Kategorien
Review

Ghost Dubs: Damaged

Das waren noch Zeiten, als Rhythm & Sound Ende der Neunziger bis Mitte der Nullerjahre mit der Fusion von Dub und Techno experimentierte. Seit dem Niedergang des Labels Burial Mix ist es ruhig geworden um diese Spielart des Dub. Natürlich gibt es Minimal-Techno-Produktionen, die unter dem Label „Dub“ vertrieben werden, aber es handelt sich dabei immer um Techno-Rhythmen, die nach Dub-Prinzipien produziert und gemixt werden. Bei Rhythm & Sound war es genau umgekehrt: Mark Ernestus und Moritz von Oswald spielten klare – wenn auch minimalistische – Reggae-Beats und mischten sie so reduziert, repetitiv und düster wie Minimal Techno. Das hat mir damals unheimlich gut gefallen. Die hypnotische, fast metaphysische Kraft der Musik hat mich tief beeindruckt. Zehn Jahre später trat Michael Fiedler, auch bekannt als Jah Schulz, auf den Plan und widmete sich dem stilistischen Erbe des Techno-Dub. Zunächst noch stärker an Steppers orientiert, dann aber immer tiefer, minimaler, konsequenter. Die beiden LPs „Dub Over Science“ und „Dub Showcase“ gaben einen deutlichen Vorgeschmack auf das, was Michael Fiedler nun unter dem Pseudonym Ghost Dubs mit seinem aktuellen Album „Damaged“ (Pressure) präsentiert. Lemmi fragte sich in seinem Kommentar bereits, „ob das wirklich noch unter dem Oberbegriff „Musik“ laufen kann, oder ob es sich nicht eher um Testtöne für Basslautsprecher handelt“. Hehe, das ist irgendwie eine genial passende Frage, denn Michaels Dubs sind so unfassbar minimalistisch, so unfassbar basslastig, so unfassbar slow motion, dass er damit wohl tatsächlich in einen Grenzbereich der Musik vordringt. Es scheint ihm mehr um das totale Erlebnis des reinen, abstrakten Sounds zu gehen, als darum, uns ein Musikstück im klassischen Sinne zu Gehör zu bringen. Dazu trägt auch das unglaubliche Mastering von Stefan Betke bei, das dem Sound eine gigantische Präsenz verleiht. Unverzichtbar sind auch das von Rhythm & Sound etablierte Rauschen und Vinylknistern sowie dieser dumpfe Unterwassersound. Das sind genau die Zutaten, die es braucht, um diese deepe, wattige und warme Atmosphäre heraufzubeschwören. Doch Atmo ist nicht alles, denn die wichtigste Zutat von „Damaged“ ist zweifellos der stets (zumindest latent) präsente Offbeat, der diese „Testklänge“ knapp, aber eindeutig im Genre des Dub verankert. Auch wenn Puristen und „Dub Connoisseurs“ wie Lemmi ein wenig die Nase rümpfen, muss ich gestehen, dass „Damaged“ für mich so etwas wie die Essenz des Dub verkörpert. Das Destillat aus 50 Jahren Bassmusik. Nur ein Quentchen weniger und es wäre kein Dub mehr, sondern wahrscheinlich ein Testton für Basslautsprecher.

Bewertung: 4.5 von 5.

2 Antworten auf „Ghost Dubs: Damaged“

High René !

