen Studio und Label, dem neben Pinnacle Sound auch die Dub Shepherds angehören. Beides Schöpfer eines wunderschönen Retro-Reggaes. Beim vorliegende Dub -Album haben Pinnacle Sound und die Dub Shepherds kongenial zusammen gearbeitet, handelt es sich doch um die Dub-Version des Pinnacle-Albums „Soul Medicine“ von 2022, das seinerzeit von den Dub Shepherds gemixt (und wahrscheinlich auch mit-eingespielt) wurde. Was lag näher, als auch den Dub-Mix in die Hände der Schäfer zu legen? Und die haben fantastische Arbeit geleistet. Wollte man in einem Musikseminar erklären, was Dub ist, dann bräuchte man nur den Track „Psam 2“ von „Dub Medicine“ spielen und danach die Dub-Version „Psalm 150“ auflegen. Das Seminar könnte wortlos bleiben, denn der Dub bringt genau auf dem Punkt, worum es bei unserer Lieblingsmusik im Kern geht: Darum, mit Hilfe des Mixes ein gänzlich eigenständiges Musikstück zu kreieren. Der Unterschied zwischen den beiden Psalmen könnte – trotz identischer Materialbasis – größer nicht sein.

Auch, wenn der Psalm etwas ganz besonderes ist, so überzeugt das Album auf ganzer Länge. Jeder Dub ist ein durchkomponiertes Musikstück mit wunderbaren Arrangements, großartigen Melodien und guten Mix-Ideen, die weit über den (sparsamen) Einsatz von Hall und Echo hinaus reichen. Ein Mix, der den Stücken eine regelrechte Dramaturgie verleiht – wie ein Meta-Arrangement. Ich bin froh, dass dieses Album noch 2023 erschienen ist, kann ich auf diese Weise doch der These von gtk, dass die Jahresausbeute 2023 schlecht sei, mit Inbrunst mit voller Überzeugung widersprechen.

Bewertung: 5 von 5.
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Five Star Review

Jah Myhrakle: Who Keeps The Seals Dub

Beginnen wir doch mit einem Kommentar und der darin enthaltenen Feststellung von lemmi: „… da es wohl sehr schwer zu sein scheint, da überhaupt etwas drüber zu erfahren!“

Ja, das kann ich ohne weiteres unterschreiben, und weil ich bis heute keinen Fratzebook-Account habe und auch keinen brauche, weiß ich auch nicht, was dort auf dem Account von Jah Myhrakle zu lesen ist. Gutes Marketing sieht anders aus. Was ich von Jah Myhrakle über andere Kanäle herausfinden konnte, ist, dass er mit bürgerlichem Namen Eric Garbutt heißt und aus Belize kommt. Bereits 2020 veröffentlichte er sein drittes Album „All 4 U“. In der Zwischenzeit sind noch etliche dazugekommen. Es ist der helle Wahnsinn, wie viele Tracks von Jah Myhrakle alleine bei Amazon zu finden sind. Im Mai 2023 wurde „He Who Keeps The Seals“ veröffentlicht, dem dann im Juli „He Who Keeps The Seals Dub “ (Gold Den Arkc Recordsz) folgte. Wie schon auf den Vorgängeralben zeichnet sich auch Jah Myhrakles neues Album „He Who Keeps The Seals (Dub)“ durch einen originalen Roots-Reggae-Sound aus, der auch seine kraftvolle Stimme und die spirituelle Botschaft von Rastafari sehr überzeugend zum Ausdruck bringt. Die Vocals wurden in Brooklyn, New York, bei Gold Den Arkc Recordsz aufgenommen und abgemischt. Wo die fantastischen Dub-Mixe entstanden sind und wer dafür verantwortlich ist, kann ich leider nicht mit völliger Gewissheit sagen. Da Jah Myhrakle aber schon öfter mit dem einflussreichen Produzenten und Soundengineer Laurent „Tippy“ Alfred von I Grade Dub aus St. Croix zusammengearbeitet hat, könnte ich mir vorstellen, dass der auch dieses Album gemixt und gemastert hat. Die fetten Dub-Soundscapes und der gemächliche, ruhige Flow lassen mich darauf schließen. Die One-Drop-Riddims und sanften Basslines verschmelzen mit leicht Jazz-inspirierten Gitarren-Sounds, akustischen Texturen und eingewobenen Dub-Elementen zu einem prächtigen Gesamtwerk. Irgendwo kann ich in der vorliegenden Musik auch eine enge Verwandtschaft zu dem im November 2019 verstorbenen Vaughn Benjamin von Akae Beka heraushören, mit dem Jah Myhrakle ebenfalls zusammengearbeitet hat. Jah Myhrakle ist offensichtlich unerschütterlich auf seiner Mission, die kraftvolle Botschaft Rastafaris unter das Volk zu bringen. Für mich ist der vielschichtige Sound von „He Who Keeps The Seals Dub“ Meditation, Inspiration und Intensität in einem.


