Um eines gleich am Anfang klarzustellen: Es handelt sich bei dem vorliegenden Buch „Dub Konferenz – 50 Jahre Dub aus Jamaika“ weder um eine Doktorarbeit im akademischen Sinne, noch ist Helmut Philipps hierfür der Doktortitel verliehen worden. Obwohl dies Akribie, Umfang und Herangehensweise durchaus vermuten lassen.
Auf rund 250 Seiten in 22 Kapiteln (lässt man Index, Quellennachweise, Glossar etc. außen vor) geht der Autor der Frage nach: Was ist Dub? Dies geschieht (daher auch der Titel „Dub Konferenz“) in weiten Teilen mittels Gesprächen mit vielen Protagonisten des Genres. Helmut Philipps hat bei jeder sich bietenden Möglichkeit Interviews geführt, auf Konzerten und Festivals in ganz Europa, aber auch während mehrerer Forschungsreisen nach Jamaika. Unter anderem hat er mit Style Scott, Sylvan Morris, Errol Brown, David Rodigan über dessen guten Freund King Tubby, mit Fatman, Pat Kelly, Bunny Lee, Barnabas, Linval Thompson, Clive Chin, Clive Hunt, Scientist und King Jammy gesprochen.
„Dub Konferenz“ ist das erste Buch über Dub in deutscher Sprache, und innerhalb kurzer Zeit war die erste Auflage von 1.000 Exemplaren ausverkauft. Dabei ist es eher dem Zufall geschuldet, dass das Erscheinen des Buches (dessen Entstehungsgeschichte vor zehn Jahren ihren Lauf nimmt) sich mit dem 50ten Jubiläumsjahr diese Genres deckt. Die ersten fünf Dubalben entstanden im Jahr 1973, es waren: Lee Perry – Upsetters 14 Dub Black Board Jungle, Prince Buster – The Message Dubwise, Herman Chin Loy – Aquarius Dub, Joe Gibbs – Serial Dub, Clive Chin – Java Java Java Java.
Aber auch nach 50 Jahren und der weltweiten Rezeption und Adaption von Dub, ist die Frage über die Ursprünge und Entstehungsbedingungen von Dub eine weitgehend ungeschriebene und vielfach mythenbehaftete Geschichte. „Dub Konferenz“ widmet sich dem jamaikanischen Dub von den Anfängen in den 70er Jahren bis zu dessen Ende durch die digitale Revolution im Jahr 1985. Die Adaption dieses Genres in England und weltweit wird nur am Rande gestreift und hier dann vor allem durch die Brille von nicht Jamaikanern wie Dennis Bovell oder Mad Professor.
Zugute kam Helmut Philipps neben seiner journalistischen Tätigkeit für z.B. die Magazine RIDDIM, MINT und natürlich auch für den Dubblog, vor allem der Umstand, dass er als professioneller Tontechniker einen anderen Ansatz und ein anderes technisches Verständnis für die Arbeit der Dub Engineers mitbringt. Denn die Entstehung und Entwicklung des Dubs hatte immer auch eine technische Seite. Helmut Philipps räumt mit dem Irrglauben auf, dass auf Jamaika unter „Dritte-Welt-Bedingungen“ aufgenommen und produziert wurde. Die Studios auf der Insel konnten immer mit internationalen Standards mithalten.
Seine Ursprünge hat Dub Anfang der 70er in der Soundsystemkultur Jamaikas, als maßgefertigtes Special oder Version eines bekannten Vocal-Originals, das dem Deejay die Möglichkeit gab, seinen Sprechgesang darüber zu „toasten“. Die Nachfrage nach diesen „Specials“ befeuerte die Evolution des Dub. Eine der Kernthesen des Buches lautet demnach auch „ohne originale Vokalversion kein Dub“. Dub ist das Werk des Dub-Engineers im Studio mit dem Mischpult als Instrument für den Soundsystemeinsatz. Das Format der Dub-LP war eher für den Export bestimmt und spielte auf Jamaika kaum eine Rolle. Irgendwann erkannten die Produzenten aber, dass die Youths in Babylon bereit waren ihr Taschengeld in das schwarze Gold zu investieren. Der Siegeszug des Dub war nicht mehr zu stoppen.
