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Benjah and EK: Dust Off the Dubs

Dub ist ja bekanntlich ein Subgenre von Reggae. Doch auch Dub zerfällt wieder in diverse Subsubgenres. Verrückter Weise besteht selbst ein Subsubgenre, wie Steppers, wieder aus unterschiedlichen Spielweisen. Da wäre z. B. der Steppers alter Schule, wie wir ihn von den klassischen UK-Soundsystems kennen. Iration Steppers, Disciples oder Jah Warrior sind typische Vertreter. Dann gibt es noch eine jüngere Schule, die etwas experimenteller zu Werke geht. Hier fallen mir Alpha Steppa, Kanka oder Jah Schulz ein. Und dann gibt es noch jene Schule, die reines Futter für Sound Systems produziert. Einen ganz speziellen Sound, der sich gar nicht so leicht beschreiben lässt. Statt es in Worte zu fassen, empfehle ich, dieses Album anzuhören: Benjah and EK: „Dust Off the Dubs“ (Lions Den). Benjah und EK sind zwei junge Produzenten aus Frankreich. Sie firmieren auch unter dem Namen „Bedrin Records“ und bieten genau den Sound, der auf Sound System-Events den Selector zum Rewind zwingt. Mit etwas Phantasie ließe sich das Ganze als „technowise Dub“ bezeichnen. Der Rhytmus ist hundertprozentig Reggae, aber die Produktionen haben sich vom Mimikry handgemachter Musik vollständig verabschiedet, der Rhythmus ist maximal repetitiv und sämtliche Referenzen zu Dub und Reggae in Form von Samples, MC-Vocals und „Jah“-Rufen oder Sirenen fehlen.

Das auf Sound System-Music spezialisierte Berliner Label Lions Den, steht schon lange auf den Sound der beiden Franzosen und beschloss deshalb, ihnen ein Album zu widmen, auf dem sie die besten Dubs der letzten Jahren zu einem dicken Paket von 20 Tracks zusammen schnürten. Mir geht es wie Lions Den, auch ich stehe auf diesen kompromisslos konkreten Sound, insbesondere die durch die Drums forcierte Polyrhythmik hat es mir angetan. Allerdings befinden sich auch einige ziemliche Nieten unter den 22 Tracks (11 Instrumentals plus Dub-Versions), in denen mir bräsige Synthie-Orgien den Spaß verderben, oder mich ob der einfallslosen Beats die Langeweile überwältigt. Vielleicht hätte nicht jeder Dub es verdient, abgestaubt zu werden.

Bewertung: 3.5 von 5.
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Kaptan: Dubs from the Vault

Dub wird ja inzwischen überall auf der Welt produziert, natürlich auch in Deutschland (aber ironischer Weise kaum noch in Jamaika). Nicht nur haben wir in Hamburg eines der profiliertesten Dub-Labels weltweit, sonder auch eine gut abgehangene Generation etablierter Dub-Producer. Mit Leuten, wie Jah Schulz und Kaptan stehen aber auch junge Talente in den Startlöchern. Beide, Schulz und Kaptan, verschreiben sich puren, kompromisslosen Sound System-Dubs, die ihre immersive Kraft aus reiner Bass-Präsenz und stoisch-repetitiven Beats beziehen. Hier steht nicht mehr der virtuose Mix im Zentrum, oder gar eine blasse Erinnerung an ein sowieso nicht vorhandene Vocal-Version, sondern der reine, abstrakt-konkrete, vom Bass getrieben Sound. Kaptan hat soeben sein Debut-Album vorgelegt: Dubs From the Vault (Basscomesaveme), das ich zur Zeit mit großer Faszination höre. Mit dem traditionellen Dub-Schema hat auch dieses Album nicht viel gemein. Dafür umso mehr mit Jah Schulz – und beim letzten Track auch sehr viel mit Rhythm & Sound. Es geht also ausdrücklich nicht um Heavy Steppers, sondern um langsamere Produktionen, in denen sich der Bass ausbreitet, wie ein quellender Hefeteig. Alle Poren und Hohlräume der Dubs werden vom Bass-Teig durchdrungen. Schlagzeug und Offbeat wabern darin herum, wie Rosinen. Einfach nur lecker! Obwohl der Titel anderes vermuten lässt, sind die „Dubs From the Vault“ aktuelle Produktionen und keineswegs einst im Archiv verschollen gegangenes Material. Das Album umfasst nur sieben Tracks – was dem Release-Format geschuldet ist, denn wer das Album physisch besitzen möchte, muss tatsächlich eine Audiokassette kaufen. Zum Glück gibt es aber auch eine digitale Ausgabe mit perfektem Sound.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Kino Doscun & Youthie: Sahar