Kurzum: Jah Myhrakle ist ein elektrisierender Reggae-Künstler, der dich – im positiven Sinne – mental und spirituell beeinflussen wird.

Bewertung: 5 von 5.
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Kubix: Guitar Chant (Deluxe Edition)

Auch wenn man es vordergründig meinen könnte: Kubix ist keinesfalls der Sohn von Talentix, dem „Sichelmacher“ aus Lutetia (Paris), der einigen aus dem Asterix-Band V „Die goldene Sichel“ bekannt sein dürfte. Vielmehr ist Kubix ein äußerst talentierter Gitarrist, Produzent und Komponist, der bereits 2005 sein eigenes Label, Attik Productions, gründete. In den Jahren 2015 und 2017 gewann er einen Grammy Award als Gitarrist.
Geboren wurde Xavier ‚Kubix‘ Bègue 1980 in einem der Pariser Vororte. Begeistert vom Gitarrenspiel seines Vaters, beschloss er als Teenager auch dieses Instrument zu lernen. Danach spielte er relativ schnell in Rock- oder Reggae-Bands. Seine Virtuosität an der Gibson führte bald dazu, dass er als Begleitmusiker Künstler wie Barrington Levy, Lee Scratch Perry, IJahman Levi, Horace Andy, Ken Boothe, Mo’Kalamity und viele andere auf den größten Festivals begleitete. Als gefragter Session-Musiker spielte Kubix auch bei einigen französischen Reggae-Bands wie Meta & The Cornerstones und den Colocks, deren „Sur Les Sentiers Du Dub“ aus 2013, leider auch im Dubblog bisher keinerlei Erwähnung fand. Ein weiterer überzeugender Beweis, dass die Franzosen weit mehr als nur langweiligen, monotonen Steppers drauf haben.

Sein erstes Solo-Album „Kubix: Guitar Chant“ (Attic Productions) erschien 2020. Im November 2022 wurden die ursprünglichen elf Tracks um fünf zusätzliche Vocal-Tracks erweitert und als Deluxe Edition erneut veröffentlicht. Das Hauptelement des Albums ist natürlich die Gitarre, aber Kubix hat es tatsächlich verstanden, renommierte Musiker um sich zu scharen, die alle genügend Freiraum erhielten, ihre Virtuosität und Spielfreude unter Beweis zu stellen. So hören wir die japanische Pianistin Aya Kato (Kymani Marley, Sean Paul, Mykal Rose, Meta & The Cornerstones …), den Keyboarder Marcus Urani (Groundation) oder noch wesentlich überraschender: Der legendäre Bassist und Sänger der Gladiators, Clinton Fearon, spielt bei dem Gladiators-Trademark-Track „Mix Up“ den Bass. Bei „Still Standing“ mit klassischen Nyahbinghi Drums und „The Walk“ hören wir den legendären Vin Gordon an der Posaune (Bob Marley, Skatalites, Burning Spear …). Weitere bekannte Gäste auf dem Album sind: Eric „Rico“ Gaultier (Faya Dub & Faya Horns) und Matthieu Bost (Bost & Bim) am Saxofon, Manjul an den Percussions und Manudigital am Bass.
Das Album wurde zwischen Paris (Wise Studio) und New York (Rift Studio) aufgenommen und vereint nicht weniger als 21 Musiker. Geleitet wurden die Aufnahmen von Fabrice Boyer alias Fabwize (Bost & Bim) und/oder Sébastian Houot (Tu Shung Peng), der auch für das Mixing verantwortlich zeichnet. Zum krönenden Abschluss übernahm Jim Fox in den Lion & Fox Recording Studios das Mastering. Ein unglaublich schönes Album, das auch seine Inspirationen aus Kubix’ musikalischen Fähigkeiten und Erfahrungen seiner langen Karriere schöpft. Mal klingt die Gitarre nach George Benson, mal nach Wes Montgomery, mal nach Ernest Ranglin.
Kurz: Wem jazzlastige Instrumental-Alben à la Monty Alexander und Ernest Ranglin gefallen, wird auch bei „Guitar Chant“ genüsslich mit der Zunge schnalzen. Wieder einmal ein vom Dubblog viel zu spät entdecktes Meisterwerk.

