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Protoje & Zion I Kings: In Search of Zion

Review René

Es ist ja schon etwas befremdlich, dass ein jamaikanischer Artist sich an Musiker außerhalb Jamaikas wenden muss, wenn er Roots Reggae-Rhythms haben möchte. Aber okay, Jamaica is moving forward – während wir hier im „Westen“ konservativ am Erbe der 1970er Jahre festhalten. Da wir hier aber immer noch einige Kaufkraft besitzen (mal sehen, wie lange das noch gilt), ist Protoje auf die Idee verfallen, sein Album „In Seach of Lost Time“ von 2020 für unseren Hörgeschmack „remixen“ zu lassen und als „In Search of Zion“ (RCA Records) heraus zu bringen. Remix bedeutet hier, dass die drei Zion I Kings-Produzenten eigentlich ein gänzlich neues Roots-Instrumentalalbum komponiert und aufgenommen haben – das allerdings lediglich als Backing für die Voclas von Protojes vorhandenem Album „In Seach of Lost Time“ dient. Das ist wirklich ein verrücktes Konzept: Einfach mal die Musik austauschen, um das Album besser an europäische und nordamerikanische Zielgruppen verkaufen zu können. Tja, ist halt Business. Allerdings waren die Zion I Kings stolz genug, um auf ein Doppelalbum mit Dub-Versions ihrer Produktionen zu bestehen. Und die hören wir uns jetzt mal an. Was direkt auffällt: Das Spektrum reicht stilistisch vom Lovers-Rock-Backings bis zu (verhaltenem) Roots-Steppers. Die Lovers-Rhythms streiche ich jetzt mal wohlwollend, denn mit Schlager kann ich absolut nichts anfangen, egal in welchem musikalischem Gewand er daher kommt. Die Backings von Schlager sind nicht weit von Fahrstuhlmusik entfernt – eine Ausgeburt an Langeweile. Was bleibt sind die Roots-Dubs auf dem Album. Doch die sind, gemessen am State of the Art-Dub der Gegenwart, unfassbar blass und unscheinbar geraten. Wo bleibt die Power von Roots? Wo die Dynamik, wo das rebellische Statement? Wie kann ein Roots-Album eines großen Artists so seicht, unoriginell und mutlos daher kommen? Gleiches gilt für den Dubmix: Absolut generisch. „In Search of Zion“ ist leider eine riesige vertane Chance, modernen Dub einer breiten Zielgruppe von Protoje-Fans schmackhaft zu machen.

Bewertung: 3 von 5.

Review gtk

Zugegeben, Protoje ist mir – vor allem in den letzten Jahren – eher durch beiläufiges Weghören bekannt: Ich steh‘ nicht auf HipHop, ich steh‘ nicht auf Sprechgesang. Vielleicht mag man das in diesem Fall als Conscious HipHop, Progressive Rap, Sing-Sang oder wie-auch-immer benennen; jedenfalls lassen Musik und Text meine Hörnerven ziemlich unbeeindruckt zurück – und das obwohl ich mich, wenn auch nicht mit der üblichen Intensivität, mit Protojes Alben durchaus beschäftigt habe: Schlussendlich hat jeder Kunstschaffende eine Chance verdient.

Der Fairness halber sei bemerkt, dass man im Oeuvre Protojes – oder sollte man besser sagen: im Oeuvre seiner Produzenten – durchaus gelungene Hooklines entdecken kann. Die konnte man schon in den ersten (international erschienenen) Alben finden – Produzent Don Corleon sei Dank, der Protoje quasi das damals noch Reggae/Conscious Dancehall/R&B-lastige Material bis hin zu den Lyrics auf den Leib geschrieben hat. Mit den darauf folgenden Alben & Singles konnte sich Protoje mit eigenem Label & Management und vor allem der Unterstützung von Produzent/Keyboarder Phillip James als feste Größe in seinem ReggaeHipHopR&B-Hybridgenre etablieren. Live ein wenig mehr Roots, im Studio etwas mehr R&B – jedem das seine. Da war’s nur mehr eine Frage der Zeit, bis sich ein Major-Label mit Protoje schwarze Zahlen ausgerechnet und ihn vertraglich vereinnahmt hat. Sony Music bzw. dessen Sub-Label RCA Records lenkt seit 2020 mehr oder weniger die Geschicke Protojes, obwohl der sich von dem Deal „a certain level of creative control“ (=> Wikipedia) erwartet. Man möchte ihm das wünschen, wiewohl man weiß, das Majors nicht gerade zimperlich im Umgang sind, wenn ihr finanzieller Input nicht die erwarteten Früchte trägt.

