1998 gründete Style Scott in Zusammenarbeit mit dem Berliner Vertrieb EFA sein eigenes Label Lion And Roots. Die ersten beiden Releases waren gleich zwei Dub Syndicate-Alben: „Mellow and Colly” und „Fear of a Green Planet“. Konzipiert als „Soundclash“ zwischen London und New York basierten sie auf den selben acht Riddims, die Scott wie üblich mit den Bassisten Flabba Holt und Bagga Walker in Kingston eingespielt hatte. „Mellow and Colly“ wurde in New York von Scientist gemixt. „Green Planet“, mit zwei zusätzlichen Riddims und zwei Versions etwas länger, war zu 360° eine On-U-Sound-Produktion, entthielt aber auch ein Souvenir aus New York: Bill Laswell fügte dort per Overdub eine Bassline ein. Ich bin bis heute nicht sicher, welche. In den USA erschien das Album mit alternativem Cover, das recht plump auf Public Enemy’s „Fear of a Black Planet“ verwies. Und damit etwas in die Irre führt, denn auf den ersten Höreindruck setzten DS auf „Green Planet“ den Kuschelkurs fort, den sie 1996 mit Ital Breakfast etabliert hatten, ihrem vorerst letzten Album auf On-U Sound. Dort trieben mittlerweile die japanischen Punk-Kids von Audio Active ihr Unwesen, und Style Scott hatte just zuvor mit Bill Laswell ein anbetungswürdiges atomar-apokalyptisches Album auf Word Sound eingespielt, das fast ohne Harmonik und Melodik auskam. Dagegen ging es auf „Green Planet“ ein bisschen zu wie im Hippie-Camp. Tablas, Violinen, schmachtende Melodien und Sprüche aus dem Rasta-Poesiealbum, die Riddims bis auf einen („Wake Up“) allesamt näher am Lovers Rock als an der Dancehall-Gegenwart, das erschienen mir in dieser Lebensphase alles etwas unterwältigend. Trotzdem bin ich immer wieder zu diesem Soundclash-Doppel-Album zurückgekehrt, habe die Versions einzeln oder als Album back to back gespielt und mich an den unterschiedlichen Mixansätzen erfreut. Während „Mellow & Colly“ sparsam und schlank ausgestattet war, lernte ich auch immer mehr die Gemütsruhe und Souveränität zu schätzen, die die Produktion von „Green Planet“ bestimmen. Das neu gemasterte Re-Release von „Fear of a Green Planet“ (Echo Beach) zum 25jährigen Jubiläum lässt diese Stärken, wenn überhaupt, noch deutlicher hervortreten. Die Produktion ist, wie die Engländer sagen würden, „lush“, das heißt im landschaftlichen Sinne im vollen Saft. Alles fließt, tropft, blüht auf und bestäubt einander in dieser pastoralen Idylle, in der es keinen Überlebenskampf zu geben scheint, nur Harmonie. Garten Eden statt Dschungel. Die Känge clashen nicht, sie umschwingen einander respektvoll in einem ozeanischen Offbeat-Strom, ohne je die Grenzen zum Kitsch wegzuspülen. Auch wenn da jeder seine eigenen Grenzen ziehen mag. Spiritueller Höhepunkt ist das tatsächlich wortlose „Not a Word“ mit seiner Gänsehaut-Violine, danach wird das Tempo mit einem Steppers- („Dubbing Is a Must“) und einem Dancehall-Riddim („Wake Up“) geringfügig angezogen. Ab hier wird es nur noch deeper und minimalistischer: „Hey Geoff“ erinnert mit seinen Stimm-Samples an die Kollegen von Tackhead und Little Axe, und in seiner extremen Luftigkeit an „Stoned Immaculate“. Die Versions von „Higher and Higher“ und vor allem „Emmanuel“ beeindrucken durch mixtechnische Reduktion. Diese fantastische Schlusstrecke wird auf dem Re-Issue noch ergänzt durch drei Extended Loop Mixes, die das Vergnügen noch ein bisschen in die Breite ziehen. Hier wurden offenbar Passagen vom Master geloopt und noch mal mehr oder weniger kreativ gedubbt, es passiert also nicht viel neues, nur noch ein bisschen mehr. Viertes und aussagekräftigstes Supplement ist ein Remix von „Dubvionist“ Felix Wolter. Basierend auf „Greater David“ fällt es mit viel Tapesättigung ein bisschen aus dem Soundbild, bildet aber einen würdigen Abschluss. Diese vier neuen Versions ändern aber nichts am Impuls, gleich danach „Mellow and Colly“ aufzulegen. Denn durch die schlanken Scientist-Mixe, die mit weniger Overdubs auskommen und im Discomix-Verfahren auch den Vocals (u.a. Junior Reid und Big Youth) mehr Platz einräumten, wird die komplette Soundclash-Experience so richtig dreidimensional. Das wissen sie auch bei Echo Beach. Das Re-Issue soll im neuen Jahr kommen.
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