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Dubvisionist presents PFL Dubsessions

Zugegeben, beim ersten Mal habe ich nur halbherzig und nebenbei via Notebook-Speaker zugehört. Größter denkbarer Fehler eines Rezensenten, keine Frage – Schande über mich. Unter Umständen kann ich ein wenig Verständnis heischen, wenn ich gestehe, dass mich Dubvisionist’s „Yoga in Dub“ ziemlich unberührt zurückgelassen hat. Ein Album, dass im Work-Life-Balance-Trend sicher seine Berechtigung hat und etwa bei einem Vinyasa-Flow gut einsetzbar ist – sofern man bei der Ausführung der Asanas keine Stille ertragen kann. Und doch: Ich habe die Annäherung von Reggae/Dub zur „New Age“-Musik im allerweitesten Sinn schon besser gehört. Tiefenentspannte Leser*innen mögen sich Deva Premal’s hervorragendes, von Maneesh de Moor produziertes Mantra-Chanting-Album „A Deeper Light“ zu Gemüte führen; oder Jay Uttal’s „Roots, Rock, Rama!“-Release, bei dem das Kirtan-Urgestein seine Chants mit handfesten Reggae-Grooves unterfüttert.

Tatsächlich geht’s hier aber um den Nachfolger von „Yoga in Dub“, der sich da „Dubvisionist presents PFL Dubsessions“ (Echo Beach) nennt. Felix Wolter aka Dubvisionist ist wohlbekannt und geschätzt in der Dub-Szene; der dubblog.de Rezension seiner feinen „King Size Dub Special“-Werkschau ist nichts mehr hinzuzufügen. PFL bzw. Pre Fade Listening als der heute eher unbekannte Part in der Gleichung würde ich als eine der musikalischen Inkarnationen Felix Wolters sehen: Ein Projekt, das mit seinen Lounge-Produktionen anno dunnemal durchaus von sich reden machte.

„Lounge“ als Bezeichnung für ein Sammelsurium unterschiedlichster Musikstile war mir allerdings immer schon ein rätselhaftes Phänomen – sicher, es ist meist richtig entspannter Downbeat; oft instrumental oder mit mehr oder weniger schleierhaften Ethno-Vocals und -Samples versehen. Irgendwo zwischen Alles und Nichts angesiedelt, dient er den Millenials als Hintergrundbeschallung in den coolen Bars und hippen Club-Lounges. Dort trifft man sich zum gepflegten chill out, hegt Freund- und Bekanntschaften und plant zusammen womöglich den weiteren Verlauf der Nacht. Kurzum: Dort wo man statt „schön“, „gut“ oder „fein“ das Wort „nice“ benutzt, ist die Wahrscheinlichkeit, Lounge zu hören sehr hoch. Das alles hat in erster Linie mit Kommunikation zu tun; Musik spielt eine untergeordnete Rolle: Nicht zu laut, nicht zu präsent, nicht zu aufdringlich oder im schlimmsten Fall gar das Gespräch störend. Passive Musik, die man eigentlich nicht hören, sondern bestenfalls als Hintergrundgesummse wahrnehmen möchte, sich jedoch hervorragend zum Überbrücken der Stille eignet – für den Fall, das man sich so gar nichts mehr zu sagen hat. Sarkasmus beiseite: Unter dem Label „Lounge Music“ wurde vor allem in den Nullerjahren eine ganze Menge Geld eingefahren; es war vermutlich der letzte Hype, bei dem physische Tonträger eine Rolle gespielt haben. Was bleibt ist ein Kuriosum: Musik, die man eigentlich nicht (bewusst) hören will.

Zurück zum Thema; zurück zu einem Album, das im richtigen Setting – sprich einer Subwoofer-mächtigen Musikanlage – zu einem veritablen Bassmonster gerät. Freilich haben wir hier keinen klassischen Reggae/Dub vor uns; Hardcore-Dubheads werden aber durchaus den einen oder anderen Snipet einer Reggae-Bassline identifizieren; etwa im Track „Going Underground“, in dem der Groove von The Tamlins‘ bzw. Sly & Robbie‘s „Baltimore“ zu erkennen ist. Oder wie wär’s gleich mit der ganzen „Drum Song“-Bassline im „Long Reasoning Dub“? Selbst Nyabinghi-Drums kommen zum Einsatz („Searching for the Magic Frequency“), und doch würde ich das Album eher unter Downbeat einordnen – auch, um den unglückseligen Begriff Lounge zu vermeiden. Dafür ist der Release einfach zu interessant, verlangt nach gebührender Aufmerksamkeit, um viele kleine und größere Sound-Gimmicks zu entdecken – wie Vocal-Samples, eine rockige Gitarre und wunderbare Percussions. 