Ich liebe es, wenn sich Dub mit untypischen Musikkulturen mischt. Dub und klassische Musik hat mich schon immer fasziniert, die Kombination von Dub und Jazz liebe ich sehr und auch die Mischung von Dub mit nordischen Melodien sind mir von einigen Produktionen in guter Erinnerung. Da fällt mir ein: Eine der ersten Begegnungen dieser Art hatte ich auf einem Album der Twinkle Brothers, das sie zusammen mit einigen polnischen Violinisten aufgenommen hatten. Wie hieß es gleich? Egal. Was auch schon immer super funktioniert hat ist die Kombination von Dub mit orientalischen Harmonien. Ich denke da an den Spy from Cairo und andere. Wie schön, dass wir diesen spannenden Sound nun endlich mal wieder in Form eines gelungenen Albums vorliegen haben: „Sahar“ (Merkaba Music) von Kino Doscun & Youthie. Die Posaunistin, Flötistin und Akkordeonspielerin Youthie dürfte Dub-Fans gut bekannt sein. Man denke nur an ihre fantastischen Macca Dread-Produktionen. Youthie ist inzwischen ein Garant für gute Musik. Aber wer ist Kino Doscun? Meine Recherchen führen mich zu einem gewissen Dino Coskun, der Soundtechniker an der Opéra National de Paris ist. Seine Spezialität ist das Remixen und Dubben orientalischer Musik, indem er Oud, Saz, Gitarre und Percussions spielt, loopt und dann in dubbige Sound-Texturen überführt. Auf „Sahar“ zeichnet er für fast alle Instrumente verantwortlich. Youthie beschränkt sich auf Posaune, Flöte und Akkordeon. Heraus gekommen ist eine faszinierende Dub-Melange aus komplexen orientalischen Melodien, sensiblen Instrumental-Soli, natürlich viel Bass sowie verhaltenen Reggae-Beats. Alles in komplexen Arrangements miteinander verwoben und virtuos gemixt. Wären da nicht die Echos und der Hall, ließe sich „Sahar“ für ein kunstvoll arrangiertes Instrumentalalbum halten. Die Musik basiert unverkennbar auf Reggae-Basslines und regelmäßig erklingenden Offbeats, doch der starke orientalische Charakter der Instrumente und der Melodien führen uns an die Grenze des Genres – und beweisen uns zugleich, wie universell Reggae und Dub sein können.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Pama I’ntl Meets Wrongtom in Dub

2001 gründete sich die achtköpfige Band Pama International, die ihre Musik als „Dub Fuelled Ska Rocksteady & Reggae“ beschreibt. In dieser Beschreibung steckt bereits ein gewisser Widerspruch, denn Dub und Ska und Rocksteady passen eigentlich nicht gut zusammen (wenn man das Werk von Victor Rice mal außen vor lässt). 2006 unterschrieb die Band bei Trojan Records einen Plattenvertrag – als erste Band nach 30 Jahren. Doch bereits zwei Jahre später war der Spaß schon wieder vorbei. Die Pamas gründetem darauf hin ihr eigenes Label „Rockers Revolt“ und nahmen das Album „Love Filled Dub Band“, das als eines ihrer besten gilt. Obwohl das Album (gemäß seines Titels) bereits von starken Dub-Elementen geprägt war, wurde der Londoner Sound-Tüftler Wrongtom damit beauftragt, eine Dub-Version herzustellen. Doch seine Aufnahmen verschwanden im Nirvana und blieben (angeblich) bis ins Jahr 2022 verschollen. Nun sind sie auf wundersame Weise wieder aufgetaucht und nun auf dem Album „Pama I’ntl Meets Wrongtom in Dub“ (Happy People) zu hören. Eine große Geschichte um ein einigermaßen schlichtes Album. Ja, Wrongtom hat ordentlich gedubbt, aber das Ergebnis bleibt irgendwie farblos. Vielleicht liegt das aber auch an dem ausgesprochenen Retro-Stil der Aufnahmen. Magie, Tiefe, Intensität und Spiritualität guter aktueller Produktionen sucht man hier vergeblich. Der Sound bleibt vergleichsweise unverbindlich und belanglos. Ja, das Ganze wirkt durchaus etwas uninspiriert – ebenso wie das Cover. Wer allerdings jamaikanischen Dub der 1970er Jahre mag, könnten hier jedoch anderer Meinung sein.

