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Tropical Dub Connection: Outtanational Steppas Mixtape Vol. 2

Endlich angekommen: Die zweite Etappe der musikalischen Weltreise der Tropical DUB Connection, „Outtanational Steppas Mixtape Vol. 2“ ist absolviert. Wieder ein faszinierendes Dub-Album, das nahtlos an seinen Vorgänger anknüpft. Wie Vol. 1 verwebt es musikalische Einflüsse vieler Stile des Global Pop und traditioneller „Worldmusic“ mit dem mächtigen Sound von Dub. Ein kaleidoskopisches Erlebnis, das uns auf eine Klangreise um die Welt mitnimmt. Die Sammlung verschiedenster Stile und musikalischer Kulturen reicht von Argentinien über Kuba, Portorico, Jamaika, Großbritannien, USA, Kenia, Nigeria, Mali, Indien, Türkei bis zur Republik Tuwa. Jedes dieser Länder trägt seine Harmonien, Instrumente, Rhythmen und Melodien bei, die hier mit Dub verschmolzen werden. Das Album ist eine wahrhaft globale Reise und ein einzigartiges auditives Erlebnis. Von den meditativen Klängen und Gesängen des indischen Subkontinents mit Instrumenten wie Santoor, Sarangi, Bansuri-Flöte, Shenai, Sitar und Tanpura, über die pulsierenden afrikanischen Balafon-, Kora-, Ngoni- und Tribal-Stimmen bis hin zu modernem Afrobeats. Die musikalische Vielfalt ist umfassend. Und es gibt noch mehr davon: Southern Country Blues, argentinischen Tango und die orientalischen Vibes der türkischen Baglama, der Alaturka-Geige und der Mey-Flöte. All diese Elemente erzeugen ein beeindruckendes Mosaik von Klängen und Rhythmen, das uns Lauschende tief in die kulturelle Essenz jeder Kultur eintauchen lässt. Kling zu eklektizistisch? Kann sein, dass ein paar Instrumente, Rhythmen und Harmonien einer komplexen musikalischen Kultur nicht gerecht werden. Aber hier geht es ja nicht um das Porträt spezieller musikalischer Traditionen, als vielmehr um die Erschaffung eines globalen Sounds im Zeichen des Dub. Akustisch überfliegen wir Regionen, Länder, ja ganze Kontinente innerhalb weniger Minuten. Was uns dabei bewusst wird: Die ganze Welt steckt voller faszinierender Musik jenseits unseres beschränkten Horizontes. Was es da alles zu entdecken gibt! Das Album ist also nicht nur eine eindrucksvolle musikalische Leistung, sondern auch ein Zeugnis für die Macht der Musik, Barrieren zu überwinden und Kulturen zusammenzubringen. Die Mischung aus traditionellen und modernen Klängen schafft eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Osten und Westen, und bietet ein faszinierendes Hörerlebnis, das den kulturellen Reichtum der Erde feiert. Trotz seiner Vielfalt bleibt „Outtanational Steppas Mixtape Vol. 2“ in seiner Essenz ein Dub-Album. Die Produktion ist superb, und der Mix schafft es, die vielfältigen Klänge zu einem harmonischen Ganzen zu verweben. Die Reise, die das Album anbietet, ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch aufschlussreich und inspirierend. Sie lädt dazu ein, die Welt durch die Ohren zu erleben und die universelle Sprache der Musik zu genießen.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Hollie Cook: Happy Hour in Dub