Darf man „Dubvisionist presents PFL Dubsessions“ vielleicht gar mit dem Dub Syndicate zu besten On-U Sound-Zeiten vergleichen? Nun ja, ein Style Scott ist nicht ersetzbar, aber Adrian Sherwood experimentiert auch gerne mit allen möglichen Einflüssen und Stilen. Insofern kann man Parallelen ziehen; und würde man mir den Track „The Lone Ranger“ als verschollene Dub Syndicate-Aufnahme verkaufen wollen – ich würde es vermutlich nicht hinterfragen. Abgesehen vom Langweiler-Track „Yoga Secret“ ein interessantes Album also, dass mit Dub-Effekten nicht geizt. Soundmäßig ist es mit seinen eher zurückhaltenden Höhen in der Dubvisionist-spezifischen Klangwelt zuhause, die auf früheren Releases schon mal wesentlich dumpfer daherkam. Balsam für Hörer*innen wie den Rezensenten, dem schneidende, extreme Höhen blutende Ohren bescheren, der dafür aber Eingeweide-Massagen im unteren Hz-Bereich umso mehr feiert.

Letztlich empfehle ich den geneigten Leser*innen, sich nicht vom Album-Cover, dem Track-Titel „Skylarkin Lounge“ und der Lounge-Phobie des Rezensenten irritieren zu lassen. Alben der etwas anderen Art verlangen nach Offenheit und der Bereitschaft, sich auf sie einzulassen – insbesonders wenn sie nicht den gängigen Dub-Klischees entsprechen. Wer so auf „Dubvisionist presents PFL Dubsessions“ zugeht, wird belohnt werden.

Bewertung: 3.5 von 5.

