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Christos DC: Kung Fu Action Theatre

Christos DC ist das Pseudonym von Christopher Vrenios, einem Sohn zweier professioneller Opernsänger aus Washington D.C. – was den letzten Teil seines Künstlernamens sofort erklärt. Den Spitznamen Christos verdankt Christopher seiner griechischen Großmutter. Nach seinem Mini-Album „Matchbox In Dub“ von 2023 meldet sich der griechisch-amerikanische Reggae-Musiker und Produzent mit einem bahnbrechenden Projekt „Christos DC: Kung Fu Action Theatre“ (Honest Music) zurück. Ein reines Instrumentalprojekt, das traditionelle chinesische Instrumente mit Roots-Reggae-Arrangements verschmilzt. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich bin der Meinung, dass die Verwendung chinesischer Instrumente ein Novum in diesem Genre ist.
In einem Interview nennt Christos DC zwei Gründe, weshalb er ausgerechnet ein Instrumentalalbum mit traditionellen chinesischen Instrumenten veröffentlichen wollte. Christos DC ist mit Kung-Fu-Filmen aufgewachsen, und die Musik, die er dabei hörte, hat ihn schon immer fasziniert, was ihn wiederum dazu brachte, mehr über klassische chinesische Musik im Allgemeinen zu erfahren. Die Idee, diese beiden Stile miteinander zu verschmelzen, trug er seit vielen Jahren mit sich herum, und das Ergebnis ist nun „Kung Fu Action Theatre“. In „Kung Fu Action Theatre“ kommen drei klassische chinesische Instrumente zum Einsatz: die Guzheng (eine Halbröhrenzither, die mit den Fingern gespielt wird), die Yangqin (ein chinesisches Hackbrett, das einem Saiteninstrument ähnelt und mit Klöppeln gespielt wird) und die Erhu (eine zweisaitige Röhrenlaute, die mit dem Bogen gestrichen wird, ähnlich einer zweisaitigen Geige). Kaum zu glauben, der Hintergrund ist zu 100 Prozent traditioneller Reggae, aber eines kann ich ohne Umschweife sagen: Die chinesischen Instrumente fügen sich traumwandlerisch in eine Fülle kreativer Arrangements ein und schaffen einen neuen Sound, der von Natur aus geheimnisvoll ist.
Zwei Tracks aus dem Projekt wurden bereits vorab von Christos DC veröffentlicht: das eklektische »Mountain King«, das auf Edvard Griegs klassischem Bühnenstück „In the Hall Of The Mountain King“ basiert, und das hypnotische »Distance«, bei dem die chinesische Instrumentierung im Vordergrund steht.
Insgesamt sind die Kompositionen, Darbietungen und die Produktion von „Kung Fu Action Theatre“ von höchster Qualität. An einfallsreichen Arrangements mangelt es nicht. Von der mäandernden, leicht melancholischen Grundidee von »Dread And Alive« bis zu »Far East«, bei dem das Tempo und der Fluss des rhythmischen Arrangements zunehmen. »Long Road« greift mit einer melancholischen, beunruhigenden Komposition den Titel des Albums auf, während »Mystic« mit seinem schnellen Schlagzeugarrangement etwas von Steppers hat. »Rising Sun« ist pures Vergnügen, »Survival« stimmt nachdenklich, während »Swan Lake« (ähnlich wie »Mountain King«) das Lied der Schwäne aus Pjotr Iljitsch Tschaikowskis klassischem Ballett aufgreift und neu belebt.

Es fällt sofort auf, dass sich Christos DC diesmal für einen warmen Roots-Sound mit Bläsern (Brian Falkowski – Saxophon und Paul Hamilton – Posaune) entschieden hat. Ein Sound, der mich sofort an US-amerikanische Virigin Islands-Produktionen erinnert, und das ist kein Zufall, denn das gesamte Projekt wurde von Laurent ‚Tippy I‘ Alfred von I Grade Records professionell abgemischt. Wir hören kein überbordendes Dub-Feuerwerk, sondern einen exzellenten meditativen Klangteppich mit ruhig mäandernden Riddims ohne viel Schnickschnack. Mit Musikern wie Style Scott, Flabba Holt, Kenyatta Hill, chinesischen Künstlern und vielen anderen hat Christos DC letztlich alles richtig gemacht und ein höchst anspruchsvolles Werk geschaffen.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Ronnie Lion: Spanish Town

Vor etwas mehr als zwei Jahren habe ich die Wiederveröffentlichung des Albums „Ambient Warrior: Dub Journey’s“ in den höchsten Tönen gelobt. Noch heute begeistern mich diese wunderbaren Klanglandschaften immer wieder aufs Neue. Auch die Vielseitigkeit dieses 1995er-Albums war schon außergewöhnlich. Hier waren bereits südamerikanische Elemente wie Tango und Bossa Nova zu hören.
Das Kult-Reissue-Label Isle Of Jura veröffentlichte gerade das erste Soloalbum von Ronnie Lion, der einen Hälfte der oben erwähnten Ambient Warrior. Seit einigen Dekaden betreibt Ronnie Lion von Brixton aus sein Reggae-Label »Lion Music«, das seit vielen Jahren für seinen offenen Ansatz bekannt ist, Reggae mit unzähligen anderen Stilen zu mischen. Und welch Überraschung, das Album „Ronnie Lion: Spanish Town“ macht da weiter, wo „Ambient Warrior: Dub Journey’s“ aufgehört hat. Diese bekannten Sounds finden sich auch auf „Spanish Town“ wieder. „Spanish Town“ ist eine tiefe, gefühlvolle Verbeugung vor der Hauptstadt St. Catherine im Südosten Jamaikas. Die Rhythmusgruppe mit Ronnie Lion am Bass und Horseman am Schlagzeug bildet ein solides Fundament für die komplexen und eingängigen Hooks von Sean Wilkinsons spanischer Gitarre. Geschmeidige, lyrische Flamenco-Melodien des Lead-Gitarristen, werden gekonnt über schlendernde Roots- und Dub-Reggae-Grooves gelegt.
Wie vage Erinnerungen an einen erholsamen Urlaub am Meer wirken die neun wunderschön instrumentierten Instrumentalstücke auf „Spanish Town“. Ronnie Lions Basslines unterstreichen die warmen Keyboardsounds und natürlich das erstklassige Fingerpicking von Sean Wilkinson. Die unglaublich schönen Melodien zwischen dem geheimnisvollen, fast nostalgischen Flamenco »Hombre Peligroso« und dem federnden »Alligator Pond« sind dafür wohl der beste Beweis. Allerdings muss ich gestehen, dass die Tracks mit diesen schwülstigen „Synthie-Streicher-Einlagen“ meiner Meinung nach oft knapp an der Fahrstuhlmusik eines Einkaufszentrums vorbeischrammen. Wobei mich der berauschende Skank von „Naranja Colina“ neben dem brodelnden „Grants pen Steppers“ wieder voll überzeugen.

