Der visionäre jamaikanische Musiker Augustus Pablo gehört zu den wichtigsten Personen der Reggae-Geschichte. Anfang der 70er Jahre besuchte Horace Swaby (bürgerlich) zusammen mit Freunden wie Clive Chin und Tyrone Downie das Kingston College (KC). Sein und Tyrones Interesse an Musik hatte sie bereits in eine örtliche Kirche geführt, wo sie fleißig an der Orgel übten.
So oder so ähnlich soll sich die weitere Geschichte zugetragen haben: Irgendwann im Jahr 1971 soll Horace auf dem Weg zu Herman Chin Loys Aquarius Record Shop in Half Way Tree gewesen sein, um dort Platten für das ‚Rockers‘-Soundsystem seines Bruders zu kaufen. Dort bekam er von einem Mädchen eine Melodica geschenkt oder geliehen. Noch im Laden begann Horace, auf dem Instrument zu spielen. Beeindruckt von dem einzigartigen Klang der Melodica nahm Herman Chin Loy Horace am nächsten Tag mit in sein Aquarius Studio. Weiter wird auch berichtet, dass Herman Chin Loy während dieser ersten Session Horace Swaby den Namen Augustus Pablo gab. Während der ersten Sessions entstanden Klassiker wie „Iggy Iggy“, „Invasion“ und „East Of The River Nile“.
Doch erst 1972, als Augustus Pablo sich mit seinem alten Schulfreund Clive Chin zusammentat, gelang ihm der Durchbruch. Pablo verzauberte alle mit dem großartigen „Java“. Die Geschichte zur Entstehung von „Java“ ist nicht weniger spannend: Clive hatte Dennis Wright (einen weiteren Freund von KC) ins Studio geholt, um einen Song aufzunehmen, an dem sie arbeiteten. Die Grundtracks waren bereits fertig, aber auch nach vielen vergeblichen Versuchen wollte der Gesangspart einfach nicht klappen. Als sie enttäuscht das Studio verlassen wollten, ging Pablo auf Clive zu und bat ihn, eine Version des Songs aufzunehmen. Beim Zuhören im Flur war ihm eine Melodielinie eingefallen, die er auf der Melodica spielen wollte. Clive willigte ein, warf das Tonbandgerät an und sie nahmen eine Instrumentalversion auf. „Jaaaavaaa!“
Das war ein grober Abriss von den Anfängen des legendären Augustus Pablo, der einen wesentlichen Teil der Dub-Geschichte mitgeschrieben hat. Allein die Suche hier im Dubblog ergibt 58 Einträge.
Jetzt lenken wir den Blick auf das eigentliche Objekt der Besprechung: „Augustus Pablo: Rockers Meets King Tubbys In A Fire House“, das vom französischen Only Roots Label im Dezember 2023 wiederveröffentlicht wurde. Mit seinen frühen Aufnahmen zählt der talentierte Musiker und innovative Produzent zu den Pionieren des Dub. Seine Aufnahmen aus dieser Zeit gelten heute alle als Klassiker und waren Teil des bemerkenswerten kreativen Aufschwungs, den die jamaikanische Musikszene international erlebte. Das Dub-Studioalbum von Augustus Pablo und King Tubby „Rockers Meets King Tubbys In A Fire House“ erschien erstmals 1980 und wurde seither mehrfach wiederveröffentlicht. Firehouse ist eine ironische Anspielung auf den Stadtteil Waterhouse in Kingston, in dem sich King Tubby’s Studio befand, oder auf King Tubby’s Firehouse, Waterhouse, Taurus und Kingston 11 Labels. Die Rockers All Stars mit Mickey ‚Boo‘ Richards, Leroy ‚Horsemouth‘ Wallace und Albert Malawi am Schlagzeug, Robbie Shakespeare am Bass und Earl ‚Chinna‘ Smith an der Gitarre schufen mit „Jah Say Dub“ und „Zion Is A Home“ Dubs, die sich heute immer noch hören lassen können. Die Dub-Mixe sind Remixe der Original-Singles von Pablos Schützlingen Hugh Mundell aka Jah Levi, Delroy Williams und anderen. Neben King Tubby und Augustus Pablo hat auch Prince Jammy einige Mixe beigesteuert, sein Name taucht aber nirgends auf dem Cover auf. Pablos Sound dominiert auf „Rockers Meets King Tubbys In A Fire House“, auch wenn er sein Markenzeichen, die Melodica, hörbar zurückgenommen hat. Obwohl die Melodica nur fragmentarisch zum Einsatz kommt, schlängeln sich Pablos mystische Melodien durch den Mix und die sanften, aber satten Grooves, die eine Rockers-Produktion immer auszeichnen, sind in voller Stärke vorhanden. King Tubby steuert das besondere Element der Dub-Alchemie bei, indem er in passenden Abständen Echo und Delay einsetzt und so die Gesamtatmosphäre geheimnisvoll und verführerisch hält. Aufgrund des Charakters der Musik und ihrer durchgehend hohen Qualität ist es etwas schwierig, Höhepunkte herauszugreifen. Dazu gehören zweifellos das Melodica-Stück „Zion Is A Home“ und das ebenso gute, Posaunen-lastige „Dub in a Matthews Lane Area“, das als Lehrstück in Sachen Dub-Technik dienen könnte. Die Horns werden in den Credits alle Felix ‚Deadley‘ Headley Bennet zugeschrieben, was sicherlich falsch ist. Seinen unverkennbaren Sax-Stil kann ich nur im „Short Man Dub“ heraushören. Erwähnenswert finde ich auch den Einsatz des String-Synth-Keyboards in „Selassi I Dub“, das Pablo zum ersten Mal auf dem „East Of The River Nile“ Album ausgiebig einsetzte. Pablo schien den Klang dieses Instruments zu lieben. Im Gegensatz zur Melodica oder dem Clavinet, die er meist als Lead-Instrument einsetzte, benutzte er den String-Synthesizer eher als Harmonieinstrument.
