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Adrian Sherwood: The Collapse of Everything

Was für ein dystopischer Titel: „The Collapse of Everything“ (On-U Sound). Adrian Sherwood hat sein neues Solowerk so benannt und legt damit nach 13 Jahren ein Album vor, das seinem Titel in beinahe brutaler Konsequenz gerecht wird. Wer Dub erwartet – und bei Sherwood ist das schließlich nicht unberechtigt – wird sich erst einmal die Ohren reiben. Der Klangkosmos, den das On-U-Sound-Mastermind hier entwirft, ist weit von allem entfernt, was gemeinhin als „Dub“ bezeichnet wird. Und doch ist es genau das: Dub im Geiste. Dub als Haltung. Dub als Methode des Zerschlagens und Neuordnens.
Schon „Survival & Resistance“ zeigte 2012 deutlich, dass Sherwood mit seinen Solowerken eigene Wege geht. The „Collapse of Everything“ aber verlässt endgültig die vertrauten Pfade. Was bleibt, ist die dekonstruktivistische Produktionsweise: Schichten aus Live-Recordings, Effekten, Fragmenten und Rhythmen, die sich nicht um Groove kümmern, sondern um Atmosphäre, Kontrast, Bruch. Der Klang ist häufig schräg, streckenweise gar atonal, manchmal fast abweisend. Sherwood scheint hier nicht gefallen zu wollen, sondern liefert vielmehr ein düsteres Poem über Verlust, Vergänglichkeit und Widerstand.
Der Tod zweier enger Freunde – Mark Stewart und Keith LeBlanc – hat das Album mitgeprägt. Es ist nicht sentimental geworden, aber durchzogen von einem leisen, schroffen Respekt für das Unvermeidliche. In Tracks wie dem titelgebenden „The Collapse of Everything“ schwebt ein Gefühl von Desillusionierung durch die weitläufigen Soundscapes, unterlegt mit Percussions, dissonanten Pads und immer wieder auftauchenden, kaum greifbaren Melodiefragmenten. Der Widescreen-Sound wirkt wie Filmmusik – aber nicht die eines Blockbusters, sondern die eines dystopischen Arthaus-Films. Tarkowski trifft Technoir.
Sherwood wäre nicht Sherwood, wenn er sich auf seine eigene Genialität verlassen würde. Er umgibt sich, wie eh und je, mit einer exquisiten Besetzung: Doug Wimbish sorgt für die tiefen Frequenzen, Ivan „Celloman“ Hussey steuert Streicher bei, Mark Bandola an der Gitarre, Chris Joyce am Schlagzeug – eine illustre Runde, mit der Sherwood seine experimentellen Ideen in organische Formen gießt. Die Holzbläser und Keys von Alex White verleihen dem Sound zusätzliche Tiefe, manchmal fast jazzartige Weite. Es sind diese subtilen Beiträge, die verhindern, dass „The Collapse of Everything“ in bloßer Düsternis versinkt. Stattdessen schimmert da etwas – kein Licht, aber ein Bewusstsein. „Ich versuche nicht, irgendjemandem außer mir selbst zu gefallen“, sagt Sherwood über das Album. Diese Haltung prägt jeden Takt. Der Dub-Gedanke ist nicht musikalisch, sondern strukturell: Dinge aufbrechen, neu zusammensetzen, Bedeutungen verschieben. Wie in einem musikalischen Palimpsest überlagern sich Sounds, Erinnerungen, Referenzen. Wer genau hinhört, entdeckt die Spuren von On-U Sound, von „Becoming A Cliché“, von Lee Perry und Bim Sherman – aber alles durch den Filter einer dissonant-dystopischen Klangästhetik gezogen.
Dass Sherwood in den letzten Jahren für Artists wie Spoon, Panda Bear oder Halsey arbeitete, merkt man: Er die Sprache des Indie, des Pop, des Avantgarde-Electronica ist ihm sehr geläufig. Doch er benutzt sie nicht, um anschlussfähig zu sein. Im Gegenteil: The „Collapse of Everything“ ist eine Absage an Zugänglichkeit. Es ist radikal, subjektiv, fast hermetisch – und darin konsequent.
The „Collapse of Everything“ ist definitiv kein Album für Dubheads auf der Suche nach einem Bass-Upgrade. Es ist ein Statement. Ein forderndes, widerspenstiges, sperriges Stück Musik, das sich jeglicher Funktion verweigert. Man könnte sagen: Adrian Sherwood hat den Dub zur freien Kunst erhoben – befreit von jeder funktionalen Bestimmung. Wer hören will, wie Dub klingen kann, wenn er sich von seinen Wurzeln löst, davon im Sound System oder auf dem Dancefloor funktionieren zu müssen, von jeglichen Publikumserwartungen und überhaupt von allem, was wir an Dub so lieben – und dabei doch irgendwie Dub bleibt, findet hier ein faszinierendes, vielschichtiges, ungemütliches Werk.