Unterm Strich ein sehr gelungenes, abwechslungsreiches Reggae-Instrumentalalbum mit einem ausgesprochen seltenen Alleinstellungsmerkmal, nämlich der spanischen Gitarre. Ein Album, das geschickt Reggae & Dub mit spanischen Klängen kombiniert, ist nicht nur Dub- und Reggaefans, sondern auch Tango-, Bossa Nova-, Folk- und Weltmusikliebhabern wärmstens zu empfehlen. Sollte man gehört haben.

Bewertung: 4 von 5.
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Awa Fall: Dub & Flames

Die im Oktober 1996 in Bergamo geborene italienische Reggae-Künstlerin senegalesischer Abstammung Awa Fall Mirone meldet sich mit einem Album zurück. Fast ein Jahr nach der Veröffentlichung des Song-Albums „Fire & Flames“ (WOW Records) folgt nun die Dub-Version „Awa Fall: Dub & Flames“ (WOW Records), an der einige illustre Gäste mitgewirkt haben – dazu später mehr.

Seit den 80er Jahren gibt es in Italien eine sehr lebendige Reggae-Szene. Stars wie Alborosie oder Africa Unite und weltbekannte Soundsystems wie One Love Hi Powa sind vielen ein Begriff, nicht zu vergessen das Rototom-Festival. Ein aufsteigender Stern am italienischen Reggae-Himmel ist zweifellos Awa Fall, Tochter eines senegalesischen Vaters und einer italienischen Mutter. Nachdem sie einige Jahre mit ihrer Tante Valentina auf der Bühne gestanden hatte, beschloss Awa Fall im Alter von 18 Jahren, ihr eigenes Projekt zu starten. So veröffentlichte die Sängerin, Songwriterin und Musikerin 2016 ihr erstes Album „Inna dis ya Iwa“ und ging mit den Eazy Skankers auf Tour. Das zweite Album „Words Of Wisdom“ ist im Januar 2019 erschienen. Das Album ist eine schillernde Produktion, die von Reggae über Hip-Hop alle Genres der schwarzen Musik berührt.
Mit durchschnittlich 100 Konzerten pro Jahr hat Awa Fall ihre Musik mittlerweile in ganz Europa und der Welt bekannt gemacht. Sie trat auf vielen großen europäischen Bühnen auf, wie z.B. dem Rototom Sunsplash in Italien, dem African Festival in Deutschland, dem Uprising in der Slowakei, dem Txapel im Baskenland etc. Außerdem hat Awa eine direkte Zusammenarbeit mit der Schule E.M.P PA Unite 15 in Dakar (Senegal) begonnen: für jedes Konzert spendet sie einen Prozentsatz an die Schule, die vielen Kindern, Jungen und Mädchen, von der Grundschule bis zum Gymnasium, eine Ausbildung ermöglicht.

Das nur 26 Minuten lange Album „Dub & Flames“ besteht aus sieben Tracks, die aus den acht Originaltiteln ausgewählt wurden, und wie auf dem abwechslungsreichen Album „Fire & Flames“ zeichnet sich jeder Track durch seinen eigenen Stil aus.
Die ersten beiden Tracks sind »Dub Resurrection« und »Dub & Flames«, die vom österreichischen Label Anaves Music produziert wurden. Der dritte Track ist das bereits bekannte und von Gaudi produzierte »I Wanna Dub«, das schon als Preview mit dem Originaltrack veröffentlicht wurde. »Dub Music« featured den englischen Künstlers Brother Culture und wurde von Dub Tree produziert. »Show Dub« featured den senegalesischen Künstler Ombre Zion und wurde von Nico Roccamo produziert. Der meisterhafte »Dub for the Rights« wurde von Paolo Baldini DubFiles produziert, der den Track in seinem unverwechselbaren Stil gedubbed hat, der ihn seit einigen Jahren auszeichnet. Der letzte Dub-Track des Albums ist »Key To Dub«, produziert von Buriman, dem Reggae & Dub-Produzenten und Mitbegründer des Projektes Moa Anbessa, dessen Dubplates und Veröffentlichungen regelmäßig von Top-Soundsystems wie Jah Shaka und Aba Shanti gespielt wurden/werden.
Alles in allem ein sehr schönes, modernes One-Drop-Reggae-Album auf der einen Seite mit kraftvollem Steppers-Stil auf der anderen.
Das vorliegende Werk wurde vom italienischen Komponisten, Musiker, DJ und Produzenten Walter Buonanno alias Walter Bonnot gemastert.