Bewertung: 5 von 5.
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Dub Syndicate: Acres of Space

Nach mehr als 20-jähriger Wartezeit ist es endlich, zumindest in den Streamingdiensten, ab sofort wieder zu hören: Die Neuauflage des wohl besten Dub Syndicate Albums wo gibt – von „Acres of Space“ ist die Rede, dass das Echo Beach-Label dankenswerterweise wieder „ins Programm“ geholt hat. Wenn ich mir in Sachen Dub etwas sehnlichst erhofft habe, dann ist es die Wiederveröffentlichung dieses Albums. Chapeau, Echo Beach!

Es wird niemand überraschen, dass ich dieses Album – übrigens als einziges – als Meisterwerk bezeichne und die Review mit (mindestens) 5 Sternen enden wird. Was Style Scott und Adrian Sherwood 2001 hier erschaffen haben, ist mein persönliches Nonplusultra in Sachen Dub; hier stimmt einfach alles: von den Basslines, Arrangements, Produktion, Sound, Dubmix bis hin zur Cover Artwork. Jeder Titel ist „tight“ und „crispy“ – und was Adrian Sherwood mit den in Jamaika eingespielten Instrumentals angestellt hat, ist schlichtweg grandios: Da ist alles dabei, was wir vom ihm kennen, inklusive zusätzlich eingespielter Instrumente wie der Violine oder Harmonika und natürlich der Track für Track maßgeschneiderte Sherwood-Dubmix.

Was bleibt noch zu sagen? Ich könnte mich hier in Superlativen ergießen und warum ich gerade die Metapher „Acres of Space“ im dubblog.de immer wieder bemüht habe. Letztlich lege ich lediglich das Album jedem und jeder ans Herz und wünschte mir, dass ich sechs Sterne vergeben könnte – besser geht nicht.

Bewertung: 5 von 5.
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Jah Shaka Meets Aswad in Addis Ababa Studio

Unglaublich: Jah Shaka alias „The Zulu Warrior“, einer der rätselhaftesten Künstler, Produzenten und Pioniere des Reggae und Dub, die Speerspitze der Londoner Soundsystemkultur ist tot. Er starb (vermutlich) am 12.04.2023. Sein präzises Alter und die Todesursache wurden nicht bekannt gegeben.
Jah Shaka von dem noch nicht einmal sein bürgerlicher Name bekannt ist, war bereits zu Lebzeiten eine Ikone. Geboren wurde er in Chapleton, der Clarendon Parish auf Jamaika. Noch als Kind kam er 1956 mit seinen Eltern als Teil der Windrush-Generation nach London. Für ihn und seine Zeitgenossen waren Musik schon immer ein wichtiges Werkzeug, um die feindliche, rassistische Umgebung zu kompensieren, in der sie sich befanden. Mit ein paar Schulfreunden gründete er 1962 eine Reggae-Band. Ende der 1960er trat er dem lokalen Soundsystem Freddie Cloudburst bei, das ihn zur Musikindustrie führte.

