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Dub (R)evolution Review

Dub Revolution, Januar 2006

Eigentlich ist der Trojan-Back-Katalog von Perry-Aufnahmen sattsam bekannt. Deshalb konnte die 3-Alben-Doppel-CD „Dub-Tryptich“ vom letzten Jahr eigentlich niemanden mehr hintern Ofen hervorholen. Nach gleichem Konzept, also drei Lee Perry-Alben auf einer Doppel-CD, erscheint nun „Dubstrumentals“ (Trojan/Rough Trade) und vereint drei ungleich interessantere, weil seltener gehörte Alben: 1. „Kung Fu Meets The Dragon“, „Return Of The Wax“ und „Musical Bones“. Ende 1973 hatte Perry sein legendäres Black Ark-Studio fertiggestellt – wenn auch noch mit minimaler Ausstattung – und begann dort erste Stücke zu produzieren. 1973 war auch das Jahr in dem Bruce Lee seinen Film „Enter The Dragon“ in die Kinos brachte und damit die Kung Fu-Pandemie im Westen verbreitete. Perry, der ohnehin viel Spaß an guten Filmen hatte – man denke nur an seine musikalischen Huldigungen der Spaghetti-Western –, konnte die Chance, ein Album mit schrägen Kung Fu-Sounds, mystischen Pablo-Far-East-Melodien und natürlich Bruce Lees typisches Gequieke nicht ungenutzt vorbei streichen lassen. Und so entstanden Instrumentalstücke, die dank der Soundeffekte und dem inspirierten – wenn auch verhaltenem – Mix durchaus als Dubs bezeichnet werden dürfen. Die Beats sind, gemessen an späteren Black Ark-Produktionen, noch relativ uptempo mit stark betontem Offbeat und gespickt mit Perrys Bruce Lee-Imitationen. Deutlich ist hier zwar der Weg zu neuen Klängen herauszuhören, doch von seinem spät-60er-Sound hat Perry sich noch nicht emanzipiert. Viel dunkler und deeper klingt dagegen das zweite Album „The Return Of Wax“, das 1975 in England nur als White-Label-Pressung erschienen war. Hier hat Perry mit minimaler Instrumentierung gearbeitet und den Mix radikal abgespeckt. Oft ist nicht viel mehr als Drum & Bass zu hören, trocken und puristisch. Selbst wenn, wie auf „Big Boss“, der Track verhalten melodisch mit Offbeat und Trompete anfängt, schaltet Perry spätestens nach dem vierten Takt alle Instrumente ab und lässt den puren Rhythmus weiterlaufen, nur um später mit dem Lautstärkepegel zu experimentieren. In mancher Hinsicht erinnert „Return“ an das radikale Album „Dub Revolution“. Das dritte Album, „Musical Bones“ klingt wieder ganz anders. Zwar ist es ebenso wie „Return…“ nur als White-Label nach England gekommen, doch ganz anders als dieser minimalistische Vorgänger ist „Musical Bones“ eine wahre Ausgeburt an Musikalität und Spielfreude, denn hier hat Perry nicht experimentiert sonder den Posaunisten Vin Gordon einfach mal machen lassen. Dieser hat die Chance ergriffen und ein schönes, melodisches Instrumental-Album abgeliefert, das viele klassische Reggae-Riddims benutzt und auch vor eingestreuten Jazz-Strukturen nicht zurückschreckt, die nach einem harten Break gerne in Disco-Zitate übergehen, um danach wieder dem ruhigen Reggae-Beat Platz zu machen. Leider wurden von diesem Album viel zu wenige Exemplare gepresst, so dass es schnell in Vergessenheit geriet und später in der Flut frischen Black Ark-Materials auch von Perry übersehen wurde. Nun ist es jedoch in brillanter Qualität wieder zu hören – und zwei Bonus-Alben gibt es obendrein.