Bewertung: 3 von 5.
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Le Faune Stepper: Paradoxe

Wer Lust auf krachenden Steppers hat, ist bei Le Faune Stepper richtig. Auf seinem neuen Album „Paradoxe“ (ODG) knallt die Bassdrum im Stakkato auf den Floor. Dazu gibt es teils ganz schlimme Synthie-Sounds. So schlimm, dass es schon wieder Spaß macht. Und natürlich viel, viel Bass. Da hinter Le Faune Stepper der versierter Trompeter Robin Pavie steckt, hören wir zudem viele schöne Bläsersoli, die gar manchmal an Balkan-Sounds erinnern. Überhaupt muss man Pavie einige Phantasie bei der Komposition seiner Dubs zugestehen. So schmücken viele feine Melodien die oft brachial anmutenden Steppers-Beats. Fast schade, dass der Faun durch seine verzerrten Bässe und brutalen Beats die kunstvollen Aspekte seiner Arbeit so verschleiert. Andererseits ist gerade der Kontrast zwischen fein ausgearbeiteten Elementen und brutaler Anarchie reizvoll. Wie alle ODG-Alben, steht auch „Paradoxe“ zum freien Download zur Verfügung. Es ist auch im Stream verfügbar – und wer eine gut Tat vollbringen möchte, kann es auch bei Bandcamp auch kaufen.

Bewertung: 3.5 von 5.
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Dubblog Jahres-Charts 2022

Es ist wieder so weit: Wir servieren euch unsere Dub-Top 5 des zu Ende gehenden Jahres. Wie ihr seht, zählt bei uns Diversity. Wie sollte es bei einem so facettenreichem Genre auch anders sein? Wir sind auf eure Kommentare gespannt.

Top 5 von René

Horace Andy: Midnight Scorchers

Ein Dub-Treatment von Adrian Sherwood, das weit über die Grenzen von Dub hinaus geht.

Mysticwood: The Mystic Way of Dub

Volle Arrangements, schöne Basslines, klassische Dub-Techniken und analoges Equipment – eine Schweizer Qualitätsproduktion.

Death by Dub: Abundance

Ein Album mit wunderschönen Bläsermelodien, inspiriert komponiert und perfekt produziert. Hier stimmt alles.

JonQuan & Associates

Doppelpack bestehend aus Vocal-Versions und Dubs. Produziert und gemixt von Victor Rice. Der authentische Klang echter Instrumente ist erfrischend und die Kunst der Musiker beeindruckend.

Errol Brown & The Revolutionaries: Conference Dub

Hier ist einer der großen alten Meister des Dub an den Reglern, der stets im Schatten von Tubby & Co. stand. Doch nicht nur die Mixes sind groß, auch die Produktionen.

Top 5 von Ras Vorbei

Ambient Warrior: Dub Journey’s

Schön, dass es noch Labels gibt, die es sich zur Aufgabe machen, solch äußerst seltene, einzigartige Dub-Klänge vor der Vergessenheit zu bewahren.

Sabab presents: Dubplate Pirate

Riddims for Eternity! Von Sabab kongenial neu bearbeitete Klassiker.

Horace Andy: Midnight Scorchers

Über 40 Jahre sagenhafter und einzigartiger On .U Sound. So geht der etwas andersgeartete Dub.

Eeyun & The Co-Operators – Vibrations from the Bionic Tabernacle

Da wurde es auch höchste Zeit. Endlich ein paar fantastische Dubs zu den wunderbaren Vokal-Vorlagen aus Bristol.

Black Uhuru: Taxi Trax

Ultra rare A-Sides, Dubs und Dubplates aus der stärksten Phase der besten Black Uhuru, die es je gab.

Top 5 von Helmut

The Soul Revivers: Grove Dub

Geprägt vom Nu-Jazz Londons und den goldenen Jahren der Roots-Ära hat Nick Manasseh mit „On The Grove“ das schönste Reggae-Album des Jahres abgeliefert. „Grove Dub“ ist das ebenbürtige Pendant.

