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Dub Syndicate: Fear of a Green Planet (2023)

1998 gründete Style Scott in Zusammenarbeit mit dem Berliner Vertrieb EFA sein eigenes Label Lion And Roots. Die ersten beiden Releases waren gleich zwei Dub Syndicate-Alben: „Mellow and Colly” und „Fear of a Green Planet“. Konzipiert als „Soundclash“ zwischen London und New York basierten sie auf den selben acht Riddims, die Scott wie üblich mit den Bassisten Flabba Holt und Bagga Walker in Kingston eingespielt hatte. „Mellow and Colly“ wurde in New York von Scientist gemixt. „Green Planet“, mit zwei zusätzlichen Riddims und zwei Versions etwas länger, war zu 360° eine On-U-Sound-Produktion, entthielt aber auch ein Souvenir aus New York: Bill Laswell fügte dort per Overdub eine Bassline ein. Ich bin bis heute nicht sicher, welche. In den USA erschien das Album mit alternativem Cover, das recht plump auf Public Enemy’s „Fear of a Black Planet“ verwies. Und damit etwas in die Irre führt, denn auf den ersten Höreindruck setzten DS auf „Green Planet“ den Kuschelkurs fort, den sie 1996 mit Ital Breakfast etabliert hatten, ihrem vorerst letzten Album auf On-U Sound. Dort trieben mittlerweile die japanischen Punk-Kids von Audio Active ihr Unwesen, und Style Scott hatte just zuvor mit Bill Laswell ein anbetungswürdiges atomar-apokalyptisches Album auf Word Sound eingespielt, das fast ohne Harmonik und Melodik auskam. Dagegen ging es auf „Green Planet“ ein bisschen zu wie im Hippie-Camp. Tablas, Violinen, schmachtende Melodien und Sprüche aus dem Rasta-Poesiealbum, die Riddims bis auf einen („Wake Up“) allesamt näher am Lovers Rock als an der Dancehall-Gegenwart, das erschienen mir in dieser Lebensphase alles etwas unterwältigend. Trotzdem bin ich immer wieder zu diesem Soundclash-Doppel-Album zurückgekehrt, habe die Versions einzeln oder als Album back to back gespielt und mich an den unterschiedlichen Mixansätzen erfreut. Während „Mellow & Colly“ sparsam und schlank ausgestattet war, lernte ich auch immer mehr die Gemütsruhe und Souveränität zu schätzen, die die Produktion von „Green Planet“ bestimmen. Das neu gemasterte Re-Release von „Fear of a Green Planet“ (Echo Beach) zum 25jährigen Jubiläum lässt diese Stärken, wenn überhaupt, noch deutlicher hervortreten. Die Produktion ist, wie die Engländer sagen würden, „lush“, das heißt im landschaftlichen Sinne im vollen Saft. Alles fließt, tropft, blüht auf und bestäubt einander in dieser pastoralen Idylle, in der es keinen Überlebenskampf zu geben scheint, nur Harmonie. Garten Eden statt Dschungel. Die Känge clashen nicht, sie umschwingen einander respektvoll in einem ozeanischen Offbeat-Strom, ohne je die Grenzen zum Kitsch wegzuspülen. Auch wenn da jeder seine eigenen Grenzen ziehen mag. Spiritueller Höhepunkt ist das tatsächlich wortlose „Not a Word“ mit seiner Gänsehaut-Violine, danach wird das Tempo mit einem Steppers- („Dubbing Is a Must“) und einem Dancehall-Riddim („Wake Up“) geringfügig angezogen. Ab hier wird es nur noch deeper und minimalistischer: „Hey Geoff“ erinnert mit seinen Stimm-Samples an die Kollegen von Tackhead und Little Axe, und in seiner extremen Luftigkeit an „Stoned Immaculate“. Die Versions von „Higher and Higher“ und vor allem „Emmanuel“ beeindrucken durch mixtechnische Reduktion. Diese fantastische Schlusstrecke wird auf dem Re-Issue noch ergänzt durch drei Extended Loop Mixes, die das Vergnügen noch ein bisschen in die Breite ziehen. Hier wurden offenbar Passagen vom Master geloopt und noch mal mehr oder weniger kreativ gedubbt, es passiert also nicht viel neues, nur noch ein bisschen mehr. Viertes und aussagekräftigstes Supplement ist ein Remix von „Dubvionist“ Felix Wolter. Basierend auf „Greater David“ fällt es mit viel Tapesättigung ein bisschen aus dem Soundbild, bildet aber einen würdigen Abschluss. Diese vier neuen Versions ändern aber nichts am Impuls, gleich danach „Mellow and Colly“ aufzulegen. Denn durch die schlanken Scientist-Mixe, die mit weniger Overdubs auskommen und im Discomix-Verfahren auch den Vocals (u.a. Junior Reid und Big Youth) mehr Platz einräumten, wird die komplette Soundclash-Experience so richtig dreidimensional. Das wissen sie auch bei Echo Beach. Das Re-Issue soll im neuen Jahr kommen.