„Warum wir ein Dub Album von „Happy Hour“ machen? Weil wir die viele musikalische Details zur Geltung bringen wollten, die es in den Songs noch zu entdecken und freizulegen gab“, erklärt Produzent Ben Mckone. Logisch, denn die helle Stimme von Hollie Cook ist in ihrer Musik so präsent, dass sie eine Menge von dem Verdeckt, was musikalisch im Hintergrund geschieht. Deshalb gibt es jetzt „Happy Hour in Dub“ (Merge), die Dub-Version ihres 2022 veröffentlichtem Lovers Rock-Albums „Happy Hour“. Schön, denn ich liebe Dub-Versionen und ich hatte noch die Instrumental- und Dub-Versionen ihrer Prince Fatty-Produktionen im Ohr. Doch welch Enttäuschung! Leider fehlt „Happy Hour In Dub“ die musikalische Kraft und der Ideenreichtum, die Cooks frühere Arbeiten, insbesondere jene von Prince Fatty produzierten, auszeichneten. Die Produktion und Instrumentalisierung sind technisch zwar tadellos, aber formale Exzellenz macht noch lange keine gute Musik. Es gibt in der Happy Hour in Dub durchaus Momente der Brillanz, die teils schönen Arrangements und das geschickte Mixing beeindrucken – ja, die von Mckone erwähnten Details existieren tatsächlich – , aber trotzdem bleibt das Album als Ganzes ziemlich blutleer. Abgesehen davon sind die Streicher- und Synthie-Flächen sowie schmalzige Background-Harmonien, die immer wieder die typische Lovers-Rock-Atmosphäre herauf beschwören, einfach nervtötend. Aber das mag eine ganz und gar subjektive Einschätzung sein. Ich mag Schlager nicht, egal in welches Genre und musikalische Kultur sie sich kleiden. Umso erstaunlicher jedoch, wie inspirierend und vielfältig Prince Fatty einst Lovers Rock interpretierte. Doch genau vor diesem Hintergrund kann „Happy Hour in Dub“ leider nur verlieren. Und da frage ich mich wirklich, warum Cook und Fatty nicht mal wieder ein gemeinsames Album aufnehmen.

Bewertung: 3 von 5.
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Ras I Mothep: Orbital Dub System

Vor nahezu exakt einem Jahr habe ich mich dazu bekannt, das Album „Reconciliation“ von Ras I Mothep ganz schamlos gut zu finden, obwohl es ausschließlich ziemlich brutalistischen Steppers-Dub offeriert. Nun liegt mit „Orbital Dub System“ (Subsquad) das nächst Album des Sound Systems aus Aix-en-Provence vor, und schon wieder muss ich fasziniert hinhören. Simpelste digitale Produktionen, Rhythmus pur, Bass ohne Ende und ansonsten 4-to-the-floor. Wo bleibt die Raffinesse? Wo die Kunst? Wo der gute Geschmack? Ich weiß es nicht, und ich kann auch nicht darüber nachdenken, denn mein Kopf ist voll von Bass und digitalem Gepluckere. Im Ernst: Es fällt nicht leicht, über die Musik von Ras I Mothep eine differenzierte Review zu schreiben, aber andererseits sind die Dubs aus dem Süden Frankreichs zu betörend, um sie unter den Tisch fallen zu lassen. Sagen wir mal so: Der reichhaltige Sound von Dub lässt sich auch auf ganz simple Basics herunter brechen: Synkopierte Beats, Bass, Effekte. Genau das, und nicht mehr, bietet „Orbital Dub System“. Das Geheimnis liegt im Arrangement der Beats, das einer geheimen Formel folgt: Es verschränkt sich unmittelbar mit den Stoffwechselprozessen im menschlichen Gehirn und erzeugt unwillkürlichen Zwang. Zwang, den nächsten Track hören zu müssen. Dabei ist dem Zwangsbefallenen bewusst, dass er gegen seinen Willen an diese Musk gefesselt wird. Ein schreckliches Schicksal. Also überlegt euch gut, ob ihr das Album anspielt.

Bewertung: 4 von 5.
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Zion Train: Dissident Sound