Von der Rastafari- und der US-Bürgerrechts-Bewegung inspiriert, gründete Jah Shaka kurze Zeit später sein eigenes Soundsystem. Ein Schlüsselmoment war, als er 1976 bei einem Clash gegen Lloyd Coxsone antrat, eines der zu der Zeit angesagtesten Soundsystems in England. Es endete damit, dass Coxsone einsehen musste, dass er verloren hatte und den Dance abbrach. Das Jah Shaka-Soundsystem war wenige Jahre nach seiner Gründung das angesehenste Soundsystem außerhalb Jamaikas. Später zeigten sich auf Jah Shakas Dances regelmäßig bekannte Persönlichkeiten der Londoner Reggae-Szene, wie etwa Earl Sixteen oder auch Yabby You.

Ende der 1970er startete Shaka ein eigenes Label, auf dem er seit Anfang der 1980er Jahre eigene Produktionen veröffentlichte, wie die „Commandments of Dub“ Serie. Es entstanden im Laufe der Zeit auch mehrere Kollaborationen mit namhaften britischen Künstlern, wie Aswad und Mad Professor, die aber teilweise auf anderen Labels erschienen. Hinzu kamen auch Aufnahmen mit Horace Andy, Max Romeo und den Twinkle Brothers. Mehrmals reiste er nach Jamaika und produzierte dort in King Tubby’s legendärem Studio in Waterhouse oder im Music Works Studio von Gussie Clarke u. a. mit Veteranen wie Willie Williams und Max Romeo, aber auch mit jungen Musikern wie Icho Candy.

In den 1980ern war Jah Shaka eigentlich abseits des Mainstreams, denn der Trend ging zu digitalen Sounds und Slackness. Während sein Soundsystem mit einem einzelnen Plattenspieler neben dem Mischpult antrat, hielt Shaka als Rastafari an seinem „Roots and Culture“-Programm unbeirrt fest. Neben sozialkritischen Anliegen griff er schon immer vor allem spirituelle Themen der Rasta-Kultur auf, begleitet von donnerndem Bass und monoton-hypnotischen Sounds, mit denen er sein Publikum in Trance-ähnliche Zustände versetzte. Seine Dances entwickelten von Anfang an eine mystische Atmosphäre, die dem Publikum oftmals mehr religiösen oder politischen Veranstaltungen zu gleichen schienen, als gewöhnlichen Party-Veranstaltungen. Jah Shakas Verständnis der Musik war immer spiritueller Art.

Viele britische Dub-Künstler wurden durch Jah Shaka inspiriert, wie beispielsweise die Disciples, aber auch die Slits. Insgesamt entwickelte Jah Shaka einen großen musikalischen Einfluss auf den gesamten britischen Dub und ganz speziell auch auf die Entwicklung von Jungle und Drum & Bass.

Bei einem Hausbrand im Jahr 2000 wurde Shaka schwer verletzt und war lange Zeit außer Gefecht gesetzt. Danach setzte er – stark wie immer – seine Liveauftritte wieder fort und tourte regelmäßig in Großbritannien und gelegentlich andernorts in Europa, den USA oder Japan.

Jah Shaka unterstützte in Jamaika und Ghana verschiedene Sozialprojekte, wie Schulen, Krankenhäuser und Fußball-Jugendmannschaften und war bis zu seinem Tod aktiv. Gerade noch vor ein paar Tagen hat er seine Tourdaten für dieses Jahr bekannt gegeben. Er wollte in ein paar Londoner Clubs und Musikfestivals in Großbritannien auftreten. Darüber hinaus wollte er für seine vielen japanischen Fans durch Japan touren.