Helmut Philipps ist ein spannendes Buch gelungen, das unterhaltend und informativ zugleich ist, das mit so manchen Dub Mythen aufräumt bzw. ein zum Teil neues Verständnis für diese Spielart der jamaikanischen Musik aufzeigt. Was zum Beispiel macht Lee Scratch Perry so besonders, und was machte er anders in der Black Ark als die anderen Dub Engineers? Und ist das überhaupt Dub, oder ist Perry eher ein Soundschaffender? Wie ist der Fall Scientist vs. Greensleeves zu bewerten? Darf sich der Dub Engineer selbst als Künstler im rechtlichen Sinne begreifen oder ist er eher angestellter Dienstleister des Produzenten? Welche Rolle spielte Dub gerade im LP-Format als Exportschlager und welche auf Jamaika? Wie viele der Dubs zu den unzähligen Alben, die unter King Tubby(‘s) kursieren, hat der King selbst gemischt? Ist Dub eine spirituelle Musik oder Handwerkskunst? Was ist der Unterschied zwischen Dub und Instrumental, kann man Dub als drum-and-bass-Musik simplifizieren, und kann es Dub ohne Reggae geben?
Um eine Antwort auf diese Fragen zu bekommen, lest selbst!
8 Antworten auf „Helmut Philipps: Dub Konferenz“
Über 40 Jahre später hat Helmut Licht ins Dunkel eines Albums gebracht, welches ich damals für gerade einmal 12 DM bei Robi Scheermann (Fotofon Label & Taugenixe Band) gekauft hatte. Einige Jahre und Recherchen später wusste ich: Es ist ein sehr rares Linval Thompson Dub-Album, welches wiederum viele Jahre später seine Reinkarnation als „Boss Man’s Dub“ mit dem Zusatz „The lost 1979 Dub Album“ feiern sollte. Dass der Preis für das Fotofon Exemplar, von dem Robi Scheermann gerade einmal 20 Blank Label LPs im Londoner Warehouse erstanden hatte, dermaßen durch die Decke ins Astronomische (699,- €) ging, wusste ich bis zur Lektüre der „Dub Konferenz“ nicht. (Im Buch auf Seite 158 nachzulesen)
„Dub Konferenz“ ist seit Wochen meine tägliche Bettlektüre. Genial sind auch die vielen Querverweise. Helmuts Fachwissen ist unglaublich!
Holt euch unbedingt dieses Buch, denn auf so fundiertes Wissen und Hintergrundinformationen hat man viel zu lange warten müssen.
Geil mit der Platte.
Wie passend, dass hier heute die Rezension erscheint. Ich habe das Buch gerade heute zu Ende gelesen. Und bin wirklich begeistert!
Ich bin weit davon entfernt, ein Dub-Experte zu sein, obwohl mich die Musik schon sehr lange fasziniert. An Einiges wurde ich erinnert, viele der legendären Alben kenne ich, aber ganz Vieles habe ich im Buch zum allerersten Mal gehört, oder eben aus dieser Perspektive zum ersten Mal betrachtet gesehen.
Die Essenz meines Kommentars: Lasst euch dieses Lesevergnügen nicht entgehen!!!
Daumen hoch!
Keinesfalls habe ich mir das entgehen lassen. Freue mich zu hören, dass das Buch so gut angenommen wurde. Ich bin ebenfalls begeistert und habe soviel dazu gelernt.
Auch bei mir die Gutenacht-Lektüre… sehr erhellend.
Leider ist bei mir noch keine Dub-LP aufgetaucht, deren Wert durch die Decke schiesst, aber die Musik ist für mich eh unbezahlbar und hat einen anderen Wert als $Babylon Shitstem Dollar$…
Tausend Dank an Helmut für dieses Meisterwerk!
Raspect!
Kann mich nur anschließen, wunderbares Buch, ein muss für jeden Dub Interessierten. Einzig mit dem Epilog kann ich nicht viel anfangen.