Bewertung: 4 von 5.

7 Antworten auf „Adrian Sherwood: The Collapse of Everything“

Eine tolle, empathische und für On .U Sound – Connaisseure, mitreißende Rezension. Ich bin schon allein von der Rezension begeistert !
Ja, Adrian Sherwood steht auch für mich in erster Linie für sehr experimentellen Dub. Und weil ich seine Produktionen nun schon seit etwa 45 Jahren, gut bis sehr gut kenne, erwarte ich nicht nur und schon gar nicht immer lupenreinen Dub. Dass er sowas auch kann, bzw. aus dem Ärmel schütteln kann, hört man z.B. bei „Cry Tuff Dub Encounter“ und bei Dubs wie „Bad Man Dub“, der aber auch über das „Normale“ weit hinausgeht. Ich habe nix gegen das Normale. Ich wäre selbst öfter gern mal etwas normaler aber vielleicht liegt es in meinen Genen, dass mich eher das ungewöhnliche aus meiner Reserve lockt. Allein schon, dass ich überhaupt so gern DUB höre, untermauert diesen Gedanken. Und Reggae ist ja nunmal auch niemals zum Mainstream geworden. Seitdenn man zählt sean paul irgendwie dazu ……
Mich überrascht dieses Album daher in keinster Weise. Normalerweise würde mich diese Musik kaum erreichen ! Aber ein Grund dafür, warum ich Adrian Sherwood, sozusagen zu Füßen liege, ist, dass er diese Musik so genial zusammenstellt, zusammenschraubt und mit genialen DubEffekten würzt, die eben auch über das „Normale“ hinausgehen. Was dabei vor allem entsteht, ist wirklich eher selten am Grooven aber es entsteht diese einzigartige On .U Sound – Atmosphäre, die bei mir, nach wie vor, großes KopfKino erzeugt.
Jetzt wäre es natürlich – im negativen Sinne – nahezu perfekt, wenn sich rausstellt : ki-generiert ! Das wäre dann mal sone richtige Niederlage für mich. Aber auch Verlieren habe ich längst zur Genüge gelernt. Außerdem bin ich mir Sicher, dass hier keine ki-mucke vorliegt. Wenn man sieht, wie Adrian Sherwood, nach wie vor, am Mischpult abgeht, ist eigentlich klar, dass er sich diesen RiesenSpaß nicht wegnehmen lässt. Und wenn er sein Album „Collapse of everything“ nennt, zeigt das auch, dass er sich die Welt nicht schön redet und auch nicht schön trinkt. Obwohl er auch gern mal nen wein trinkt. „Nobody is perfekt !“
Ich bin jedenfalls inzwischen begeistert von dem Album. Das Album ist ähnlich wie ein Joint. Ein Zug reicht nicht.
Ich weiß nicht, ob ich eventuell zu viele BadVibes in mir habe aber dass hier ALLES kollabiert, empfinde ich exakt genau so. Der größte Kollaps ist wohl das Klima. Im Irak sind 56 Grad C. schon keine Seltenheit mehr.
Die Regierungen scheinen alle immer mehr auf faschismus und Unterdrückung zu setzen. Das internet ist voll mit Rattenfängern aus Hameln. Fake News, ki-fakes überall. Und der ganz normale Wahnsinn des Krieges. Diese ganze Smartphonehysterie hypnotisiert die Menschen und schaltet kurz über lang unser freies Denken aus. Alle werden gleichgeschaltet. Dub wird mit ki produziert und unser „Sinn des Lebens“
geht darin über, den Finanzheuschrecken als Rohstoff zu dienen. Wir sollen uns schon mal an Plastiknahrung gewöhnen, weil es bald nix anderes mehr geben wird ………. spinne ich zuviel rum ? Die Fische sind jedenfalls bald alle. Aber es gibt ja schon genug Plastik zum Angeln. Bin ich zu negativ ? Nun, ich habe mir den Kollaps nicht ausgesucht aber wohl anscheinend ordentlich mit“gewürgt“, damit es bald dazu kommt.
Ok, dann etwas Hoffnung für zwischendurch. Wir haben das sogenannte
dritte reich überstanden und sind als „Richmen“ wieder auferstanden.
Dafür müssen wir uns auf Ewig bei den Amis bedanken. Uns zwar die ganze Welt. Ok, ich möchte den DubBlog nicht missbrauchen aber ich finde, wenn man immer nur schreibt „gefällt mir“ klingt das nicht viel anders als das „Määäääh“ von den Schafen. Und „Collapse Of everything“ ist in der Realität mit Sicherheit auch nix schönes. Warum sollten die Dubs daher auch schön sein. Sie hören sich teilweise bedrohlich an und sind damit an Authentizität und Aktualität nicht zu überbieten.