Eigentlich wollte ich noch kurz die „Commantments of Dub Chapter Two“ (Jah Shaka Music) besprechen. Da haben mir dann die einschlägigen Streaming-Dienste einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Dennoch bin ich mir sehr sicher, dass auch „Jah Shaka meets Aswad in Addis Ababa Studio“ (Jah Shaka Music) ein erstklassiges Album ist, welches auch euren Nerv trifft. Dieses Set wurde 1985 veröffentlicht, im selben Jahr, in dem der computergesteuerte „Sleng Teng“ Riddim eines Prince Jammy über Jamaika fegte und danach im Reggae nichts mehr so war wie zuvor. In England war „Jah Shaka meets Aswad“ ein Riesenerfolg und schaffte es in die britischen Reggae-Charts.
Dieses 7-Track-Album, mit gerade einmal knapp 30 Minuten Spiellänge, wurde von Aswad eingespielt und komponiert. Produziert, arrangiert und abgemischt wurde es von Jah Shaka. Geniale 30 Minuten Magie, die Aswad vor ihrer Pop-Reggae-Ära in Spitzenform präsentieren. Von „Addis Ababa“ bis hin zu „Shaka Special“ oder „Rockers Delight“ sind es die Kompositionen, die auf monotonen, mächtigen Bass-Lines, Drums und Keyboards basieren, welche die Stärke dieses Albums und ganz besonders Jah Shakas ureigenen Sound ausmachen. Jeder Track nimmt dich mit. Der „Drum Dub“ ist eine Version des Studio One Klassikers „Drum Song“, im Original von Jackie Mittoo, und das „Aswad Special“ ist Augustus Pablos „Cassava Piece“, welches als „King Tubby meets Rockers uptown“ noch viel bekannter ist.

Jah Shaka, du Magier am Mischpult, du soziokultureller Basisarbeiter und kreativer Echokämmerer, ruhe in Frieden.

Bewertung: 5 von 5.
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Studio One Space-Age Dub Special

An diesen Dubs kommt niemand vorbei: Studio One Space-Age Dub Special (Soul Jazz). Hier sind sie alle zu hören, die schönen, nie alternden Studio One-Rhythms – und zwar in Reinform, ohne Gesang. Und vor allen in brillanter Qualität! Ich denke da nur an meine alten Vinyl-Releases: Unfassbar schlechte JA-Pressungen in weißen Covern – nicht gerade Ausdruck von Wertschätzung auf Seiten des Produzenten. Aber die Leute Soul Jazz sind anders drauf. Sie sind echte Sound-Nerds, die das Coxsone-Erbe sorgfältig bewahren und pflegen. Sie haben die Dubs von den Originalbändern remastert, auf ein fettes Album gepackt und mit einem wundervollen Cover versehen, das Clement Dodd im Space-Orbit zeigt. Ein Bild übrigens, das von Lone Rangers Studio One-Album „Badda Dan Dem“ von 1982 inspiriert wurde, auf dessen Cover Sir Coxsone am Steuer eines Raumschiffs im Weltraum zu sehen ist.

Die meisten dieser Tracks stammen aus der lange vergriffener Reihe von Studio One-Dub-Alben, die zwischen 1974 und 1980 veröffentlicht wurden, darunter „Zodiac Sounds“, „Ital Sounds and System“, „Roots Dub“, „Dub Store Special“, „Juks Incorporation“ und andere. Viele dieser klassischen Alben wurden ursprünglich nur in Jamaika in kleinen Auflagen mit speziellen Siebdruck-Hüllen veröffentlicht, alle mit absoluten Minimaldesigns, die heute als Vintage-Vinyl bis zu 100 Britische Pfund kosten.

Den Credit für die Dubs gelten einem fiktiven „Dub Specialist“, hinter dem sich tatsächlich Studio One-Sound-Engineer Sylvan Morris verbergen dürfte. Er, sein Produzent und die genialen Musiker haben viele der besten Aufnahmen geschaffen, die das Genre Reggae vorzuweisen hat. Sie sind hier als zeitlos schöne Dubs zu genießen.