Bewertung: 4 von 5.

19 Antworten auf „Dub Syndicate: Fear of a Green Planet (2023)“

Wie klingt der Remaster im Gegensatz zum Original-Release? Ich kann den Vergleich leider nicht durchführen… mangels 1998er-Stream.

Ich hoffe es ist nicht so wie beim neuen Remaster von Sizzla`s „Praise Yeh Jah“… der 25th Anniversary-Remaster hat das Album komplett gekillt… grauenvoll.

Also, mir gefällt mein OriginalCover mit dem blauen Schriftzug DUB SYNDICATE wesentlich besser.
Da flimmert alles so schön bunt.
Insgesamt kann ich mit der Rezension ja ganz zufrieden sein. Obwohl mich Worte wie „Kuschelkurs“ und „Kitsch“ natürlich nicht auf Anhieb begeistern. Nachdem ich die Worte aber mal ein bischen „reflektiert“ habe, darf ich sagen. Ja, warum eigentlich nicht ?! Es sind ja gerade auch die sanften aber sehr tief rein gehenden Riddims vom DubSyndicate, die mich so oft begeistern und zudem zeigen sie nur die Virtuosität und auch die Diversität, die das Dub Syndicate zu bieten hat. Da is nicht nur „unsk unsk unsk“ im Steppastyle, sondern da passiert – wie zum Beispiel – bei der DubHymne „DUBBING IS A MUST“ noch ne ganze Menge mehr. Ich erwähne hier aber nur das geniale und über jeden Zweifel erhabene Lachen zum „DubWise“ von Big Youth !!!
Und mit Kitsch habe ich auch keine Probleme. Wenn es diese Schuhe für Kinder – ihr wisst schon, die mit der blinkenden Sohle – auch in meiner Größe gäbe, hätte ich schon längst auch so ein Paar. Muss allerdings zugeben, daß ich noch nicht wirklich gesucht habe. Vielleicht liegen sie ja doch dieses Jahr unterm Weihnachtsbaum. Um es aber mal auf den Punkt zu bringen, muss ich sagen, daß ich beim besten Willen nicht in der Lage bin, im Reggae oder im Dub sowas wie Kitsch zu finden. Aber naja, ich bin ja auch kein Rezensent, sondern nur ein Kommentator und eventuell mangelt es mir an der nötigen Ausbildung, um da wirklich mitreden zu können. Was mich natürlich nicht hindert, es trotzdem immer wieder zu tun.
Nächstes Stichwort ! Mit der ganz besonderen Betonung auf „Stich“ ! „Lovers Rock“ …………….. mmmmnh, gelegentlich höre ich auch mal einen Maxi Priest oder auch bei ASWAD gibt es ja ne Menge „Stoff zum verlieben“ aber ich höre hier nur RootsRiddims, die aus meiner Erfahrung auch als Grundlage für einen „Lovers Rock“ zugrunde liegen können. Lovers Rock empfinde ich in der Tat auch sehr oft als zu „kitschich“. Besonders dann, wenn ein Sänger so wie Beres den Kitsch schon in der Stimme hat. ( Wohlgemerkt, meine Empfindung ).
Es gibt aber auch solche Textpassagen in der Rezension, die mir mal wieder runtergehen wie feinstes Ooooooolio de Olivio :
„ Die Produktion ist, wie die Engländer sagen würden, „lush“, das heißt im landschaftlichen Sinne im vollen Saft. Alles fließt, tropft, blüht auf und bestäubt einander in dieser pastoralen Idylle, in der es keinen Überlebenskampf zu geben scheint, nur Harmonie.“ Yeah Mann ! „Harmonie als Ziel der Zeit“ oder so ähnlich habe ich doch von DubbleStandart noch im Kopf. Und auch alles andere in diesem Satz „bestäubt“ meinen Enthusiasmus für das Dub Syndicate.
Entscheidend für die Qualität vom Dub Syndicate ist nicht nur der Mix von Adrian Sherwood sondern selbstverständlich auch die Musiker – allen voran Style Scott, Flabba Holt, Earl Bagga Walker, sowie gelegentlich auch Lloyd Parks und auch den Bassisten von Ziggy Marley and The Melody Makers habe ich – besonders Live and Direct – oft erleben dürfen. Das sind nicht irgendwelche ReggaeQuerEinsteiger sondern UrQuellen dieser Musik. Ich sage immer gern, die machen nicht nur Reggae, sondern die sind Reggae !
Nun aber noch ein paar Worte zu Mellow and Collie. Ich finde die Musik auf der Scheibe auch fantastisch aber es ist auch leider wieder ein Beispiel für den eventuell vorhandenen Hörschaden bei Scientist. Da muss ich den Höhenregler auf Null drehen, damit es halbwegs erträglich wird. Eigentlich müsste ich die mechanische Sperre rausnehmen, damit ich die Höhen sogar ein ganzes Stück ins Minus drehen kann. Ein „High End Fetischist“ wird es da meiner Meinung nach ganz schwer haben.
Ach und ansonsten hätte ich gern auf die paar „Loopings“ verzichtet, die hier als Bonus mitgeliefert wurden. Für mich wäre es wesentlich interssanter, wenn man dieses „anbetungswürdige, atomar-apokalyptische Album“ von Style Scott mit Bill Laswell nochmal richtig als VinylPressung oder wenigstens als CD zugänglich machen würde.
Ich empfinde es nach wie vor als „würdelos“ dieses Album nur streamen zu können. Ist zwar nicht direkt vom Dub Syndicate aber letztenendes ist Style Scott nichts anderes als der Don „Corleone“ dieses Syndikats.