„I dont wanna see no nuclear soldier“ not in this time or any other time“
„We dont need no more war crime“ ………. „Thats why I do not sniff the coke, I only smoke Sinsemilla“ ………………… lemmi

Hi, entweder man mag ihn oder eben nicht. An Adrian Maxwell Sherwood scheiden sich seit jeher die Geister und das ist auch heute noch so. Darauf darf der Soundmagier wirklich stolz sein, denn er geht schon immer „seinen“ Weg. Er ist nach wie vor einer der gefragtesten Produzenten der zeitgenössischen Musikindustrie. Sein progressiver Stil und sein Interesse an der Entwicklung neuer Ideen tragen schon immer maßgeblich zum anhaltenden Erfolg von On .U Sound bei.
Sherwood nimmt seit vielen Jahren Einfluss auf die britische Reggae-Szene. Er war schon immer innovativ und weckte mit seinem unverwechselbaren Produktionsstil auch das Interesse vieler Künstler außerhalb der Dub-Community. Seit Anfang der 1980er Jahre gehört er zu den bekanntesten Produzenten und Remixern weltweit. Er arbeitete mit so unterschiedlichen Künstlern wie Depeche Mode, Primal Scream, Einstürzende Neubauten, Simply Red, The Woodentops und Ministry zusammen. Darüber hinaus beschäftigte er sich mit Industrial-Musik und produzierte Tracks für Cabaret Voltaire, Skinny Puppy, KMFDM und Nine Inch Nails. All diese musikalischen Einflüsse verarbeitet er insbesondere in seinen Solo-Werken. Wer sich jedoch die Zeit nimmt, wird wie immer bei Sherwoods Arbeiten mit jedem Hören neue Klangspektren entdecken. Meiner Meinung nach hat Sherwood wieder einmal ein geniales Meisterwerk abgeliefert, das jedoch alles in allem kein Album für Puristen ist.