5 Antworten auf „Dubvisionist presents PFL Dubsessions“

Da kann ich nur Danke sagen !!!
Zum einen Danke für die Rezension, die diese fantastische DubScheibe in unser Bewusstsein transferiert hat und auch ein dickes Danke an unseren Dubvisionist !!!
Endlich hat er mal wieder ein DubAlbum für die „wahren DubFans“ gemacht. Dieses DubAlbum ist richtig Fett. Die Basslines und auch die Bassfrequenzen triefen wie
frisches Frittieröl aus einem köstlichen, dicken Krapfen der ganz frisch und brandheiß, gerade eben erst aus der Fritöse entnommen wurde.
I don´t like it ! I Love It !
Manchmal denke ich, ich stehe komplett unter Beobachtung oder es sind eben diese magischen „Zufälle“ die es immer wieder gibt. Gerade erst in der letzten Woche fing ich an,
bei Spotify eine spezielle Playlist für mich zu erstellen. Es gibt ja so Dubs, die sind besonders „smooooooooth“. Die eignen sich perfekt zum Abhängen auf ganzer Breite und sind ebenso
ein wunderbarer Klangteppich im Büro oder überall dort, wo man gut relaxen kann. Ich musste dem Teil ja irgendeinen Namen geben und so habe ich mich kurzer Hand für LoungeDub
entschieden und das ganze dann mit „very smooth DubMusic“ untertitelt. Ich habe also schon mal kein Problem mit dem Begriff „Lounge“. Von daher stehe ich hier quasi in der ersten
Startreihe, wenn nicht sogar in der Poleposition. Wäre ich Broker, würde ich sofort auf „KAUFEN !!!“ klicken.
Ja gtkriz, auch ich habe ein großes Problem mit zu vielen Höhen. ( Mad Professor wohl eher nicht ). Daher scheppern bei mir auch die Flying Cimbals immer so in meiner Birne aber das nur am Rande.
„Skylarking Lounge“ flasht mich gleich schon mal richtig gut. Der Groove packt mich und ganz besonders die Art und Weise, wie hier die Vocalschnipsel „reingesampelt“ werden erinnert
( unter anderem ) auch mich, an On-U.Sound und da ganz besonders an die Strange Parcels. Es hört sich aber nicht nach einer Kopie an oder nach dem Versuch, hier etwas zu wiederholen. Es wird lediglich mal wieder deutlich, wer das Vorbild für unseren Dubvisonisten war und hoffentlich immer noch ist. Ich habe jedenfalls mal in der Riddim gelesen, das Felix Wolter schon viel von Adrian Sherwood gelernt hat und eben jenen Adrian auch besonders schätzt. Aber das ganze Album kann ich nur als „DUB FÜR ERWACHSENE“ bezeichnen.
Das ist echt kein Kindergeburtstag. Wobei ich dann auch gleich zu „Going Underground“ kommen muss. Selten ist ein Titel für einen DubTune so passend ! Ich würde so gern sagen,
( da bekomme ich einen Ständer im Kopf ) aber ich befürchte, das ist hier wieder einigen zu frivol. Sorry aber ich hoffe, in Klammern geht es durch, denn nur so kann ich meine Begeisterung für diesen Dub halbwegs in Worte fassen. Also stellt euch mal nicht so an …… ( bittäähh ).
„Out Of Many“ ist auch genau mein Dub ! Da passt alles exakt auf den Punkt. Das ist frecher, brutaler Dub, genau richtig für Dub(Masochisten). Die ganze Machart ist nix für Weicheier,
die gern kopflastige Schwerenöter-Musik mit „anspruchsvollen“ Texten über die Liebe hören wollen. ( ruhig, lemmi, beherrsche dich ).
Nein ! Ich will mich nicht beherrschen ! Denn schon beim nächsten Dub „Only Dub ( But i Like IT )“ fühlt es sich viel besser an, die Jogging – ( nicht die Yoga – ) Hose, überzustreifen und
mal wieder so richtig komplett „die Kontrolle über sein Leben zu verlieren“. Aber bloß nicht, um damit joggen zu gehen. Joggen ist mir viel zu vernünftig und schon von daher stink langweilig.
Und wenn man schon denkt, es geht nicht mehr besser, dann lässt man die Scheibe ( hoffentlich wird es eine ) eben weiterlaufen und kommt zu „The Lone Ranger“ !!!
Jetz ma ehrlich Freunde ;-) wer brauch da noch „SteppersDub“ ? Das ist doch schon eine musikalische Offenbarung, eine „Bergpredikgt“ für alle, die an DUB glauben !
Ich sehe es ähnlich wie gtkriz, wobei ich da so eine Art Übergang von Little Axe zu Dub Syndicate wahrnehme. Die Bassline geht mehr so in Richtung Little Axe bzw. Doug Wimbish und später geht es dann auch in Dub Syndicate über, wobei ich ne Wette abschließen würde, das Style Scott hier die Drums spielt. Und wenn nicht, verliere ich die Wette gern.
„Searching for the Magic Frequency“ !!!! Einfach nur hammergeil ! Mir gehen die Superlative aus ! Auf jeden Fall wurden sowohl die magischen Frequenzen als auch der magische Groove gefunden.
„Long Reasoning Dub“ hat auch eine der besten Basslines aller Zeiten. Die hat der Dubvisionist auch ganz gern, denn da hat er schon bei der „King Size Dub Special“ – Session einen
ebenso feinen Dub hingezaubert. Allerdings ist das Teil hier jetzt so tief ( dumpf ) geraten, das man doch mal ein wenig am Höhenregler „pitchen“ muss.
„Tranquil“ lässt bei mir auch keinen einzigen Wunsch offen. Die Bassline ist zwar „loungig“ aber keinesfalls öde. Ich würde sie als „SOUVERÄN“ bezeichnen, was ebenso auf die gesamte Dubatmosphäre und die vielen kleinen DubSpielereien zutrifft.
„Black Nile“ würde ich persönlich schon als ziemlich jazzig bezeichnen. Aber hier werden wir mit der guten Seite des Jazz berieselt. Geht mir richtig gut rein und die Bläser, ganz besonders die Trompete spielt hier schön dezent, so das sie mehr als eine Art Erscheinung wirkt und nicht so dominant darauf pocht, zu zeigen, „schau mal, was ich alles auf meiner Trompete spielen
kann“. Das kann nämlich auch schnell mal penetrant werden, bei den Jazzern.
„Yoga Secret“ hätte ich eher als Intro verwendet aber man kann es auch gern zum Ausklang dieser fantastischen DubReise nehmen, denn es heißt ja immer so schön zum Trost, wenn etwas zu Ende geht, das in jedem Ende auch ein neuer Anfang steckt.
Is mal wieder ein wenig ausführlicher geraten, mein Kommentar ……. aber diese DubScheibe ist es mir Wert gewesen.

