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Sylvan Morris & Harry J: Cultural Dub

Da habe ich jetzt beinahe eine halbe Ewigkeit gesucht, um ein ziemlich rares Album, welches auch noch unter falscher Flagge navigiert, ausfindig zu machen.
Wenn wir hier im Dubblog von Soundengineers sprechen, fallen im Grunde immer die gleichen Namen. Einer, der in diesem fröhlichen Reigen aber auch immer – und das völlig zu Unrecht – vergessen wird, ist Sylvan Morris. Er war beinahe in allen Studios Jamaikas zuhause. Seine Tätigkeit als Mixing-/Soundengineer begann Morris mit zarten 17 Jahren im Dynamics Studio, wo er es ca. zwei Jahre aushielt, um dann nach einem kurzen Intermezzo in Duke Reids Treasure Isle Studio, für sechs Jahre im Studio One bei Clement Dodd anzuheuern, wo Sylvan Morris dem typischen Studio One Sound seinen unverwechselbaren Stempel aufdrückte. Er gilt immer noch als der beste Engineer, der jemals in 13 Brentford Road (Studio One) am Mischpult saß. Laut eigener Aussage war Sylvan Morris während seiner Zeit bei C. S. Dodd alles in Personalunion: Elektrotechniker, Berater, Arrangeur, Toningenieur und Mixer. Lediglich für die Bezahlung sei C. S. Dodd persönlich verantwortlich gewesen und just aus diesem Grund verließ Sylvan Morris Studio One, um seine neue Arbeitsstätte im Harry J in der Roosevelt Avenue in Kingston anzutreten. Das war Mitte der 1970er und das Harry J Studio war zu jener Zeit eine der Hauptanlaufstellen der besten jamaikanischen Künstler überhaupt. Weit über tausend zum Teil unvergleichliche Songs sind während Sylvan Morris’ 16-jähriger Tätigkeit im Harry J Studio entstanden. Nur ein paar Klassiker zur Erinnerung: Bob Marley: „Natty Dread“ und „Rastaman Vibration“, The Heptones: „Cool Rasta“, Augustus Pablo: „Ital Dub“ und „Earth Rightful Ruler“, The Royal Rasses: „Vortex Dub“, Burning Spear: „Dry & Heavy“, „Marcus’ Children“ und „Man In The Hills“. Oh ja, wenn wir gerade bei Burning Spear sind, die Original „Living Dub Vol. 1 und Vol. 2“ – zwei meiner unangefochtenen Lieblingsplatten – und auch „Dub D’sco Vol. 1 und Vol. 2“ von Bunny Wailer wurden ebenfalls durch Sylvan Morris klanglich vergoldet und somit unvergessen.
Zurück zu meinem Anfangssatz: Als Sylvan Morris 1974 im Harry J Studio aufschlug, ging das „Dub-Ding“ gerade so richtig los. Ergo sind auch von Sylvan Morris ein paar weniger bekannte Dub-Alben unter eigenem Namen: „Morris On Dub“ (1975), „Reggae Workshop“ (1977) und „Cultural Dub“ erschienen. Die 1978 veröffentlichte „Cultural Dub“ finde ich von allen dreien am abwechslungsreichsten. Den Anfang macht der achtminütige „Neighbour Dub“ mit Toastings der auf dem Cover unerwähnten Big Youth & Ras Midas. Nach dem Big Youth Toast geht das Album in einen Showcase-Mix über, um dann mit einem Ras Midas Toast zu enden. „Hearts Of Dub“ featured den unvergessenen und ebenfalls unerwähnten I Roy und die Harry J Allstars klingen hier wie die Revolutionaries. Für den dritten Titel wurde der Rocksteady Evergreen „Rivers Of Babylon“ mit den Melodians neu eingespielt, der wieder in einen klassischen Dubteil übergeht, um mit einem herrlichen Toasting des „mighty Poet I Roy“ (Zitat: LKJ) zu enden. Showcase Alben waren in der Entstehungsphase dieses Albums wirklich angesagt. Bereits in den frühen 70ern hatte Harry J eine Version von „Breakfast In Bed“ mit Sheila Hilton produziert. Sylvan Morris machte daraus kurzerhand den „Breakdown Dub“. Und weiter geht die Entdeckungsreise: „World Of Dub“ heißt im Original „What Kind Of World“ und stammt von den Cables aus alten Studio One Zeiten. Im „Undermind Dub“ hört man die Stimme von John Holt. Ursprünglich stammt „Can I Change My Mind“ von Alton Ellis und wurde bereits 1968 von C. S. Dodd produziert. Den krönenden, leider viel zu kurzen Abschluss dieser Werkschau macht ein perryesker „Cultural Dub“ mit Joe White an der Melodica, fettem Gebläse und ungewöhnlich vielen Soundeffekten.

