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Interview

19 Fragen an: The Senior Allstars

Dein Name: Thomas Hoppe (Schlagzeuger, The Senior Allstars)
Du lebst in: Münster
Titel eures letzten Albums: The Senior Allstars – Verbalized And Dubbed

Was ist deine Definition von Dub?
Dub ist ein originär jamaikanischer Style, der durch Reduzierung das Wesentliche eines Liedes freilegt. Durch das – völlige oder teilweise – Weglassen werden einzelne Elemente besonders hervorgehoben, sei es durch Effekte oder dadurch, dass sie lediglich in den Blick gerückt werden. Und kürzer: Ich finde auch den Begriff „Psychedelischer Reggae“ super, den Neil Perch hier im Blog benutzt hat.

Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Dub?
Einem guten Dub liegt ein guter Tune zugrunde. Die Bassline ist natürlich sehr wichtig, der Groove auch. Und der gute Dub besticht durch Raum und Atmosphäre. Wenn es dann noch einige magische Momente gibt, ist der gute Dub sehr gut. Ein schlechter Dub kann entstehen, wenn die Technik wichtiger ist als die Musik.

Wie würdest du euren Dub-Stil beschreiben?
Den Stil der Senior Alltars nehme ich als „kontinentaleuropäisch-authentisch“ wahr. Wir lieben die jamaikanischen Wurzeln des Dub, und das ist auch immer ein Fixpunkt. Und doch versuchen wir, unser eigenes Ding daraus zu machen. Dabei ist uns Freiraum wichtig, und irgendwie ist auch alles analog. Es gibt beispielsweise nicht eine programmierte Delayzeit bei uns auf der Bühne, der Faktor Zufall soll unbedingt mit an Bord bleiben.

Wie sieht der Entstehungsprozess eines typischen Dub-Tracks von euch aus?
Da gibt es zwei Wege, die wir als Band genommen haben und immer noch nehmen: Entweder gibt es einen Song, und wir machen später einen Dub davon. Also der klassische Weg. Oder ein Lied entsteht direkt als Dub-Tune. Das besondere bei den Senior Allstars ist, dass jeder sich selbst dubbt. Und dass wir uns ein hohes Maß an Freiraum bewahren. So ist jeder live gespielte Dub immer wieder ein wenig anders. Und wenn es gut läuft, entstehen vielleicht die oben erwähnten magischen Momente.

Wann bist du mit einem von euch produzierten Dub zufrieden?
Wenn ich ihn nicht mehr als Musikschaffender höre, sondern als Musikhörer. Wenn mir also nicht mehr der Kopf, sondern der Bauch sagt, dass der Song mir gefällt.

Was sind deine persönlichen Dub-Top 5-Alben?
Prince Buster: The Message Dubwise
Keith Hudson: Pick A Dub
King Tubbys: Meets Rockers Uptown
Lee Perry/The Upsetters: Super Ape
Burning Spear: Garvey´s Ghost
Linton Kwesi Johnson: LKJ In Dub

Wer ist für dich der größte Dub-Artist aller Zeiten?
King Tubby. Einfach als der wichtigste Wegbereiter dieses wundervollen Genres.

Und wer der aktuell interessanteste Dub-Artist?
Ich freue mich immer noch über jeden Dub von Victor Rice. Und das seit fast 20 Jahren.

Was ist für dich die musikalisch interessanteste Dekade? Warum?
Wenn ich meine Top-Alben-Liste anschaue, dann sind das wohl die 70er! Weil die Alben aus dieser Zeit die Essenz von Dub definieren und auch heute noch auf den Punkt bringen. Und weil vielleicht gerade wegen der limitiereten technischen Möglichkeiten die Ergebnisse besonders musikalisch sind.

Was ist dein aktuelles Lieblingsalbum?
Curtis Mayfield: There’s No Place Like America Today (alter Schinken, neu entdeckt).

In welcher Form kaufst du deine Musik: Vinyl, CD, Download, Abo? Warum?
Ich bin eindeutig Vinyl-Fan. Zur Begründung ziehe ich ein aufgeschlagenes Rolling Stone-Magazin aus dem Regal: „Vinyl ist die romantische Art Musik zu hören, es ist das andächtigste Format. Du musst teilnehmen, aufstehen, die Nadel platzieren.“ Das hat Jack White gesagt, so schön konnte ich selbst es nicht ausdrücken. Ich besitze natürlich auch CDs, aber bei einigen Musikrichtungen – und dazu gehört auch Dub – ist mir Vinyl besonders wichtig. Die einzigen Dub-CDs, die ich mir in den letzten Jahren bewusst gekauft habe, waren die Greensleeves „Evolution Of Dub“-Boxen. Aber da entstand dann schnell das Bedürfnis, die tollsten Alben auch noch auf Vinyl zu suchen. Und wenn ich mir dann das Prince Buster-Label meiner „The Message Dubwise“ anschaue, krumm ausgeschnitten und windschief zentriert, herrlich!

Gelingt es dir, mit Musik deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Nein. Ich versuche es aber auch gar nicht (mehr). Das bringt dem Musikmachen Zeitprobleme, aber auch Entspannung. In unserer Band ist das allerdings ganz gemischt.

Mit welchem Artist würdet ihr gerne einmal zusammen arbeiten?
Auf unserem letzten Album haben wir gerade mit so vielen Leuten kooperiert, über deren Mitarbeit ich mich gefreut habe: Felix Wolter, Tokunbo, Umberto Echo, Dubmatix … Aber doch, Linton Kwesi Johnson auf einem Track von uns, das wäre ein Traum für mich!

Was ist deine besondere Stärke?
Meine und die Stärke meiner Band ist, glaube ich, dass wir uns zu „weniger ist mehr“ nicht zwingen müssen, sondern dass es von innen kommt. Das passt zu der Musik, die wir spielen.

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Dass ich ihn überhaupt nicht als „Job“ wahrnehme. Und dass ich im Musikmachen versinken und alles andere vergessen kann.

Wovor graust es dir im Studio?
Vor gar nichts. Ich liebe Studio-Sessions, weil es eine besonders intensive Form des gemeinsamen Musikmachens ist. Die Aufmerksamkeit aller ist bis aufs Äußerste geschärft, und wenn es gut läuft, ist das wohl so was wie ein Flow-Erlebnis.

Wenn du gerade nicht an Dubs schraubst, was machst du dann am liebsten?
Musik hören, Vater sein, Sport. Ach ja, und zum Musikmachen gehört ja auch noch das ganze Drumherum. Da gibt’s dann auch Büroarbeit.

Wie ist der aktuelle Gesundheitszustand von Dub?
Individuell wahrgenommen ganz gut. Ist Dub ein rüstiger Mensch mittleren Alters? Oder sollten wir sogar mal „Forever Young“ von Alphaville dubben? Die kamen immerhin auch aus Münster. Ich schweife ab …

Wie siehst du die Zukunft von Dub?
Es wird immer Leute geben, die der Faszination des Dub-Reggaes von King Tubby, Lee Perry und Co. erliegen. Und es wird immer Leute geben, die Dub weiterentwickeln und Elemente davon für spannendes Neues benutzen.

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Interview

19 Questions to: Braintheft

Your Name: Mathieu Pé aka Dubble Dubble (Keys and Trumpet by Braintheft, Brass Wood & Wires, The Magic Touch …)
You live in: Berlin
Titel of your latest album: Pressure Drop

What is your definition of dub?
Dub is first a minimal, mostly instrumental bass oriented, somewhat psychedelic and Trance evolution of Jamaican popular music bringing post-production techniques to the front. It started in the 60’s as an emancipation of the sound engineer as central part of the creative process. The Mixing desk became an instrument. Dub had a huge influence worldwide. The minimal and trance aspects brought a whole new time perception in popular music leading the way to all electronic styles as we know them now.

What is essential for a good dub?
Space and Bass!!!

What is the difference between a good and a bad dub?
Who am I to judge? I’d say I like or I don’t.