Bewertung: 4 von 5.
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Thriller featuring Augustus Pablo

Fakt ist: Reggae-Visionär und -Pionier Augustus Pablo war mit seinem einzigartigen Sound maßgeblich an der Entstehung der aufkeimenden Dub-Reggae-Szene beteiligt. Von einem frühen Album soll Augustus Pablo gar nicht begeistert gewesen sein. Es erschien 1975 in England auf dem Label Nationwide und auf dem Cover stand: „Thriller featuring Augustus Pablo“, produziert von Enos McLeod. Im Laufe der Jahre gab es mehrere fragwürdige Veröffentlichungen des Albums. Bei allen verschwand das »Featuring« und es wurde daraus „Augustus Pablo: Thriller“ oder „Augustus Pablo: Pablo Nuh Jester“, mit veränderter Trackreihenfolge und fünf zusätzlichen Titeln – auf die ich am Ende noch kurz eingehen werde. Bei der Wiederveröffentlichung durch das kanadische Label Abraham/Clocktower wurden sowohl der Originaltitel des Albums als auch alle Tracks umbenannt. Also aufgepasst: „Augustus Pablo: Dubbing In A Africa“ ist „Thriller“.
Bei der Vinyl-Wiederveröffentlichung am Black Friday (25.11.2022), die durch ORG Music am Record Store Day (RSD) ermöglicht wurde, waren 1.400 Exemplare zum Preis von je 25,99 Dollar in den Vereinigten Staaten in kürzester Zeit ausverkauft. Ausgerechnet mit dieser längst überfälligen Neuauflage gelang Augustus Pablo posthum erstmals der Sprung in die Billboard Reggae Album Charts.

Auch wenn Augustus Pablo anderer Meinung war: „Thriller“ ist ein herausragendes Album, das einige der besten Arbeiten des viel zu früh verstorbenen Ausnahmemusikers und Produzenten außerhalb seiner gemeinsamen Projekte mit King Tubby enthält. Ein Werk, auf das Enos McLeod als Produzent stolz sein kann. Wobei noch unklar ist, was er davon tatsächlich produziert hat. „Last Of The Jestering“ hat er jedenfalls nicht produziert, das geht eindeutig auf das Konto von Leonard Chin. Dasselbe gilt für „Pablo Nuh Jester“, ein weiteres Stück im gleichen Rhythmus. Von den restlichen acht Stücken kann man „Fat Girl Jean“ definitiv als Pablos Werk abhaken. Der Klang des Klaviers lässt mich das vermuten, denn nur Pablo scheint es zu schaffen, dass ein Piano diesen Sound erzeugt. Die Melodica Tracks lassen sowieso keinen Zweifel daran.

Die A-Seite des Vinyls beginnt mit dem Titeltrack »Thriller«, der mit einem großartigen Posaunenpart aufwartet, während eine superlangsame Bassline über einem Cymbal-lastigen Schlagzeug schwebt.
Bei »Pablo in Red« steht Augustus’ Melodica im Mittelpunkt und ein felsenfester Bass bahnt sich seinen Weg durch die Lautsprecher.
»Pablo Style« ist eine langsame, Melodica geführte Instrumentalversion des Ken Boothe-Klassikers »Everything I Own«.
»Last of the Jestering« ist eine schwere Dub-Version mit schepperndem Schlagzeug, und Augustus spielt auf seiner Melodica die Hauptmelodie einfach großartig. Patti Smith spielte bei ihren Konzerten gerne eine etwas abgespeckte Version des Songs.
Mein ganz persönlicher Favorit ist seit jeher die B-Seite dieses Sammlerstücks. Sie beginnt mit »Pablo Nuh Jester«, einer wesentlich geradlinigeren Version von »No Jestering«, einem Song von Carl Malcolm aus dem Jahr 1973.
Es folgt »Fat Girl Jean«, ein wummernder Bass und ein schleppendes Schlagzeug werden von einer sanften Melodica umschmeichelt.
»Marcus Garvey« macht den alten Burning Spear Klassiker mit seinem deutlich schnelleren Rhythmus zu einem echten Sahnestückchen und Augustus Pablo begeistert mich bei jedem Hören mit dieser vom Piano geführten Instrumentalversion.
In »Rocky Road« zeigt Augustus, welch‘ wunderbare Klänge er seiner Melodica entlocken kann, während die Gitarre gelegentlich zum Einsatz kommt. Zwei weitere Versionen des Burning Spear Studio One Klassikers »Foggy Road« heißen »Rocky Road« und »Skibo Rock«. Beide Stücke können meines Erachtens ebenfalls Pablo zugeschrieben werden. Diesmal aufgrund der sehr ausgeprägten Clavinet-/Keyboardarbeit in »Skibo Rock«. Das schnellere, fast tanzflächentaugliche »Skibo Rock« bildet den krönenden Abschluss eines längst vergessenen Killer-Albums.
Der Sound ist wie bei vielen Alben aus dieser Zeit etwas dumpf, aber der Bass wummert und das Schlagzeug scheppert so unglaublich schön. In meinen Ohren erzeugt der warme, fast sanfte Sound des Albums ein luftiges und zugleich hypnotisches Hörvergnügen.