Es wurden viele Stilrichtungen von aktuellen Dub genannt und nicht genau definiert oder Beispiele genannt. Wie Blue Eyed Dub. Dazu konnte ich im Netz nichts zu finden, sodass ich vermute das der Begriff von Helmut stammt. Ich glaube auch nicht das jemand sagt: Ich mache Blue Eyed Dub…Glaube das sollte ein Diss sein;) Man könnte auch Ferenji Dub, oder Kartoffelkopp dub sagen:D PsyDub habe ich auch noch nicht gehört aber man findet immerhin einen Wikipedia Eintrag. Dort findet man z.B. Gaudi den ich sehr schätze . Mit “Euro dub” kann ich auch nichts anfangen. Ich finde nicht das es eine einheitliche europäische dub Kultur gibt. Bei “French Dub” wüsste ich direkt was gemeint ist. Aber Frankreich wurde mit keinem Wort erwähnt. Man merkt auf jedenfall das Helmut nicht viel von aktuellem Dub hält (und kennt);)
Dub kommt wie man dieses Jahr bei den Veröffentlichungen sieht aus der ganzen Welt. Sri Lanka, Havanna, Australien, Neuseeland, Amerika.. Das ist nicht auf Europa beschränkt.
Und dann passierts: Auf einmal lese ich meine eigenen Worte!!!Also Helmut hat ein Zitat von mir hier im dubblog Kommentarforum aus dem Kontext gerissen und verallgemeinert. Ich hab mich vielleicht nicht richtig ausgedrückt aber mit Sicherheit hab ich nichts gegen Überraschung in der Musik. Nur müssen Effekte für mich Harmonisch zur Musik passen und perfekt eingesetzt werden. (geht um die aktuellste Alborosie Scheibe).
Tja so schnell landen Worte aus dem dubblog Foren in Bücher ;) Ich sehs positiv welcher Dubhörer kann schon sagen das seine Worte in einem Dubbuch gelandet sind;) und das vor Lemmi;)
Kulturen vermischen sich und die Musik vermischt sich auch. Mix it baby! So ist die Zukunft. Keiner kann sich dagegen wehren. Deine Sicht Helmut hat mich ein bischen geschockt trotzdem lieb ich das Buch bis (fast) zum Schluss vielen dank!
Hmmmm schade !
Leider hat das Buch noch niemand zu mir nach Hause geschickt. Ich muss mich also selbst drum kümmern. Das kann aber im schlimmsten Fall noch Jahre dauern. Seitdenn ich bekomme es widererwartend doch in einer Buchhandlung. Dann muss ( darf ! ) ich es ja noch lesen und bis dahin sind dann wohl alle „literarischen Quartetts“ zu diesem Buch durch. Ich denke da kann man ne Menge diskutieren und viel vom eigenen Senf aus der Tube drücken. Also ich verspüre da einen zusätzlichen Druck, mir das Buch schnellstens einzuverleiben aber mit Druck kann ich nicht gut umgehen, außer mit Unterdruck, also quasi Vakuum.
Das ich im Buch nicht zitiert wurde, ist allerdings ein sehr gravierender Kritikpunkt ;-) ……. ( Bin mir aber sicher, das ich Teile meiner Ansichten im Buch wieder finde und auch jede Menge Stoff, der mich durch die Decke gehen lassen wird. Soweit ich das bis jetzt mitbekommen habe ist Dub Syndicate,demnach kein Dub ! Stimmt, Dub Syndicate ist On .U Sound und das ist Dub ins Quadrat ! On .U Sound hat das geschafft, was die Mathematiker mit der Quadratur des Kreises immer noch nicht geschafft
haben und was ihnen auch niemals gelingen wird, da die Zahl „Pi“ nunmal nur eine Annäherung ins Unendliche ist ……..
„Diese alternativen Fakten bitte nicht überprüfen und schon gar nicht als „falsch“ outen, denn sie sind eher „bildlich“ gemeint ;-) ……. )
Zu den alten original Dubs kann ich eh nix sagen, da ich außer Java Java Java davon nichts bewusst kenne. Im Interview mit Helmut Philipps habe ich gehört, das es eh so gut wie zwangsläufig zu Fehlern kommen muss, wenn man ein Buch über Reggae und dann auch noch über Dub schreibt. Es is wohl alles auch schon lange her und die Jamaikaner haben wohl auch eine recht eigenwillige Art, die Dinge zu beschreiben. Naja, ich greife da zu sehr vor. Dazu werde ich im Buch wohl auch mehr erfahren. Ja, viel „Rauch um Nix“, von mir, denn ich habe noch nix gelesen und auch noch nicht so viel über die Inhalte im Buch gehört. Aber apropos Hören, gibts da nicht auch bald ein Hörbuch ( CD ) ? ………………………….. hehe, ja is ja gut, ich mach mich vom Acker ……………. ;-
So long ……………………. lemmi