DANKE gtkriz !!!

DANKE Dubvisionist !!!

and „Give Thanks and Praise to all the Singers and Players of Instruments“ …………………. lemmi

You’re welcome, lemmi.

Ich schlage vor, Du veröffentlichst Deine Spotify-LoungeDub-Playlist – da würde ich gern mal reinhören.

Deinen Kommentar find‘ ich großartig – das ist eine eigenständige Rezension des Albums, die vor Begeisterung, Enthusiasmus und positive vibes nur so strotzt. Macht gute Laune und eröffnet eine weitere Sichtweise.

lemmi rules :)

Ach wie schön ! Heute ist aber mal wieder so richtig Freitag. Freut mich sehr, wenn mein Kommnentar meine Begeisterung für die Scheibe gut rübergebracht hat.
Ja gtkriz, in meiner Playlist sind erst so etwa 10 Dubs …..
Sie entsteht, indem ich Deine Playlist durchlaufen lasse und immer wenn ich merke,
oh der Dub is jetzt aber mal so richtig relaxt, packe ich ihn dazu.
Eins ist also schon mal sicher, Du kennst die Dubs besser als ich ;-)
Aber wenn ich es mal schaffe, das meine Playlisten ohne Werbung laufen, würde ich sie auch gern veröffentlichen.
Aber da kommt auch gleich der alte „spätpyronische Skeptiker“ wieder in mir hoch.
Ich glaube nämlich nicht daran, das wir ( jetzt zähle ich mich mal ein bischen dazu )
Spezialisten, im Detail, so leicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Da wäre es für mich mal sehr interressant, wenn wir mal so etwas wie eine kleine
DubHitParade machen würden. Nicht universell, sondern auf spezielle, gut von Euch
rezensierte DubAlben. Beispielsweise, welchen Dub findet ihr von – zum Beispiel –
„Undesrtand what Dub Is“ am besten ?
Mein Eindruck ist, da würden von 5 Dubheads, 5 verschiedene TopHits genannt werden.
Naja, muss ja nicht sein, war nur so ein Gedanke. Wir müssen es ja auch nicht
unbedingt übertreiben, mit unserer Sucht. Wobei es nix erfüllenderes gibt, als seine
Sucht zu befriedigen, habe ich festgestellt.

„Dub Be Good To Me“ …………………… lemmi

„Mein Eindruck ist, da würden von 5 Dubheads, 5 verschiedene Top Hits genannt werden.“
Ganz genau, lemmi, jede(r) hat da völlig andere Vorlieben und Vorstellungen, welcher Dub nun tiefen entspannend wirkt.

Nuja, Spotify ohne Werbung bekommst Du wenn Du 9,99 € pro Monat löhnst. Für das Geld gibt’s aber auch andere sehr gute Streaming-Dienste (dieser Kommentar soll schließlich keine Spotify-Werbung sein).

Dass ich Dub besser kenne als Du, wage ich zu bezweifeln. Dub per se ist heutzutage ein buntes Kaleidoskop mit scheinbar unendlichen Varianten – ich habe den Überblick längst verloren. Meine Strategie ist die der Spezialisierung auf einen Teilbereich: Den klassischen, roots-orientierten Dub wie er sich heute in aktuellen Produktionen darstellt. In diesem Sinn ergänzen sich imo die Autoren des dubblog.de gut, da jeder seine eigenen Faibles und entsprechendes Wissen einbringt und damit den Dub-Horizont vergrößert

Die Idee einer dubbloge.de Community-Playlist finde ich spannend. Ich würd‘ ihr doch glatt den Namen „Understand what Dub is“ geben. Darum geht’s dabei doch im Kern :)

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