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Tor.Ma in Dub: Full Circle

Mit „Full Circle“ (Dubmission) präsentiert Tor.Ma in Dub ein Werk, das gleichermaßen kompromisslos wie konzentriert wirkt – und das vor allem durch seinen Einstieg eine unerwartete Wucht entfaltet. Die ersten beiden Tracks, „Lights On“ und „Earth Calling“, markieren einen radikalen Moment im Schaffen des mexikanischen Produzenten: zwei gnadenlose Steppers-Monolithen, die mit dem verspielten Psydub-Image, das ihm oft zugeschrieben wird, nichts mehr zu tun haben. Hier ist kein Platz für flirrende Klangteppiche oder sphärische Spielereien – was sich stattdessen entlädt, ist reine Soundsystem-Energie. Die Bassdrum marschiert mit fast brutaler Geradlinigkeit durch die Tracks, stoisch und unnachgiebig, während ein unmodulierter, tiefschwarzer Subbass den Raum füllt und die Magengruben erschüttert. Es sind diese zwei Stücke, die das Potenzial haben, auf jeder Dub-Session für kollektives Kopfnicken und eine Reihe von Rewinds zu sorgen. Kein überflüssiger Effekt, kein ornamentales Beiwerk – nur Groove, Druck und ein fast technoider Minimalismus, der an frühe UK-Steppers erinnert, aber mit einer düster-digitalen Kante versehen ist, wie man sie aus dem Dunstkreis von Alpha & Omega kennt.
Im weiteren Verlauf der EP kehrt Tor.Ma in Dub dann zurück zu vertrauterem Terrain. Die restlichen drei Stücke öffnen sich atmosphärisch, werden sanfter, lassen Raum für esoterisch angehauchte Melodien und psychedelisch schillernde Klangtexturen. Hier klingt wieder durch, was Produzent Hernández in Interviews als seinen kreativen Ursprung beschreibt: eine Affinität zu inneren Klangräumen, zu meditativen Zuständen, zu bewusstseinserweiterndem Sounddesign. Doch auch in diesen Tracks bleibt der Rhythmus klar und geerdet – das Spiel mit Raum und Frequenz bleibt stets im Dienst des Dub.
„Full Circle“ ist mehr als nur eine weitere EP im Katalog von Tor.Ma in Dub – es ist ein markanter Einschnitt, ein bewusst gesetzter Akzent. Die unbändige Energie der ersten beiden Tracks wirkt wie ein Paukenschlag, der den Künstler in einem neuen Licht zeigt: roh, direkt, auf das Wesentliche reduziert. Ohne Schnörkel, ohne Rückversicherung, mit maximalem Nachdruck. Was danach folgt, ist kein Abflauen, sondern ein gezielter Perspektivwechsel. Die restlichen Stücke öffnen andere Türen, lassen Raum für Tiefe und Kontemplation, für die verträumte, schwebende Seite, die man mit Tor.Ma in Dub bislang vorrangig assoziierte. Doch gerade im Kontrast zu den brachialen Eröffnungsnummern gewinnen auch diese leiseren Töne an Schärfe. So gelingt es „Full Circle“, zwei Pole zu vereinen – Druck und Weite, Körper und Geist – und daraus ein geschlossenes, spannungsgeladenes Werk zu formen.

Bewertung: 4 von 5.

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