How would you describe your style of dub?
I try to keep up to the roots staying away from computer as much as possible, using actual instruments and analog gear.  So hopefully it sounds more authentic.

What is your process of creating a typical dub-track?
Well, the good old way of doing it was first to record a song with the band. Then bounce it down to eight discrete tracks in order to mix it on the flight at the mixing board with all sort of effects connected to it.  So that’s how I like to work too. I believe to get inspired by limitations.

When you’re satisfied with a dub produced by you?
If I felt the flow while mixing and there’s no major issues: I’m happy. I believe the better is the enemy of the good. Most of the time first takes have that thing you can’t reproduce.

What are your personal top 5 dub albums?
In no particular order:

Augustus Pablo: King Tubby meet Rockers uptown
Serge Gainsbourg feat. Sly and Robby: Aux armes etcetera
High Tone: Opus Incertaint
Scientist: Heavy wheight Dub
Jackie Mittoo: Champion of the Arena

Who is the greatest dub artist of all time for you?
Guess what…  the King:  King Tubby. The simple fact that he was the first makes him untouchable.

And who is the currently most interesting dub-artist?
The Breadwinners (Alan Redfern at Bakery Studio). Best sounding dub I heard in a long time. All analog, pure feeling. Check him out.

What is the musically most interesting decade for you? Why
The seventies for sure. Because the electrification of music brought a lot in all styles. New genres popped out everywhere. It was a very creative time. Probably because back then the music industry, the distribution, democratization of private copy, the access to musical instruments boomed like crazy.

Where is the biggest market for your music?
France is the last el-dorado. We played at the last Telerama Dub with Braintheft. It was amazing to see how young the crowd was! The venue was packed of Bass addicted youngsters! Go west!

Are you able to earn a living with your music?
Not really. And I’m not running after it otherwise I’d make compromises to do so.

Which artist would you like to work with?
There is so much… and not only in dub. I’d say Victor Rice would be one of them just to keep that list short.

What is your particular strength?
Inner peace.

What do you enjoy most about what you are doing?
Playing ! In all contexts would it be behind the mixer or instruments, at home, with friends, on stage …

What horrifies you in the studio?
The time/money factor! There’s never enough time in studio!

When not tinkering with dubs, what do you prefer to do?
Playing trumpet! Tweaking Synths!

What is the current health status of dub?
Dub and music in general knows no illness. In todays world where musical  vividness tends to be measured in financial success, talking about health of a style makes little sense. Money is at the root of all evil and it affects music as everything else.

How do you see the future of dub?
It will still be there in fifty years because Dub artists have experimentation in the blood. So I guess it will keep on and on, mixing with other styles.

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19 Fragen an: Dub Spencer & Trance Hill

Dein Name: Philipp Greter (Keyboarder und Produzent von Dub Spencer & Trance Hill)
Du lebst in: Luzern (Schweiz)
Titel eures letzten Albums: William S. Burroughs IN DUB – conducted by Dub Spencer & Trance Hill (Echo Beach 2014)

Was ist deine Definition von Dub?
Folgende Merkmale definieren für mich „Dub“:
• off-beat-feeling
• keine klaren Songstrukturen
• sehr reduziert gespielt
• wenig oder kein Gesang
• mit Effekten angereichert, so, dass der Zuhörer in die Musik abtauchen kann.
Die reale Umgebung kann dabei schon mal Entrücken. Ich liebe es, wenn man beim Hören plötzlich zweifelt, ob ein Geräusch aus den Boxen kommt, oder ob es von einem zwitschernden Vogel auf dem Fensterbrett stammt.

Was ist bei einem guten Dub unverzichtbar?
Ein tiefer warmer Bass-Sound.

Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Dub?
Die Handschrift des Produzenten oder der Band sollte man heraushören. Darin liegt die Schwierigkeit und die Kunst. Es gibt viele Dub-Tracks, die klingen einfach zu beliebig.

Wie würdest du deinen Dub-Stil beschreiben?
Wie ich oben den „Dub“ definiert habe, mit einem psychedelischen Einschlag. Sehr prägend für unseren Stil ist der verzerrte Gitarrensound von Markus Meier, was eigentlich im Dub eher untypisch und selten ist. Des weiteren der absolut tiefe Basssound von Marcel Stalder und die Virtuosität des Schlagzeugers Julian Dillier.

Wie sieht der Entstehungsprozess eines typischen Dub-Tracks von euch aus?
Wir spielen alles live und gemeinsam in tage- und nächtelangen Aufnahme-Sessions ein. Anschliessend wird das Material durch den Dubwolf gedreht (der steht bei mir zu Hause in meinem kleinen Homestudio). Und schon fertig.

Wann bist du mit einem von euch produzierten Dub zufrieden?
Tja, das ist so eine Sache … Wenn es in meinen Ohren gut klingt, bin ich zufrieden. Meistens erst dann, wenn der Termin gekommen ist, um das Material abzuliefern ;-)

Was sind deine persönlichen Dub-Top 5-Alben?
Augustus Pablo and King Tubby: Rockers meets King Tubby in a Firehouse
The Upsetters: Blackboard Jungle Dub
Jackie Mittoo: Champion in the Arena
Rhythm & Sound: The Versions
Trentemøller: The last Resort
Wohlverstanden: Es gibt noch hunderte andere, die auch hier hin gehörten …

Wer ist für dich der größte Dub-Artist aller Zeiten?
King Tubby. Miterfinder des Dub. Mit den beschränkten Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, hat er grossartige Aufnahmen hin gezaubert!

Und wer der aktuell interessanteste Dub-Artist?
Umberto Echo. Live am Mischpult sowie als Studio-Produzent. Absolute Sahne! Darum lieben wir es auch so, mit ihm zusammen zu arbeiten (er ist natürlich auch ein ausserordentlich feiner Kerl ;-).

Was ist für dich die musikalisch interessanteste Dekade? Warum?
Jetzt und die Zukunft. Weil wir noch nicht wissen was kommt.

Was ist dein aktuelles Lieblingsalbum?
Bin leider nicht gerade auf dem aktuellsten Stand … Die Produktionen von Aldub gefallen mir sehr gut, so wie auch die Blood and Fire Sampler.

Gelingt es dir, mit Musik deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Zum Teil … Als Gebrauchtwagenhändler würde man wohl besser verdienen;-)

Mit welchem Artist würdest du gerne einmal zusammen arbeiten?
Sind leider alle schon gestorben.

Was ist deine besondere Stärke?
Unsere Stärke liegt im Kollektiv. Als Live-Band schaffen wir es immer wieder, Leute mitzureissen, die eigentlich gar nichts mit Dub-Musik am Hut haben.

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Keine Grenzen zu haben und Leute zu begeistern!

Wovor graust es dir im Studio?
Wenn die Technik nicht funktioniert und wenn das Bier alle ist …

Wenn du gerade nicht an Dubs schraubst, was machst du dann am liebsten?
Familienausflüge ;-)

Wie ist der aktuelle Gesundheitszustand von Dub?
Da muss ich den Arzt fragen. Sicher schon alt und gebrechlich. Aber wir leben ja immer länger. Ab und zu ein Lifting, dann kommt’s schon gut.

Wie siehst du die Zukunft von Dub?
Solange ich lebe, lebt auch der Dub, nachher ist es mir Wurst.

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Interview: Dubmatix

Man muss sich an einen neuen Gedanken gewöhnen: der beste Dub und Dub-orientierte Reggae kommt nicht länger aus England oder Frankreich (auch nicht aus Deutschland oder gar Jamaika). Er kommt aus: Kanada! Denn dort sitzt der zur Zeit fleißigste, talentierteste und wohl auch cleverste Produzent des Genres: Dubmatix. Er ist nicht nur ein Studiovirtuose par excellence, sondern auch ein unglaublich reflektierter Künstler und Perfektionist, der mit seinem untrüglichen Gespür für den ultimativen Groove Produktionen raushaut, die den gegenwärtigen State of the Art des Genres definieren. When music hits, you feel no pain – zum Glück, kann man nur sagen, denn die Rhythms von Dubmatix schlagen mit unbändiger Kraft zu. Doch diese Kraft erwächst nicht aus Bass und noch mehr Bass, sondern ist das Ergebnis eines feinst ausgeklügelten Arrangements und perfekt sitzenden Timings, das jedes einzelne Element der Musik zur höchsten Wirkungsentfaltung bringt. Vor 10 Jahren hat dieser studierte Musiker die Arbeit aufgenommen und seither 6 brillante Alben produziert (Dub und Vocal). Nun verrät er, wie seine Musik entsteht und was ihre besondere Qualität ausmacht.