Boris Gardiner Happening: Super Ultra Dub Vol. 1

Zwei unauffindbare, rätselhafte und unbezahlbare LPs kommen ans Tageslicht. Niemand weiß, wer sie wo gemischt hat. Auch die meisten Vocaltunes dazu lassen sich nicht herausfinden.

Boris Gardiner Happening: Ultra Roots Dub Vol. 2

Beide Ultra-LPs stammen aus den Mittsiebzigern. Das Enigmatische und die ungelösten Fragen sorgen für Faszination. Der restaurierte Sound ist fantastisch. Die Rätsel bleiben.

Rockers All Stars: Chanting Dub With The Help Of The Father

Ein Reissue von 1978. Nicht die beste Pressung, was aber bei den mit voller Breitseite von Prince Jammy bei King Tubby gemischten Dubs untergeht.

Paolo Baldini Dubfiles: L.A.B in DUB

Paolo Baldini beherrscht derzeit die Klaviatur von Effekten und On & Offs wie kein zweiter. Das Artwork mit seiner Reminiszenz an Linton Kwesi Johnsons „LKJ in DUB“ von 1980 sorgt für den Platz in der Top 5.

Top 5 von gtk

Dub Vallila: Katakom Beat

Die Überraschung 2022 schlechthin: Die Finnen können auch Reggae! In diesem Fall sind es Instrumentals, die von einer hervorragenden Horn-Section, aber auch wunderbaren Dub-Effekten, Marke King Tubby, profitieren.

Joe Yorke: Noise and Emptiness

Ein überraschendes Debut-Album, das auf einprägsame Riddims, Yorke’s tonsicheres Falsetto und feine Bläsersätze setzt. Das Ganze im besten Sinne zurückhaltend distinguiert – wie es der vermeintliche Ruf der Briten halt so verlangt.

Gaudi + Savona: Havana Meets Kingston in Dub

Gaudi entblättert Tracks der viel zu üppigen geratenen „Havanna Meets Kingston“-Alben. Was bleibt sind wunderbar erschlankte Dubs, die Drums, Bass und gelungene Hooklines in den Mittelpunkt stellen.

Horace Andy: Midnight Scorchers

Adrian Sherwood wendet sich nach einigen Ausflügen in genrefremde Gefilde endlich wieder dem Dub zu: Glänzend aufpolierte Remixes zeichnen dieses Companion-Album zum Vocal-Release „Midnight Rocker“ aus.

LAB: In Dub

Ein Album, dass sich einzig & allein & nur aufgrund des feinen Dub-Mixes von Paolo Baldini in die Top 5 geschlichen hat. Das ist umso bemerkenswerter, als die Originale das Prädikat aalglatter Pop-Reggae verdienen.

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Palmer in Dub

Hä, was hat den Eighties-Pop-Ikone Robert Palmer mit Reggae zu tun? Ihr wisst es nicht? Hier ist die ganze Geschichte:

Robert Palmer ist weithin bekannt (vielleicht inzwischen aber auch vergessen) für seine Auftritte in eleganten Anzügen, mit einer Band bestehend aus Fotomodellen ohne Kabeln in ihren Instrumenten. Aber der 2003 verstorbene Sänger war mehr als der Dandy der MTV-Generation. Als Palmer mit „Addicted to Love“ und „Simply Irresistible“ in Deutschland die Charts eroberte, blickte der weltoffene Brite bereits auf eine höchst respektable Diskographie zurück, die weit über Steam-Hammer-Pop hinausging.

