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Dub (R)evolution Review

Dub Evolution, Juli 2007

Ich höre schon den Vorwurf: „Wieder eine Channel One-Compilation auf Pressure Sounds!“ Stimmt, es ist mittlerweile die vierte. Doch scheinbar hat Chef-Kompilierer Pete Holdsworth drei Alben zum Üben benötigt, bis ihm mit „The Revolutionaries: Drum Sound – More Gems From The Channel One Dub Room – 1974 To 1980“ (Pressure Sounds/Rough Trade) dieses Meisterwerk gelang, das so präzise wie keines der Vorgänger den Chanel One-Sound und –Stil auf den Punkt bringt. Anfang der 1970er Jahre von den vier chinesischstämmigen Hookim-Brüdern Jo Jo, Paulie, Ernest und Kenneth gegründet, war das Studio vielleicht nicht Hort der Reggae-Avantgarde (hier dürfte Lee Perrys Black Ark-Studio führend gewesen sein), aber es war das beliebteste und mit Abstand erfolgreichste Reggae-Studio der Dekade. Mit dem besten Studio-Equipement und unendlicher Akribie beim Austüfteln des Sounds entwickelten Sly Dunbar und Ernest Hookim den sattesten, deepsten und präzisesten Reggaesound des ganzen Jahrzehnts. Er prägte den Reggae der späten 1970er Jahre so nachhaltig, wie es ein Jahrzehnt zuvor Coxsones Studio One getan hatte – was nur folgerichtig war, denn Coxsones Studio in der Brendford Road war das große Vorbild der Hookims – weshalb sie ihr eigenes Studio in Anlehnung dreist „Channel One“ nannten. Als sie dann auch noch anfingen, Coxsones Riddims nachzuspielen und damit die Hitparaden zu stürmen, platzte Herrn Dodd der Kragen und er schlug Jo Jo eines auf die Nase. Doch da diese Unmutsäußerung die Hookims keineswegs davon abhielt, mit ihren Remakes eifrig Geld zu verdienen, revanchierte Coxsone sich schließlich gleichfalls mit Remakes der Remakes, indem er seine alten Produktionen mit Sly Dunbars Double-Drum-Style overdubbte.

Die vorliegende Compilation präsentiert nun einige der spannendsten Produktionen des Channel One, allesamt produziert von Jo Jo und gemixt von Ernest und Barnabas. Bei den meisten saß Sly Dunbar an den Drums und Robbie Shakespear spielte den Bass. Wunderschön begleiten Slys leichtfüßige Uptempo-Drums den Hörer durch die Dubs einiger sehr, sehr großer Channel One Hits. Ein ganz besonderes Highlight eröffnet die Auswahl: „Kunta Kinte Version One“ ist vielleicht das dem Plattenkäufer am längsten vorenthaltene Dub Plate Special überhaupt. Hier feiert es nun seine offizielle Veröffentlichung – und es ist wahrlich ein Hammer (Mad Professors Version des Stücks weckte seinerzeit meine Liebe zur Dub-Music). Weiter geht es mit dem Dub zu „Them Never Love Poor Marcus“ von den Mighty Diamonds und anschließend zu „A Who Say Part Two“ von dem bekannten Althea & Donna-Stück über den „I Know Myself“-Rhythm. Dann kommt die Channel One-Version von „Fade Away“, stripped to the bone im Stile King Tubbys. Die Aufzählung ließe sich inklusive der Schwärmerei für jeden Track fortsetzen (wie z. B. für „War Version“, Sly Dunbars militantem Frontalangriff auf die Snarredrum oder wie z. B. „Back…:“ Schluss jetzt!). Channel One rules!

Der Sommer brachte einen wahren Trailerload of Dub. So viele Releases gab es selten. Hier nun die interessantesten: Beginnen wir mit „Studio One Dub Vol. 2“ (Soul Jazz). Da haben die Soul-Jazz-Rechercheure offensichtlich noch einige B-Seiten in den Studio One-Archiven gefunden. Gut so, denn es ist immer wieder erfreulich, die schönen Rhythms aus der Brendford Road pure and clean zu hören. Ihres Gesangs beraubt, swingt die Musik ganz im Zeichen der Bassline, der Rhythmus groovt und alles ist gut. Wie schon bei Vol. 1, finden sich sehr nette Versions, die erstaunlich oft bereits die Bezeichnung „Dub“ tragen dürfen. 

Das Erstaunen darüber, dass Soul Jazz gleich zwei Studio One-Dub-Sampler veröffentlicht – und dann noch so kurz hintereinander – legt sich, wenn man folgende Veröffentlichung des Labels in die Hände bekommt: „Box Of Dub – Dubstep And Future Dub“ (Souljazz). Ach ja, stimmt: Dub ist in England gerade wieder ziemlich angesagt – auch wenn Dubstep mit Reggae nicht allzu viel gemein hat. Die „Box of Dub“ schlägt aber aus den Dubstep-Clubs einen ganz eleganten Bogen zum klassischen Dub, da hier neben sphärischen Bass-Orgien auch dem Reggae-Groove verwandte Stücke präsentiert werden, die eine spannende, postmoderne Mischung aus z. B. Channel One-Samples, subsonischem Drum & Bass-Gegrummel und Breakbeats bietet. Wer sich als Dub-Freund mit dem Thema „Dubstep“ anfreunden möchte, der findet hier mit Namen wie Digital Mystikz, Kode 9, Burial und King Midas Sound einen guten Einstieg.