Was ist deine Definition von Dub?
Space! Raum, experimentieren und Freiheit. Im Zentrum von Dub stehen Drum & Bass. Sie bilden das Fundament. Der Song, die Instrumentierung, die Effekte und das Arrangement dienen lediglich dazu, dieses Fundament zu stärken. Dub ist eines der wenigen Musikgenres, die nahezu unbegrenzte Freiheit bieten – alles ist möglich. Für mich ist Dub die höchste Form des musikalischen Ausdrucks. Es gibt keine festen Regeln.

Dein Vater ist ein recht bekannter Jazz-Musiker. Hat er deine musikalische Entwicklung beeinflusst?
Mein Vater spielte Blues, Funk, Rock, Jazz – einfach alles, und wir hatten stets Bands bei uns zu Hause, mit denen mein Vater probte. Außerdem durfte ich bereits als kleines Kind bei Tourneen mitfahren und habe auch viel Zeit im Studio verbracht. Meine Eltern waren auch Reggae-Fans und hörten schon den jungen Bob Marley. Mein Vater spielte während der frühen 70er Jahre in einer der ersten Reggae-Bands in Toronto. Im Laufe der Jahre hat mich das alles stark beeinflusst: die Plattensammlung meines Vaters, die Musik, die er selbst spielte – und natürlich auch die Ermutigung meiner Eltern, ein Instrument zu lernen und jede Art von Musik auszuprobieren. Das alles schuf den Kern dessen, was ich heute in musikalischer Hinsicht bin.

Du hast ein abgeschlossenes Musikstudium. Wie wirkt sich die akademische Ausbildung auf Deine Musik aus?
Ich habe bereits als kleines Kind angefangen Schlagzeug zu spielen. Mit 11 Jahren bot man mir die Möglichkeit, ein zweites Instrument zu lernen: Tuba oder Bass. Es war eine leichte Wahl – ich entschied mich ohne zu zögern für den Bass. Also habe ich die nächsten 7 Jahre gelernt, Kontrabass zu spielen. Ich lernte Musik zu lesen, Musik zu interpretieren und als Teil eines Ensembles zu spielen. Es war eine fantastische Erfahrung. Zeitgleich lernte ich auch Klavierspielen und nahm Jazz-Gitarren-Stunden. Das alles hat mich schließlich befähigt, musikalische Ideen zu begreifen, sie umzusetzen, aufzunehmen, zu mixen und schließlich auch zu veröffentlichen.

Man würde erwarten, dass so jemand eher Klassik oder zumindest Jazz spielt. Wie bist du zum Reggae gekommen?
Ich habe viel Klassische Musik gehört, aber auch viel Blues, Rock, Metal, Punk, Hip Hop, Funk und Reggae – praktisch jedes Genre. Aber da ist etwas am Reggae, das mich besonders anspricht. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass meine beiden wichtigsten Instrumente, Drum & Bass, zugleich die wichtigsten Instrumente des Reggae sind. Außerdem bietet Reggae mit seinen Sub-Genres eine so vielfältige musikalische Landschaft, in der man herumtoben und experimentieren kann, dass mich das ungemein inspiriert. Eines guten Skanks werde ich zudem nie überdrüssig. Und überhaupt ist Reggae eine unglaublich erhebende, positive Musik. Ich liebe Marleys Textzeile: „When music hits, you feel no pain“. Sie drückt genau das aus, wofür die musikalische Kunstform „Reggae“ steht.

In wie fern hilft dir deine musikalische Ausbildung bei der Produktion von Reggae?
Ich habe in den letzten 25 Jahren die meiste Zeit in Studios verbracht und viel mit Stilen und Techniken experimentiert. Ich habe gelernt, genau zu verstehen, was ich da mache und wie ich bestimmte Sounds kreieren kann. Aber meine eigentliche Ausbildung bestand darin, mir die Reggae-Produktionen der 70er Jahre anzuhören, und herauszufinden, wie sie diesen trockenen Drum-Sound hingekriegt haben, oder wie sie es angestellt haben, den Bass so weit und fett klingen zu lassen, oder warum es so gut klingt, wenn die Bläser leicht verstimmt spielen, oder wie sie diesen unglaublich perkussiven Gitarren-Skank produziert haben. Diese Kenntnisse sind ganz entscheidend in meiner heutigen Studioarbeit. So wie man lernt, indem man z. B. ein Jimi Hendrix-Solo Note für Note nachspielt, so habe ich versucht, King Tubby-Mixe „nachzuproduzieren“ und die sauber-polierten Marley-Aufnahmen oder den reduzierten Sound eines Burning Spear nachzuahmen.

Deine Produktionen sind komplex und unglaublich detailreich, zugleich aber klingen sie ganz einfach und klar. Wie machst du das? Was ist dein Ansatz, Reggae zu produzieren?
Experimentieren und schichten, konstruieren und dekonstruieren, das sind die wesentlichen Elemente. Ich starte stets mit einem Drum-Muster oder einer Bassline – von da aus entwickelt sich der ganze Song. Ich probiere viel aus: One Drop, Stepper, Half Step, Blend, etc. – so lange bis ich das perfekte Drum-Muster zur Bassline (oder umgekehrt) gefunden habe. Sobald ich einen Drum & Bass-Rhythm habe, mit dem ich zufrieden bin, schichte ich die Instrumente übereinander: Organ-Bubbles, Organ-Skanks, Piano-Skanks, Guitar-Skanks, Gitarrenriffe, Orgelriffe, Synthis (wenn‘s passt), Percussion, etc. Wenn der Track so weit steht, dann kann es sein, dass ich mich entscheide, das programmierte Schlagzeug durch ein live gespieltes zu ersetzen oder die Bassline neu aufzunehmen. Ich vertiefe mich so lange in die kleinsten Details, bis alles perfekt aufeinander abgestimmt ist. Für mich ist Musik wie ein Puzzle, wo jedes Stück seinen Platz hat. Jedes Instrument, jeder Effekt, jeder Sound hat seine ganz spezifischen Position. Den letzte Schritt bildet schließlich das Hinzufügen der Effekte: Echo, Hall, Reverb, Phasers, Sound-FX, Cymbal-Crashes, Drum-Rolls.
Dann höre ich aufmerksam hin. Hat das Stück einen durchgängigen Flow, von Anfang bis ganz zum Schluss? Sind da belanglose Elemente, die ich ohne Verlust entfernen kann? Manchmal entferne ich einen ganzen Refrain oder eine Strophe, wenn ich das Gefühl habe, dass das Stück irgendwo einen Hänger hat. Wenn ich beim Hören mit den Gedanken abschweife, dann ist das ein Zeichen für mich, das Stück zu kürzen oder umzustrukturieren.
Erst wenn ich das Stück anhören kann, ohne dass mich noch irgend etwas stört, dann weiß ich, dass ich mit der Arbeit fertig bin. Ich bin da sehr eigen. Es kann ein einziger Hi-Hat-Beat sein, den ich nicht mag, der mir unangenehm auffällt. Dann setze ich mich hin und bastle so lange an ihm herum, bis er endlich stimmt. Erst dann bin ich zufrieden.

