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Interview

16 Fragen an: iLLBiLLY HiTEC

Euer Name: iLLBiLLY HiTEC
Ihr lebt in: Berlin
Titel eures letzten Album: Reggaetronics (Echo Beach)

Was ist eure Definition von Dub?
Für mich gibt es da irgendwie keine Definition. Dub ist grenzenlos, kann mit so ziemlich allen Musikrichtungen verschmelzen, und bietet einfach sehr viele Möglichkeiten, sich auszutoben. Das macht die Musik für uns so interessant.

Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Dub?
Handwerklich sollte es stimmen, der Rest ist Geschmacksache.

Wie würdet ihr euren Dub-Stil beschreiben?
Wir haben ja generell viele Vocals in unseren Produktionen und setzen Effekte daher eher sparsam ein. Insgesamt ist unser Stil bis auf die Ausflüge in die Elektronik daher auch recht reggaelastig.

Wie sieht der Entstehungsprozess eines typischen Dub-Tracks von euch aus?
Das machen wir frei aus dem Bauch raus. Bis zum Endergebnis dauert es zwar meist recht lang, aber die erste Aufhänger kommt spontan. Higher Calling haben wir z. B. Ablauf, Melodie und Gesang sehr schnell fertig gehabt – das Finetuning hat dann aber echt noch ne Weile gedauert.

Wann seid ihr mit einem von euch produzierten Dub zufrieden?
Nie. Das ist doch immer so, oder? Wir kommen eher an einen Punkt mit jedem Song, wo man sich fragt ob es noch besser oder eher schlechter wird, wenn man weitermacht.

Wer ist der aktuell interessanteste Dub-Artist?
Aus Deutschland ist Aldubb sicher ganz vorne mit dabei. Live haben mich persönlich Kaly Live Dub aus Lyon sehr geflasht. Wir haben mit denen einmal in Bukarest gespielt – sehr gute Musiker und fette Performance.

Was hört ihr außer Dub?
Thomas kommt aus dem Hip Hop, Longfingah ist ein rightiger Reggae-Head. Ich komme eigentlich mehr aus dem Rock. Dass Dub und ähnliche Klänge unser musikalischer Mittelpunkt geworden sind, liegt wohl an der Breite der Möglichkeiten des Genres.

In welcher Form kauft ihr eure Musik: Vinyl, CD, Download, Abo? Warum?
Je nach Produktion bei mir persönlich sehr unterschiedlich. Aber Thomas hat fast nur Vinyl.

Gelingt es euch, mit Musik euren Lebensunterhalt zu bestreiten?
Es ist sehr knapp.

Mit welchem Artist würdet ihr gerne einmal zusammen arbeiten?
Da gibt es einige. Muss man mal abwarten, was sich da sowohl an den Vocals sowie an am Mischpult noch tut.

Was ist eure besondere Stärke?
Obwohl wir nur zu dritt auftreten, schaffen wir durch Longfingahs Gesang und die live Drums das Erlebnis eines Konzerts. Ausserdem ist unser Programm durch die verschieden Stile auch sehr abwechslungsreich. So können wir auf ganz unterschiedlichen Events spielen und Leute aus allen Ecken erreichen.

Was macht euch an eurem Job am meisten Spaß?
Die Tourneen und die daraus resultierenden Freundschaften machen uns sehr viel Spass und geben uns auch Energie und Ideen, das Projekt weiter zu entwickeln. Reisen lohnt sich immer!

Wovor graust es euch im Studio?
Bevor wir die Songs fertig produzieren, nehmen wir sie schon mit auf Tour. Dabei gewöhnt man sich an den fetten live Sound der Drums, die große PA und das vibrieren der Bühne. Im Studio klingt dann erstmal alles vergleichsweise trocken. Da erschreck ich mich jedes Mal.

Wenn ihr nicht gerade an Dubs schraubt, was macht ihr dann am liebsten?
Die Musik lässt uns momentan kaum Zeit für andere Dinge.  Thomas hat aber eine große Leidenschaft für Walkmans, Ghettoblaster und Sneaker. Aber Kochen steht bei mir ganz oben. Gutes Essen fetzt!

Welche Musik-Website steuerst ihr am liebsten an?
Soundcloud.

Wie sehr ihr die Zukunft von Dub?
In Deutschland ist die Szene momentan ja recht überschaubar, aber trotzdem gut aufgestellt. Ich denke da gibt es noch Potenzial. Einige Artist werden den Dub sicher bald weiter nach vorne bringen.

