Acts wie Rebelution, Stick Figure, Tribal Seeds und wie sie alle auch heißen mögen, scheinen auf dem Reißbrett entworfen zu sein: Die Musik ein Hybrid irgendwo zwischen Reggae, Rock und Ballade, die Texte ohne Referenzen zu jeglichen Dogmen, die Zielgruppen mit College Kids, Beach Bums, Surfer Dudes und Dopeheads eindeutig definiert – Marke weiße Mittelklasse mit Vorliebe für Bier und Canabis; mit nötigem Kleingeld, aber immer noch aufgeschlossen für soziale Themen. Der All American Boy mit seinem All American Girl sozusagen, Wohnsitz vorzugsweise in den Sunny States. Damit kann man Geld machen – weniger mit Releases, umso mehr mit Tourneen, Merchandise, Bier und Weed. Rebelution machen’s vor und haben Ihre Marke ins Brauerei- und Cannabis-Geschäft eingebracht und für deren 2021er-Tour gibt’s natürlich schon die Premium-Tickets samt Merchandise-Bundle zu erstehen – mit Rebelution-Stainless Steel Water Bottle, Rebelution-Gitarren Plektrum und vielen Rebelution-Dingens mehr – um wohlfeile +/- 115 Dollar. Bei Gigs in Kalifornien, Oregon, Colorado usw. wird das Merch-Angebot vorort einschlägig erweitert, keine Frage.
Rebelution & Konsorten haben anscheinend zielgenau geschafft, woran jamaikanische Acts kläglich gescheitert sind: Reggae wieder ins Bewusstsein einer kaufkräftigen Klientel zu bringen. Gut, vom puristischen Standpunkt hat das seinen Preis – dann gibt’s eben keinen One Drop, keinen Jah und kein Rasta-Patois; und wenn man sich mal gedankenloserweise „Soldiers of Jah Army“ benannt hat, tauft man sich kurzerhand ins unverfänglichere „SOJA“ um. Für die jamaikanischen Großväter bleiben immer noch die Tingel-Bühnen – oder man nimmt sie halt als Support-Act mit auf große Tour. Every nickle makes a muckle, Yardie!
Sarkasmus beiseite – ganz so ist es freilich nicht. Die genannten Bands sind keineswegs am Reißbrett entstanden, sondern haben sich einfach aus ihrem natürlichen Umfeld entwickelt: College-Dude raucht Weed, College-Dude hört Marley, College-Dude klimpert auf Gitarre & der Rest ist Band-Geschichte. Seiner ersten Fangemeinde ist er treu geblieben, auch wenn mittlerweile schon die nächste Generation Spring-Breaker in den Startlöchern scharrt. Aus der Nische ist ein mehr als passabler Markt geworden, denn Colleges gibt es in den Staaten landauf, landab. Good vibes, man!
Rebelution ist jedenfalls das Aushängeschild der einschlägigen kalifornischen Reggae-Bands und ein sehr erfolgreicher Tour-Act – nicht so sehr in Europa mangels… nuja, Colleges; aber als Support für Groundation reicht‘s dann doch auf heimischen Bühnen, wo sie tatsächlich ihr Geld wert sind. So ungefähr Roots Reggae, angetrieben von einem dreckigen Rock-Schlagzeug – das macht was her und kommt mit einiger Power aus den Lautsprechern. Erstaunlicherweise gelingt es Rebelution, diesen Drive und den typischen Live-Sound im Studio zu reproduzieren und auf allen ihren Alben beizubehalten. Das wirkt frisch und gleichzeitig schwergewichtig – ein wichtiger Gegenpol zu den oft übersimplifizierten Texten („Lazy Afternoon“) und einfachen Gesangslinien.
Text & Gesang sollten beim aktuellen Release „Dub Collection“ kein Problem sein. Das Album featured eine Auswahl an Tracks aller bisher erschienen Rebelution-Alben – und die haben mitunter schon 13 Jahre auf dem Buckel. Trotzdem passt alles soundtechnisch zusammen und wirkt wie aus einem Guss. Für den digitalen Dub-Mix zeigt sich ein gewisser Kyle Ahern verantwortlich – seines Zeichens Tour-Gitarrist von Rebelution. „Warum er?“ fragt sich der Rezensent nach dem ersten Hördurchgang; warum nicht Dubmatix, Prince Fatty, Roberto Sanchez, Paolo Baldini, warum nicht irgendwer der sein Handwerk versteht und Dub als spannende, aufregende und mit überraschenden Effekten gespickte Reise in unendliche Sound-Weiten versteht? Das Album lässt mich sprachlos zurück – so dröge, leb-, spaß- und spannungslose Dubs habe ich schon lange nicht mehr gehört. Wenn ein Dub-Mixer nicht kann, nicht will oder nicht wagt, dann entstehen solche Dubs. An den ausgewählten Tracks selbst kann‘s nicht liegen – die hätten allemal Potential zu etwas Großartigem gehabt, aber es sollte wohl nicht sein. Dann lieber noch mal das „Falling into Place“-Album in die Streaming-Pipeline hieven… Rebelution at their best, hands down.