Gerade in letzter Zeit hast du viele Vocal-Tunes aufgenommen. Wie wählst du die Artists aus, mit denen du arbeiten möchtest? Wie kontaktierst du sie? Gibst du ihnen vor, was sie singen sollen?
Als ich 2007 für mein Album „Renegade Rocker“ anfing, Artists meine Rhythms voicen zu lassen, habe ich sie fast alle über Myspace kontaktiert. Ranking Joe, Pinchers, Sugar Minott, Mykal Rose, Linval Thompson – alle über Myspace! Heute läuft das über Promoter, Tour-Manager und Freunde.
In der Regel schicke ich den Artists einige ausgewählte Rhythms von mir und lasse sie entscheiden, welchen sie voicen wollen. Für mich ist genau das der Grund, warum ich mit ihnen arbeiten möchte: Ich möchte ihren Vibe auf dem Rhythm haben. Sie sollen singen, was ihnen in den Sinn kommt. Normalerweise produziere ich spezifische Rhythms für einzelne Artists, genau in dem Stil, der zu ihnen passt. So habe ich Alton Ellis zum Beispiel einen Rocksteady-Rhythm geschickt. Sobald ich die Vocals bekomme, nehme ich sie mir intensiv vor. Der Großteil der Vocals, die auf meinen Produktionen zu hören sind, wurden mehr oder weniger stark editiert. Manchmal entferne ich ganze Strophen oder teile sie auf, oder ich erschaffe einen Refrain aus einer Hookline, die ich irgendwo in einer Strophe entdeckt habe. Stets mit dem Ziel, die Gesamtproduktion zu bereichern. Eine wichtige Technik, die ich entwickelt habe, besteht einfach darin, einem Song Raum zum atmen zu gewähren. Bei fast allen meinen Tracks ist das zu hören: Nach einem Refrain setzt der Gesang erst nach frühestens vier Takten wieder ein. Statt dessen können vielleicht die Bläser einsetzen, oder ich lasse einfach die Musik laufen. Es ist mir ganz wichtig, dass der Gesang Ebbe und Flut hat, also dynamisch in die Musik eingebettet ist und den Song niemals dominiert.

Was inspiriert dich?
Reisen und Touren öffnet mir die Ohren für neue Musikstile und neue Sounds, mit denen ich dann unbedingt experimentieren möchte. Bei unserer Tour im letzten November zum Beispiel, hörten wir während der Fahrt zwischen zwei Auftritten stundenlang MUSE. Der Sound bohrte sich in meinen Kopf. Als ich dann wieder zu Hause im Studio war und Songs für mein Album „Rebel Massive“ aufnahm, ließ ich einige dieser Ideen in den Song mit Prince Jazzbo (R.I.P.) einfließen. Gleiches gilt für bestimmte Steppers-Sounds, die mir begegnet waren, ebenso für Dubstep und Jungle. Momentan inspiriert mich Congo Natty, der Erinnerungen an den 90ies-Jungle in mir weckt.

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24 Questions to: Zion Train

Your name: Neil Perch
You live in: Cologne
Title of your latest album or your last EP: Dub Conference by Abassi All Stars 2013, previously State Of Mind by Zion Train 2011.

What is your definition of Dub?
Dub is psychedelic reggae … deconstructed and reinterpreted by the mixing engineer.

What is essential for a good dub?
Essential for a good dub is a good tune/ song to start with and a talented, open minded mixing engineer.

You are a pioneer of UK-produced dub. How did you get into the business?
I got into dub by being hugely affected by sound systems, mainly Jah Shaka – once I heard that, I had to make music like it.

You produce dub-music for more than 20 years now. Do you still enjoy it?
In fact I produce dub for over 25 years now and every day I remember I am one of the lucky people who earns their living with something they love and that touches other people“s hearts – so yes, I still enjoy it.

What was your biggest success and your biggest failure?
My biggest success is always avoiding categorisation. My biggest failure is not YET converting the whole of humanity into dub loving pacifists.

How has the dub-music-scene changed, since you started your business? When was the best time?
Dub music has gone international since I started in it when it was not even well known in the UK. At the same time the intenet has started and multiplied, Cds were born and since then CDs and vinyl have died so the scene has changed hugely – what remains the same is the basic positivity that always comes with Dub. The best time is yet to come … of course.

How would you describe your style of dub?
I would describe my style of Dub as open minded.

What is your process of creating a typical dub-track?
I have no typical process of producing a Dub track as I like to take a different approach everytime I work in the recording studio – I treat it as a personal challenge. However in general first a musical idea, then record it, back it up with instruments,  sonic texture and arangements, then deconstruct into dub using the chosen method of the day.

What do you like best about dub-music?
I like the mental space Dub music provides – a universal language with no need for words.

What are your personal top 5 dub albums?
Israel Vibration: Israel Dub
Aswad: New Chapter Of Dub
King Tubby: Dub Jackpot
Burning Spear: Living Dub
Creation Rebel: Starship Africa

Who is the greatest dub artist of all time for you?
King Tubby is the greatest Dub artist of all time for me.

And who is the currently most interesting dub artist?
Radikal Guru (PL) and Gentlemans Dub Club (UK).

What is the musically most interesting decade for you? Why?
Musically most interesting decade 68-78 due to the technology explosion, the political and social changes that rocked the worked at the time.

What is your current favorite album?
Revolver by the Beatles.

What is your opinion on dubstep?
Dubstep is an interesting musical phenomenom with an occassional good tune – but like most musical explosions, it is 95% rubbish.

Are you able to earn a living with your music?
I have earnt my living for 25 years solely through music.

What is your particular strength?
Discipline, honour and respect.

What do you enjoy most about what you are doing?
The thing I enjoy most about what I do is FREEDOM – particularly the freedom of self expression.

When not tinkering with dubs, what do you prefer to do?
When not tinkering with Dubs I prefer to tinker with my dog.

Is there something you still want to achieve? A big goal?
I still need to achieve converting the world into pacifist Dub lovers – so I will stick to that task.

Where and how do you see yourself 10 years from now?
I guess I will be right here on planet earth still try to achieve converting the world into pacifist Dub lovers.

If you could choose the one most essential track from your oeuvre, which one would it be?
I never listen to my own music outside of the studio or performance, many of my tracks are important for personal reasons but I hope  never have to choose an essential track.

How do you see the future of Dub?
The future of Dub, is more global spread, more diverse influences, more people diluting it, stealing the essence and making money from it but hopefully more peace and love through the spread of this good vibes sound and attitude.

If time and money wouldn’t count: What project would you like to start?
I would deweaponise the globe and feed every hungry mouth there is.

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20 Fragen an: The Dubvisionist

Dein Name: Felix Wolter
Du lebst in: Hannover
Titel deines letzten Albums oder deiner letzten EP: „Dubvision III“, eine Album Compilation mit Dubtunes (eigenes und Material von Freunden), aus meinem Studio M7.
TVS – „Lovin Peace“ EP, mein Steppas Projekt

Was ist deine Definition von Dub? 
Es einfach mal „anders“ machen. Das Wundern und Verblüffen kultivieren. Aufbrechen von Hörgewohnheiten und Neubewertung von Ausgangsmaterial.

Was ist bei einem guten Dub unverzichtbar?
Die Grundatmosphäre.

Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Dub?
Der Gute basiert auf Vibes, der Schlechte nur auf Technik.

Wie würdest du deinen Dub-Stil beschreiben?
Als Dubvisionist gehe ich „klassisch“ zu Werke. Ein Dub hat ein Original, im günstigsten Fall wohl bekannt. Dann machen neue Arrangements am Mischpult und das „Sichtbarmachen“ von Sub-tracks dem bewussten Hörgenuss nach Sinn.
Bei TVS arbeite ich anders. Hier entstehen elektronisch interpretierte Beats gleich als Atmosphäre auf denen man mit weiteren Elementen experimentieren kann. Interessant finde ich die Reibung zwischen elektronischen Sounds und Roots-Einflüssen.
Daneben arbeite ich noch an 2 artverwandten Downtempoprojekten, PFL und Chin Chillaz. Hier fließen noch weitere musikalische Essenzen mit ein. In diesem Fall funktioniert Dub als Schmelztiegel, der verschiedene Styles zu einem Neuen verbindet.