Bewertung: 5 von 5.
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Benjammin: Sons & Daughters Showcase

Ganz einfach ausgedrückt, ist der Baske Roberto Sanchez derzeit einer der besten Produzenten, den Reggae bzw. Dub zu bieten hat. Wer daran zweifelt, dass dem so ist, sollte sich einfach seinen Output anhören. Auch die aktuellen Showcase-Alben des Mannes von der Nordküste Spaniens zeigen, dass der Musiker, Sänger und Produzent seit über 25 Jahren auf allerhöchstem technischem Niveau arbeitet. Aber nicht nur die neuesten Werke aus dem A-Lone Ark Muzik Studio sind fantastisch, auch das vom Dubblog sträflich übergangene „Benjammin: Sons & Daughters Showcase“ (A-Lone Productions) gehört unbedingt in diese Kategorie. Das vor bereits fünf Jahren veröffentlichte Debütalbum des enigmatischen Reggae-Künstlers Benjammin aka Benedict Stobart zieht mich ganz besonders in seinen Bann. Der in England geborene Bejammin lebt seit über zwanzig Jahren im sonnigen Spanien und bewegt sich seit vielen Jahren in Roberto Sanchez’ Umfeld. Auf dem 2018 veröffentlichten „Sons & Daughters Showcase“ Vinyl-Album, finden sich sechs Gesangs-Tracks auf Seite A und sechs Dubs auf Seite B. Der Gesang erinnert an den legendären Burning Spear und/oder auch teilweise an Daweh Congo. Beim ersten Titel des Albums „Be Yourself“, der mit wunderschöner Posaune beginnt, dachte ich zuerst, ich hätte einen Hörschaden. Es kam mir immer wieder Winston Rodney aka Burning Spear in den Sinn. Bejammin hat sich Burning Spears Intonation meisterlich angeeignet. Dennoch klingt das Album keinesfalls wie ein billiges Plagiat. Die musikalische Unterstützung der Lone Ark Riddim Force ergänzt Benjammin perfekt. Was mich bei „Sons & Daughters“ vor allem mitreißt, sind die hervorragend gefertigten Riddims und die inspiriert klingenden Dubs, die das Album zu einem echten Sahnestück machen.
Die Dubs sind wunderbar mit Benjammin-Gesangsschnipseln durchsetzt. Den erstaunlichsten Track auf dem Album, mein Primus inter pares, liefert Roberto Sanchez aber mit dem perryesken „Everywhere Festival Dub“. Der Track klingt tatsächlich, als hätte ihm sein erklärtes Vorbild Lee Scratch Perry über die Schultern geschaut. Ein unglaublich inspirierter Dub. Meines Erachtens das eindrucksvollste Stück auf „Sons & Daughters Showcase“ überhaupt. Insgesamt gesehen, ist das vorliegende Album ein wahrer Leckerbissen und das nicht nur für Dub-Ohren.
Fazit: Das sind modern Roots vom Feinsten. Einfach brillant!

Bewertung: 5 von 5.
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Soul Revivers: Grove Dub