Nach fünf Jahren Sendepause erschien soeben ein neues Album von Zion Train: „Live As One“ (Universal Egg). Die einst fünfköpfige Formation, die in den 1990er Jahren mit ihrer höchst innovativen Mischung aus Dub und Dance sogar einen Major-Deal einheimste, ist nun auf den Gründer Neil Perch „gesund geschrumpft“. Doch er hat sich viel Unterstützung ins Studio geholt: Dubdadda, Earl 16, Tippa Irie und einige andere Vokalisten garnieren die straighten Steppers Beats aus Perchs Computer. Solide Rhythms, inspirierte Vokalisten und – für Dub nicht selbstverständlich – prägnante Melodien – eigentlich ist alles da, was der Dub-Freund mag. Doch so richtig Spaß macht „Live As One“ trotzdem nicht. Warum nur? Weil der Sound ein wenig zu sehr in den 1990ern stecken geblieben ist? Weil dem Album schlicht Ideen fehlen? Oder weil es für ein Zion Train-Album dann doch zu traditionell klingt? Schade eigentlich – Neil Perch kann auch anders …

Definitiv anders kann Fedayi Pachia, der mit „The 99 Names Of Dub“ (Hammerbass/Import) ein wahrlich außergewöhnliches Album vorlegt. Sein Style besteht aus der Mischung von traditionellen orientalischen Harmonien, Klängen und Arrangements mit dem Sound-Instrumentarium des Dub. Während sein Album „Dub Works“, das vor zwei Jahren erschien, Dub noch den Vorrang gab, gehen die 99 Namen des Dub viel sparsamer mit den Dub-Ingredientien um. Auf diese Weise gelingt es Pachia die beiden Elemente gut gegeneinander auszutarieren. Die Klänge Indiens, Arabiens und des Balkan ziehen die Aufmerksamkeit auf sich, während die Dub-Bassline und vereinzelt angeschlagene Offbeats das Fundament dazu bilden. Warum gibt es nicht mehr solch spannender Crossover-Experimente?

Zum Schluss noch ein Album, das mich überrascht hat und nachhaltig fasziniert: Dub Rascals, „Volume 2“ (Little Rascals Records/Import). Präsentiert werden hier ausschließlich Dub-Artists aus Australien und Neuseeland – und spätestens seit Fat Freddies Drop genießen diese beiden Regionen des Globus die besondere Aufmerksamkeit der Dub-Freunde. Wie bei Samplern üblich, ist das Angebot zwar nicht hundertprozentig homogen, doch was abzüglich von zwei drei schwächeren Tracks übrig bleibt, ist fantastisch. Allein das erste Stück, „Proicuous“ von Dubbo würde 14 folgende Totalausfälle aufwiegen. Wer „Proicuous“ auf einem bassstarkem Home-Soundsystem abspielt, sollte vorher auf jeden Fall die Nachbarn warnen. Deeper, wuchtiger und zäher geht es nicht mehr. Die absolute Definition von Dub. Zwei Tracks weiter erklingt das Stück von Jerry Mane, das sich in der Mitte zu einem furiosen Jungle-Track wandelt, während wieder zwei Tracks weiter, Pickle einen Dub abliefert, der auch Mark Ernestus und Moritz von Oswald Respekt abverlangt. Die Aufzählung qualitätsvoller Dubs ließe sich bis Track 15 fortsetzen, doch die Botschaft dürfte auch jetzt schon klar sein: Eine klare Investitionsempfehlung.

Das Erstaunen darüber, dass Soul Jazz gleich zwei Studio One-Dub-Sampler veröffentlicht – und dann noch so kurz hintereinander – legt sich, wenn man folgende Veröffentlichung des Labels in die Hände bekommt: „Box Of Dub – Dubstep And Future Dub“ (Souljazz). Ach ja, stimmt: Dub ist in England gerade wieder ziemlich angesagt – auch wenn Dubstep mit Reggae nicht allzu viel gemein hat. Die „Box of Dub“ schlägt aber aus den Dubstep-Clubs einen ganz eleganten Bogen zum klassischen Dub, da hier neben sphärischen Bass-Orgien auch dem Reggae-Groove verwandte Stücke präsentiert werden, die eine spannende, postmoderne Mischung aus z. B. Channel One-Samples, subsonischem Drum & Bass-Gegrummel und Breakbeats bietet. Wer sich als Dub-Freund mit dem Thema „Dubstep“ anfreunden möchte, der findet hier mit Namen wie Digital Mystikz, Kode 9, Burial und King Midas Sound einen guten Einstieg.

Nach fünf Jahren Sendepause erschien soeben ein neues Album von Zion Train: „Live As One“ (Universal Egg). Die einst fünfköpfige Formation, die in den 1990er Jahren mit ihrer höchst innovativen Mischung aus Dub und Dance sogar einen Major-Deal einheimste, ist nun auf den Gründer Neil Perch „gesund geschrumpft“. Doch er hat sich viel Unterstützung ins Studio geholt: Dubdadda, Earl 16, Tippa Irie und einige andere Vokalisten garnieren die straighten Steppers Beats aus Perchs Computer. Solide Rhythms, inspirierte Vokalisten und – für Dub nicht selbstverständlich – prägnante Melodien – eigentlich ist alles da, was der Dub-Freund mag. Doch so richtig Spaß macht „Live As One“ trotzdem nicht. Warum nur? Weil der Sound ein wenig zu sehr in den 1990ern stecken geblieben ist? Weil dem Album schlicht Ideen fehlen? Oder weil es für ein Zion Train-Album dann doch zu traditionell klingt? Schade eigentlich – Neil Perch kann auch anders …

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