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Reggae Review

Various: Invasion of the Mysteron Killer Sounds

Normalerweise wird den Backings moderner Dancehall-Produktionen wenig Aufmerksamkeit entgegen gebracht. Version-Excursion-Maniacs kennen sie zwar alle, aber nur, um diverse Vokal-Versionen aneinander reihen zu können. Als Instrumentalstücke sind sie unbedeutend. In meiner Sammlung findet sich z. B. nur ein einsamer Greensleeves-Release („The Biggest Rhythms“) von 2004, der sich digitalen Dancehall-Rhythms als Instrumentalversionen widmet. Das Desinteresse an diesen Produktionen ist nicht verwunderlich, denn viele von ihnen sind kaum mehr als minimale Loops, seelenlose Stakkato-Beats, die als Instrumental nicht bestehen können. Stuart Baker von Soul Jazz Records hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, jene Produktionen zusammen zu tragen, die eigenständige musikalische Qualität besitzen und mehr sind als stupide Logic-Sequenzen. Um diese Kollektion an die britische Musikgegenwart anzudocken (und damit ihre musikhistorische Relevanz zu dokumentieren), verfiel Baker auf die Idee, den jamaikanischen Produktionen UK-Produzenten wie Harmonic 313, Diplo, Roots Manuva, South Rakkas Crew und The Bug beizumischen, also allesamt Produktionen, die (weitgehend) außerhalb des Reggae-Kosmos entstanden sind. Als Chef-Kurator verpflichtete der Soul Jazz-Manager letztgenannten, Kevin Martin, der unter dem Namen „The Bug“ unklassifizierbare Musik, irgendwo zwischen Dancehall, Dubstep und Grime, produziert. Satte 35 Tracks haben die beiden zusammen getragen und auf eine Doppel-CDs gepresst. Aus der Jamaika-Fraktion sind Produzenten wie Steely & Clevie, Lenky, Fat Eyes, Firehouse Crew, Ward 21 oder Dave Kelly vertreten. Sogar Veteranen wie King Tubby, Computer Paul oder Prince Jazzbo sind mit ihren digitalen Produktionen aus den 1980er und 90er Jahren dabei. Auf dem Papier klingt das alles ziemlich gut und man muss Soul Jazz zugestehen, hier mit viel Spürsinn ein innovatives Thema entdeckt zu haben. Doch wie klingt es tatsächlich? Tja, sagen wir mal: interessant. Es gibt zweifellos klasse Produktionen, wie „Diwali“ von Lenky oder „Sign Rhythm“ von Andre Gray, die entweder mit einer wunderbar eingängigen Melodie oder einem genial vertrackten Rhythmus überzeugen können. Es gibt aber auch allzu simple Loops, die sich kaum als „Produktionen“ bezeichnen lassen. Reine F-Musik, deren einzige Qualität darin besteht, nicht für den Einsatz in Fahrstühlen, sondern für die Dancehall produziert worden zu sein. „Dub“ im engeren Sinne ist hier das Wenigste, denn meist stammen die Rhythms von den B-Seiten der Singles und laufen ohne Dubmix stur durch. Macht Soul Jazz hier also viel Marketing-Wirbel um Bagatellmusik oder haben Baker und Martin etwas entdeckt, dessen Wert bisher unerkannt geblieben war, obwohl es allen stets vor Augen stand? Diese Frage muss leider jeder für sich selbst beantworten. Und das genau ist die eigentliche Leistung der Kompilation: sie ermöglicht es uns, dieser Frage nachzugehen, indem sie uns das Material in gebündelter Form verfügbar macht, und uns so erlaubt, genau hinzuhören und Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was stets zu Recht oder zu Unrecht in den Hintergrund verbannt war.

 

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