11 Antworten auf „Rebelution: Dub Collection“
Hi gtkriz, ich finde das Album genauso schlecht wie du. Danke für deine Kritik, sie beinhaltet viele Infos, die mir nicht bekannt waren. Eigentlich mag ich die Kapelle, aber dieses Album hat mich – bis!!! zu deiner Rezension- sprachlos und verwirrt zurückgelassen.
Danke runronnie
Da war durchaus Potential für ein richtig gutes Dub-Album… aber es sollte wohl nicht sein. Danke für’s Feedback, Runnronnie!
Sehr amüsante Rezension… und, macht mich gerade so gar nicht an, da rein zu hören… feiere momentan das Album Principal – Treacherous Dub sehr! https://principals.bandcamp.com/
Kurze, spannende und sehr interessante Instrumentals gespickt mit heavy Basslines, groovigsten Breaks und Echo und Delay vom Feinsten… auch die Melodien gefallen! wär‘ auch mal eine Rezension wert!
woah… der Treacherous Dub macht einen sehr guten ersten Eindruck. Gut möglich, dass sich einer der dubblog.de-Autoren rezensionsmäßig darauf stürzt. Danke für den Hinweis, Philipp!
Von wegen Sommerloch…
Principal’s: Treacherous Dub hat mich auch vom ersten Ton an begeistert. Da bin ich völlig deiner Meinung, Philipp. „Die Nordlichter“ wissen bisher immer zu überzeugen.
Da sag ich doch mal vielen Dank für den Hinweis auf Principal´s Treacherous Dub. Hab mir das Album nach dem ersten Durchgang auf BC sofort bestellt. Cool!
da bin ich wieder mal spät dran. dem Verriss schließe ich mich an.
Rebelution klingen in ihren besten Momenten wie ein braver Abklatsch von Dub Inc, zum nebenbei-hören beim Autofahren mit Menschen die Reggae und vor allem Dub nicht so feiern durchaus geeignet, einzelne Tracks (Comfort Zone) durchaus mit Ohrwurmpotential. Um wirklich Reggae zu sein fehlen echte Emotionen, die feelgood-Texte (und der Sänger) passen eher auf ne Kuschelrock CD aber damit kann ich leben wenn der Rest stimmt.
Aber die Dub Collection erzählt nichts neues. „Attention Span Dub“ als Intro ließ noch hoffen. Der Rest kommt mir vor als hätte da jemand Ahnungsloses eine dreißigminütige Schulung „was ist Dub“ gemacht und dann diese Platte gemixt. Berechenbar und höchstens pseudo-psychedelisch. Schade.
Bestimmt ist Rebelution eine gute Liveband, also sei ihnen der Erfolg gegönnt.
Ich kann mir gut vorstellen, dass der Herr Ahern sehr lange an seinem Notebook gesessen hat um diese Dubs zu erstellen… und das hört man ihnen leider auch an. Vielleicht hätte es nur ein analoges Mixing-Board und einen Motivations-Coach gebraucht, der da permanent „JETZT TRAU‘ DICH ENDLICH“ und „RAUF MIT DEM REGLER BIS ZUM ANSCHLAG“ brüllt :)))
High DubHeads !
Da hab ich wohl noch viel nachzuholen. Sowohl was die ganzen Neuerscheinungen mit den dazugehörigen Rezensionen betrifft, als auch die Wahrnehmung von Dub bzw. Musik im allgemeinen.
Als ich hier die Rezension zu Rebellion gelesen habe, hatte ich zunächst eine gewisse Schadenfreude und ich dachte nur, manchmal tut ein „Verriss“ doch mal so richtig gut. Rebellion und Soja sind Bands, die bei mir auf dem Index stehen. Kann ich eigentlich überhaupt nicht ab. Diese Abneigung wurde bei mir noch verstärkt, weil ausgerechnet diese Beiden eine Zeit lang
– für meienen Geschmack – viel zu sehr gehyped wurden. Ich könnte es sogar erklären aber ich glaube die Erklärung würde euch noch mehr schockieren. Jedenfalls würde ich Stick Figure keinesfalls mit zu den übrigen „Konsorten“ zählen. Die finde ich – zu gegebener Zeit – ganz fantastisch.
Ich liege hier auf meinem Bett und habe mein Laptop auf dem Bauch. Ein untragbarer Zustand für mich. Versucht ihr mal eure tastatur auf einen Medizinball zu legen und dann ganz entspannt einen Text zu schreiben ;-) ….. deshalb mache ich es jetzt kurz.
Nach dem „Verriss“ und meiner Voreingenommenheit, habe ich ein grottenschlechtes DubAlbum von Rebellion erwartet. Und als ob mich mein Schicksal immer vom Gegenteil überzeugen möchte, finde ich die Dubs richtig klasse. Tut mir ( nicht wirklich, warum auch ) leid aber ich hatte hier auf Kopfhörer ein sehr schönes DubFeeling. Eventuell lasse ich mich auch nur zu gern vom Sound einer Scheibe überzeugen und dieser überzeugt mich hier nahezu vollkommen. Aber auch alles was ich sonst so im Dub schätze, kommt hier eigentlich nicht zu kurz.