Wie sieht der Entstehungsprozess eines typischen Dub-Tracks von dir aus?
Trax durchlaufen verschiedene Stadien bei mir. Ich sammle Ideen in einem „backing pool“. Wenn ich das Gespür für den Song bekomme geht’s weiter. Jemand voiced den Song oder spielt Instrumental Overdubs drauf. Irgendwann ist der Track ein Song und/oder ein Dub. Dabei hetze ich nicht. Ich gebe dem Material soviel Zeit wie es benötigt.

Wann bist du mit einem von dir produzierten Dub zufrieden?
Wenn er fertig ist und ich weiß wo er Verwendung findet.

Was sind deine persönlichen Dub-Top 5-Alben?
Aswad: New Chapter Of Dub
Keith Hudson: Pic A Dub
King Tubbys: Meets Rockers Uptown
Scientist: Meets The Space Invaders
African Head Charge: My Life In A Hole In The Ground

Wer ist für dich der größte Dub-Artist aller Zeiten?
King Tubby produzierte einen wirklich einmaligen Sound. Durch seine Technikkenntnisse konnte er die Belastbarkeit der Geräte noch mal ganz anders ausloten als andere. Er hatte Geräte zum Teil selbst gebaut oder modifiziert. Das ergab ein Alleinstellungsmerkmal im Sound, das ihm ja auch den Titel „King“ einbrachte.

Und wer ist der aktuell interessanteste Dub-Artist?
Mad Professor finde ich sehr cool. Ein Album The Roots of Dubstep zu nennen und dann „wie immer“ britischen Roots Dub abzuliefern finde ich großartig. Aber diesen Humor verstehen nicht alle. Egal – für seine Interpretation von Money auf der Dubber Side of the Moon (Remixalbum von den Easy Star Allstars) kann ich ihn fett abfeiern. Da geht er so frech und anarchistisch zu Werke. Das hatte mich mal wieder echt beeindruckt.

Was ist für dich die musikalisch interessanteste Dekade? Warum?
Es gibt in allen Dekaden gute Musik. An den 70ern liebe ich natürlich den ursprünglichen Roots Reggae aus Jamaica. Die 80er stehen bei mir für Einflüsse aus UK, z.B. die Überlappungen von Dub und Punk. In den 90ern kam dann der UK Steppas und ab 2K ging es bei mir weiter mit Downtempo Dub.

Was ist dein aktuelles Lieblingsalbum?
Kiddus I: Topsy Turvy World. Ein sehr schönes Album, würde ich gerne mal was von dubben.

In welcher Form kaufst du deine Musik: Vinyl, CD, Download, Abo? Warum?
Gute Musik findet mich zum Glück immer  – egal in welcher Form.

Gelingt es dir, mit Musik deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Ja, so ähnlich wie bei den Kollegen. Von meinen Dubproduktionen allein kann ich nicht alle Rechnungen bezahlen. Aber ich verdiene mit Musik meinen Lebensunterhalt. Zusätzlich zum Studio und Produktionen betreibe ich noch mit einem Freund das Digital Label „Time Tools Recordings“. Dort bin ich für das Sublabel „Perkussion & Elektronik“ zuständig, auf dem ich viele meiner Projekte veröffentliche. Daneben mach ich auch Remixe und Dubs für andere Artists. Z.Z. arbeite ich an der Licht- & Klanginstallation „Seelewaschen“, die hier in Hannover im Maschpark vom 15.6. bis 15.7. stattfindet. Das ist Ambientsound im urbanen Lebensraum. Bei diesem Projekt liegt die Gemeinsamkeit zum Dub auf dem Schwerpunkt der Entschleunigung.

Mit welchem Artist würdest du gerne einmal zusammen arbeiten?
Ich freue mich auf meinen nächsten Remix für die Kollegen von den Senior Allstars, die Sarah Winton (u.a. Sängerin von Nightmares On Wax) für die Vocals eines Trax gewinnen konnten. Sarah hatte schon mal Titel von Chin Chillaz gevoiced. Ich liebe ihre engelhafte Art zu singen und bin sehr gespannt auf ihren Beitrag.

Was ist deine besondere Stärke?
Meine Schwäche für Musik.

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Dass er mein Job ist.

Wovor graust es dir im Studio?
Demos. Ich hasse Demos und mache seit 30 Jahren keine mehr. Nichts hasse ich mehr, als einer bereits im Demo ausdefinierten Idee hinterher jagen zu müssen. Sie soll denn natürlich genauso ausdruckstark und spontan klingen, nur aber eben „in einem besseren Sound Format“. Rubbish – klappt nie wirklich überzeugend. Der Moment macht die Musik, nicht die Technik.

Wenn du gerade nicht an Dubs schraubst, was machst du dann am liebsten?
Kochen. Der Herd ist wie ein Mischpult und ein gutes Essen wie ein guter Dub.

Wie ist der aktuelle Gesundheitszustand von Dub?
Aus meiner Sicht ganz gut. Wir betreiben hier in Hannover seit ungefähr 3 Jahren 4 mal jährlich den „Liberation Skank“ Das ist ein Roots & Dub Dance mit Sounds & Members aus Hannover und Berlin wie Cham Panda, Chris Re-Ignation, Sandokan Intl., Tobi Dread und TVS/Dubvisonist. Alle Parties sind immer gut besucht. Wir spielen Roots Dub und British UK Steppers für ein wirklich interessiertes junges Publikum.

Wie siehst du die Zukunft von Dub?
Das „Liberation Skank“ Kollektiv macht Parties in einem Umfeld, das Wert auf Bewusstheit legt. Die Devise lautet: No slackness, pure vibes. Feiern mit Respekt, ohne Homophobie und Sexismus. Das finde ich klasse und mal wirklich modern.

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Interview

20 Fragen an: Aldubb

Dein Name: Aldubb
Du lebst in: Berlin
Titel deines letzten Albums oder deiner letzten EP: Aldubb meets Diana Levi 10″ EP / Welcome to Bassland CD

Was ist deine Definition von Dub?
Schwer zu sagen. Remixte Reggae Musik mit wenig Vocalanteil, ich bestehe ja auch immer auf den Unterschied zwischen Dub und „Soundsystem“/“Steppas mit Gesang“. Dann gibt es noch eine ganze Welt voller Dub, der mit Reggae eigentlich gar nix zu tun hat und trotzdem Dub heißt. Also für mich gibt es da kaum Grenzen, wenig Vocal, das ist vielleicht das Wichtigste – neben einem bassbetonten Arrangement und dem Mix natürlich.

Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Dub?
Mein Gehirn. Definitiv festmachen kann ich das nicht, manche Sachen find ich gut, manche nicht so. Als Producer hab ich die blöde Angewohnheit immer mit einem analytischem Ohr zu hören, das nervt manchmal, weil ich immer drüber nachdenke wie jetzt dies oder jenes gemacht wurde, oder ich analysiere den Mix, aber ob ein Dub gut oder schlecht ist, sagt mir das nicht, das ist zum Glück immer noch ein bisschen Magie.

Wie würdest du deinen Dub-Stil beschreiben?
Jetzt wird’s langsam fies… Kommt immer aufs Projekt an, meine eigenen Sachen gehen von rootsig über „Steppas mit Gesang“ bis Techdub oder gar Dubstep. Beliebt bin ich als Remixer wegen meiner Wobbelbässe in Verbindung mit King Tubby mässigen Delay Styles. Das Space Echo ist mein wichtigstes Instrument ;-)

Wie sieht der Entstehungsprozess eines typischen Dub-Tracks von dir aus?
Ich mache erst mal einen „Song“ – falls es eine Gesangsspur gibt. Dann teile ich das Arrangement in Instrumentengruppen auf und arrangiere den Song neu indem ich die klassischen Dub-Sachen mache, also muten, Delays, Hall, eigentlich läuft es da recht klassisch, wie King Tubby und Lee Perry das auch machten. Ich zerschneide auf digitaler Ebene die Spuren manchmal recht radikal, oder ersetze beispielsweise eine Bassspur durch einen Synthesizer. Einen richtig „typischen“ Dubtrack von mir kann ich mir grade nicht so richtig vorstellen. Ein Track den ich immer noch feiere ist „Let there be dub“ da ist irgendwie alles drin, mystische Sprechvocals mit Augenzwinkern, gefilterte Wobblebässe, digitale Drumsounds mit viel Effekt, aber auch echte Percussion und Riddimsection.