Zwei durchaus erfolgreiche Alben auf RCA Records später, sehen wir uns dieser Tage mit einer Überraschung konfrontiert: Da hat doch glatt jemand die (Vocal-)Bänder des 2021er-Releases „In Search of Lost Time“ den Zion I Kings-Team überreicht – um nichts weniger als drum herum das Roots-orientierte Reggae-Album „In Search of Zion“ (RCA Records) zu basteln (RCA nennt’s gar ein „Remix-Album“). Wessen Idee das war, sei dahingestellt; es mag Protoje selbst sein um in der Reggae-Community wieder etwas Credibility zu erlangen; es mag Sony/RCA Records sein, dass in seinem Roster auch das Sunshine-Reggae-Segment abgedeckt wissen will. Dass es gerade Zion die I Kings getroffen hat, mag deren guten Ruf oder aber auch einer ersten Zusammenarbeit auf Protojes letztem regulären Release „Third Time’s the Charm“ zu verdanken sein.

Nun wissen wir bereits, was wir von den Zion I Kings erwarten können: Einwandfreies Handwerk, gediegene Arrangements und feinster Sound, umgesetzt in klassisch anmutenden Roots-Tunes. Da kann man wirklich nicht meckern, das ist ein solides Backing das jedem Sänger Raum gibt, sein Ding umzusetzen. Das funktioniert sogar, wie in vorliegendem Fall, wenn der Sänger gar nicht neu einsingt. Wunderbar und maximal erhellend: Das Original und die Reggae-Version back-to-back hören, zwei Welten vergleichend. So ein Rap geht doch nicht auf Roots… doch, das geht. Und es hört sich gut an!

Als unerwartete Draufgabe liefern uns Protoje/RCA Records/Zion I Kings auch noch die Dub-Tracks dieser vor zwei Jahren eingespielten Reggae-Versionen. Auch das können die Zion I Kings, wie sie mit den Dub-Alben unter eigenem Namen bewiesen haben – insbesondere mit dem Vol. 1 ihrer Dub-Series, mit dem sie Style Scott einen exzellenten Tribut zollen. Nun wissen wir – und haben es hier auch schon besprochen -, dass man von den Mannen rund um Laurent Alfred keine Wahnsinns-Innovationen erwarten darf – entsprechend gediegen wummern die Dubs bass-lastig aus den Boxen; entsprechend punktgenau und niemals übersteuernd werden die Effekte eingesetzt. Nichts Neues unter der Virgin Islands-Sonne – „nur“ die übliche Verlässlichkeit mit Qualität.

Bewertung: 4 von 5.

7 Antworten auf „Protoje & Zion I Kings: In Search of Zion“

Auch nicht schlecht ! Hier mal gleich zwei so verschiedene Rezensionen zu lesen. Es tut mir leid gtk aber wie schon in meinem kurzen Kommentar
im Radar zu lesen ist, bin ich hier zu 100% einig mit der Wahrnehmung von René. Schlaffe Dubs sind das ! Auch für meinen Geschmack. Ich gebe auch gern zu, daß es mir sehr gut tut, wenn meine Meinung bzw. mein Eindruck so genau auf den Punkt bestätigt wird. Da fühle ich mich gleich viel stärker ;-) …..
Die VocalTunes sowohl mit den Zion I Kings als auch mit seinen „Indignitians“ (?) finde ich dagegen eigentlich auch ganz Ok. Aber es hat mir nicht gereicht, eins oder gar beide Alben zu kaufen.
Na gut ! Dann bin ich eben doch konservativ, wenn ich auch immer noch viel lieber die fetten ReggaeTunes aus den 70ern und 80ern höre, als die im Laufe der Jahre immer weichgespühltere Variante von Reggae und damit auch Dub ( besonders die ComputerDubs aus Jamaika ). Die Musik war zu der Zeit wirklich progresssiv und für mich bleibt sie das auch für immer und ewig.
Ganz besonders die Scheiben von BLACK UHURU ( Michael Rose, Puma Jones, Ducky Simpson, Sly and Robbie and The Taxi Gang und niemand sonst ) sind für mich die Definition von Progressivität, wie es sie nie wieder gegeben hat. Das ist nicht „nur“ Reggae, sondern
SPONJI REGGAE !!!
Es war die Zeit, wo man mit kraftvollem „Aggro“Reggae noch weltweiten Ruhm erlangen konnte. Da waren auch die Hörer noch nicht so weichgespühlt und haben danach gelechzt. Wo sind wir heute angekommen ? Hier bei uns, gibts z.B. ne Quote für tim bendsko musik.
Deutsche schwerenötermusik mit leicht kritischen texten, damit man nicht gleich merkt, daß es im Grunde auch nur Schlager sind.
Protoje würde sicherlich auch gern viel mehr guten kraftvollen Reggae machen aber die „Kids“ von heute wollen nur noch schlaffen hiphop hören. LaberMusik. Es geht nur noch um Text Text Text. Die Musik, der Groove spielt keine Rolle mehr. Jamaika ist „moving forward“ !?!
Mmmmh, da muss ich jetzt doch mindestens einen Prozent von meiner Einigkeit mit René wieder abziehen. Vielleicht habe ich auch schon zu lange, enttäuscht, der jamaikanischen Musik den Rücken gekehrt und bin gar nicht mehr auf der Höhe aber bei mir ist nur hängengeblieben, daß Jamaika – so wie vor der Ska – Rocksteady – und Reggae – Zeit dem amerikanischen Markt hinterherläuft und sogar musikalische Unfälle wie Trap nicht vermeidet. Alles schlaffes rumgesülze ohne Schmackes ! Wohlgemerkt ! So wirkt das auf mich ! Daß viele das anders sehen und den scheiß sogar abfeiern, ist eventuell ja doch Ok aber für mich ist es ein großer, wenn nicht sogar der große Teil, des Problems. Und so sind die Musiker, die von Musik leben wollen oder gar müssen ganz schön am popo, da man eben mit progressiver Musik nicht mehr angesagt ist. Es wird nach üblicher konservativer Art alles weichgespült und deshalb muss man sich auch nicht wundern, wenn „marmorstein und eisen bricht“.