Ein neuer Name mit altbekannten Protagonisten aus dem Sound-System-Dub-Umfeld der West-Londoner Nachbarschaft von Ladbroke Grove und Notting Hill. Hier entstand in den späten 70ern das Coverfoto, hier hat Nick Manasseh sein Studio The Yard, wo er zusammen mit David Hill die Soul Revivers ins Leben gerufen hat. Beide sind eher dem linken Flügel der jamaikanischen Musik zugetan und lieben die Roots der 70er Jahre. Der eine war Steppaz-Influencer der ersten Stunde und hat mit Sound Iration gespielt, der andere wurde nach seiner Zeit bei den Ballistic Brothers Berater für Label wie Soul Jazz oder Auralux. Mit Musikern der lokalen Jazz- und Reggae-Szene produzierten Manasseh und Hill im Yard das Album „On The Grove“, eine Kollektion von Vocal- und Instrumental-Tunes. Daran beteiligt unter anderen der Gitarrist und Gründer der Band Galliano und der Ruff Cut Drummer Adrian McKenzie, dessen filigran-virtuoses Spiel in dem Retro & Roots Set die stilistische Brücke zur Gegenwart baut. Die Hälfte der Songs sind jazzig angehauchte Instrumentals, zwei davon dienen dem Gitarristen Ernest Ranglin als Vorlage für Improvisationen. Ein opulenter Bläsersatz ist mit Veteranen wie Henry Tenyue, der schon auf Aswads „Live & Direct“ dabei war, und jungen Stars der Szene besetzt. Darunter die Trompeterin Sheila Maurice-Grey, deren Afro-Jazz-Band Kokoroko derzeit in London alles abräumt. Sie spielt das Solo auf der Instrumental-Version zu Earl 16s „Where The River“. Die Vocaltunes stammen durchweg von prominenten Artists. Earl 16 hat noch einen zweiten Tune, basierend auf seinem 1976 für Augustus Pablo aufgenommen Song „Changing World“. Der Song erlebt hier seine Auferstehung als „Got To Live“ und ist jetzt gesegnet mit einem Bläserthema für die Ewigkeit. Der 1997 verstorbene jamaikanische Sänger Devon Russel, den Manasseh noch kurz vor dessen Tod aufgenommen hat, singt Curtis Mayfields „Underground“. Das alte Studio One Playback „Tripe Girl“ der Heptones  wird aufgefrischt für einen neuen Song der Soul-Sängerin Alexia Coley. Und Ken Boothe steuert einen Tune bei, über den David Rodigan sagt: „Glaubt mir, mit der Zeit wird ‚Tell Me Why‘ als einer seiner größten Tracks angesehen werden.“ Es war klar, dieses Album brauchte ein Dub-Pendant. Und es war ebenso klar, dass die Dubs analog am Mischpult entstehen mussten. „In Zeiten in denen Musik komplett am Computer entsteht“ sagt Nick Manasseh, „bleibt das Mischen von Dub ein Bereich, in dem Old School Mischpulte sowie Filter-, Hall- und Echogeräte unersetzlich sind für das organische Gefühl von Dub.“ Dort wo die Aufnahmen von „On The Grove“ entstanden, hat Manasseh auch „Grove Dub“ gemischt. Von der Musik hinter den Gesängen schuf er filigrane, zu keinem Zeitpunkt grobschlächtige Mixe, über die sich ein Netz malerischer Echos spannt. Schon der Auftakt „Meanwhile Dub“ zelebriert die Dubkunst als dynamisches Wechselspiel zwischen Offbeat, Posaunen-Fills und Drum’n’Bass-Parts. Der dezente Charme des unaufdringlichen Openers setzt sich fort in den weiteren Titeln, bei denen die ursprünglichen Sänger und Instrumentalisten nur noch Farbtupfer liefern. Am Computer wäre etwas anderes entstanden, da ist sich Manasseh sicher, seine Mixe stehen für den Augenblick in dem sie passieren: „Dub ist spontan. Du entscheidest on the fly und es dauert genauso lange wie der Tune läuft. Drei Minuten dreißig und du hast einen Dub.“ Die Veröffentlichung beider Alben auf dem renommierten Acid Jazz Label zeigt den hohen Stellenwert beider Platten, die vom NuJazz-Hype Londons genauso geprägt sind wie von den goldenen Jahren der Dread & Roots Ära.

Bewertung: 5 von 5.
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Joe Yorke: Noise and Emptiness

Schon klar, Falsetto ist nicht jedermanns Sache. In meinen Playlists findet sich gerade auch deswegen kein einziger Cedric Myton-Track, geschweige denn eines seiner Alben. Anders verhält es sich mit Falsetto-Backing Vocals in der Machart der frühen Aswad-, Steel Pulse- oder Tamlins-Aufnahmen – da passt’s einfach, da wurde harmonischer und ton-sicherer Kopfstimmen-Gesang abgeliefert. Siehe „Baltimore“ – was wäre der Track ohne diese Harmonies?