Diese Jahr wird Zion Train 35 Jahr alt. Damit zählt die Band, das Label, das Sound System, kurz: Neil Perch zu den absoluten Veteranen des Genres. Ich kann mich auch noch gut an ein von Nicolai (Echo Beach) 1994 in Köln organisiertes Konzert erinnern, wo ich Zion Train zum ersten Mal live erlebte. Im gleichen Jahr veröffentlichte Zion Train das wegweisende Album „Siren“ und unterschieb kurz danach beim Mayor-Label (heute Warner). Es war die Zeit, in der wir alle glaubten, Dub sei auf dem Weg zum Mainstream. Weit gefehlt! Und zum Glück, wie wir heute wissen. Ein Ausverkauf hätte dem Dub seiner Seele beraubt. Lange Rede, kurzer Sinn: Zion Train ist was ganz besonderes und ich freue mich immer sehr über die (seltenen) Releases. Jetzt ist es endlich wieder so weit. Soeben erschien „Dissident Sound“ (Universal Egg). Ich vermute, dass die außergewöhnliche Qualität der Produktionen von Neil Perch darin besteht, dass er Dubs wie Songs versteht und entwickelt. Wie ein guter Song, braucht auch ein Dub eine Idee, ein zentrales Element, dass ihn einzigartig macht. Das kann eine außergewöhnliche Bassline sein, melodiöse Bläsersätze, ein inspiriertes Soloinstrument, oder ähnliches. Wesentlich ist der melodiöse Aspekt. Die Melodie macht aus dem Dub ein songähnliches Instrumentalstück. Und genau das ist die Spezialität von Zion Train. Jedes Album (abgesehen vom Frühwerk) ist ein Werk von ganz eigenem Charakter – unverwechselbar und einzigartig. Hinzu addieren sich natürlich noch die notwendigen Tugenden der Dub-Produktion: Inspirierte Instrumentierung, cleveres Arrangement, sauberes Handwerk (mit echten Instrumenten), crisper Sound, fetter Bass, radikaler Dub-Mix. Warum zähle ich das alles auf? Weil „Dissident Sound“ das alles in Idealform bietet. Ich lasse mich sogar dazu hinreißen zu behaupten, dass es eines der besten Alben von Zion Train überhaupt ist. Wie schon der Vorgänger „Illuminate“, wurde auch „Dissident Sound“ in Deutschland aufgenommen. Auch hat Paolo Baldini wieder Bass und Gitarre beigesteuert und Sängerin Cara ist auf drei Tracks ebenfalls zu hören. Das Album wurde vollständig mit „echten“ Instrumenten eingespielt und von Neil mit analogem Equipment gemixt. Auch wenn ich sonst ein Verfechter digitaler Produktionen bin, so muss ich konstatieren, dass „Dissident Sound“ massiv von dem analogen und handgemachtem Sound profitiert – was aber auch mit der Anarcho-Attitüde zusammen hängen kann, die das Album mit Titel und Cover so ostentativ vertritt.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Mad Professor Meets Channel One: Round Two

Der Verrückte Professor und das Channel One Sound System lassen es gemütlich angehen. Zwischen der ersten und der zweiten Runde ihres Schlagabtauschs liegen inzwischen sieben Jahre. Eine Zeitspanne, die ich massiv unterschätzt hatte, denn die erste Rund war mir noch allzu präsent – was allerdings nicht unbedingt an der Musik lag, sondern vielleicht eher daran, dass ich die beiden Kontrahenten generell sehr schätze und sich mir vor allem das großartige Cover eingeprägt hatte. Die Dubs der ersten Runde waren nämlich durchaus enttäuschend. Vor allem der Sound der Channel One-Dubs war grottenschlecht. Nun liegt mit Mad Professor Meets Channel One: „Round Two“ (Ariwa) das Nachfolgealbum vor und eines fällt sofort auf: Zumindest das britische Sound System hat dazu gelernt. Der Sound ist nämlich schon mal ganz ordentlich, die Produktionen jedoch (keine Ahnung, wer sie eingespielt hat), sind mir im Vergleich zu den furiosen Live-Auftritten von Channel One immer noch zu harmlos. Nur der letzte Track, „Straight to Mad Professor’s Head“ hat die Magie und die Wucht, die ich von einem Sound System vom Schlage Channel One’s erwarte. Leider weiß sich der Professor nicht adäquat zu wehren. Seine Dubs sind – wie gewohnt – komplex arrangiert und virtuos gemixt und der Sound ist über jeden Zweifel erhaben, aber wie fast immer in jüngerer Zeit, sind sie kompositorisch enttäuschend. Die Tracks haben einfach keine Ecken und Kanten. Sie bleiben blutleer, die Basslines sind schwach und Melodien kaum vorhanden. Aber gut, der Professor hat sein Lebenswerk längst vollbracht. Er hat so viele brillante Dubs gezaubert, wie wahrscheinlich niemand anderes. Freuen wir uns lieber darüber, dass er es verweigert in Rente zu gehen und immer noch an den Knöpfen dreht.