Als Teenager entdeckte der im Norden Englands aufgewachsene Robert Palmer seine Leidenschaft für schwarze Musik aus den USA und spielte in einigen Soul- und R&B-inspirierten Bands, bevor er von Chris Blackwell für sein neues Label Island unter Vertrag genommen wurde. Nach dem in New Orleans aufgenommenen Debüt „Sneaking Sally Through The Alley“ mit den Meters als Begleitband, zog Palmer nach New York und entdeckte den Reggae für sich: Er nannte sein Album „Pressure Drop“ (1975) nach dem Song von Toots & The Maytals, den er coverte. Nach einem weiteren Umzug auf die Bahamas wurde das Album „Double Fun“ im von Blackwell eingerichteten Compass Studio in Nassau produziert, inklusive des Klassikers „Every Kinda People“, der später passenderweise von Chaka Demus & Pliers gecovert wurde. In jenen Tagen besuchte Palmer auch das Black Ark Studio von Lee „Scratch“ Perry in Jamaika, in der Hoffnung, ein wenig vom Geist des ansässigen Reggae-Genies zu profitieren. Allerdings verlief die Session nicht wie erhofft: Die einheimischen Rastas hatten Spaß daran, den weißen Sänger zu ärgern, der von Perry produzierte Mix „Best of Both Worlds“ blieb unveröffentlicht (inklusive Dub), und am Ende erschien nur die Single B-Seite “Love Can Run Faster“. Nach dieser Folge stellte Palmer mit den Alben „Secrets“ und „Clues“ sowie dem Disco-Funk „Looking For Clues“ die Weichen für die Achtziger und die Chart-Highlights seiner Karriere: Rockgitarren, Prince-inspirierter Funk und schließlich The Power Station mit den Chic-Musikern Tony Thompson und Bernard Edwards sowie John und Andy Taylor von Duran Duran.

»Aber was wäre passiert, wenn an diesem Tag im Black Ark Studio alles glatt gelaufen wäre? Wenn Palmer an Jamaika und seinen Vibes festgehalten und all seine vergangenen und zukünftigen Hits in diesem legendären Studio produziert hätte?« fragt das Presse-Info von Echo Beach und das Label gibt auch gleich eine Antwort in Form des Albums »Palmer in Dub« (Echo Beach).

Mitgewirkt daran haben interessante Musiker: Schlagzeuger Achim Färber (Automat, Ben Lucas Boysen), Klangkünstler Max Loderbauer (Ambiq, Moritz von Oswald Trio), Bassist Zeitblom (Automat, Pole) und Ingo Krauss (Tonmeister, Teilmischung, ehemals Conny Plank Studio), und DEADBEAT (Scott Monteith) sowie Doug Wimbish.

Das Ergebnis ist – sagen wir mal: Interessant. Perry wäre damit sicher nicht d’accord gewesen. Abgesehen davon, das Robert Palmers mit Echos überhäufte Stimme nur stört, sind auch die Rhythms nicht wirklich gut geworden. Sie klingen schlicht monoton und uninspiriert. Der Sound wirkt stumpf und selbst der Bass entfaltet keine Dynamik. Erschwerend hinzu kommt, dass mache Songs bis zu drei mal (in leicht unterschiedlichen Mixen) auf dem Album wiederholt werden. Von dem Song »Jonny & Mary« gibt es sogar ein eigenes Remix-Album mit 8 Versionen des Stücks. Das Verrückte dabei: Es ist abwechslungsreicher als »Palmer in Dub«. Wir hier im dubblog lieben die Arbeit von Echo Beach, aber mit »Palmer in Dub« kann uns unser Lieblingslabel nicht überzeugen.

Bewertung: 2 von 5.
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Soothsayers Meets Victor Rice and Friends in Dub