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Interview

20 Fragen an: Umberto Echo

Dein Name: Umberto Echo
Du lebst in: München
Titel deines letzten Albums: Elevator Dubs, 15. März 2013 Enja Records

Was ist deine Definition von Dub?
Instrumental Musik auf Reggae basierend mit ein wenig Gesang und teilweise extremen Effekten, nicht unbedingt Echo aber oft und gerne, manchmal Solos.

Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Dub?
Ein schlechter Dub wird schnell langweilig weil er vorhersehbar ist. Einen guten kann man immer wieder hören.

Wie würdest du deinen Dub-Stil beschreiben?
Eklektisch maximalistisch.

Wie sieht der Entstehungsprozess eines typischen Dub-Tracks von dir aus?
Im Idealfall hab ich schon vorher eine Idee die ich dann auch umsetzten kann. Manchmal lande ich auch ganz wo anders, was nicht unbedingt schlecht sein muss.
Ich mach die Session auf, mische den Tune damit alle Elemente gut klingen und fange dann an einzelne Elemente rein und raus zu nehmen und zu verfremden. Da bin ich dann ein paar Stunden in meiner Welt. Wenn ich da ein gutes Gefühl mit der Basis habe, mach ich eine Pause und hör mir das ganze mit etwas Distanz an.
Dann geht’s ans Finetuning. Ich gehe über einzelne Passagen und verfeinere die Übergänge und nehme überflüssige Parts raus. Evtl. spiele ich selbst ein paar spuren ein und oder lade einen befreundeten Musiker ein damit er mir ein bisschen was dazu spielt. Wen ich dann mit allem, was so passiert, zufrieden bin, wird noch mal eine Runde nur am Klang gefeilt.

Wann bist du mit einem von dir produzierten Dubs zufrieden?
Wenn ich ihn mir mehrmals hintereinander anhören kann ohne das ich etwas verändern möchte und ihn bei jedem hören interessant finde.

Was sind deine persönlichen Dub-Top 5-Alben?
Aswad: New Chapter in Dub
Mad Professor vs. Le Scratch Perry: Dub Take The Voodoo out of Reggae
Scientist: Dub From The Ghetto
Earl 16: The Fittest Dub Versions
Umberto Echo: Dub Train

Wer ist für dich der größte Dub-Artist aller Zeiten?
Lee Perry, über den hab ich mich schon so oft gefreut. Der ist nicht unbedingt der Beste aber der Coolste.

Und wer der aktuell interessanteste Dub-Artist?
Umberto Echo

Was ist für dich die musikalisch interessanteste Dekade? Warum?
70er. Warmer Sound, echte Vibes, echte Musiker, Aufbruchstimmung.

Was hörst du außer Dub?
Jazz, HipHop, Soul, Funk, Afrobeat, Elktronische Musik, High End Pop, Klassik, früher viel Punk, Hardcore, Rock.

Was ist dein aktuelles Lieblingsalbum?
Antun Opic „You Can Spare A Dime“

In welcher Form kaufst du deine Musik: Vinyl, CD, Download, Abo? Warum?
CDs. Ich bin so aufgewachsen, hab mich noch nicht umgestellt. Preis Leistung (Sound) stimmt insbesondere bei älteren Alben.

Gelingt es dir, mit Musik deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Ich produziere viel Musik für andere Leute in diversen Genres und lebe ausschliesslich davon. Mit meiner eigenen Musik verdiene ich kaum Geld.

Mit welchem Artist würdest du gerne einmal zusammen arbeiten?
Alle die noch kommen werden

Was ist deine besondere Stärke?
Gutes Gehör, Spass an der Sache,Musikalität.

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Meine eigenen Alben zu produzieren und alle Entscheidungen alleine treffen zu können.

Wovor graust es dir im Studio?
Schlecht vorbereitete Musiker mit verstimmten Instrumenten.

Wenn du gerade nicht an Dubs schraubst, was machst du dann am liebsten?
Gute Musik aufnehmen und mischen.

Welche Musik-Website steuerst du am liebsten an?
Mach ich eher selten, suche eher nach bestimmten Personen(Musikern) die mich interessieren, da landet man immer wo anders.

Wie siehst du die Zukunft von Dub?
Positiv! Dubstep wird weiter versinken in den Spielarten des Mainstream und neue Leute werden die alten Dub-Konzepte in ungeahnter Weise uminterpretieren.

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Interview

„I have Jesus on my cock“ – Lee Perry rettet die Welt.

