Kategorien
Review

Al Brown & Inner Force: Dub Cuts

Paolo ‚Dubfiles‘ Baldini ist seit bereits über 20 Jahren eine geschätzte und stilprägende Figur in der blühenden italienischen Reggae-Dub-Szene. Er war Gründungsmitglied der B. R. Stylers und The Dub Sync. Für die von mir sehr geschätzten Africa Unite stand er außerdem einige Jahre am Bass. Während seiner bisherigen Schaffensphase hat Baldini unzählige Male mit den verschiedensten Künstlern zusammengearbeitet. Besonders die letzten Jahre waren äußerst fruchtbar. Seine Zusammenarbeiten mit Dubblestandart aus Österreich und aktuell dem englischen Label Pressure Sounds sind mir extrem positiv aufgefallen. Sein aktuelles Werk bei Pressure Sounds, „Al Brown & Inner Force: Dub Cuts“ mixed by Paolo ‚Dubfiles‘ Baldini gefällt mir ganz besonders.
Der 1934 in Kingston, Jamaika geborene Al Brown, ist ein relativ unbekannter Reggae-Künstler und viele Informationen über ihn sind selbst im WWW kaum zu finden. Wie könnte es anders sein, machte auch er seine ersten Aufnahmen für Coxsone Dodd. Etwas später tat er sich mit den Volcanoes zusammen, aus der sich dann die Skin Flesh & Bones gründeten, bei denen Brown ebenfalls Mitglied wurde. Aus den Skin Flesh And Bones rekrutierten die Revolutionaries dann wiederum ihre Besetzung. Al Brown veröffentlichte 1974 ein einziges Album mit dem Titel „Here I Am Baby“, eine Version des gleichnamigen Songs von Al Green. Der Titelsong „Here I Am Baby“ war auch in England erfolgreich und mauserte sich zu einem kleinen Hit. Danach wurde es erst einmal für viele Jahre wieder sehr still um Al Brown. Ein paar spätere Singles waren „Caribbean Queen“ und „No Soul Today“, die jedoch nicht an den Erfolg des Debütalbums anknüpfen konnten.
Erst 1991 erschien Al Brown zusammen mit seiner neuen Band Inner Force wieder auf der Bildfläche. Die fünf Musiker und eine Sängerin spielten zusammen mit Al Brown wieder nur ein einziges Album: „Al Brown & Inner Force: Be El Ze Bub“ ein. Dieses Album ist bis zum heutigen Tag lediglich als Cassette erhältlich. Paolo Baldini hat sich für sein Pressure Sounds Projekt just diese Aufnahmen für seine Dubs ausgesucht. Von den ursprünglich zehn Songs wurden sieben – einer davon doppelt – zu einem psychoaktiven Sounderlebnis neu transformiert. Wie wir es von Paolo ‚Dubfiles‘ Baldini gewohnt sind, wurde jeder Dub im Alambic Studio live, ohne Overdubs oder Nachbearbeitungen erstellt. Inspiriert von den analogen Techniken der „Godfathers“ des Dub, King Tubby, Lee Perry, King Jammy und Scientist, geht Baldini sehr empathisch ans Werk. Erfreulicherweise baut er in seinen Remixen genügend Gesangsfragmente ein, was den Tracks das gewisse Extra verleiht und auch für die Wiedererkennung der soullastigen Originalsongs sorgt. Wie Paolo Baldini im Interview selbst sehr treffend formulierte: „Die Hauptzutat für ein gutes Dub-Album ist, lange vor dem Dub-Master, das richtige Songwriting.“

Echte Dub-Reggae-Fans werden mit diesem Album sehr gut zurechtkommen. Paolo Baldini versteht es meisterlich, die Tracks kunstvoll zu bearbeiten, ohne dabei in künstliche Manierismen zu verfallen. Der Klang ist knackig und klar, erkundet dunkle Tiefen und zarte Höhen und wird bei Bedarf mit Echo und Hall verfeinert.