Atmosphärisch könnten alle Dubs auch von Christifari oder auch teilweise von Black Roots sein. Oder sollte ich mir das Album lieber doch noch mal öfter anhören ?
Kann auch sein, das ich Dub etwas zu sehr mag und deshalb Schwierigkeiten habe, immer nach dem Haar in der Suppe zu suchen.
Wie auch immer, die Dub Scheibe von Rebellion gefällt mir widererwartend richtig gut.
Ach sorry ich meinte natürlich Rebelution …………… lemmi
Hey lemmi,
jede Rezension stellt lediglich die subjektive Sichtweise des Rezensenten dar – umso wichtiger Kommentare wie der Deinige mit anderer Meinung!
Das imo wichtigste an einer Kritik ist – egal ob Verriss oder Lobhudelei – dass sie der Leser nicht abnickt sondern hinterfragt und Interesse daran verspürt, sich das Teil anzuhören und sich selbst eine Meinung zu bilden.
Was die Rebelution-Dubs betrifft bin ich streckenweise völlig d’accord mit Dir: Der Sound ist gut – crisp, clean und die Drums haben einen guten Punch. Aber der Dub-Mix ist mir viel zu zurückhaltend, viel zu überlegt, kein bisschen spontan. Ich hätte mich beim Abmischen am liebsten neben den Herrn Ahern gestellt und permanent mit einem „JETZT TRAU‘ DICH DOCH ENDLICH!!!!“ angebrüllt :)
Das ist imo die Gefahr bei den Dub-Mixes die da digital am Notebook entstehen: Da arbeitet man tagelang an einem Track und bedenkt dieses und jenes und geht wieder ein paar Schritte zurück und probiert nochmal den selben Effekt einen Hauch anders und… *schnarch*. Vorsicht, Bedacht, Planung, Abwägung, Zurückhaltung, Wiederholbarkeit und Perfektion sind die natürlichen Feinde des gelungenen Dub-Mixes, meine ich…
Welcome back!
Ja gtkriz !
Eigentlich bin ich ja auch immer am Meckern, wenn der DubMix zu sehr zurückhaltend ist. Das ist ja auch wieder diese Tagesform. Kommt immer drauf an, wonach mir gerade ist. Beim zweiten Durchlauf war sie mir dann auch wieder ein wenig zu artig, die Scheibe. Grundsätzllich mag ich eigentlich fast alles,
was irgendwie nach Dub klingt. Aber jetzt wo Du mir nochmal klar gemacht hast, das es sich um einen „digitalen Notebook Dub-Mix“ handelt ( hatte ich vergessen ), werde ich die Daten nie wieder anhören ;-)
Das will ich nämlich unter allen Umständen verhindern, das ich eines Tages diese
billige und massiv eingeschränkte Produktionsweise doch noch akzeptiere.
Was mir nur sehr zu denken gibt, ist die Tatsache, das ich das gar nicht von selbst gemerkt habe. Wie gesagt, ich war erst mal vom Sound und dem Gesamteindruck
positiv überrrascht. Die einzelnen Effekte hatte ich noch gar nicht so genau im Detail wahrgenommen. Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, das die „Einsen und Nullen“ inzwischen auch besser funktionieren und zumindest Echo und Hall besser darstellen können.
Das hier die Spontanität fehlt, weil man Spontanität eben am Notebook nicht vorausplanen kann ist ja dann eigentlich das Ausschlusskriterium für diese Art von
Dub-Mix. Ganz besonders dann, wenn ich mich in den DubWizzard hineinversetze.
Ich kann mir nicht vorstellen, das diese Art der Programmierung von DubEffekten auch nur im Ansatz so viel Spaß machen kann, wie ein analoges Mischpult.
Das erscheint mir genauso umständlich, wie unsere Versorgung mit Prozessgasen
hier inne Flöze ( auf der Arbeit ). Früher musste man die Gasflaschen einfach nur aufdrehen und los gings. Heute muss man ein erst mal ein kleines Programm schreiben,
damit man die Gasflasche überhaupt erst mal öffnen kann. Wie gut, das man das ganze dann doch noch manuell umgehen kann ;-)
Das ist überhaupt das wichtigste ! Es muss immer diesen Schalter geben, wo man auf Analog umswitchen kann. Die Mondlandung wäre auch inne Hose gegangen, wenn der Herr Armstrong nicht auf Analog umgeschaltet hätte ……
Ok, die Wahrheit ist, ich habe keine Ahnung, wie das mit den programmierten Effekten abläuft. Vielleicht habe ich da eine völlig falsche Vorstellung aber ich weiß, wie ätzend es ist, wenn man sich analoge Quellen in Form von Mix-Tapes am Rechner oder am Notebook zusammenstellen möchte. Hat mir eine sehr große Freude im Leben genommen.
Bevor ich hier noch komplett anfange zu heulen, sag ich mal,
tschüss erst mal …………………. lemmi