Auralux hat sich unter den Reissue-Labels in den zwei Jahren seines Bestehens einen hervorragenden Namen gemacht. Schön ist zudem, dass die Reggae-Historiker des Labels auch eine Ader für Dub-Klassiker haben, wie sie es nun mit der Wiederveröffentlichung des Fatman Dub Contest aus dem Jahre 1979 erneut unter Beweis stellen. Offiziell ist das Album „Fatman Presents Prince Jammy vs. Crucial Bunny: Dub Contest“ (Auralux) betitelt und gehört zu meinen persönlichen Lieblingen aus jener goldenen Dub-Ära. Fatman war ein britischer Soundsystemoperator, der bis in die frühen 1980er Jahre hinein Prince Jammy-Dubs importierte und im UK vertrieb. In Falle von „Dub Contest“ – das übrigens seit seines Erscheinens 1979 nicht wiederveröffentlicht wurde – mixte der damalige Prince die erste Albumseite, während dem Channel One Inhouse-Engineer Crucial Bunny aka Bunny Tom Tom die zweite Seite zuviel. Natürlich stammen die Tracks beider Seiten aus unterschiedlichen Recording-Sessions, wovon Jammy die spannendere erwischt hat. Seine Tracks klingen mystisch und dunkel, was von Jammys echodominiertem Mix noch potenziert wird. Jammy konnte auf hervorragendes Material zurückgreifen, wie etwa Johnnie Clarkes „Play Fool Fe Catch Wise“, Black Uhuru’s post-rockers Version des Wailers-Klassikers „Sun Is Shining“ sowie Johnny Clarkes und I Roy’s großartigem re-working von „Satta“. Bunnys Seite kann da mit ihrem leichteren Revolutionaries-Rockers-Sound nicht ganz mithalten. Beide Seiten sind übrigens für den CD-Release mit je zwei Bonus-Tracks ergänzt worden.

Aus der gleichen Ära stammen die meisten Tracks des Scientist-Albums „Dubs From The Ghetto“ (RAS/Roughtrade). Compiled von John Masouri, bietet das Album einen zwar recht kleinen, aber sehr interessanten Blick auf Scientists Schaffen. Versammelt sind hier Scientist-Dubs für die Produzenten Jah Thomas, Bunny Lee, Linval Thompson und Barrington Levy. Masouri hat hier zielsicher die besten Produktionen herausgegriffen; jedes Stück ist ein kleines Meisterwerk, sowohl was die Rhythms, wie auch den Mix betrifft. Die Musik fließt mit ruhiger Gelassenheit und die Basslines entfalten sich in aller Wärme. „Heavenless“ und „Shank I Sheck“ erklingen in wunderbaren Versionen und Scientists verhaltener Mix lässt sie ganz zu ihrem Recht kommen. Mit „Baltimore“ findet sich sogar eine Produktion von Scientist aus dem Jahre 2003 unter den letzten Tracks – erstaunlich gut übrigens.

Nun ein kleiner Sprung ins New York der 70er Jahre. Hier entstand „Bullwackiess All Stars: Dub Unlimited“ (Wackies/Indigo) ein klassisches Dub-Album aus der Anfangszeit von Lloyd Bullwackie Barnes New Yorker Label. Das Studio in der Bronx war noch so neu, dass Barnes, Prince Douglas und Jah Upton noch keine Zeit für eigene Aufnahmen gefunden hatten, als sie schon ein erstes Dub-Album herausbrachten. Sie hatten sich die Aufnahmen einfach im Treasure Isle Studio einspielen und von King Tubby mixen lassen – was erklärt, warum hier noch nicht der typische Wackies-Sound zu hören ist. Allerdings hatte Barnes in Tubbys Studio wohl Regie geführt und sich sehr abwechlungsreiche, inspirierte Dubs mixen lassen, die sich schon deutlich von Tubbys Massenfabrikation dieser Zeit unterscheiden.

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