Anmerkung zur Veröffentlichung des Albums: Das Interesse an Augustus Pablo war 1979 auf dem Höhepunkt. Sein „East Of The River Nile“ Set und das Album „Africa Must Be Free By 1983“ seines Protegés Hugh Mundell im Jahr zuvor lösten ein Interesse an allem aus, was mit Pablo zu tun hatte. Vor allem an seinen frühen Produktionen. Der vorliegende Deep Roots Dub-Klassiker erschien ursprünglich 1980 auf Yard (J.A.) & Shanachie (U.S.A.) und Augustus Pablo war, wie Lee ‚Scratch‘ Perry vor ihm, nicht mehr im Einklang mit dem aktuellen Musikgeschmack in Jamaika. Für manche mag das überraschend gewesen sein, aber mit der Veröffentlichung einer einzigen Platte kann sich das über Nacht ändern, und diese plötzliche Veränderung ist auf „Rockers Meets King Tubbys In A Fire House“ zu hören. Die Dancehall-Revolution wurde im Herbst 1979 von Henry ‚Junjo‘ Lawes eingeläutet. Mit den schweren, dichten Rhythmen der Roots Radics war der Rebel Rock Sound von Pablos Rockers All Stars nicht zu vergleichen – dazwischen lagen Welten. Trotzdem ist und bleibt „Rockers Meets King Tubbys In A Fire House“ für mich auch 44 Jahre nach seinem Erscheinen eines der besten Augustus Pablo Alben überhaupt.
Die Wiederveröffentlichung kommt in der bisher besten Qualität. Wer also einen schönen, zeitlosen Klassiker in seinem Plattenschrank haben möchte, sollte zugreifen.
3 Antworten auf „Augustus Pablo: Rockers Meets King Tubbys In A Fire House (Re-Release)“
Ja, daß ist jetzt natürlich echt nix Neues für mich und somit bleibt eine
Überschwungshandlung in Form eines schwärmerischen und „theatralischen“ Kommentars meinerseits aus.
Daher möchte ich mal ausdrücklich die leidenschaftliche Rezension loben, Ras Vorbei.
Da sind wieder sehr viele HintergrundInformationen, die ich so genau noch nicht kannte und auch die Aufrischung zur Entstehung von „Java“
liest sich immer wieder spannend. Auch die Aufzählung der Musiker ist für mich immer sehr interessant.
Deadley Headley höre ich auch nur bei „Short man Dub“.
Der Mann hat auch bei On .U Sound schon so einige „deadly Frequences“ abgeliefert, so daß ich auch manchmal an gewissen Gesichtsverzerrungen zu leiden hatte, da diese Frequenzen teilweise schon ein wenig schmerzhaft für mich rüber kamen. Aber nix gegen Deadley Headley …… Ich konnte mich auch schon an vielen anderen seiner SaxophonSoli regelrecht berauschen. Und sein Part hier bei „Short Man Dub“ passt mir auch sehr gut.
Was bei dem Album wirklich – auch für mich – sehr positiv auffällt, sind die spärlich eingesetzten Melodica-„Schnipsel“ und dass es kein „gezimbele“ gibt, welches von King Tubby dann auch noch durch den High Pass Filter gejagt wurde. Das Dubbing ist hier wirklich spitze, wenn ich das so sagen darf.