Mein Fazit: Immer wenn ich nach vielen Jahren solche Alben wiederhöre, erkenne ich, dass es immer noch diese warme, organische Musik ist, die mich für immer in ihren Bann zieht und verzaubert. Da sind sie zu finden, diese unsterblichen Basslines, die den heutigen Aufnahmen viel zu häufig fehlen und von uns alten Hasen so schmerzlich vermisst werden. Im Nachgang betrachtet bekommen wir mit „Cultural Dub“ einen kreativen Querschnitt durch die Schaffensphasen von Sylvan „The Genius“ Morris. Je tiefer ich mich in Sylvan Morris’ Arbeiten wühle, desto offensichtlicher wird, wie immens wichtig dieser Mann hinter dem Mischpult für die gesamte Entwicklung des Reggae und Dub war/ist.

Bewertung: 4 von 5.

3 Antworten auf „Sylvan Morris & Harry J: Cultural Dub“

Super Ras, Cultural Dub finde ich auch viel besser als das andere Sylvan „Morris on Dub“ Album. Morris ist ein großartiger Tüftler am Soundboard und verbreitet herrliche Soundboardmagie. Die alten Studio One Riddims klingen vertraut und haben einen hohen Erkennungswert. Starke Gastauftritte von I-Roy, Big Youth und den Melodians machen dieses ziemlich unterschätzte Album zu einer Entdeckung. Cultural Dub hätte es verdient, in einem Atemzug mit z. B. King Tubbys Prophesy of Dub genannt zu werden. Toller Tipp!

Wäre es Wasser, würde ich sagen :

Feinstes Heilwasser, direkt frisch aus der Quelle !!!

Und dazu auch noch fast komplett im „Steppers Style“. Ja ich kenne Sylvan Morris schon ganz gut, durch unseren intensiven Austausch hier mit RasVorbei ( high RasVorbei ) über einige DubMeilensteine von Burning Spear und auch von Bunny Wailer. Erst neulich schrieb ich hier noch in einem NebenSatz, wieviel Musik doch allein in der „Natty Draed-Scheibe“ von Bob Marley and The Wailers steckt und erst jetzt wird mir auch endlich klar, das auch diese Scheibe ( oder war nur der Tune „Natty Dread“ gemeint ), von Sylvan Morris auch klanglich auf die allerhöchste Ebene gehoben wurde. Alle anderen von RasVorbei erwähnten Alben / Tunes stehen auch für mich auf dem selben unanfechtbaren Niveau.
Und ja, es sind tatsächlich diese – offensichtlich nicht nur für mich – extrem charismatischen BassMelodien mit den, wie aus einem Guss passenden DrumSpielereien, die mich auch über jeden Steppers Riddim schweben lassen. Meiner Meinung nach auch der Grund, warum Reggae und schließlich auch Dub, einen – wenn auch sehr versteckten – Weg, bis in die letzten Winkel der Erde gefunden haben. Leider nicht ganz bis in den Kreml. Da hören se lieber modern talking. Man sieht ja wohin das führt …… „lady putain“ is gaga !
All diese original Riddims haben einfach einen „Biss“ und gleichzeitig ein Feingefühl, was den Nachahmern in der ganzen Welt einfach fehlt. Und die BassMelodie ist das A und O im Reggae. Ich glaube da könnt ihr Fragen wen ihr wollt, es ist einfach so. Natürlich ist nur Bass und Schalgzeug auf Dauer auch nicht tragfähig für ein ganzes Album aber es sind nicht meine Worte, wenn ich die oft ausgesprochene Wahrheit – die Drums sind der Herzschlag und der BASS ist die Seele von Reggae und damit auch von Dub !!! – hier nochmal heraushebe. Und egal, wie sich die Computertechnik noch entwickeln mag, solange – ganz besonders – die „modern“ steppers FließbandDubalgorithmusProduzenten meinen, sie könnten Reggae und Dub neu definieren und auf eine magische BassLine verzichten, solange werde ich mich dagegen aussprechen. Seitdenn es gibt doch mal eine Ausnahme von dieser kosmischen, physikalischen Naturkonstante.
Da selbst ich schon manchmal mit dem Gedanken gespielt habe, im Home-Office-Style irgendwelche Dubs zu programmieren, und das zu einer noch größeren Schwemme an Dubs führen würde, halte ich mich lieber an mein Auswahlverfahren und akzeptiere in erster Linie nur noch Dubs, mit einer kosmischen, magischen und die Grundmauern von Babylon niederreißenden
BASSLINE !!!