Anmerkung: Die letzten fünf Dubs auf der CD haben nichts mit „Thriller“ zu tun und werden Lloyd Parks & We The People Band zugeschrieben.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Brynovsky: Dub Section

Nun, manchmal muss man auch den Mut zur Lücke haben, oder besser gesagt, man kann wirklich nicht alles wissen und kennen. So erging es mir nach Andru Branch zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit mit Brynovsky. Der vielseitige Musikmacher, Independent-Künstler, Autor und Produzent Tim Jones aka Brynovsky ist neben seinem alternativen Folk-Rock vor allem für seine Dub- und Reggae-Skills bekannt. Der gebürtige Londoner wuchs in Derby in den englischen East Midlands auf. Heute lebt und arbeitet er in Schottland.
Selbst der legendäre Musiker und DJ Tom Robinson (Band) bezeichnete Brynovsky als „großartige Entdeckung“ und bot den „süßen, süßen Klängen von Brynovsky“ zweimal in seiner BBC6 Music Show eine Plattform und stellte sie seinen Hörern vor. Was mir komplett entgangen ist: Brynovsky wird seit Jahren von Musikprofis für seine Dub-Künste gefeiert.

Das neueste Werk des schottischen Klangalchemisten und Multiinstrumentalisten „Brynovsky: Dub Section“ nimmt den Hörer mit auf eine subtile Dub-Reise, die aus der besten Dub-Tradition schöpft und gleichzeitig in die Zukunft blickt. Kurzum, Tim Jones hat „Dub Section“ im Geiste der Dub-Pioniere produziert. Als erfahrener Produzent und Songwriter hat Brynovsky zwölf Soundfragmente aus älterem Material und B-Takes extrahiert und ihnen einen satten Dub-Anstrich verpasst. Das Ergebnis enttäuscht keineswegs, denn der schottische Musiker findet stets die richtige Balance zwischen Vertrautheit und künstlerischer Schärfe. Eine spielerische und hypnotisierende Mischung aus Afro-Einflüssen, Reggae-Rhythmen und Trip-Hop-Elementen. Dabei hat es Brynovsky verstanden, dass ein Dub-Instrumentalalbum nicht jedermanns Sache ist. Nicht jeder ist mutig genug, sich in einem Meer aus weitläufigem, euphorischem, raumgreifendem, euphorisierendem Klangmaterial zu verlieren. Brynovsky scheut sich nicht, ins Dunkle, Unbekannte und Unkonventionelle des Dub-Universums vorzudringen. „Dub Section“ ist ein ebenso eklektisches wie abstraktes Album, das dennoch Kraft und Schärfe besitzt. Es präsentiert 45 Minuten neu interpretierter Instrumentals, die für den Indie-Künstler Tim Jones, der seit 2010 unter seinem Pseudonym Brynovsky Musik veröffentlicht, eine Rückkehr zu Reggae und Dub bedeuten. In seinem Studio in Schottland hat er im Alleingang Tracks aus seinem Backkatalog im klassischen Dub-Stil bearbeitet und jede Woche einen Track auf Soundcloud und YouTube veröffentlicht, bis er im Januar 2024 ein komplettes Album daraus zusammenstellen konnte.
Sein Album »Hard Curves«, das bereits 2010 veröffentlicht wurde, muss ich hier unbedingt erwähnen. Hört es euch an, es ist in meinen Ohren keinesfalls schlechter als die hier besprochene „Dub Section“. Zum Beispiel ist „Rumba Queen“ ein Dub eines Outtakes aus den Hard Curves Sessions. Ebenfalls vom „Hard Curves“-Album stammen »Red Forest«, ein Dub des Originals „Into a Dream“, und „CMYK Culture“, ein Dub des Tracks „Mischief“.
Die meisten Tracks wie „Power Vacuum“, „Dub Shining“, „Spycops“, „City of Bytes“, „Peace It Together“ sind Dub-Interpretationen des 2014 erschienenen Song-Albums „Time Is Now“, das ursprünglich mit dem jamaikanischen Sänger Leroy Jones* eingesungen wurde.

Alles in allem ist „Dub Section“ ein ungewöhnliches, aber sehr ansprechendes Album.

Bewertung: 4 von 5.

*Leroy Jones (alias Jah Dave) ist Sänger, Perkussionist, Produzent und Mitglied der Congos, mit denen er immer noch als Perkussionist unterwegs ist. Er arbeitete u.a. mit Gregory Isaacs, Horace Andy, Sugar Minott, Johnny Clarke, Prince Far I und Dub Syndicate. Seit 2012 ist er Mitglied der schottischen Reggae-Hybrid-Band Brynovsky und tritt auch solo auf.
Der gebürtige Jamaikaner war in seiner Jugend ein berühmter Jockey und schlug sogar den großen Lester Piggott. Als Leroy zu groß wurde, um Rennen zu fahren, begann er mit Congo Ashanti Roy Musik zu machen und wurde ein Rasta. In den frühen 80er Jahren spielte er als „Jah Dave“ Schlagzeug für viele große Reggae-Künstler. Nach seinem Umzug nach London wurde er Produzent und Sänger. Zusammen mit Mad Professor produzierte er Johnny Clarkes „Do I Do I“ für dessen erste LP „Yard Style“ bei Ariwa, die in Jamaika und in den britischen Reggae-Charts Platz 1 erreichte.

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Augustus Pablo: Rockers Meets King Tubbys In A Fire House (Re-Release)