Ok, könnte gut sein, daß ich doch wieder etwas übers Ziel hinausgeschossen bin aber ich hatte gerade wieder etwas viel schwung drauf.

So long ……………………. lemmi

„Deutsche schwerenötermusik mit leicht kritischen texten, damit man nicht gleich merkt, daß es im Grunde auch nur Schlager sind.“

Da stimme ich zu 99% mit Dir überein, lemmi. Das fehlende 1% betrifft die Worte „auch nur“. Hinzufügen möchte ich, dass da Betroffenheits-Melodien & -texte kreiert werden, die früher noch nicht mal als Strophen-Melodien in Frage gekommen wären. Immer die selbe Moll-Leier *gähn*.

Aberaberaber: Der Erfolg dieser Musik zeigt, dass viele Menschen das mögen und es einen großen Markt dafür gibt. Kann also nicht so schlecht sein – für mich hingegen sind das musikalische Allgemeinplätze, sprich pure Langeweile. Für Reggae – dare I say it – trifft das zumindest textlich ebenso zu, meine ich.

Ja gtk, bei all dem was ich hier so von mir gebe muss immer klar sein, daß ich das natürlich mit einer dicken DubBrille betrachte und auch kommentiere. Eventuell habe ich, was Reggae und Dub betrifft sogar das James Webb Teleskop auf der Nase sitzen. Ich bin und will da gar nicht objektiv und schon gar nicht vernünftig sein. Außerdem habe ich zum Beispiel „Glück ist wie ein Schmetterling“ von Nana Mouskouri in einer meiner PlayListen.
„One good thing about music is, when it hits, you feel no pain“ Das gildet natürlich für jede Musik, auch wenns mir schwerfällt, das zu glauben. Aber sisso.
Wenn Musik mich aber so richtig packt bzw. trifft, dann möchte ich nicht mehr rational, objektiv und oder gar vernünftig sein. Nein ! Dann will ich gerne ausrasten und meinetwegen auch für alle anderen wie ein Irrer erscheinen. Das ist mir dann egal, denn ich fühle keine Pain.
Bisher hatte ich immer den Eindruck, hier im DubBlog darf ich das, bzw. ihr habt genug Toleranz ( Leidensfähigkeit ) für meinen Enthusiasmus, der manchmal sicherlich auch etwas über das Ziel hinausschießt.
In einem „SchlagerBlog“ wäre ich damit ganz bestimmt fehl am Platze.
Zu den Texten kann ich eigentlich gar nicht so viel sagen. Mir ist der Text auch nicht wirklich wichtig. Was ich im Reggae so mitbekommen habe, kann ich immer sehr gut nachempfinden. Jede GanjaHymne – und sei es die 2510te – kann ich sehr gut verstehen und wenn babylon wieder mal verbal abgefackelt wird, bin ich auch gern dabei. Ansonsten ist mir nur wichtig, wie gesungen oder getoastet wird. Was ist mir ehrlich gesagt schnuppe. Und wenn jemand so abgefahren von einer Beautiful Woman singt wie Toots Hibbert und das ganze über einen derart fetten Riddim kommt, dann sage ich nur, „auch wenn ich nicht jedes Wort verstehe, so wie es klingt kann er nur Recht haben ;-)“

Bis denne ………………….. lemmi

„Burn down the disco
Hang the blessed DJ
Because the music that they constantly play
it says nothing to me about my life“
(© Morrissey / The Smiths)

Mir waren die Texte immer sehr wichtig, aber es gibt nun mal Themen – insbesondere auch im Reggae – mit denen ich absolut nichts anfangen kann, sprich zu denen ich null Konnex aufbauen kann. Noch dazu scheint es unmöglich, Texte absichtlich „nicht zu hören“. Wenn das zum Problem wird… ist Dub die Lösung!

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