Ein wenig witzig finde ich auch immmer, daß es auch in Jamaika Musiker und Produzenten gab und vielleicht auch noch gibt, die mit dem jeweils aktuellen Musikgeschmack des jamaikanischen Mainstreams – der genauso beklopppt ist, wie überall auf der Welt – nicht mehr „im Einklang waren. In diesem speziellen Fall, kann ich es allerdings nicht so ganz nachvollziehen, denn die ROOTS RADICS haben den Reggae ja wohl deutlich um eine sehr spannende SpielArt erweitert, die wir – so glaube ich – alle nicht missen wollen.
Ansonsten muss ich noch erwähnen, daß ich besonders beim TitelDub schon damals bei der ersten HörProbe von seiner bombastischen BiassLine, inklusive des gesamten Riddims wieder mal in eine Art Extase verfallen bin, die sich auch heute noch genau so anfühlt, wie beim ersten SoundCheck vor etwa 30 Jahren, als ich zum ersten mal in den Genuss dieser Dubs gekommen bin. Die ganze Scheibe ist super aber der erste Dub ist ganz besonders super super ;-)
„Good Thing Going“ ……………………… lemmi
Gestern Abend habe ich in alten Veröffentlichungen geschmökert und folgende Aussagen von Augustus Pablo selbst gefunden, die ich Euch nicht vorenthalten möchte:
AUGUSTUS PABLO: Tales of Pablo (Interview)
How did you come to work with Herman Chin Loy?
I went to Herman Chin Loy, I used to play the melodica before. So he was the one who really carry me into the studio first, you know.
Were you given a melodica by a young girl in the shop?
No, not in the shop. She was my friend and she just lent me the melodica, she was at school and she used to play it at school, ’cause they used to use the melodica to teach music lesson.
Did you take the melodica to Herman’s shop, or did he just find out you were playing the melodica?
No, he asked me if I could play it, I had it in my hand. He said he was looking for a new sound. So he asked me if I could play, and I said yes. So he invite me to Randy’s studio the next day.
For an audition?
No, not an audition, we went into the studio just to play, ’cause that’s how we do it. We just make music.
That was your first session then?
Yeah.
Who was with you on that first session? Or were you just playing over rhythms?
It was just rhythm made already with Familyman and Carly. I just blow on them. I just create some melodies and just blow on them.
Published: More Axe (1987)
Reporters: Ray Hurford & Colin Moore
„It was just rhythm made already with Familyman and Carly.“
Das ist der Hauptgrund, warum ich die Musik von Augustus Pablo so gern gehört habe und immer noch höre. Was für Bob Marley and The Wailers ebenso zutrifft. Bob Marley war bzw. ist einer der besten Songschreiber die jemals auf unserem Planeten Musik gemacht haben. Und seine Art sie vorzutragen war ebenfalls nicht zu toppen. Mag sein, daß ich das als MusikLaie gar nicht wirklich beurteilen kann aber wagt ja nicht, mir zu widersprechen !!! ……………… ;-)
Es gibt ja viele Menschen, die auch mit Gesang und z.B. Gitarre oder Klavier oder sonstwas allein klarkommen. Ich ganz und gar nicht.
Ich wiederhole mich gern, indem ich nochmal betone, daß ich BobMarley nicht kennen würde, wenn er nur den „Redemption Song“ auf seiner „Klampfe“ zum Besten gegeben hätte. Ich mag den Song und kann ihn auswendig vorsingen aber die eigentliche Kraft von Bob Marley and The Wailers kommt für mich aus dem Maschinenraum, wo in erster Linie, Bass Und Schlagzeug für den effektivsten Dampfdruck sorgen, der jemals erzeugt wurde. Dagegen ist die V2 – Rakete nur ein kleines Bläschen aus dem Darm.
Und genau deshalb ist es auch so schlimm, daß einer der besten – wenn nicht sogar der beste – Bassist, den die ReggaeWelt und damit auch die ganze Welt je gesehen hat, nun auch von uns gegangen ist.
REST IN PEACE ! ASTON „FAMILYMAN“ BARRETT !+!
Es tut mir sehr leid, daß ich mich nicht dazu berufen fühle, hier einen angemessenen Nachruf zu verfassen. Dazu bräuchte es meiner Meinung nach eh mindestens ein Buch oder noch besser eine vierstündige Dokumentation.
Da wir hier aber alle in erster Linie dem Bass vertrauen, wollte ich es wenigstens mal erwähnt haben.
Jetzt ist er hoffentlich wieder mit seinem Bruder vereint und vielleicht machen sie an einem besseren Ort auch schon wieder super Musik mit Peter, Bunny und Bob. Da bekommt man glatt richtig Lust aufs Jenseits …..
So long …………… lemmi