Vocal first, dub second (if at all), so lautet das Motto für die meisten Dub-Werke. Diese Reihenfolge ist ja auch logisch. Der Dub wird ja bekanntlich aus einem Vocal-Original gemischt, muss also zwangsläufig an zweiter Stelle stehen. Die meisten Bands und Produzenten lassen sich mit dem zweiten Schritt Zeit. Viel Zeit. Kommerziell macht es kaum einen Unterschied, da das Dub-Album sowieso nur von einer sehr, sehr kleinen Hörerschaft goutiert wird. Doch es gibt sie noch, die Bands und Produzenten, die diese Praxis mißachten und dem Dub einen gleichrangigen Stellenwert wie dem Original einräumen. Als da wären: die Soothsayers und Victor Rice. Das neue Instrumentalalbum der Band „Soothsayers Meets Victor Rice and Friends in Dub“ (Red Earth Music) erschien zeitgleich mit „Soothsayers Meets Victor Rice and Friends“. Zwei grandiose Alben, die eigentlich gleichermaßen in diese Kolumne passen, denn das „Original“ ist ein reines Instrumentalalbum.
Die Soothsayers sind eine britische Band mit Sitz in London. Sie wurde 1998 von zwei Blechbläsern gegründet (Idris Rahman und Robin Hopcraft) und verschrieb sich Ska, Reggae und Afrobeat. Sounds, denen sie bis heute treu geblieben ist. Entsprechend wird ihre Musik dominiert von kraftvollen Bläsersätzen, meist schnellen Shuffle-Beats, vielen Jazz-Einflüssen und generell einem sehr analogen Studio-Sound. Wenig überraschend also, aber von absoluter Perfektion und unbändiger Spielfreude. Vor allem die Jazz-Anleihen sorgen für eine schön komplexe Struktur, die kongenial zum repetitiven Rhythmus kontrastiert. Wohltuend ist auch, dass sowohl die Geschwindigkeit der Beats, wie auch die Arrangements von Stück zu Stück stark variieren. So wird das Instrumentalalbum zum richtigen Hörerlebnis.
Das Dub-Pendant addiert noch den Remix-Layer hinzu. Aber natürlich zeichnet sich guter Dub durch eine clevere Reduktion auf das Wesentliche aus. Produzent und Remixer Victor Rice weiß das natürlich und eliminiert folgerichtig mehr als er addiert. Rice ist ohne Zweifel exakt er richtige Man für diesen Job. Sozialisiert wurde er als Bassist, Sound-Engineer und Produzent in der New Yorker Ska-Szene der 1990er und 2000er Jahre. 2002 emigrierte er nach São Paulo in Brasilien, gründete seine eigene Band, produzierte und remixte unzählige Alben (u. a. wurde er einer der wichtigsten Produzenten bei Easy Star Records) und befasste sich insbesondere intensiv mit Dub. Letzteres ist für einen Ska-Musiker eine recht ungewöhnliche Entscheidung, ist Ska doch eine Musik, die aufgrund ihrer Geschwindigkeit kaum Platz für Dub lässt. Nun, Victor Rice machte aus diesem Dilemma seinen USP und steht seit etlichen Jahren für faszinierende Dub-Versionen von Ska oder Ska-beeinflusster Musik. Deshalb taucht sein Name im Dubblog auch regelmäßig auf.
Auf „Soothsayers Meets Victor Rice and Friends in Dub“ liefert er wieder ein Paradebeispiel seiner Kunst. Seine Dub-Mixes fügen sich organisch in die komplexe Struktur der Instrumentals und erschaffen eine gänzlich neue, originelle Interpretationen der Originale. Das Dub-Album hat eine gänzlich andere Tonalität, als das Instrumentalalbum. Während letzteres einem Feuerwerk gleicht, ist die Dub-Version eher ein Lagerfeuer, an dem man sich wärmen kann. Konzentration und Introversion statt überbordendem Temperament und hemmungsloser Extroversion. Beides hat seinen Reiz, aber wir Freunde des Dub neigen naturgemäß eher zum Weniger, als zum Mehr (nur beim Bass ist es anders herum ;-). Übrigens wäre Victor nicht Rice, wenn er nicht auch schon einige der Instrumentals mit sanften Dub-Effekten ausgestattet hätte. Daher bleibt nur die Empfehlung: Streamt einfach beide Alben!

Bewertung: 4 von 5.
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Gaudi + Savona: Havana Meets Kingston in Dub