Wann bist du mit einem von dir produzierten Dubs zufrieden?
Mal ziemlich schnell – das ist oft ein gutes Zeichen, manchmal dauert es ewig (was aber auch nichts Schlechtes sein muss). Ich hab mir angewöhnt die Versionen immer ne Weile liegen zu lassen, und auch mal Personen meines Vertrauens vor zu spielen. Irgendwann erkläre ich den Song dann für fertig. Ich tue mich damit allerdings leichter, wenn es eine Deadline oder release Datum gibt. Am schlimmsten ist es, wenn ich meine eigenen Sachen mache, da könnte ich ewig weiter feilen, da setzte ich mir machmal selber Deadlines ;-)

Was sind deine persönlichen Dub-Top 5-Alben?
Dub Chemists: Light up your Chalice
Paul St Hilaire: Unspecified
East meets West: Time is the Master
King Tubby: Declaration of Dub
Lee Perry: Kung Fu Meets the Dragon

Wer ist für dich der größte Dub-Artist aller Zeiten?
Lee Perry

Und wer der aktuell interessanteste Dub-Artist?
Kein plan, ich höre recht wenig aktuellen Dub. Was ich weiß, ist, dass das letzte Mad Professor Album nicht so toll war. Richtig abgefeiert hab ich bisher alles von Benga, aber das ist ja Dubstep …

Was ist für dich die musikalisch interessanteste Dekade? Warum?
Die 70ger, da wurde so ziemlich alles erfunden, was auch heute noch Bestand hat, Punk, House, Metal, HipHop, Funk – Reggae gab es schon ’ne Weile, aber auch da kamen in den 70ger die besten und radikalsten Sachen raus. Dub hatte seine große Zeit, Rockbands experimentierten mit allem möglichen, Elektro-Avantgarde. Heute ist es schwer was Neues zu machen.

Was hörst du außer Dub?
So ziemlich alles, außer Gothik, Wave und Depeche Mode. Wenn’s beim Metal zu progressiv wird, steig ich auch aus. Ich mag repetative Musik, aber nicht zu minimal. Eine gewisse Punk-Attitüde find ich auch wichtig, allzu glatte Produktionen mag ich in keiner Stilrichtung.

Was ist dein aktuelles Lieblingsalbum?
Haha, Cultural Roots: Drift Away From Evil ist zwar nicht mehr ganz aktuell, hab ich aber grade für mich entdeckt. Errol Brown ist einer der besten am Mischpult!

In welcher Form kaufst du deine Musik: Vinyl, CD, Download, Abo? Warum?
Am liebsten Vinyl, wenn möglich, aber auch CD. Download hab ich noch nie gemacht, ich finde immer noch, dass man Musik auch ins Regal stellen muss, warum auch immer. Eigentlich kaufe ich überhaupt nicht mehr viel Musik, ich höre den ganzen Tag soviel im Studio und dann noch mein eigenes Zeug. Als Konsument hör ich Musik sowieso lieber im Club oder am besten auf ’nem Open Air, zuhause echt wenig.

Gelingt es dir, mit Musik deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Ich bestreite meinen Unterhalt mit dem Planet Earth Studio – also durchaus zum Großteil mit Musik. Mein Label One-Drop Music macht hingegen keinen Gewinn. Also wenn man Karaoke und Hörbücher im weitesten Sinne als Musik einstuft, dann ja ;-)

Mit welchem Artist würdest du gerne einmal zusammen arbeiten?
Mutabaruka, Linton Kwesi Johnson …

Was ist deine besondere Stärke?
Viel Erfahrung. Ich habe das Gefühl, dass, je länger ich das mache, ich immer besser höre. Ausserdem hilft es mir oft, dass ich einige Instrumente, insbesondere Drums und Bass, auch selber spiele. Was ich immer unterschätze, ist mein Wissen über Studiotechnik und Geräte im allgemeinen. Ich finde es normal zu wissen, was ein Kompressor macht, und wie man eine Patchbay benutzt. Aber viele Produzenten benutzen leider immer mehr Presets und wissen gar nicht mehr was ein Treshhold ist, oder wie man einen Auxweg benutzt. Das hört man irgendwie.

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Zufriedene Kunden. Aber gewählt habe ich diesen Job, weil ich schon immer gern von Musikequipment und Instrumenten umgeben war. Die menschliche Seite hab ich erst im Studioalltag kennen und schätzen gelernt. Es gibt nix Geileres, als wenn ein Musiker das Gefühl hat, das perfekte Studio gefunden zu haben.

Wovor graust es dir im Studio?
Abgesehen von Einbruch, Feuer und technischen Problemen, die den ganzen Betrieb aufhalten, nervt mich, wenn Leute nicht wissen, was sie wollen und immer wieder alles von vorne machen wollen. Es gibt „Rapper“ die fangen dann im Studio an auf Youtube ihren Beat zu suchen, und den Text zu schreiben. Ich berechne dafür mittlerweile knallhart die Stunden, aber nerven tut das trotzdem.

Wenn du gerade nicht an Dubs schraubst, was machst du dann am liebsten?
Reisen.

Welche Musik-Website steuerst du am liebsten an?
Soundcloud.

Wie siehst du die Zukunft von Dub?
Dub ist eigentlich zeitlos. Alle paar Jahre inspiriert Dub mal einen neuen Musikstil, zuletzt Dubstep, früher House und Triphop. Ich bin sehr gespannt. Ich denke, Reggaesongs remixen wird immer irgend jemand, das macht einfach zu viel Spass, als dass es irgendwann aufhören würde.

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Interview

16 Fragen an: iLLBiLLY HiTEC

Euer Name: iLLBiLLY HiTEC
Ihr lebt in: Berlin
Titel eures letzten Album: Reggaetronics (Echo Beach)

Was ist eure Definition von Dub?
Für mich gibt es da irgendwie keine Definition. Dub ist grenzenlos, kann mit so ziemlich allen Musikrichtungen verschmelzen, und bietet einfach sehr viele Möglichkeiten, sich auszutoben. Das macht die Musik für uns so interessant.

Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Dub?
Handwerklich sollte es stimmen, der Rest ist Geschmacksache.

Wie würdet ihr euren Dub-Stil beschreiben?
Wir haben ja generell viele Vocals in unseren Produktionen und setzen Effekte daher eher sparsam ein. Insgesamt ist unser Stil bis auf die Ausflüge in die Elektronik daher auch recht reggaelastig.

Wie sieht der Entstehungsprozess eines typischen Dub-Tracks von euch aus?
Das machen wir frei aus dem Bauch raus. Bis zum Endergebnis dauert es zwar meist recht lang, aber die erste Aufhänger kommt spontan. Higher Calling haben wir z. B. Ablauf, Melodie und Gesang sehr schnell fertig gehabt – das Finetuning hat dann aber echt noch ne Weile gedauert.

Wann seid ihr mit einem von euch produzierten Dub zufrieden?
Nie. Das ist doch immer so, oder? Wir kommen eher an einen Punkt mit jedem Song, wo man sich fragt ob es noch besser oder eher schlechter wird, wenn man weitermacht.

Wer ist der aktuell interessanteste Dub-Artist?
Aus Deutschland ist Aldubb sicher ganz vorne mit dabei. Live haben mich persönlich Kaly Live Dub aus Lyon sehr geflasht. Wir haben mit denen einmal in Bukarest gespielt – sehr gute Musiker und fette Performance.