Bewertung: 3 von 5.
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Elijah Salomon: Salomon Dub

Wie gut ein Old School-Dub-Konzept heute umgesetzt werden kann, beweist Elijah Salomon mit seinem Album „Salomon Dub“ (One Champ). Es wurde von der Züricher Band Dubby Conquerors handgespielt und in Jamaika von Bobby Digital in dessen Digital B-Studio aufgenommen, anschließend von John John in King Jammy’s Studio und von Joe Ariwa im Londoner Ariwa-Studio gemixt. Zudem basiert es auf einem Vocal-Album („Salomon“ von 2022). Klassischer geht es kaum. Und so klingt es auch – allerdings in einer überragenden Sound-Qualität, wie sie im Zeitalter der Klassik undenkbar gewesen wäre. Der schweizer Sänger, Multiinstrumentalist, Komponist und Produzent Elijah Salomon ist vor allem durch seine auf Schweizerdeutsch gesungenen Texte bekannt geworden. Ich hatte ihn jedoch nicht so richtig auf meinem Schirm. Das hat „Salomon Dub“ jetzt schlagartig geändert. Dass klassisch interpretierter Dub so frisch und inspiriert klingen kann, ist eine wahre Freude. Auch haben mich die Mixes von John John und Joe Ariwa positiv überrascht. Ersteren hatte ich als digitalen Dancehall-Produzenten abgespeichert und letzteren stets als einigermaßen uninspirierten Sohn von Mad Professor abgetan. Beide belehren mich nun eines besseren, denn sie liefern hier perfektes Handwerk und ein Feuerwerk an Ideen. Wahrscheinlich kommt die Inspiration von der exzellenten Produktion, die Elijah selbst verantwortete und den beiden vorgelegt hat. Credit dafür dürfte auch den Dubby Conquerors gebühren, denn die Präzision ihres Spiels ist atemberaubend. Ich kann mir „Salomon Dub“ weniger in einem Sound System, als vielmehr mit Kopfhörern in der U-Bahn vorstellen, denn den vielen Details der Produktion und den Mixes will aufmerksam gelauscht werden.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Alpha & Omega: Dubplate Selection Vol. 4

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr, was ich noch über Alpha & Omega schreiben soll. Ich habe es nicht gezählt, schätze aber, dass ich bereits ca. 5000 Rezensionen zur Musik der beiden verfasst habe. Darin wurde alles gesagt – mehrfach! Aber andererseits hat das Duo einen festen Platz in meinem Dub-Herz, so dass ich es nicht über mich bringe, einen neuen Release der beiden zu ignorieren. Deshalb also, hier ist er, Alpha & Omega: „Dubplate Selection Vol. 4“. Darauf gibt es das zu hören, was immer von A&O zu hören ist: Mystischer Dschungel-Dub, etwas nachlässig produziert und meist von mittlerer bis schlechter Sound-Qualität. Aber die hypnotische Kraft, die ihren Dubs zueigen ist, wirkt auch hier mit unverminderter Wucht. Auf der „Dubplate Selection Vol. 4“ haben sie zum vierten Mal Aufnahmen versammelt, die zuvor als Dubplates im Einsatz waren. Darunter verstehen die beiden alternative Mixe ihrer Produktionen, die sie exklusiv für bestimmte Sound Systems erstellen. Da das Duo recht produktiv ist und ständig neue Dubs produziert, wächst auch die Zahl ihrer exklusiven Dubplate-Mixe. Kurz: Es war also Zeit für ein Volume 4. Richtig gut gefällt mir hier der Umgang mit den Vocal-Fragmenten von Ras Tinny, Nai-Jah und Joe Pilgrim. Absolut minimalistisch eingesetzt, prägen sie die Dubs mit winzige Melodien. Sie blitzen auf, wie Sonnenstrahlen, die auf den Grund des Dschungels vordringen. Schöne Vorstellung!

Bewertung: 3.5 von 5.
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Five Star Review

Studio One Space-Age Dub Special

An diesen Dubs kommt niemand vorbei: Studio One Space-Age Dub Special (Soul Jazz). Hier sind sie alle zu hören, die schönen, nie alternden Studio One-Rhythms – und zwar in Reinform, ohne Gesang. Und vor allen in brillanter Qualität! Ich denke da nur an meine alten Vinyl-Releases: Unfassbar schlechte JA-Pressungen in weißen Covern – nicht gerade Ausdruck von Wertschätzung auf Seiten des Produzenten. Aber die Leute Soul Jazz sind anders drauf. Sie sind echte Sound-Nerds, die das Coxsone-Erbe sorgfältig bewahren und pflegen. Sie haben die Dubs von den Originalbändern remastert, auf ein fettes Album gepackt und mit einem wundervollen Cover versehen, das Clement Dodd im Space-Orbit zeigt. Ein Bild übrigens, das von Lone Rangers Studio One-Album „Badda Dan Dem“ von 1982 inspiriert wurde, auf dessen Cover Sir Coxsone am Steuer eines Raumschiffs im Weltraum zu sehen ist.