„Havana Meets Kingston“ war 2017 eine große Sache. Ganz nach dem Vorbild von Buena Vista Social Club, lud Jake Savona aka Mista Savona – angeblich Australiens „leading reggae producer“ – alt gediente kubanische Musiker in alt gediente kubanische und jamaikanische Studios ein, wo sie alt gediente Reggae-Musiker, wie Sly & Robbie, Ernest Ranglin, Bongo Herman und andere trafen, um gemeinsam Musik aufzunehmen – und natürlich, um einen Dokumentarfilm zu drehen (aus dem aber scheinbar nichts geworden ist). Ein Riesenaufwand, der sich durch den (relativen) Erfolg des Albums auszahlte. Doch es wäre zu schade, die Aufnahmen nicht noch weiter zu verwerten – und da bietet sich doch ein Dub-Album an! Wer so groß denkt, kann nicht irgend einen Remixer beauftragen, weshalb Savona sich an Gaudi wandte, der auch außerhalb des Reggae-Kosmos Ruhm und Ansehen genießt. Gaudi ließ sich ganze fünf Jahre Zeit, um die neun Dubs zu mixen, die sich nun auf „Havana Meets Kingston in Dub“ (Mista Savona) finden. Vielleicht hat er ja jede Reglerdrehung vielfach intensiv durchdacht und gegen Alternativen abgewogen, um nach Monaten der Planung tatsächlich einen Dub aufzunehmen. Vielleicht befand er sich aber auch einfach nur in einer heftigen Corona-Lethargie. Jetzt jedenfalls ist es endlich so weit, das Dub-Album liegt vor und es ist wahrlich gut geworden. Gaudis Akribie zahlt sich aus, denn Sound und Mix sind schlicht superb. Es hätte allerdings schon viel schief gehen müssen, um aus den brillanten Vorlagen nicht ebenfalls brillante Dubs zu dengeln. Die Arrangements sind einfach klasse und die handwerkliche Perfektion der Musiker lässt keine Wünsche offen. Also: Gaudi beschert uns ein wunderschönes Dub-Album, auf dem sich das warten gelohnt hätte, wenn man von dessen geplanter Existenz gewusst hätte. Ich bin sogar der Meinung (wen wundert’s), dass die Dub-Version des Albums besser ist als das Original. Der Sound ist tighter und die übervollen Arrangements wurden auf ein Maß reduziert, das jedes einzelne Instrument wirklich zur Geltung kommen lässt. Mit Hall und Echo hält sich Gaudi ziemlich zurück, denn auch ohne diese passiert schon genug. Perfekt dosiert, würde ich konstatieren. Außerdem fällt auf, dass der von Savona produzierte organische Live-Sound in sehr reizvollem Kontrast zu Gaudis eher an elektronischen Tracks entwickeltem Dub-Mixing steht. Insgesamt sicher eines der bemerkenswerten Dub-Highlights 2022.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Blue & Red: Hidden Dubs

Die 1990er waren in musikalischer Hinsicht ein aufregendes Jahrzehnt. Es war die Zeit des UK-Dub und die Geburtsstunde der Dub-Sound Systems, wie wir sie heute kennen (okay, Jah Shaka, Originator und Urvater des modernen Dub, war schon viele Jahre früher aktiv). Dub war groß und schwappte sogar ganz vage in den Mainstream. Schuld daran war ein Dub-Stil, der eine deutliche Nähe zu House entwickelte. Denken wir an Dreadzone, Zion Train, Groove Corporation oder Rockers Hi-Fi. Was zeitgleich im UK passierte war die Entstehung von Jungle. Frisch und ungehört, eine absolut verrückte, stark Reggae-beeinflußte Musik. More Rockers und Smith & Mighty produzierten Jungle-Tracks, die ganz, ganz nah an Dub gebaut waren. Nur wenige Alben dürfte ich häufiger aufgelegt haben, als „Selection 2“ von More Rockers. Warum erzähle ich das? Weil hinter More Rockers, ebenso wie hinter Smith & Mighty ein Mann stand, der uns noch heute häufig über den Weg läuft: Rob Smith aka RSD aka Blue&Red. Wir kennen ihn vor allem als häufig von Echo Beach gebuchten Remixer, aber auch wegen seiner eigenen, recht speziellen Dub-Produktionen – an denen sich übrigens regelmäßig die Geister scheiden. Denn was Smiths Produktionen so speziell macht, ist sein rigoroser Minimalismus, seine stoische Repetitivität und die nackte Rauheit seiner Dubs. Alles drei Eigenschaften, die ich in ihrer Konsequenz sehr schätze, doch es gibt viele Dubheads, die Smiths Musik als Verrat am Genre verstehen. Nun ist sein Album „Hidden Dubs Vol. 1“ erschienen und ich habe arge Zweifel, ob es geeignet ist, die Rob Smith-Verächter zu bekehren. Wie zur Verteidigung zitiert Rob Smith Style Scott mit den Worten: “Dub is really what you would call a deconstruct, you strip it down, you strip it right down to bone!”. So gesehen, muss Dub minimalistisch und „raw“ sein. Und genau das liefert er uns mit seinen „Hidden Dubs“ – Tracks, die aus den vergangenen 25 Jahren stammen, einige von ihnen als überarbeitete Version, andere unverändert. Allesamt harte Dubs, pur, rau mit teils übersteuertem Bass und minimaler Instrumentierung. Hier klingt ganz deutlich die Junge/Drum&Bass-Schule durch. Ein klassischer Reggae-Producer würde Dub niemals so scheinbar „seelenlos“ umsetzen. Doch die Härte hat ihren Reiz und der Verzicht auf Schönheit ist zwar radikal, aber auch befreiend.

Bewertung: 4 von 5.