Der visionäre jamaikanische Musiker Augustus Pablo gehört zu den wichtigsten Personen der Reggae-Geschichte. Anfang der 70er Jahre besuchte Horace Swaby (bürgerlich) zusammen mit Freunden wie Clive Chin und Tyrone Downie das Kingston College (KC). Sein und Tyrones Interesse an Musik hatte sie bereits in eine örtliche Kirche geführt, wo sie fleißig an der Orgel übten.
So oder so ähnlich soll sich die weitere Geschichte zugetragen haben: Irgendwann im Jahr 1971 soll Horace auf dem Weg zu Herman Chin Loys Aquarius Record Shop in Half Way Tree gewesen sein, um dort Platten für das ‚Rockers‘-Soundsystem seines Bruders zu kaufen. Dort bekam er von einem Mädchen eine Melodica geschenkt oder geliehen. Noch im Laden begann Horace, auf dem Instrument zu spielen. Beeindruckt von dem einzigartigen Klang der Melodica nahm Herman Chin Loy Horace am nächsten Tag mit in sein Aquarius Studio. Weiter wird auch berichtet, dass Herman Chin Loy während dieser ersten Session Horace Swaby den Namen Augustus Pablo gab. Während der ersten Sessions entstanden Klassiker wie „Iggy Iggy“, „Invasion“ und „East Of The River Nile“.
Doch erst 1972, als Augustus Pablo sich mit seinem alten Schulfreund Clive Chin zusammentat, gelang ihm der Durchbruch. Pablo verzauberte alle mit dem großartigen „Java“. Die Geschichte zur Entstehung von „Java“ ist nicht weniger spannend: Clive hatte Dennis Wright (einen weiteren Freund von KC) ins Studio geholt, um einen Song aufzunehmen, an dem sie arbeiteten. Die Grundtracks waren bereits fertig, aber auch nach vielen vergeblichen Versuchen wollte der Gesangspart einfach nicht klappen. Als sie enttäuscht das Studio verlassen wollten, ging Pablo auf Clive zu und bat ihn, eine Version des Songs aufzunehmen. Beim Zuhören im Flur war ihm eine Melodielinie eingefallen, die er auf der Melodica spielen wollte. Clive willigte ein, warf das Tonbandgerät an und sie nahmen eine Instrumentalversion auf. „Jaaaavaaa!
Das war ein grober Abriss von den Anfängen des legendären Augustus Pablo, der einen wesentlichen Teil der Dub-Geschichte mitgeschrieben hat. Allein die Suche hier im Dubblog ergibt 58 Einträge.

Jetzt lenken wir den Blick auf das eigentliche Objekt der Besprechung: „Augustus Pablo: Rockers Meets King Tubbys In A Fire House“, das vom französischen Only Roots Label im Dezember 2023 wiederveröffentlicht wurde. Mit seinen frühen Aufnahmen zählt der talentierte Musiker und innovative Produzent zu den Pionieren des Dub. Seine Aufnahmen aus dieser Zeit gelten heute alle als Klassiker und waren Teil des bemerkenswerten kreativen Aufschwungs, den die jamaikanische Musikszene international erlebte. Das Dub-Studioalbum von Augustus Pablo und King Tubby „Rockers Meets King Tubbys In A Fire House“ erschien erstmals 1980 und wurde seither mehrfach wiederveröffentlicht. Firehouse ist eine ironische Anspielung auf den Stadtteil Waterhouse in Kingston, in dem sich King Tubby’s Studio befand, oder auf King Tubby’s Firehouse, Waterhouse, Taurus und Kingston 11 Labels. Die Rockers All Stars mit Mickey ‚Boo‘ Richards, Leroy ‚Horsemouth‘ Wallace und Albert Malawi am Schlagzeug, Robbie Shakespeare am Bass und Earl ‚Chinna‘ Smith an der Gitarre schufen mit „Jah Say Dub“ und „Zion Is A Home“ Dubs, die sich heute immer noch hören lassen können. Die Dub-Mixe sind Remixe der Original-Singles von Pablos Schützlingen Hugh Mundell aka Jah Levi, Delroy Williams und anderen. Neben King Tubby und Augustus Pablo hat auch Prince Jammy einige Mixe beigesteuert, sein Name taucht aber nirgends auf dem Cover auf. Pablos Sound dominiert auf „Rockers Meets King Tubbys In A Fire House“, auch wenn er sein Markenzeichen, die Melodica, hörbar zurückgenommen hat. Obwohl die Melodica nur fragmentarisch zum Einsatz kommt, schlängeln sich Pablos mystische Melodien durch den Mix und die sanften, aber satten Grooves, die eine Rockers-Produktion immer auszeichnen, sind in voller Stärke vorhanden. King Tubby steuert das besondere Element der Dub-Alchemie bei, indem er in passenden Abständen Echo und Delay einsetzt und so die Gesamtatmosphäre geheimnisvoll und verführerisch hält. Aufgrund des Charakters der Musik und ihrer durchgehend hohen Qualität ist es etwas schwierig, Höhepunkte herauszugreifen. Dazu gehören zweifellos das Melodica-Stück „Zion Is A Home“ und das ebenso gute, Posaunen-lastige „Dub in a Matthews Lane Area“, das als Lehrstück in Sachen Dub-Technik dienen könnte. Die Horns werden in den Credits alle Felix ‚Deadley‘ Headley Bennet zugeschrieben, was sicherlich falsch ist. Seinen unverkennbaren Sax-Stil kann ich nur im „Short Man Dub“ heraushören. Erwähnenswert finde ich auch den Einsatz des String-Synth-Keyboards in „Selassi I Dub“, das Pablo zum ersten Mal auf dem „East Of The River Nile“ Album ausgiebig einsetzte. Pablo schien den Klang dieses Instruments zu lieben. Im Gegensatz zur Melodica oder dem Clavinet, die er meist als Lead-Instrument einsetzte, benutzte er den String-Synthesizer eher als Harmonieinstrument.