„Was macht der nur aus unserer altbekannten DubMusik ?“
So oder so ähnlich, habe ich es gelesen, haben die ganzen eurodubfans der ersten und eventuell auch der zweiten Stunde und wahrscheinlich auch die Musikzeitschriften über ihn „geschimpft“. Sie schrieben auch, Baylon by Bus wäre sowas wie eine „Anbiederung an die, Rockmusik gewohnten, Musikfans der 60er und 70er. Dazu sage ich nur Bullshit ! Jedes Wort von diesen Schnöseln mit ihren konsorten, ist lächerlich.
Absolutely ridiculous. Warum ? Weil die echt nicht gerafft haben, was da für eine geniale Musik gespielt wurde. Und die sogenannte „Anbiederung“,
mit der man eventuell Al Andersons Virtuosität an der Leadguitarre gemeint hat, war dabei sogar noch das Salz und das Chilli in der Suppe und ganz oben drauf noch das Schlagobers ! Eigentlich ist ja alles Geschmacksache und ich verstehe wie gesagt jeden, der mit nem „Collapse“ vom Adrian nicht so klar kommt. Aber bei „Babylon by Bus“ auch nur ein winziges Häärchen zu suchen, zeugt für mich von null Feeling für Musik !!! Basta !!! Yeah Mann ! Pay It All Back !!!
Deshalb ist es mir auch völlig egal, wie andere auf On .U Sound reagieren.
Ich setze mich einfach auf meine DubCouch und ziehe mir dieses spannende „Hörbuch ohne Worte“ voll rein und habe dabei eine sehr gute Zeit. Ich habe mir sogar Skinny Puppy, Nine Inch Nails und Primal Scream zugelegt und gelegentlich im privaten Bereich ebenfalls mit einer gewissen Faszination genossen. Zumindest die Tunes, die nicht so durchwachsen waren und vor allem die, wo Adrian Sherwood kräftig dran „rumgeschraubt“ hat. Aber jeder hat wohl so seinen KippPunkt oder eben seine Grenzen. Bei Anonym(us) ist schon bei „The Collapse of everything“ die Grenze erreicht, bzw. sogar überschritten. Bei mir isses Ministry !
Da gibt es auch mal ne Stelle, die ich ganz spannend finde aber Ministry weiß einfach nicht, was Groove ist ……… wenn ich mich nicht irre.
So …….. und ich bin mir auch sicher, daß Adrian Sherwood selbst nicht in der Lage ist, sowas wie Groove zu erzeugen, weil er nunmal kein Musiker ist. Womit ich zu Doug Wimbish komme, den ich hier noch gar nicht genug hervorgehoben habe. Bei ihm groovts schon, wenn er nur die Hand in Richtung Bass ausstreckt. Und Skip Mc Donald sorgt für den Space um die BassLines herum. Ich weiß allerdings gar nicht, ob er hier beim „Collapse …. “ mit dabei ist. Ich habe die Scheibe noch nicht und habe sie noch nicht einmal – in Ruhe – durchgehört. Trotzdem weiß ich, das sie mir sehr gut gefällt. Schließlich hat man früher, vor dem Kauf, auch nur kurz reingehört und wusste genau, „JO ! Das isses Mann ! Haben wollen ! “
Bei „These Things are worse fighting for“ hat eine 4el Femtoskunde gereicht, um mich in sehr große Faszination zu versetzen. Ich weiß es noch wie gestern. Ich zappte durch meine 30 Programme und war dabei wie immer sehr schnell. Auf Musik von MTV hatte ich gerade keinen Bock und somit zappte ich da eben auch in diesem Bruchteil einer Femtosekunde drüber weg. Aber; und da bin ich echt ein bisschen stolz drauf, habe ich sofort gedacht, „ey Alter ! Was war denn das !?!“ Zapp zurück ! Und dann lief dieser Tune von On .U Sound ! Auf MTV wohl gemerkt ! Deshalb schreibe oder denke ich auch so oft, Früher war alles besser !
Über Doug Wimbish kann ich auch schreiben, dass er bei all seinen Fähigkeiten einen coolen Groove zu erzeugen, auch gelegentlich ganz schön weit über meinen Horizont hinaus geht. Manchmal weiß ich gar nicht, ob das noch ein Bass ist auf dem er da spielt oder gar ein komplettes MusikOrchester, welches sich gerade noch einspielt. Ihr wisst was ich meine. Dieser dubiose Sound-bzw. Instrumentenmix, der da immer „gespielt“ wird, bevor der Dirigent kommt. Ich finde das meistens sogar besser als diese ernste musik, die dann das Konzert sein soll ;-)
Aber, ich gebs zu, ich habe mich auch schon manchmal gefragt, ob er eventuell zu doll anna CrackPfeife gezogen hat. Jedenfalls konnte ich nicht mehr folgen. Eventuell ist das, das Schicksal, welches Genialität so mit sich bringt. Albert Einstein konnten auch nur ganz wenige – wenn überhaupt – folgen. Wenn er bei On .U Sound angestellt gewesen wäre, hätte ich das mit „der Krümmung des Raumes“ bestimmt längst verstanden ….. Übrigens : Ne Pur-pfeife taugt mir auch nicht …

So long ……………… lemmi

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