Auch Joe Yorke’s Debut „Noise and Emptiness“ (Rhythm Steady) liefert mitunter astreinen, treffsicheren Falsetto ab – sowohl als Lead- als auch als wunderbar gelungene Backing-Vocals. Nun sind wir aber das dubblog.de und Stimmen interessieren uns nur peripher; deshalb sei zur Entwarnung darauf hingewiesen, dass das Album mit dubbigen Instrumentals durchsetzt ist. Die Mischung macht’s aus; sie befreit den Release prophylaktisch von der gefürchteten Falsetto-Überdosis. Zweifellos tragen Yorke’s weit gestreute Tätigkeiten als Sänger, Produzent und Komponist zum Erfolg der Produktion bei; auch die eine oder andere Kollaboration mit mid-range Vokalisten wird ihren Anteil daran haben.

Es weht also frischer Wind von England gen die internationale Reggae-Community, was sich vor allem an der hervorragenden Produktion zeigt – alles sauber und vor allem nicht überbordend arrangiert. Das gibt der mitunter fast schon kargen Instrumentierung Raum zum atmen – ähnlich wie wir es aus dem knochentrockenen Rub-a-Dub der frühen 1980er kennen. Und ja, auch hier gibt’s fetten Bass zu hören:

Freilich ist „Noise and Emptiness“ ein Angebot, auf dass sich der werte Dub-Connaisseur erst einlassen muss – auch bei mir war es nicht Liebe auf den ersten Blick. Aber: Die Tunes haben enormes Wachstumspotential und krallten sich im Hörgang des Rezensenten fest. Und so kommt es, dass das Album zu meinen persönlichen Favoriten des Jahres zählt und eine fette Empfehlung wert ist.

Bewertung: 5 von 5.
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Horace Andy: Midnight Scorchers

Adrian Sherwood.

…und fertig! Manchmal braucht’s tatsächlich nur zwei Worte und eine aussagekräftige Rezension hat sich quasi selbst geschrieben – zumindest für die gut informierte dubblog.de-Gemeinde. Über Herrn Sherwood, sein On-U Sound-Label und das von ihm produzierte Oeuvre – von Creation Rebel, New Age Steppers über African Headcharge, Singers & Players bis hin zum Dub Syndicate; zu Lee Perry, Bim Sherman und vielen anderen – braucht man wohl keine großen Worte mehr zu verlieren. It’s On-U Sound, man!

Doyen Sherwood selbst hat in seiner mehr als 30-jährigen Produzenten-Geschichte niemals an Relevanz eingebüßt – gut, manchmal hat er sich in etwas obskurere Gefielde begeben (etwa seine Zusammenarbeit mit Pinch), aber allein seine Produktionen mit dem Dub Syndicate und/oder Lee Perry zeigten wie sehr er am Puls der Zeit und darüber hinaus arbeitet. Wer erinnert sich nicht an Perry’s epochalen „Rainford„-Release und seinem nicht minder zu wertenden Counterpart „Heavy Rain„?

Jetzt haben wir wieder ein feines Doppel-Pack vor uns: Das bereits vor wenigen Monaten erschienene Horace Andy-Album „Midnight Rocker“ und sein eben herausgekommener Counterpart „Midnight Scorchers„. Ersteres überrascht durch einen für Sherwood-Verhältnisse recht klassischen Sound mit einem Horace Andy in Bestform; zweiteres mit, nun ja, Neuinterpretationen. So ein richtiges Sherwood-Treatment geht weit über Dub-Grenzen hinaus, kehrt das Innerste nach außen, läßt im Vocal-Mix Verschüttetes glänzen, fügt Instrumente und Vocals (Daddy Freddy, Lone Ranger) hinzu, blendet im Gegenzug Spuren aus und fettet das Gesamte soundmäßig dem Original gegenüber gewaltig auf. Alles Gründe, warum mir der Begriff „Dub Album“ zu wenig weit greift und ich das umfassendere „Counterpart“ für angebrachter halte.

Letztlich nur noch die Hard Facts: „Midnight Scorchers“ enthält sieben alternative Versionen von „Midnight Rocker“-Tracks plus drei neue Stücke, allesamt versehen mit dem tonnenschweren On-U Sound-Gütesiegel. Adrian Sherwood eben… und fertig!

Bewertung: 5 von 5.