Anmerkung zur Veröffentlichung des Albums: Das Interesse an Augustus Pablo war 1979 auf dem Höhepunkt. Sein „East Of The River Nile“ Set und das Album „Africa Must Be Free By 1983“ seines Protegés Hugh Mundell im Jahr zuvor lösten ein Interesse an allem aus, was mit Pablo zu tun hatte. Vor allem an seinen frühen Produktionen. Der vorliegende Deep Roots Dub-Klassiker erschien ursprünglich 1980 auf Yard (J.A.) & Shanachie (U.S.A.) und Augustus Pablo war, wie Lee ‚Scratch‘ Perry vor ihm, nicht mehr im Einklang mit dem aktuellen Musikgeschmack in Jamaika. Für manche mag das überraschend gewesen sein, aber mit der Veröffentlichung einer einzigen Platte kann sich das über Nacht ändern, und diese plötzliche Veränderung ist auf „Rockers Meets King Tubbys In A Fire House“ zu hören. Die Dancehall-Revolution wurde im Herbst 1979 von Henry ‚Junjo‘ Lawes eingeläutet. Mit den schweren, dichten Rhythmen der Roots Radics war der Rebel Rock Sound von Pablos Rockers All Stars nicht zu vergleichen – dazwischen lagen Welten. Trotzdem ist und bleibt „Rockers Meets King Tubbys In A Fire House“ für mich auch 44 Jahre nach seinem Erscheinen eines der besten Augustus Pablo Alben überhaupt.
Die Wiederveröffentlichung kommt in der bisher besten Qualität. Wer also einen schönen, zeitlosen Klassiker in seinem Plattenschrank haben möchte, sollte zugreifen.

Bewertung: 4 von 5.
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Marcus I meets aDUBta: Cut A Wire Showcase

Nach 20 Jahren Vorarbeit wurde im April 2023 endlich das erste Album von „aDUBta & The Black Oak Roots Allstars: Sounds From The Attic“ fertiggestellt. Auch hier haben wieder zahlreiche illustre Gäste wie Earl 16, Var, Ranking Joe, Cedric Myton, YT, Brother Culture, Vin Gordon & Stepper sowie Umberto Echo ihr Können beigesteuert.
Alleine ein Blick auf die Website des Multiinstrumentalisten und Produzenten Andreas „aDUBta“ Bauer macht schnell deutlich, warum das Debütalbum erst jetzt erscheint. Dort findet sich eine beeindruckend lange Liste an Kollaborationen, in der sich Namen wie Headcornerstone oder die Grazer Roots Organisation wiederfinden. Auf den Punkt gebracht: aDUDta aus dem Süden Deutschlands ist ein Hansdampf in allen Gassen und tanzt auf vielen Hochzeiten.

Knapp ein halbes Jahr später, im Oktober 2023, wurde das Mini-Album „Marcus I meets aDUBta: Cut A Wire Showcase“ beim Straßburger Hornin‘ Sounds Label veröffentlicht. Die Riddims des Albums sind bereits im Vorfeld von aDUBta & The Black Oak Roots Allstars eingespielt worden. Im November 2022 kam der 1984 in Spanien geborene und seit 2020 in Südfrankreich lebende Marc „Marcus I“ Ibarz ins Attic Roots Studio nach Utting am Ammersee, um das Projekt mit aDUBta fertigzustellen. Mit dem Sing-Jay Marcus I und aDUBta haben sich zwei Musiker gefunden, die offensichtlich die Liebe zum Roots Reggae und dem analogen Sound der 70er Jahre verbindet. Marcus I ist längst kein unbeschriebenes Blatt mehr: Seit 2011 hat er an zahlreichen Produktionen mitgewirkt, von denen über 80 auf CD und/oder Vinyl erschienen sind. Auf dem vorliegenden Album finden sich (nur) vier schwergewichtige Roots Reggae Tracks im sogenannten Showcase-Format, auch Discomix genannt. Auf den Song folgt also direkt in einem Aufwasch der Dubmix. Eine schöne alte Tradition, die in den letzten Jahren wieder verstärkt an Bedeutung gewonnen hat.

Drei der vier Tracks sind länger als sieben Minuten und aDUBtas Erfahrung als Multiinstrumentalist und Produzent zahlt sich hörbar aus. Der satte Sound kann sich im Vergleich zu anderen namhaften und großen Studios durchaus hören lassen. Zudem klingt alles so wunderbar rund, dass keine Langeweile aufkommt. Der Einsatz von Live-Instrumenten ist organisch und unüberhörbar. Natürlich hat auch aDUBta mit diesen Showcase Tracks das Rad nicht neu erfunden, aber wozu auch, wenn ich einen schönen, soliden Dub zu hören bekomme? Die Hauptsache ist doch, dass diese perkussiven Riddims dynamisch, authentisch und glaubwürdig rüberkommen – und das tun sie voll und ganz. Was mich an „Cut A Wire Showcase“ am meisten begeistert, ist der Sound, der stellenweise an den typischen und legendären Black Ark-Sound eines Lee „Scratch“ Perry erinnert. Wenn man sich den Dub-Teil des Titeltracks „Cut A Wire“ ab 4:20 anhört, versteht man vielleicht am besten, was ich meine. Beim dritten Song „Perfect Collie“ erinnern mich die Backing-Vocals sehr an die Israel Vibrations.

Fazit: Um dem Ganzen den letzten Schliff zu geben, hat aDUBta die Mixe und Dubs komplett live & analog auf seinem TASCAM 388 Mischpult abgemischt. Das Album klingt klassisch und zeitgemäß zugleich – das gefällt mir.

