Bei der Recherche zu manchen Dub-Acts komme ich mir vor, wie ein investigativer Journalist. Jedem Bit an Informationen, das ich aus dem Netz ziehe, geht ein gewundener Klickpfad über obskurste Seiten voraus. Manche Dubheads scheinen solch introvertierte Nerds zu sein, dass ihnen so etwas wie Selfmarketing einfach nicht in den Sinn kommt. Die Restless Mashaits gehören zweifellos dazu: Website under Construction, bei Facebook werden nur Fotos gepostet und bei Soundcloud natürlich keine Artist-Info. Soviel ist klar: hinter den ruhelosen Mashaits stecken Bassist und Perkussionist Stuff und Keyboarder Jill, zwei Dub-Addicts aus Genf, die seit den frühen 1990er Jahren Reggae und Dub produzieren. Die erste Dekade ihres Schaffens ist auf dem Album Kingston-Sessions 1992 – 2002 dokumentiert. Nun legen sie mit den Goulet Sessions 2003 – 2013 (Addis Records) Zeugnis über die letzten zehn Jahre ab. Während sie die Kingston Sessions (mit vorproduzierten Rhythms) in Jamaika fertig stellten, deuten die Goulet Sessions auf einen geheimen Ort in Europa hin. Laut einer auf Facebook geposteten Information waren Dean Fraser, Jonah Dan, Stepper, Deadly Headly und Scully daran beteiligt. So weit die Fakten. Kommen wir zur Verkostung: Das Album beginnt mit einem grandiosen Instrumental, das von Bläsern getrieben die Session mit enormer Dynamik eröffnet. Der darauf folgende Dub macht klar, dass die beiden Schweizer auch nach zwanzig Jahren an den Reglern alles andere als altersmilde geworden sind. Bestimmt, stetig, druckvoll aber nicht brutal oder auf den schnellen Effekt hin entwickeln sie ihre Dubs. Alles ist fein austariert, die Basslines sanft aber gewaltig, die Arrangements zurückhaltend aber inspiriert, der Mix ohne selbstgefällige Effekte, aber sehr solide. Das klingt unentschieden? Keineswegs! Der Track Ghetto Blues könnte die akustische Definition von „kompromisslos“ sein: Eine dermaßen stoische Bassline, ein so konsequent auf Repetition ausgelegtes Arrangement und ein so beseelter, klassischer Dub-Mix sind mir selten untergekommen. Dazu fantastische Bläsersätze und feine Bläser-Soli – hier passt einfach alles. Und wir sind erst bei Track 4! Es folgen weitere 7 Tracks, die dem Auftakt in nichts nachstehen. Ein superbes Dub-Album, das in mir schon die Lust auf die Sessions 2014 – 2024 weckt.