Die meisten dieser Tracks stammen aus der lange vergriffener Reihe von Studio One-Dub-Alben, die zwischen 1974 und 1980 veröffentlicht wurden, darunter „Zodiac Sounds“, „Ital Sounds and System“, „Roots Dub“, „Dub Store Special“, „Juks Incorporation“ und andere. Viele dieser klassischen Alben wurden ursprünglich nur in Jamaika in kleinen Auflagen mit speziellen Siebdruck-Hüllen veröffentlicht, alle mit absoluten Minimaldesigns, die heute als Vintage-Vinyl bis zu 100 Britische Pfund kosten.

Den Credit für die Dubs gelten einem fiktiven „Dub Specialist“, hinter dem sich tatsächlich Studio One-Sound-Engineer Sylvan Morris verbergen dürfte. Er, sein Produzent und die genialen Musiker haben viele der besten Aufnahmen geschaffen, die das Genre Reggae vorzuweisen hat. Sie sind hier als zeitlos schöne Dubs zu genießen.

Bewertung: 5 von 5.
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Interview mit Jah Schulz

Dein Name: Michael Fiedler

Du lebst in: der Nähe von Stuttgart

Titel deines letzten Albums:
„Dub Showcase“, aus 2022. Die neue Single „Stories“ , erschien am 1. 3. 2023

Wie lautet deine persönliche Definition von Dub?
Futuremusic

Was macht einen guten Dub aus?
Er zieht dich in denn Bann, hypnotisiert dich. Tatsächlich, wenn ich zu hause ein wenig schläfrig werde, ist das ein gutes Zeichen.

Wie hast du deine Leidenschaft für Dub entdeckt und wie hast du dich und deine Musik seiddem entwickelt?
Ich bin über Umwege (Jungle, Breakbeats, Techno) zum Dub gekommen. Reggae hat mich damals wenig interessiert. Aber die Musik die ich als Kind und Jugendlicher geliebt habe, hatte schon immer viel mit Dub zu tun: Basslines, Delay, Dub-Samples. Als junger Erwachsener Ende der 90er hab ich dann Tubby & Zeitgenossen für mich entdeckt.

Wie sieht der Entstehungsprozess eines typischen Dub-Tracks von dir aus?
Sehr unterschiedlich. Ein interessantes Sample oder Loop, ein Thema. Der Rest kommt von selbst.

Wann bist du mit einem von dir produzierten Dub-Track zufrieden?
Irgendwann macht es einfach „Klick“. Ich bin kein Perfektionist, dass ist ein Vorteil. Manche Tunes brauchen etwas länger, andere funktionieren innerhalb von Stunden. Ich beiße mir aber auch schon manchmal die Zähne aus. Aber ein wohliges Gefühl im Bauch sagt mir dann irgendwann: dass ist jetzt so fertig.

Was ist beim Produzieren von Dub am wichtigsten?
Fantasie, Experimentierfreude, keine Angst vor Fehlern.

Was ist deine besondere Stärke?
Ich kann sehr schnell arbeiten, wenn ich eine konkrete Idee habe.

Welches Album hältst du für dein bestes?
„Dub over science“ von 2020 auf Basscomesaveme.

Gelingt es dir, mit Musik deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Ja. Manchmal besser, manchmal schlechter. Ich bin musikalisch sehr vielseitig unterwegs. Allein vom Dub leben würde aber nicht funktionieren.

Welche Aspekte deines Jobs machen dir am meisten Spaß?
Live spielen und der kreative Austausch mit anderen Künstler:innen. Ich improvisiere z. B. sehr gerne mit anderen bei meinen Auftritten.

Wovor graust es dir im Studio?
Zu viele Menschen schauen mir über den Rücken während ich produziere. Das ertrage ich nur ganz kurze Zeit. Das gilt nicht für Musiker:innen die mit mir gerade im Studio arbeiten, dass geht dann schon klar.

Wenn du gerade nicht an Dubs schraubst, was machst du dann am liebsten?
Über Dub nachdenken.

Was hörst du außer Dub?
Alles mögliche. Wirklich!