Bewertung: 4 von 5.
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Andru Branch & Halfway Tree: Weather The Dub

Asche auf mein Haupt, manchmal gelingt es Musikern und Künstlern, jahrzehntelang unbemerkt unter meinem Reggae- und Dub-Radar zu segeln. Ein solches Phänomen ist der vielfach ausgezeichnete Andru Branch mit seiner insgesamt siebenköpfigen Band Halfway Tree.
Der kanadische Keyboarder, Sänger und Bandleader Andru Branch (*27. Juni 1968) ist das Mastermind der Reggae-Band Andru Branch & Halfway Tree, die bereits über 28 Jahre Bestand hat. Aufgewachsen ist er inmitten einer lebendigen Rastafari-Gemeinde in Toronto, wo er die feinen Nuancen des Reggae von einigen jamaikanischen Musikern lernte, die sich in der kanadischen Metropole niedergelassen hatten. Im Jahr 1995 gründete Andru Branch seine Band Halfway Tree, die er nach dem lebendigen Musikviertel in Kingston benannte, wo er zudem das große Glück hatte, mit einigen der berühmtesten jamaikanischen Musikern zu spielen und aufzunehmen. Obwohl die Band-Mitglieder im Laufe der Jahre wechselten, hat er immer versucht, seinen unverwechselbaren Band-Sound beizubehalten, der lt. Interview auf der Philosophie von Peter Tosh basiert: „Reggae ist spirituelle Musik mit spirituellen Zutaten für spirituelle Zwecke.“

Das erste Album, das schlussendlich auch meine Aufmerksamkeit erregte, war das mit Spannung erwartete dritte Dub-Album „Andru Branch & Halfway Tree: Weather The Dub“, das schon im Januar 2023 erschien und im Dubblog Release-Radar leider ohne Resonanz blieb. So blieb meine Rezension mangels Interesse zunächst in der Warteschleife.
Bereits 2021 veröffentlichten Andru Branch & Halfway Tree das dazugehörige Songalbum „Weather The Storm“, das während der COVID-19-Pandemie entstand und diese trostlose Zeit sowohl musikalisch als auch textlich reflektiert. Dabei gelingt es Andru Branch & Halfway Tree immer wieder, einen Hoffnungsschimmer durchscheinen zu lassen – die Botschaft der Liebe. Das von der Kritik hochgelobte Studioalbum wurde von dem amerikanischen Soundtüftler und Toningenieur Dartanyan ‚GreenLion‘ Winston aus Ohio einer kompletten Dub-Bearbeitung unterzogen. Produziert wurde diese Sammlung geradlinigen Roots-Reggaes mit üppigen Bläsersätzen und seidigen Gesangsfragmenten von Guillaume Bougard bei TABOU1.

Der erste Track des Albums, „We Are Dub“, baut sich langsam, eher schleppend auf, wobei die anfänglichen Klänge durch einen satten Bläsersatz erstklassig ergänzt werden. Der Track war bereits auf dem zweiten Dub-Album der Band „We Are Dub“ zu hören. „We Are Dub“ ist eine Sammlung von Dubs aus der damals 25-jährigen Karriere von Andru Branch & Halfway Tree. Mit von der Partie waren drei der besten jamaikanischen Reggae-Bassisten aller Zeiten: „Family Man“ Barrett, Chris Meredith und die Studio One-Legende Brian Atkinson, der ursprüngliche Bassist und Gründungsmitglied der weltberühmten Studio One Band „The Soul Vendors“. Diese Band aus Allstars entstand infolge der Auflösung der Skatalites im August 1965 und nannte sich nacheinander auch (Roland Alphonso &) The Soul Brothers (1965–67), The Soul Vendors (1967–68) oder Sound Dimension.
„Dancehall Dub“ ist eine schöne Version des vom Ska geküssten Songs „The Storm“, bei dem jedes Instrument nacheinander eine Führungsrolle übernimmt.
Der satte, vorwärtsdrängende Reggae-Beat von „Dub Times“ wird durch den Einsatz einer Djembe akzentuiert und gewinnt dadurch an Exotik.
Im darauf folgenden Stück „Dubtima“ vermitteln die Akkorde und Melodien einen Hauch von Orient.
Das düstere, fast schon dramatisch angelegte Stück, „The Dub Is Coming In“, ist eine Auseinandersetzung mit unseren innersten Dämonen, aber auch mit den Folgen des drohenden, vom Menschen verursachten Klimawandels.

Alle Tracks wurden von Dartanyan ‚GreenLion‘ Winston gekonnt dekonstruiert und mit einer Tonne Energie, Studio- und Mischpultmagie wieder zusammengesetzt. GreenLion zieht wieder alle Register und liefert ein wunderbar sprudelndes Klangbad aus Vocals, Echo, Hall und Delay. Alles in allem eine richtige Entdeckung eines sehr feinen, entspannten Albums mit satten Bläsersätzen und treibenden Gitarrenriffs, bei dem alles am richtigen Platz ist.

Bewertung: 4 von 5.
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I-Man Cruz: In A Mission (Showcase)

Ferrán Cocera Cruz alias I-Man Cruz, hat schon als Kind sehr gerne gesungen. Ende der 1990er Jahre sang er in einer Reggae-Band namens The Red Ones. Die Band coverte vor allem Studio One Klassiker. Als I-Man Cruz nach Santander umzog, begann er mit Roberto Sánchez zusammenzuarbeiten. Im Jahr 2009 nahm er im Studio A-Lone Ark Muzik seinen ersten Song „To The Light“ auf, der jedoch unveröffentlicht blieb. Fünf Jahre später gründete er eine neue Band mit dem Namen Rice & Peas. Mit den Rice & Peas entstand der Song „Everything’s Possible“, der jetzt in leicht abgewandelter Form auf dem Showcase-Album „I-Man Cruz: Man In A Mission“ (A-Lone Ark) zu hören ist. Zuvor wurden unter dem Namen Papa Cruz bereits zwei Songs veröffentlicht: „Crisis“ aus 2013 wurde mit Linval Thompson und „Nuff A Dem“ aus 2017 mit den Viceroys eingesungen. Mit Roberto Sánchez nahm er den gemeinsamen Song „We’re Going To Zion“ auf und veröffentlichte anschließend die Solo-Single „Tek A Look“, die ebenfalls auf diesem schönen Album zu hören ist.