Diese Interview, das ich 2002 mit Lee Perry führte, ist mir gerade wieder in die Finger gefallen. Beim jetzigen Wiederlesen habe ich mich köstlich amüsiert. Ich hatte schon ganz vergessen, wie absurd-komisch unser Gespräch von vor 11 Jahren war.

Lee Perry

Lee Perry, der Madman himself hat den Wahnsinn zur Methode gemacht. Er ist – in der Inkarnation des Pipecock Jackxon – aufgebrochen die Welt zu retten und die Verdammten zu entvoodooisieren. Sein Werkzeug ist nicht mehr das Mischpult (wie in früheren Tagen), sondern ausschließlich das Wort, sein Wort. Denn was uns Mr. Perry in seinen späten Aufnahmen und auf der Bühne bietet, sind Worte. Zusammenhanglos, zufällig, verrückt. Als lebende Legende wird er durch die Konzertsäle und Studios der Welt gezerrt und bietet ein tragisches Bild verlorener Größe. Soeben absolvierte Lee Perry eine Tour mit Mad Professor, auf der er sich mit Spiegeln und Amuletten behängt präsentiert und Texte wie: „I have Jesus Christ on my cock, Selassie on my back, Marcus Garvey on my leg, and Jews in my shoes“ zum besten gab. Im anschließenden interview offenbarte er, dass er Dollarnoten unter den Schuhsohlen trägt und erklärte, dass er der Herrn der Ringe sei.

Hallo Mr. Perry, Sie sind für Ihre neue Platte „Jamaican e.t.“ wieder zu Trojan Records zurückgekehrt, die bereits in späten 60ern Ihre Platten lizensiert haben.
Die Platte ist nicht für Trojan oder jemanden speziell. Sie ist für alle Leute, die glauben, dass Gott sie retten wird. Es gibt so viele Lee Perry-Platten da draußen, von denen ich nichts weiß. Die Leute haben alle die Bänder von mir gestohlen.

Aber Trojan hat die Bänder doch nicht gestohlen?
Die Fans glauben, das seien Lee Perry-Platten, aber das sind sie nicht. Lee Perry ist ein guter Name! Ihn zu tragen ist Luxus. Da stimmt etwas nicht!

Aber Sie haben das Album doch selbst produziert – steht zumindest auf dem Cover.
Hör auf, mich für Sachen anzuklagen, die ich nicht gemacht habe.

Wer sind denn die Musiker, mit denen Sie auf „Jamaican e.t.“ zusammengearbeitet haben?
Die Platte ist mein Werk. Chris Blackwell hat sie von mir gestohlen.

Blackwell ist von Island-Records, nicht von Trojan…
Was ich von jetzt an mache, wird nicht mehr gestohlen! Denn da kommen keine jamaikanischen Komiker als Musiker.

Gut, wechseln wir das Thema: auf der Bühne sagten Sie, Sie glauben an Magie. Stimmt das?
Sicher. Magie ist meine Königin. Und Logik ist mein Gott. Außerdem glaube ich an Pussies.

Interessant. Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit Mad Professor, mit dem Sie gerade auf Tour sind?
Er ist der einzige Schwarze mit dem ich noch zu tun habe. Ansonsten will ich mit keinem Schwarzen mehr zu tun haben.

Aber die Musiker auf der Bühne sind doch schwarz.
Ja, sie sehen schrecklich aus. Aber der weiße Bassist ist auch ein Idiot.

Warum wollen Sie keine Schwarzen mehr um sich haben?
Das sind Vampire. Die beißen zu tief – die kennen keine Gnade.

Äh…
Ich hoffe, du verzeihst mir, was ich sage, aber ich bin ein Wahrsager. Ich kann in deine Zukunft sehen. Die Schwarzen haben einen bösen Geist – ich will nicht, dass sie an meine Tür klopfen.

Wie kommen Sie darauf?
Alles war schwarz. Die Black Ark (Perrys Studio in den 70ern) war schwarz. Aber wenn zu viel Schwarz um dich herum ist, dann ist das böse. Denn da wo es schwarz ist, ist kein Licht.

Leben Sie immer noch in der Schweiz?
Ich hätte die Jahre nicht überlebt, wenn ich in Jamaika geblieben wäre. Ich wäre vom Pabst vergiftet worden. Deshalb möchte ich auch keinen Pabst hier in diesem Raum haben.

Mit welchen Gefühlen erinnern Sie sich an Ihre große Zeit in Jamaika?
Wenn ich mich an das erinnere, was dort passiert ist, dann möchte ich diese verdammte Insel in die Luft sprengen.