„And here comes the Dub Version“ :

Ich bin gar nicht durch diese „alten“ Dubs zum Dub gekommen. Bei mir ging das erstmal mit Dubs aus Hinglan los. Misty In Roots und natürlich Mad Professor haben mich komplett CRAZY gedubbed. Als dann Adrian Sherwood mit der gesamten On .U Sound Possee die DubBox ganz auf gemacht haben, schien mein musikalischer Horizont nahezu grenzen – und vor allem auch tabulos zu werden. An diese älteren Dubs wollte ich damals noch gar nicht so ran, weil sie mir nicht „durchgeknallt“ genug waren. Aber mir fällt immer mehr auf, das es gerade die Originale sind, denen der sogenannte „Zahn der Zeit“ nix anhaben kann. Das hat nicht das geringste mit dem Voranschreiten der Technik zu tun, sondern viel mehr mit den Zutaten unserer allseits so beliebten Ursuppe. Und das sind nunmal die Riddims !
Dazu kommt noch, das die Vocals von Big Youth, I – Roy, Prince Far I und eigentlich allen Jamaikanern ( außer seaun paul ;-) ), ganz für sich allein, schon feinster Dub sind.

Sollte ich an der einen oder anderen Stelle nicht ganz richtig liegen, so liegt das wohl an meiner FanBrille, die ich bei diesem Thema immer auf habe.

Ok, ich hoffe, es kommt irgendwie durch, das mir das Album „Cultural Dub“ auch sehr gut gefällt ………………… lemmi

@ Steffen & lemmi,
freut mich, dass euch mein Tipp gefällt.

Im Anschluss habe ich für die Dubheads noch eine Liste gemacht, welche Dub-Alben Sylvan Morris noch gemixt hat:

Bald Head Justice – Fatman Riddim Section [1978 – Top Ranking #none]
Cry Freedom Dub – Prince Far I [1980-83 – Tamoki Wambesi #TWLP 1053]
Dub A De Number One – Gregory Isaacs [197X – Heartbeat #CDHB 260]
Dub Jusic – Junia Walker All Stars [198X – Wallboomers #WBJ 02]
Dubbing With The Royals – Royals [197X – Pressure Sounds #PSCD 44]
Eastman Dub – Augustus Pablo [1980 – RAS #RAS 3038]
Gits Plays Bob Marley’s Greatest Hits – Lloyd Willis [1977 – Harry J #HJ 101]
Harry Mudie Meet King Tubby’s In Dub Conference Vol 1 – Harry Mudie & King Tubby [1976 – Moodisc #HM 108]
Harry Mudie Meet King Tubby’s In Dub Conference Vol 2 – Harry Mudie & King Tubby [1977 – Moodisc #HM 50111]
Ja-Gan – Leslie Butler [1975 – Trojan #TRLS 112]
Jah Jah Dub – Joe White [1975 – Roosevelt]
King David’s Melody – Augustus Pablo [1976-82 – Rockers #RPLP 010]
Termination Dub – Glen Brown & King Tubby [1973-79 – Blood And Fire #BAFCD 015]
The Black Foundation In Dub – King Tubby & Errol Thompson [197X – Heartbeat #CDHB 123]
Heptones – University Of Dub [197X – Trenchtown #TTCD 0054]

@ lemmi
Über den Satz „Lady Putain goes gaga“ musste ich herzlich lachen, obwohl es bei der momentanen Situation in der Ukraine nix zu lachen gibt.
Offenkundig hat es Reggae/Dub wenigstens bis in die Ukraine geschafft, denn seit Beginn der russischen Invasion offenbart dieses stolze Volk die Einstellung:

„But I’d rather be a free man in my grave, than living as a puppet or a slave“ (Jimmy Cliff, The harder they come)

Respekt & Stay strong Ukraine!

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