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Aldubb: Mesozoic Valley

Wie nennt man eigentlich Musik – und in unserem Fall Dub – die zur Gänze am Computer entstanden ist? Digital Dubs, Laptop-Mucke, EDM (frech abgewandelt: Electronic Dub Music)? So ganz taufrisch ist das digitale Handwerk ja nicht – unglaubliche 35 Jahre ist es her, dass Prince Jammy den Sleng Teng-Riddim produziert und damit einen Paradigmenwechsel ausgelöst hat, der die Reggae-Welt grundlegend verändern sollte. Gut und gerne 15 Jahre haben die digitalen Klänge vorgegeben, wo’s lang geht – und der nach Tubby’s Tod zum King avancierte Jammy war zumindest in der ersten Dekade das Maß aller Dinge. Heute sind seine Aufnahmen nur mehr akustische Zeugen längst vergangener Tage, und auch die frühen digitalen Werke anderer Produzenten und Musiker wie Fatis Burell, Bobby Digital oder Gussie Clarke haben die Zeit – wenn überhaupt – nur geringfügig besser überdauert. Allen gemein ist aber der immense und nachhaltige Eindruck, den sie im Reggae (und im Dub) hinterlassen haben.

Diesem Einfluss war sicher auch Aldubb ausgesetzt; seine Musik hat allerdings die engen Grenzen von Roots und Dancehall überwunden und zeigt sich offen für wohldosierte Prisen anderer Musik-Genres. Hochgeschätzt aufgrund seiner beiden wunderbaren „Planets of Dub“-Releases, veröffentlicht der Berliner jetzt eine Auswahl von Laptop-Dubs, die die Wartezeit auf Planet of Dub Vol. 3 verkürzen soll. Das macht „Mesozoic Valley“ (One Drop Music) keineswegs zum Lückenbüßer; die (diesmal) rein digital instrumentierten Stücke können durchaus für sich alleine stehen. Überaus gelungen der Opener „Jurassic Extinction“, der sich mit einem zurückhaltenden Streicher-Sample heranschleicht, um dann mit einem Drum & Bass-Drop eine physisch spürbare Druckwelle zu erzeugen – bei entsprechender Lautstärke wohlgemerkt. Dieser erste „Woah… Mörder-Bass!“–Eindruck erstreckt sich über die ganze Albumlänge und ist mein persönliches klangliches Leitmotiv von „Mesozoic Valley“, das auch sonst durch exzellente Abmischung und perfekt platzierte, aber dennoch unaufdringliche (analoge!) Dub-Effekte glänzt.

Alles gut also? Nicht so ganz; die oben erwähnten „wohldosierten Prisen“ sind diesmal für meinen Geschmack zu stark ausgefallen – etwas weniger Trap- und HipHop-Elemente („Velociraptor“) und Dubstep-Anleihen („Tethys“) würden dem konservativen Dubhead besser gefallen. Stattdessen hätte ich mir mehr „lebensechte“ Samples wie die anfänglichen Streicher gewünscht, die einen schönen Kontrast zu den programmierten Beats bilden. Größtes Manko des Albums sind aber die fehlenden Hooklines – da hilft weder der erwähnte druckvolle, fast schon subsonisch spürbare Bass noch der gelungene Mixdown: Wenn sich keine melodische Phrase oder Basslauf im Ohr festkrallen will, plätschern die Tracks beim oftmaligen Hören dann doch mehr oder weniger austauschbar vor sich hin. Da nützt auch nicht das durchaus interessante Konzept, in das Aldubb seine Tracks eingebettet hat: Die Titel erzählen vom Erdmittelalter, dem auseinander driftenden Urkontinent Pangea, der Tethys und allem was da im Jura so kreucht und fleucht – bis der Asteroid kommt und das große Aussterben beginnt. Die Musik selbst hat keinerlei Bezug zu den Titeln; platt gesagt kreischt uns kein Velociraptor im gleichnamigen Track entgegen; der riesige Triceratops will in seinem Stück partout nicht aufstampfen und klangtechnisch auf sich aufmerksam machen. Das soll nicht heißen, dass mir ein akustischer Comic besser gefallen hätte; allein meine Aufmerksamkeit und der damit verbundene Wiedererkennungswert wären so wesentlich höher gewesen.

Letztlich lässt mich „Mesozoic Valley“ als Rezensenten mit durchaus ambivalenten Gefühlen zurück. Im Gegensatz dazu werden alle, die Aldubbs frühere Werke wie „Let There Be Dub“ oder „Advanced Physics“ schätzen und lieben, diesen Zwiespalt nicht nachvollziehen können und meiner Wertung noch den einen oder anderen Stern hinzufügen. Nur zu!

Bewertung: 3 von 5.

6 Antworten auf „Aldubb: Mesozoic Valley“

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