Sie sagten, dass auf Ihrem neuen Album (das übrigens bei Trojan erschienen ist) „Education“ und „Dancing“ zu finden wäre. Was verstehen Sie unter „Education“?
Wir haben diesen Song und jenen Tanz, Reinkarnation und Inkarnation. Wir konstruieren dort Knochen und Fleisch, Gehirne und Gene. Gene sind im Gehirn und erzeugen dort Gehirnwellen mit sofort-telepatischen, mentalen Befehlen. Alles kommt vom Schöpfer. Der Schöpfer ist omnipotent.

Warum tragen Sie diese mit Amuletten beklebte Mütze?
Die ist für die Juden (er nimmt die Mütze ab und zeigt uns, dass sie von innen mit Dollarnoten ausgekleidet ist). Ihr habt kein Geld in den Schuhen – aber was gibt euch das Recht zu glauben, dass auch ich kein Geld in den Schuhen habe? (er zieht seine Schuhe aus, holt die Sohle heraus und zeigt uns, dass sie von unten mit Dollarnoten beklebt ist.)

Warum ist das Geld in der Mütze?
Das ist für die Menschen, die an mich glauben. Sie nähren sich an meinem Gehirn.

Und das Geld in den Schuhen? Das ist weit weg vom Gehirn.
Das ist für die Armen, die auf der Straße um Brot betteln.

Hat Ihr T-Shirt auch eine Bedeutung?
Das zeigt meine Machete. Der Name meiner Machete ist Sabata.

Glauben Sie an Rastafari?
Wenn ich das nicht tun würde, wäre ich ja wie jeder andere. Wenn ich nicht an Rastafari glauben würde, müsste ich mir Soldaten und Polizisten zum Schutz holen.

Auf der Bühne sangen Sie auch von Jesus.
Wenn Jesus ein Weißer ist, glaube ich an ihn, wenn er ein Schwarzer ist, glaube ich auch an ihn.

Sehen Sie da keinen Widerspruch?
Weißt du, was Rastafari ist?

Ja.
Wenn du morgens dieses Wasserglas hier gegen die Sonne hältst, dann siehst du einen Regenbogen. Das ist Rastafari.

Ach so.
(Er nimmt das halb mit Wasser gefüllte Glas hoch und schüttet es aus) Wo kommt dein Lebensstrom her? Von Gott! Ich will nicht, dass Parasiten, die nicht an Gott glauben, in meine Show kommen. Wenn solche Parasiten da sind, kann ich die Leute nicht unterhalten, die an Gott glauben. Dann werde ich verrückt und kann nicht ordentlich arbeiten. Und es funktioniert!

Was für eine Bedeutung haben all die Spiegel, die Sie an ihrem Körper tragen?
Ich bin der Elementen-Mann. Bevor ich diesen Planeten betrat, beschloss ich, in dieser Farbe zu erscheinen. Ich bin pure Energie. Ich bin die Sonne, die scheint, ich bin die Sonne Jamaikas. Ich habe das Geld nicht gesucht – das Geld hat mich gefunden. Wenn ich auf der Bühne bin, sieht man dort 12 Planeten kreisen. Da oben ist kein Platz für menschliche Wesen. Ich bin kein menschliches Wesen – nur mein Fleisch ist menschlich.

Woher wissen Sie, dass Sie die Energie sind?
Weil durch mich die Energie spricht. Ich bin der Omnipräsente. Ich bin der Upsetter.

Wo wäre der Reggae heute ohne Ihren Beitrag?
Es gäbe keinen Reggae und es gäbe auch keine Welt ohne Lee Scratch Perry. Alles musste am Anfang beginnen – und ich bin der Anfang.

Sie repräsentieren die Welt?
Aber sicher! Ich bin Lee Scratch Perry. Ich mache alles anders. Es gibt so viele Menschen, die mit einem bösen Voodoo-Fluch belegt sind. Meine Aufgabe ist es, diese Menschen zu entvoodooisieren – selbst dann, wenn sie gar nicht wissen, dass sie voodooisiert sind. Ich bin der Heiler.

Sind Ihre Texte frei improvisiert, oder haben Sie sie einstudiert?
Sie kommen zu mir von dem Herrn der Ringe.

Wer ist der Herr der Ringe?
Er gab mir diesen Ring des Feuers vor 20 Jahren. Der Ring sprüht Feuer, das man nicht sehen kann. Sssssspashhhh, da kommen die Flammen. Und nach den Flammen öffnet sich der Himmel: Baahhhhhhhhhh! So war es.

Mister Perry, vielen Dank für das Interview.