Wenn Geld und Zeit keine Rolle spielten: Welches Projekt würdest du gerne verwirklichen?
Zeit und Geld spielt im Moment keine Rolle, ich habe gerade das Gefühl ich kann die Dinge machen, die mir Spaß bereiten. Zur Zeit arbeite ich an einer SpokenWord/Dub Platte. Zeit ist da, es geht aber zäh voran, vor allem, weil sich nur schwer Künstler:innen finden lassen, die mitmachen. Wenn allerdings Geld wirklich keine Rolle spielen würde, hätte ich ein Soundsystem in meinem Wohnzimmer.

Was bevorzugst du: Studioarbeit oder Sound System-Performance?
Beides ist wichtig. Ich liebe Soundsystem Veranstaltungen. Sie inspirieren mich. Oft hab ich danach oder währenddessen das Gefühl, dass ich sofort ins Studio und meine Maschinen anwerfen muss.

Wer ist für dich der größte Dub-Artist aller Zeiten?
Jimi Hendrix meets King Tubby

Und wer der aktuell interessanteste Dub-Artist?
Es sind viele ProduzentInnen die ich toll finde. Zu viele um alle zu nennen. Aber es gibt aktuell bemerkenswerte Releases von Babe Roots, Om Unit, Bukkha, Tjah, Kaptan, Another Channel, …

Welches Sound System schätzt du am meisten?
Respekt geht an alle, die so ein Projekt auf sich nehmen. Das find ich wirklich immer wieder beeindruckend.

Was sind deine persönlichen Top Dub-Alben?
Massive Attack Meets Mad Professor: No Protektion
Rhythm & Sound: W/ the Artists
Dub Syndicate: Classic Selection Volume 2
Alec Empire: Low on Ice
Disciples: Infinite Density of Dub

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Benjah and EK: Dust Off the Dubs

Dub ist ja bekanntlich ein Subgenre von Reggae. Doch auch Dub zerfällt wieder in diverse Subsubgenres. Verrückter Weise besteht selbst ein Subsubgenre, wie Steppers, wieder aus unterschiedlichen Spielweisen. Da wäre z. B. der Steppers alter Schule, wie wir ihn von den klassischen UK-Soundsystems kennen. Iration Steppers, Disciples oder Jah Warrior sind typische Vertreter. Dann gibt es noch eine jüngere Schule, die etwas experimenteller zu Werke geht. Hier fallen mir Alpha Steppa, Kanka oder Jah Schulz ein. Und dann gibt es noch jene Schule, die reines Futter für Sound Systems produziert. Einen ganz speziellen Sound, der sich gar nicht so leicht beschreiben lässt. Statt es in Worte zu fassen, empfehle ich, dieses Album anzuhören: Benjah and EK: „Dust Off the Dubs“ (Lions Den). Benjah und EK sind zwei junge Produzenten aus Frankreich. Sie firmieren auch unter dem Namen „Bedrin Records“ und bieten genau den Sound, der auf Sound System-Events den Selector zum Rewind zwingt. Mit etwas Phantasie ließe sich das Ganze als „technowise Dub“ bezeichnen. Der Rhytmus ist hundertprozentig Reggae, aber die Produktionen haben sich vom Mimikry handgemachter Musik vollständig verabschiedet, der Rhythmus ist maximal repetitiv und sämtliche Referenzen zu Dub und Reggae in Form von Samples, MC-Vocals und „Jah“-Rufen oder Sirenen fehlen.

Das auf Sound System-Music spezialisierte Berliner Label Lions Den, steht schon lange auf den Sound der beiden Franzosen und beschloss deshalb, ihnen ein Album zu widmen, auf dem sie die besten Dubs der letzten Jahren zu einem dicken Paket von 20 Tracks zusammen schnürten. Mir geht es wie Lions Den, auch ich stehe auf diesen kompromisslos konkreten Sound, insbesondere die durch die Drums forcierte Polyrhythmik hat es mir angetan. Allerdings befinden sich auch einige ziemliche Nieten unter den 22 Tracks (11 Instrumentals plus Dub-Versions), in denen mir bräsige Synthie-Orgien den Spaß verderben, oder mich ob der einfallslosen Beats die Langeweile überwältigt. Vielleicht hätte nicht jeder Dub es verdient, abgestaubt zu werden.

Bewertung: 3.5 von 5.