Was hört ihr außer Dub?
Thomas kommt aus dem Hip Hop, Longfingah ist ein rightiger Reggae-Head. Ich komme eigentlich mehr aus dem Rock. Dass Dub und ähnliche Klänge unser musikalischer Mittelpunkt geworden sind, liegt wohl an der Breite der Möglichkeiten des Genres.

In welcher Form kauft ihr eure Musik: Vinyl, CD, Download, Abo? Warum?
Je nach Produktion bei mir persönlich sehr unterschiedlich. Aber Thomas hat fast nur Vinyl.

Gelingt es euch, mit Musik euren Lebensunterhalt zu bestreiten?
Es ist sehr knapp.

Mit welchem Artist würdet ihr gerne einmal zusammen arbeiten?
Da gibt es einige. Muss man mal abwarten, was sich da sowohl an den Vocals sowie an am Mischpult noch tut.

Was ist eure besondere Stärke?
Obwohl wir nur zu dritt auftreten, schaffen wir durch Longfingahs Gesang und die live Drums das Erlebnis eines Konzerts. Ausserdem ist unser Programm durch die verschieden Stile auch sehr abwechslungsreich. So können wir auf ganz unterschiedlichen Events spielen und Leute aus allen Ecken erreichen.

Was macht euch an eurem Job am meisten Spaß?
Die Tourneen und die daraus resultierenden Freundschaften machen uns sehr viel Spass und geben uns auch Energie und Ideen, das Projekt weiter zu entwickeln. Reisen lohnt sich immer!

Wovor graust es euch im Studio?
Bevor wir die Songs fertig produzieren, nehmen wir sie schon mit auf Tour. Dabei gewöhnt man sich an den fetten live Sound der Drums, die große PA und das vibrieren der Bühne. Im Studio klingt dann erstmal alles vergleichsweise trocken. Da erschreck ich mich jedes Mal.

Wenn ihr nicht gerade an Dubs schraubt, was macht ihr dann am liebsten?
Die Musik lässt uns momentan kaum Zeit für andere Dinge.  Thomas hat aber eine große Leidenschaft für Walkmans, Ghettoblaster und Sneaker. Aber Kochen steht bei mir ganz oben. Gutes Essen fetzt!

Welche Musik-Website steuerst ihr am liebsten an?
Soundcloud.

Wie sehr ihr die Zukunft von Dub?
In Deutschland ist die Szene momentan ja recht überschaubar, aber trotzdem gut aufgestellt. Ich denke da gibt es noch Potenzial. Einige Artist werden den Dub sicher bald weiter nach vorne bringen.

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Interview

20 Fragen an: Umberto Echo

Dein Name: Umberto Echo
Du lebst in: München
Titel deines letzten Albums: Elevator Dubs, 15. März 2013 Enja Records

Was ist deine Definition von Dub?
Instrumental Musik auf Reggae basierend mit ein wenig Gesang und teilweise extremen Effekten, nicht unbedingt Echo aber oft und gerne, manchmal Solos.

Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Dub?
Ein schlechter Dub wird schnell langweilig weil er vorhersehbar ist. Einen guten kann man immer wieder hören.

Wie würdest du deinen Dub-Stil beschreiben?
Eklektisch maximalistisch.

Wie sieht der Entstehungsprozess eines typischen Dub-Tracks von dir aus?
Im Idealfall hab ich schon vorher eine Idee die ich dann auch umsetzten kann. Manchmal lande ich auch ganz wo anders, was nicht unbedingt schlecht sein muss.
Ich mach die Session auf, mische den Tune damit alle Elemente gut klingen und fange dann an einzelne Elemente rein und raus zu nehmen und zu verfremden. Da bin ich dann ein paar Stunden in meiner Welt. Wenn ich da ein gutes Gefühl mit der Basis habe, mach ich eine Pause und hör mir das ganze mit etwas Distanz an.
Dann geht’s ans Finetuning. Ich gehe über einzelne Passagen und verfeinere die Übergänge und nehme überflüssige Parts raus. Evtl. spiele ich selbst ein paar spuren ein und oder lade einen befreundeten Musiker ein damit er mir ein bisschen was dazu spielt. Wen ich dann mit allem, was so passiert, zufrieden bin, wird noch mal eine Runde nur am Klang gefeilt.

Wann bist du mit einem von dir produzierten Dubs zufrieden?
Wenn ich ihn mir mehrmals hintereinander anhören kann ohne das ich etwas verändern möchte und ihn bei jedem hören interessant finde.

Was sind deine persönlichen Dub-Top 5-Alben?
Aswad: New Chapter in Dub
Mad Professor vs. Le Scratch Perry: Dub Take The Voodoo out of Reggae
Scientist: Dub From The Ghetto
Earl 16: The Fittest Dub Versions
Umberto Echo: Dub Train

Wer ist für dich der größte Dub-Artist aller Zeiten?
Lee Perry, über den hab ich mich schon so oft gefreut. Der ist nicht unbedingt der Beste aber der Coolste.

Und wer der aktuell interessanteste Dub-Artist?
Umberto Echo

Was ist für dich die musikalisch interessanteste Dekade? Warum?
70er. Warmer Sound, echte Vibes, echte Musiker, Aufbruchstimmung.

Was hörst du außer Dub?
Jazz, HipHop, Soul, Funk, Afrobeat, Elktronische Musik, High End Pop, Klassik, früher viel Punk, Hardcore, Rock.

Was ist dein aktuelles Lieblingsalbum?
Antun Opic „You Can Spare A Dime“

In welcher Form kaufst du deine Musik: Vinyl, CD, Download, Abo? Warum?
CDs. Ich bin so aufgewachsen, hab mich noch nicht umgestellt. Preis Leistung (Sound) stimmt insbesondere bei älteren Alben.

Gelingt es dir, mit Musik deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Ich produziere viel Musik für andere Leute in diversen Genres und lebe ausschliesslich davon. Mit meiner eigenen Musik verdiene ich kaum Geld.

Mit welchem Artist würdest du gerne einmal zusammen arbeiten?
Alle die noch kommen werden

Was ist deine besondere Stärke?
Gutes Gehör, Spass an der Sache,Musikalität.

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Meine eigenen Alben zu produzieren und alle Entscheidungen alleine treffen zu können.

Wovor graust es dir im Studio?
Schlecht vorbereitete Musiker mit verstimmten Instrumenten.

Wenn du gerade nicht an Dubs schraubst, was machst du dann am liebsten?
Gute Musik aufnehmen und mischen.

Welche Musik-Website steuerst du am liebsten an?
Mach ich eher selten, suche eher nach bestimmten Personen(Musikern) die mich interessieren, da landet man immer wo anders.

Wie siehst du die Zukunft von Dub?
Positiv! Dubstep wird weiter versinken in den Spielarten des Mainstream und neue Leute werden die alten Dub-Konzepte in ungeahnter Weise uminterpretieren.

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Interview

„I have Jesus on my cock“ – Lee Perry rettet die Welt.

Diese Interview, das ich 2002 mit Lee Perry führte, ist mir gerade wieder in die Finger gefallen. Beim jetzigen Wiederlesen habe ich mich köstlich amüsiert. Ich hatte schon ganz vergessen, wie absurd-komisch unser Gespräch von vor 11 Jahren war.

Lee Perry

Lee Perry, der Madman himself hat den Wahnsinn zur Methode gemacht. Er ist – in der Inkarnation des Pipecock Jackxon – aufgebrochen die Welt zu retten und die Verdammten zu entvoodooisieren. Sein Werkzeug ist nicht mehr das Mischpult (wie in früheren Tagen), sondern ausschließlich das Wort, sein Wort. Denn was uns Mr. Perry in seinen späten Aufnahmen und auf der Bühne bietet, sind Worte. Zusammenhanglos, zufällig, verrückt. Als lebende Legende wird er durch die Konzertsäle und Studios der Welt gezerrt und bietet ein tragisches Bild verlorener Größe. Soeben absolvierte Lee Perry eine Tour mit Mad Professor, auf der er sich mit Spiegeln und Amuletten behängt präsentiert und Texte wie: „I have Jesus Christ on my cock, Selassie on my back, Marcus Garvey on my leg, and Jews in my shoes“ zum besten gab. Im anschließenden interview offenbarte er, dass er Dollarnoten unter den Schuhsohlen trägt und erklärte, dass er der Herrn der Ringe sei.