Ich interpretiere das so, dass dich meine Wahrnehmung zumindest zum schmunzeln gebracht hat. Ich freue mich immer sehr, wenn meine, manchmal auch ein wenig provokanten Äußerungen, zum Amusement etwas beitragen.
Ich hätte mir das Album wohl kaum nochmal angehört aber deine Begeisterung für diese Scheibe hat mich nochmal neugierig gemacht.
Wir haben immer noch sehr oft eine gemeinsame Schnittmenge, in der sich unser Geschmack, für Dub und Musik generell, trifft. Bei Rhythm and Sound war mein Enthusiasmus aber zu keiner Zeit so ausgeprägt, wie bei dir und vielen anderen, die ich so kannte und kenne. Und in gewisser Weise hast du „Damaged“ ja auch damit verglichen. Das allein erklärt ja schon, warum ich nicht so begeistert bin, wie du und wahrscheinlich viele andere. Aber wie „gesagt“, ich musste nun doch nochmal reinhören und ja, ich gebs zu, so ganz kann ich mich einer gewissen Magie nicht entziehen. Es hat schon oft einen mystischen Groove und wenn man die Muße aufbringen kann, sich ganz relaxt und ohne jegliches Zeitgefühl den BassGravitationsWellen hinzugeben, kann man durchaus eine gute Zeit haben, ohne die Zeit wahrzunehmen.
Ich finde Zeit ist keine gute Erfindung und deshalb im Unsiversum wahrscheinlich auch nicht vorhanden, bzw. „unanfänglich“ und unendlich. Für mich klingt das logisch, obwohl ich darin keine Logik erkennen, geschweige denn erklären kann. Unser Gehirn ist nunmal begrenzt und deshalb können wir auch nur begrenzt Denken. Auf mich trifft das jedenfalls zu. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich hier jemandem zu nahe trete, der eben doch unbegrenzt denken kann. Wie auch immer, sind wohl auch die Grenzen für die Wahrnehmung von Musik und damit auch von DubMusik individuell fasenverschoben. Dein Horizont geht halt doch über meinen hinaus, so dass dieser Minimalismus für dich noch lange nicht an deine Grenzen stößt oder eben nur „knapp“ dran kommt. Aber warts mal ab, ich bin mir sicher, dass ich hier auch bald mal wieder zeigen kann, dass auch mein Horizont für DubMusic nahezu grenzenlos ist ;-) Lediglich beim Minimalismus habe ich „Schwächen“, wobei ich auch da wieder auf die Ausnahmen hinweisen möchte.
Kurz und knapp ( was ist das ? ), würde ich sagen, ich erlaube mir nicht, dieses Album als „UnDub“ zu bezeichnen. Mir fehlt dafür dann eben doch ein wenig die Geduld, mich ganz relaxt darauf einzulassen aber ich bin immerhin schon an dem Punkt, wo ich eine Ahnung bekomme, dass mir da auch etwas entgehen könnte.
Jetzt könnte ich auch auf „rewind“ drücken und nochmal ganz von vorn anfangen und fragen, ob es nur die Essenz aus 50 jahren BassMusik ist oder ob es auch die Essenz aus 50 Jahren DubMusik sein könnte.

Ich würde sagen, „das fragste´ dich am Ende immer“ ………… lemmi

Ich muss zugeben, dass ich meine ersten Dub-Schritte nicht mit den klassischen Dub-Alben und den üblichen Verdächtigen wie King Ruby, Lee Scratch Perry, Scientist etc. gemacht habe. Meine musikalischen Wurzeln liegen im elektronischen Bereich. Techno, Drum & Bass, House, Chill Out etc. waren meine ersten intensiven Berührungspunkte mit Musik. Aber auch da habe ich schon gerne über den Tellerrand geschaut und ich glaube, mein erstes „richtiges“ Dub-Album war „Überraschung“ Massive Attack vs. Mad Professor mit „No Protection“. Und natürlich war und bin ich ein großer Fan von Rhythm and Sound. Erst viel später (auch mit Hilfe dieses Blogs) habe ich mich dem klassischen Dub genähert und angefreundet.

Umso schöner ist es, wenn dann ein Album um die Ecke kommt, das sich stark mit meinen ersten Dub-Erfahrungen, nämlich denen aus dem elektronischen Bereich, deckt. Und so wie mir „Dub Over Science“ und „Dub Showcase“ sehr nahe gingen (ersteres hätte ich gerne nochmal auf Platte), fühle ich mich auch bei „Ghost Dub“ sofort zu Hause.

Tief, tiefer am tiefsten geht es hier zu und das bringt auch den Vibe den ich so mag. Für mich ein sehr geiles Album, das ich auch mehr feiern kann als ein aktuelles Dub Album, das sich wieder am Sound der Godfather of Dub orientiert. Ob das jetzt ein klassisches Dub Album ist, weiß ich nicht für mein kleines Verständnis von Dub Musik die ich mag, auf jeden Fall.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.