„Auf Sizilien sind die Frauen gefährlicher als Schießeisen“ ……. lemmi

Hallo, ich habe mir die einzelnen Tracks einmal genauer angehört. Irre ich mich? Zwei der drei Extended Loop Mixes wurden bereits auf „Dub Syndicate – The Rasta Far I (Bonus Versions)“ veröffentlicht. Wer also sowohl das Originalalbum als auch „The Rasta Far I (Bonus Versions)“ besitzt, für den ist das 25 Anniversary Extended Edition Album ziemlich belanglos.

Ich bin etwas überrascht, dass du nicht das Originalalbum kennst. Wie kann so etwas passieren? Gerade Rezensenten wie du, gtk, sollten doch das Originalalbum kennen und haben.

Tatsächlich habe ich die CD noch – aber schon längst keinen dieser CD-Player mehr. (Ich hab‘ da so ein kleines Schatzkästchen mit seltenen/vergriffenen CDs, das ich mal ebay-mäßig verticken werde).

Leider ist das Album mit dem Originalmix (zum vergleichen) nicht mehr als Stream erhältlich – was schade ist, denn ich rezensiere hier ausschliesslich Alben, die gratis als Stream angehört werden können.

In diesem Sinne: Wer noch das Originalalbum und einen CD-Player sein eigen nennt, bitte um akustischen Vergleich, merci!

Danke für den YouTube-Url! Es bräuchte allerdings vergleichbare Qualitäten – am besten lossless vs. lossless
-stream oder CD 1998 vs. CD 2023.