Hallo Mr. Perry, Sie sind für Ihre neue Platte „Jamaican e.t.“ wieder zu Trojan Records zurückgekehrt, die bereits in späten 60ern Ihre Platten lizensiert haben.
Die Platte ist nicht für Trojan oder jemanden speziell. Sie ist für alle Leute, die glauben, dass Gott sie retten wird. Es gibt so viele Lee Perry-Platten da draußen, von denen ich nichts weiß. Die Leute haben alle die Bänder von mir gestohlen.

Aber Trojan hat die Bänder doch nicht gestohlen?
Die Fans glauben, das seien Lee Perry-Platten, aber das sind sie nicht. Lee Perry ist ein guter Name! Ihn zu tragen ist Luxus. Da stimmt etwas nicht!

Aber Sie haben das Album doch selbst produziert – steht zumindest auf dem Cover.
Hör auf, mich für Sachen anzuklagen, die ich nicht gemacht habe.

Wer sind denn die Musiker, mit denen Sie auf „Jamaican e.t.“ zusammengearbeitet haben?
Die Platte ist mein Werk. Chris Blackwell hat sie von mir gestohlen.

Blackwell ist von Island-Records, nicht von Trojan…
Was ich von jetzt an mache, wird nicht mehr gestohlen! Denn da kommen keine jamaikanischen Komiker als Musiker.

Gut, wechseln wir das Thema: auf der Bühne sagten Sie, Sie glauben an Magie. Stimmt das?
Sicher. Magie ist meine Königin. Und Logik ist mein Gott. Außerdem glaube ich an Pussies.

Interessant. Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit Mad Professor, mit dem Sie gerade auf Tour sind?
Er ist der einzige Schwarze mit dem ich noch zu tun habe. Ansonsten will ich mit keinem Schwarzen mehr zu tun haben.

Aber die Musiker auf der Bühne sind doch schwarz.
Ja, sie sehen schrecklich aus. Aber der weiße Bassist ist auch ein Idiot.

Warum wollen Sie keine Schwarzen mehr um sich haben?
Das sind Vampire. Die beißen zu tief – die kennen keine Gnade.

Äh…
Ich hoffe, du verzeihst mir, was ich sage, aber ich bin ein Wahrsager. Ich kann in deine Zukunft sehen. Die Schwarzen haben einen bösen Geist – ich will nicht, dass sie an meine Tür klopfen.

Wie kommen Sie darauf?
Alles war schwarz. Die Black Ark (Perrys Studio in den 70ern) war schwarz. Aber wenn zu viel Schwarz um dich herum ist, dann ist das böse. Denn da wo es schwarz ist, ist kein Licht.

Leben Sie immer noch in der Schweiz?
Ich hätte die Jahre nicht überlebt, wenn ich in Jamaika geblieben wäre. Ich wäre vom Pabst vergiftet worden. Deshalb möchte ich auch keinen Pabst hier in diesem Raum haben.

Mit welchen Gefühlen erinnern Sie sich an Ihre große Zeit in Jamaika?
Wenn ich mich an das erinnere, was dort passiert ist, dann möchte ich diese verdammte Insel in die Luft sprengen.

Sie sagten, dass auf Ihrem neuen Album (das übrigens bei Trojan erschienen ist) „Education“ und „Dancing“ zu finden wäre. Was verstehen Sie unter „Education“?
Wir haben diesen Song und jenen Tanz, Reinkarnation und Inkarnation. Wir konstruieren dort Knochen und Fleisch, Gehirne und Gene. Gene sind im Gehirn und erzeugen dort Gehirnwellen mit sofort-telepatischen, mentalen Befehlen. Alles kommt vom Schöpfer. Der Schöpfer ist omnipotent.

Warum tragen Sie diese mit Amuletten beklebte Mütze?
Die ist für die Juden (er nimmt die Mütze ab und zeigt uns, dass sie von innen mit Dollarnoten ausgekleidet ist). Ihr habt kein Geld in den Schuhen – aber was gibt euch das Recht zu glauben, dass auch ich kein Geld in den Schuhen habe? (er zieht seine Schuhe aus, holt die Sohle heraus und zeigt uns, dass sie von unten mit Dollarnoten beklebt ist.)

Warum ist das Geld in der Mütze?
Das ist für die Menschen, die an mich glauben. Sie nähren sich an meinem Gehirn.

Und das Geld in den Schuhen? Das ist weit weg vom Gehirn.
Das ist für die Armen, die auf der Straße um Brot betteln.

Hat Ihr T-Shirt auch eine Bedeutung?
Das zeigt meine Machete. Der Name meiner Machete ist Sabata.

Glauben Sie an Rastafari?
Wenn ich das nicht tun würde, wäre ich ja wie jeder andere. Wenn ich nicht an Rastafari glauben würde, müsste ich mir Soldaten und Polizisten zum Schutz holen.

Auf der Bühne sangen Sie auch von Jesus.
Wenn Jesus ein Weißer ist, glaube ich an ihn, wenn er ein Schwarzer ist, glaube ich auch an ihn.

Sehen Sie da keinen Widerspruch?
Weißt du, was Rastafari ist?

Ja.
Wenn du morgens dieses Wasserglas hier gegen die Sonne hältst, dann siehst du einen Regenbogen. Das ist Rastafari.

Ach so.
(Er nimmt das halb mit Wasser gefüllte Glas hoch und schüttet es aus) Wo kommt dein Lebensstrom her? Von Gott! Ich will nicht, dass Parasiten, die nicht an Gott glauben, in meine Show kommen. Wenn solche Parasiten da sind, kann ich die Leute nicht unterhalten, die an Gott glauben. Dann werde ich verrückt und kann nicht ordentlich arbeiten. Und es funktioniert!

Was für eine Bedeutung haben all die Spiegel, die Sie an ihrem Körper tragen?
Ich bin der Elementen-Mann. Bevor ich diesen Planeten betrat, beschloss ich, in dieser Farbe zu erscheinen. Ich bin pure Energie. Ich bin die Sonne, die scheint, ich bin die Sonne Jamaikas. Ich habe das Geld nicht gesucht – das Geld hat mich gefunden. Wenn ich auf der Bühne bin, sieht man dort 12 Planeten kreisen. Da oben ist kein Platz für menschliche Wesen. Ich bin kein menschliches Wesen – nur mein Fleisch ist menschlich.

Woher wissen Sie, dass Sie die Energie sind?
Weil durch mich die Energie spricht. Ich bin der Omnipräsente. Ich bin der Upsetter.

Wo wäre der Reggae heute ohne Ihren Beitrag?
Es gäbe keinen Reggae und es gäbe auch keine Welt ohne Lee Scratch Perry. Alles musste am Anfang beginnen – und ich bin der Anfang.

Sie repräsentieren die Welt?
Aber sicher! Ich bin Lee Scratch Perry. Ich mache alles anders. Es gibt so viele Menschen, die mit einem bösen Voodoo-Fluch belegt sind. Meine Aufgabe ist es, diese Menschen zu entvoodooisieren – selbst dann, wenn sie gar nicht wissen, dass sie voodooisiert sind. Ich bin der Heiler.

Sind Ihre Texte frei improvisiert, oder haben Sie sie einstudiert?
Sie kommen zu mir von dem Herrn der Ringe.

Wer ist der Herr der Ringe?
Er gab mir diesen Ring des Feuers vor 20 Jahren. Der Ring sprüht Feuer, das man nicht sehen kann. Sssssspashhhh, da kommen die Flammen. Und nach den Flammen öffnet sich der Himmel: Baahhhhhhhhhh! So war es.

Mister Perry, vielen Dank für das Interview.