Auch für I-Man Cruz liefert Roberto Sánchez knackige Roots-Reggae-Riddims mit exquisiten Old-Skool-Vibes, wie sie für viele seiner Produktionen typisch sind. Der Gesangsstil von I-Man Cruz, ist unüberhörbar von jamaikanischen Größen wie Dennis Brown und Delroy Wilson inspiriert. Mit insgesamt sechs Showcase-Tracks stellt das Album die stimmlichen und lyrischen Fähigkeiten des spanischen Roots-Reggae-Sängers meisterhaft unter Beweis. Jeder Dub fügt sich nahtlos an den Gesangspart und schafft so mühelos eine ansprechende akustische Reise, die sowohl Reggae- als auch Dub-Liebhaber gleichermaßen in ihren Bann ziehen wird. Das Album beginnt mit dem Titeltrack „In A Mission“, mit dem I-Man Cruz einen unglaublich eingängigen und einprägsamen Opener mit markanten Bläsersätzen und abwechslungsreicher Instrumentierung präsentiert. Das folgende „Inity“ ist die perfekte Fortsetzung und man freut sich regelrecht auf die Dub-Version. Sowohl musikalisch als auch textlich hält der Song mit Leichtigkeit den Spannungsbogen. Bei „Tek A Look“ harmonieren Cruz‘ Vocals perfekt mit den treibenden Riddims. Gefolgt von „Follow Unfollow“, das sich nach mehrmaligem Hören immer mehr in die Gehörgänge schraubt. Mehr oder weniger dasselbe lässt sich über „Joyful Song“ sagen, ein Stück, das das Potenzial hat, einem depressiven Menschen neuen Lebensmut zu geben.

Kurz: Ein weiteres Debütalbum aus dem A-Lone Ark Studio, das mit seinen sechs über sieben Minuten langen Showcase-Tracks einen guten Einstieg in die musikalische Schaffenswelt von I-Man Cruz bietet. Grundsolide klassische Riddims und Dubs – was will man mehr?

Bewertung: 3.5 von 5.
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Dub Foundation: The Good The Bad & The Dubby

Als ich vor ein paar Tagen meine Rezension des neuen Chuck Foster Albums „Dub Journey“ verfasste, schrieb ich folgenden Satz: „Mit dem Gitarrensound von „Riding In The Wind“ sind wir bei der Westernfilmmusik angelangt, mit der auch ein Lee „Scratch“ Perry gerne experimentierte“. Passend dazu kam mir das vor fünf Jahren erschienene Album „Dub Foundation: The Good The Bad & The Dubby“ in den Sinn. Das Album ist eine Hommage an den römischen Komponisten, Dirigenten und Oscarpreisträger Ennio Morricone, der im Juli 2020 verstorben ist.
Morricone hat die Musik für mehr als 500 Filme komponiert. Da er die Musik für zahlreiche Italowestern schrieb, wird sein Name vor allem mit diesem Filmgenre in Verbindung gebracht. Besonders bekannt ist seine Filmmusik zum Italowestern-Epos „Spiel mir das Lied vom Tod“. Für sein Lebenswerk wurde Morricone 2007 mit dem Oscar ausgezeichnet.

Captain Smooth & Dub Foundation sind eine Gruppe von Künstlern/Musikern aus Madison, Wisconsin. Vor sechs Jahren hatten sie die Idee, klassische Spaghetti Western Melodien von Ennio Morricone im Reggae-Gewand einzuspielen und in ein Dub/Reggae-Album zu verwandeln. Als sie anfingen, die Tracks aufzunehmen, wussten sie, dass es episch werden würde, und dass es zu dem Projekt zusätzlich einen Film brauchte. Also machten sie sich mit einer hochwertigen Filmausrüstung auf den Weg nach West Montana und drehten ihren eigenen Spaghetti Western Kurzfilm.

Captain Smooth, der Multiinstrumentalist, Komponist und Musikproduzent aus Madison, produziert Musik für viele Genres. Von Klassik über Funk/Reggae und Popmusik bis hin zu Hip-Hop ist alles vertreten. Für viele lokale Bands wie Dub Foundation, Captain Smooth, Space Jam Frontier, Red Rose, Two Tiny Dads und The Brothers Randall ist er der Spiritus Rector. Gerade mit den Randall-Brüdern, Dave, Michael & Kelton hat er den Grundstein für dieses Album gelegt.
Captain Smooth sagt, dass alle Künstler, die an diesem Projekt mitgearbeitet haben, sowohl Reggae & Dub als auch das Spaghetti Western Genre lieben. Sie wollten zwei Ihrer Vorlieben teilen, die noch nicht so sehr »Mainstream« sind. „Die meisten der jüngeren Generation wissen nicht, was ein Spaghetti Western ist“, sagt Captain Smooth, „und das wollten wir auch musikalisch ändern.“ Mit den dreizehn Tracks auf dem Album haben sie unvergessene Filmmusik-Klassiker wie „For a few Dollars more“, „Fistful of Dollars“ und „The Good The Bad and The Ugly“ ausgegraben und wieder aktuell gemacht. Schlichtweg Kultmusik, die jüngere Generationen vielleicht verpasst haben, wird mit diesem Projekt einem jüngeren, breiteren Publikum vorgestellt. Wahrscheinlich erkennen die meisten sogar die unsterblichen, klassischen Western-Melodien, können die Kompositionen aber nicht mit dem Namen Ennio Morricone in Verbindung bringen. Das haben Captain Smooth & Dub Foundation mit diesem Album grundlegend geändert.

Habe ich schon erwähnt, dass mir das Wiederhören dieser Melodien richtig Spaß gemacht hat? Logo, sonst hätte ich das hier gar nicht erst geschrieben.

Bewertung: 3.5 von 5.