Ergänzung: Wie bereits oben dargestellt, enthält die Vinyl-LP insgesamt sieben Tracks der ursprünglichen Be El Ze Bub-Cassette. Wobei ein Track – Ghetto Situation – zweimal von Paolo Baldini verwendet wurde. Auf der LP nicht zu finden waren: Be El Ze Bub, Here I Am Baby und Daily News.
Am 27.01.2023 wurde nun die CD-Version des Albums veröffentlicht und die enthält neben den acht ursprünglichen Dub Cuts von der LP, fünf zusätzliche Tracks.
Deshalb liegt mein Augenmerk jetzt auf den fünf neu dazu gekommenen Tracks der CD-Veröffentlichung. Track 9 „Liquid Dream“ – im Original: Mass Liquidation – fällt gleich durch das Vibraphonspiel eines Mitsuhiro Toike auf, welches Erinnerungen an Augustus Pablo weckt. Mitsuhiro Toike war Keyboarder der 1991 gegründeten japanischen Reggae-Band Dry & Heavy. Alle auf die CD hinzugenommenen Dub-Versionen sind wirklich hörenswert, was die Dub Cuts weiterhin zu einem durch und durch unterhaltsamen und kurzweiligen Album macht. Besonders hervorzuheben sind auch die zwei Dub-Versionen von Daily News. Selbst wenn der italienische Dub-Maestro zwei Dub-Versionen desselben Tracks liefert, was er hier mehrmals tut, wird es niemals langweilig und bleibt abwechslungsreich. Die Dub Cuts enden, wie sie begonnen haben. Mit „Dub me again Part 2“ setzt Paolo Baldini einen wunderschönen Schlusspunkt.

Anmerkung: Ein Teil der „neuen“ CD-Tracks wurde schon im Mai 2022 als „Tribulation on the Land“ EP veröffentlicht.

Bewertung: 4.5 von 5.

6 Antworten auf „Al Brown & Inner Force: Dub Cuts“

Ich höre mir das Album gerade zum dritten Mal hintereinander an. Mich begeistert hier vor allem die Leichtigkeit bei gleichzeitiger Substanz. Die Bässe galoppieren wie ein Fohlen beim ersten Auslauf. Was für eine Freude! Die eingestreuten Gesangseinlagen kommen mit ganz viel Soul und gefühlvollen Melodien daher.
Von Al Brown kannte ich bisher nur „Here I am Baby“, das aber stilistisch (und zeitlich) weit entfernt von dem Material ist, das er später aufgenommen hat und das Baldini hier bearbeitet hat.
Geiles Teil, ich freue mich auf die Vinyl-Veröffentlichung! (Bisher konnte ich nur die nummerierte, limitierte und bereits vergriffene Version entdecken)

Hi Claas,
so ähnlich ist es mir auch ergangen. Das vorliegende Album läuft auch bei mir täglich.
Ich muss zugeben, dass ich das Original-Trojan-Album „Here I Am Baby“ zwar kenne, es jedoch nicht zu meinen Favoriten aus der Zeit zählt. Den Titel-Track dagegen müsste jeder kennen, der sich auch für die Entstehungsgeschichte des Reggae interessiert. „Here I Am Baby“ ist ein Reggae-Evergreen. Al Brown ist ein echter Grooner und sein souliger Reggae ist wirklich klasse. Paolo Baldini hat sich jetzt ausgerechnet dem noch weniger bekannten 1991er-Album „Be El Ze Bub“ gewidmet. Das spricht auch für das Pressure Sounds Label, das bereits Mitte der 1990er hauptsächlich weniger bekannten Alben seine Aufmerksamkeit schenkte. Pressure Sounds: Damals wie heute eine wahre Fundgrube.
Besonders gefreut habe ich mich über „Dub Of Books“, eine Version des Heptones Klassikers „Book Of Rules“ aus dem Album Night Food von 1976.