Leider kann ich auch nicht weiterhelfen, weil ich kein streamer sondern allenfalls nur ein dreamer bin.
Ich kann nur sagen, die CD – Qualität von ( ca. 1998 ) ist – für meinen Geschmack – perfekt. Ganz besonders gegen den Stream für „lau“ ist sie die bessere Wahl.
Allgemein empfinde ich den mp3-Stream immer ein wenig rauschig. Das stelle ich besonders Zuhause fest, wenn ich nicht ganz so laut mache. Hier auf der Arbeit ist der Lautstärkepegel wesentlich höher und auch die Anlage nicht so gut, so daß mir das gar nicht auffällt. Hier gibt es auch beim Bass überhaupt keine Fragen, denn der BassPegel meines kleinen „DienstSoundSystems“ stellt sogar den DubWeekender in den Schatten ! Rumms Bumms DoppelWumms ! …………. ;-) is wirklich nur ne ganz kleine Übertreibung ;-)
Warum extra über e-bay gtk ? …… Ja gut, wer weiß wie hoch die Gebote gehen ?
Aber ich würde mich sehr freuen, wenn du mir aus deiner Schatzkiste das fantastische DubAlbum „Fire House Dub Volume 1, Sip A Cup meets Negus Roots“ verkaufen könntest. Das Album kenne ich durch deine Playlist „Deep In Dub“ und es gehört für mich mit zu den besten DubAlben aller Zeiten ! ( keine Übertreibung meinerseits ).
Also, auch wenn die Frage so natürlich nicht ganz ernst gemeint ist, würde ich mich sehr freuen, wenn wir da doch ins Geschäft kommen könnten ;-)
Ich fühle mich immer wie ein geprügelter Hund, wenn ich die nur streamen kann …..
Ansonsten würde ich sagen, hey EchoBeach kannst du mich hören ?! Bring It Out and Name your Price …………….. lemmi

Das habe ich gerade noch gefunden.
Auf der 2012 veröffentlichten Dub Syndicate Special King Size Dub von Echo Beach sind die beiden Extended Loop Mixes von Dubbing is a must und Hey Geoff auch zu finden. Darum fällt mein Résumé ziemlich ernüchternd aus: Wenn man den letzten Track von Dubvisionist außer Acht lässt, entpuppt sich die 25th Anniversary Extended Edition wieder nur als unspektakuläre Resteverwertung.

Nun, es gibt mutmaßlich viele Menschen, die das Originalalbum nicht besitzen (oder nicht kennen) und jetzt (endlich) die Möglichkeit haben, das Teil – wenn auch als Remaster – zu hören bzw. zu kaufen. Insofern: Well done, Echo Beach.

lemmi, den feinen „Firehouse Dub“ habe ich leider nicht als CD – aber eine schnelle Recherche sagt mir, dass man das Album auch losless streamen (Apple) & kaufen (bandcamp) kann. LP & CD scheinen auch noch über Sip-A-Cup Records erhältlich zu sein.

In meinem „Schatzkästchen“ (=Schuhschachtel) sind lediglich die Blood & Fire-Alben, seltene Michael Rose-Releases, ein wenig Dub Syndicate, LSP’s Arkology usw. Sprich, die wenigen Stücke die ich nicht über’s Herz gebracht habe wegzugeben.

Übrigens: Ich überarbeite „deep in dub“ gerade radikal – die neue Version wird wohl Ende Dezember online gehen: Radikal gekürzt (Qualität rein, Quantität raus), 100% stepper-befreit und: Was kein Echo hat, muss gehen… gehen… gehen… gehen

Danke gtk !

Ich hätte nicht damit gerechnet, daß man diese Scheibe noch bei
Sip-A-Cup Records kaufen kann. Ich hoffe, daß die mit meinen Zahlungsbedingungen ( „Barzahlung per Flaschenpost“ ) klarkommen.
Ok, dann werde ich demnächst auch mal wieder öfter in deine „Deep In Dub PlayList“ reinhören. Ich habs ja gern, wenn Dub schön „radikal“ ist ;-) ………..
Ich habe auch schon viele Instrumentals aus deiner PlayList, mit „ohne“ oder nur wenig Hall und Echos, in eine spezielle PlayList mit Namen „Reggae-Instrumentals“ abgespeichert. Oft ist Reggae auch ohne Vocals und ohne Hall und Echo einfach zu gut, um es für immer zu vergessen. Aber sis´ schon viel, gelle ?!

Alles klar, bis denne ……………. lemmi

Ich hatte auch den Gedanken, eine frei zugängliche „Instrumental“-Playlist zu fabrizieren. Da gibt’s ganz feine Sachen abseits von Dean Fraser…

Hehe, er Dean „martin“ Fraser steht aber auch echt zu oft im Abseits. Dabei ist er mir früher noch gar nicht so sehr auf die Nerven gegangen aber sein Saxophon klingt für mich echt nur noch nach „Wuwuseeler“ oder so ähnlich.
Klingt fast nach nem indischen Schlangenbeschwörer, was für die Schlangen ja nicht so schlimm ist, denn die sind ja taub, wenn ich mich nicht irre.

Greetings ……………… lemmi

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