Hehe ! Geht mir runter wie feinstes Olio De Olivio ;-) …… :

„Echte Dub-Reggae-Fans werden mit diesem Album sehr gut zurechtkommen …. “

Sehe ich genauso. Manchmal, in Sachen Reggae und Dub nahezu immer, ist es keine Frage des Geschmacks mehr, sondern es ist einfach eine Tatsache !
Diese Dubs hier sind grandios ! Da bleiben für mich auch keine Fragen mehr offen ! Ich könnte allein schon den ersten Dub „Dub Me Again“ in einer Endlosschleife
immer wieder hören und jedesmal mit diesem charmanten Riddim zu einer Einheit verschmelzen. Die BassLine scheint mir sehr simpel zu sein aber sie trifft mich voll ins Mark.
Paolo Baldini meint zwar, das es als erstes „das richtige Songwriting“ braucht, um ein gutes DubAlbum zu „kredenzen“, was ich nicht abstreiten möchte aber dennoch nicht sofort nachvollziehen kann. Denn für mich ist es einfach der Riddim und ganz besonders die BassLine, die das Fundament eines guten bzw. sehr guten Reggae / Dub Tunes ausmacht. Die Riddims sind hier aber durchweg vom allerfeinsten und Paolo Baldini macht diese immer frischen und niemals alternden
Riddims noch frischer. Es gibt Musik für die Ewigkeit und diese Riddims sind zeitlos und damit ewig.
Als ich vor langer Zeit zum ersten mal „Book Of Rules“ von den Heptones gehört habe, wurde mir wieder klar, das auch Musik die allerhöchsten Gefühle in einem Menschen hervorrufen kann. „Book Of Rules“ rules !
Is ja auch klar, das mir „Dub Of Books“ ebenfalls die Seele massiert. Genauso wie „Ghetto Situation“, wo mir die „never get weary – Bassline“ vom CussCuss-Riddim sämtliche Falten aus dem Gesicht groovt. Da bekommt jeder meiner alten Hautfetzen wieder seine alte Spannkraft zurück. Is leider nur vorübergehend, da meine Haut im Vergleich zu den zeitlosen Riddims eben doch altert und selbst wenn ich durch alle Effektgeräte die im Dub Verwendung finden, hindurchgeschliffen werde, sehe ich besonders am nächsten Morgen doch wider sehr alt aus. Egal, hauptsache es groovt ! Was mir hier auch sehr gut gefällt ist, das die CussCussBassline hier durch eine stark ausgeweitete Improvisation unterbrochen wird, was – für mich – die Wirkung der Bassline nochmal verstärkt, wenn sie zum CussCuss zurückfindet und mich wieder exact durch den Wellentunnel schickt, wo man jede Welle ja bekanntermaßen am besten reiten kann.
Danach lebt das Album auch für mich vor allem durch den excellenten Mix von Paolo Baldini weiter.
Ja, ich muss es mir wohl eingestehen. Mein Wissensdrang war schon immer etwas eingeschränkt. Außer Sport hat mich in der Schule nix interressiert. Reggae und Dub wurde da auch nicht unterrichtet. Also was solls. Aber mein allgemeines Desinterresse hat es auch nicht verhindert, das mir Al Brown und seine Musik bisher vollkommen unbekannt waren. Ich habe zwar auch Bücher gelesen, wo es um die Entstehungsgeschischte des Reggae ging aber Al Brown ist da bei mir nicht hängen geblieben. Ich kann da eh immer nur schlecht folgen, wenn die Entstehungsgeschichte des Reggae anhand von Musikbeispielen aufgedröslt wird. Die meisten Tunes und Eckpfeiler, die da genannt werden, lagen einfach zu lange vor meiner Zeit und ich tue mich dann schwer, das alles nochmal nachzugoogeln.
Naja, wenn ich eins habe, dann ist es der Mut zur Lücke.
Nun wäre es aber echt schade, wenn dieses schöne DubAlbum doch eine Lücke in meinem Regal hinterlassen würde. Es wäre schade, wenn diese coolen Dubs im Sumpf der Daten versickern würden. Eine Scheibe würde nicht untergehen, da sie durch die Fläche und die Trägheit der Masse viel länger bzw. für immer an der Oberfläche bleiben würde. Vinyl geht im Sumpf der Daten, jedenfalls bei mir, nicht unter.

And the Dub goes on ……………………….. lemmi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.