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Brynovsky: Dub Section

Nun, manchmal muss man auch den Mut zur Lücke haben, oder besser gesagt, man kann wirklich nicht alles wissen und kennen. So erging es mir nach Andru Branch zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit mit Brynovsky. Der vielseitige Musikmacher, Independent-Künstler, Autor und Produzent Tim Jones aka Brynovsky ist neben seinem alternativen Folk-Rock vor allem für seine Dub- und Reggae-Skills bekannt. Der gebürtige Londoner wuchs in Derby in den englischen East Midlands auf. Heute lebt und arbeitet er in Schottland.
Selbst der legendäre Musiker und DJ Tom Robinson (Band) bezeichnete Brynovsky als „großartige Entdeckung“ und bot den „süßen, süßen Klängen von Brynovsky“ zweimal in seiner BBC6 Music Show eine Plattform und stellte sie seinen Hörern vor. Was mir komplett entgangen ist: Brynovsky wird seit Jahren von Musikprofis für seine Dub-Künste gefeiert.

Das neueste Werk des schottischen Klangalchemisten und Multiinstrumentalisten „Brynovsky: Dub Section“ nimmt den Hörer mit auf eine subtile Dub-Reise, die aus der besten Dub-Tradition schöpft und gleichzeitig in die Zukunft blickt. Kurzum, Tim Jones hat „Dub Section“ im Geiste der Dub-Pioniere produziert. Als erfahrener Produzent und Songwriter hat Brynovsky zwölf Soundfragmente aus älterem Material und B-Takes extrahiert und ihnen einen satten Dub-Anstrich verpasst. Das Ergebnis enttäuscht keineswegs, denn der schottische Musiker findet stets die richtige Balance zwischen Vertrautheit und künstlerischer Schärfe. Eine spielerische und hypnotisierende Mischung aus Afro-Einflüssen, Reggae-Rhythmen und Trip-Hop-Elementen. Dabei hat es Brynovsky verstanden, dass ein Dub-Instrumentalalbum nicht jedermanns Sache ist. Nicht jeder ist mutig genug, sich in einem Meer aus weitläufigem, euphorischem, raumgreifendem, euphorisierendem Klangmaterial zu verlieren. Brynovsky scheut sich nicht, ins Dunkle, Unbekannte und Unkonventionelle des Dub-Universums vorzudringen. „Dub Section“ ist ein ebenso eklektisches wie abstraktes Album, das dennoch Kraft und Schärfe besitzt. Es präsentiert 45 Minuten neu interpretierter Instrumentals, die für den Indie-Künstler Tim Jones, der seit 2010 unter seinem Pseudonym Brynovsky Musik veröffentlicht, eine Rückkehr zu Reggae und Dub bedeuten. In seinem Studio in Schottland hat er im Alleingang Tracks aus seinem Backkatalog im klassischen Dub-Stil bearbeitet und jede Woche einen Track auf Soundcloud und YouTube veröffentlicht, bis er im Januar 2024 ein komplettes Album daraus zusammenstellen konnte.
Sein Album »Hard Curves«, das bereits 2010 veröffentlicht wurde, muss ich hier unbedingt erwähnen. Hört es euch an, es ist in meinen Ohren keinesfalls schlechter als die hier besprochene „Dub Section“. Zum Beispiel ist „Rumba Queen“ ein Dub eines Outtakes aus den Hard Curves Sessions. Ebenfalls vom „Hard Curves“-Album stammen »Red Forest«, ein Dub des Originals „Into a Dream“, und „CMYK Culture“, ein Dub des Tracks „Mischief“.
Die meisten Tracks wie „Power Vacuum“, „Dub Shining“, „Spycops“, „City of Bytes“, „Peace It Together“ sind Dub-Interpretationen des 2014 erschienenen Song-Albums „Time Is Now“, das ursprünglich mit dem jamaikanischen Sänger Leroy Jones* eingesungen wurde.

Alles in allem ist „Dub Section“ ein ungewöhnliches, aber sehr ansprechendes Album.

Bewertung: 4 von 5.

*Leroy Jones (alias Jah Dave) ist Sänger, Perkussionist, Produzent und Mitglied der Congos, mit denen er immer noch als Perkussionist unterwegs ist. Er arbeitete u.a. mit Gregory Isaacs, Horace Andy, Sugar Minott, Johnny Clarke, Prince Far I und Dub Syndicate. Seit 2012 ist er Mitglied der schottischen Reggae-Hybrid-Band Brynovsky und tritt auch solo auf.
Der gebürtige Jamaikaner war in seiner Jugend ein berühmter Jockey und schlug sogar den großen Lester Piggott. Als Leroy zu groß wurde, um Rennen zu fahren, begann er mit Congo Ashanti Roy Musik zu machen und wurde ein Rasta. In den frühen 80er Jahren spielte er als „Jah Dave“ Schlagzeug für viele große Reggae-Künstler. Nach seinem Umzug nach London wurde er Produzent und Sänger. Zusammen mit Mad Professor produzierte er Johnny Clarkes „Do I Do I“ für dessen erste LP „Yard Style“ bei Ariwa, die in Jamaika und in den britischen Reggae-Charts Platz 1 erreichte.

4 Antworten auf „Brynovsky: Dub Section“

Wow Ras Vorbei !

Ich bin entzückt ! Für mich das beste Album, was zuletzt im „Radar“ erschienen ist.
„Ein ungewöhnliches aber sehr ansprechendes Album“. Nun, für mich ist das Ungewöhnliche ja eher das Gewöhnlichste überhaupt. Oder besser gesagt, „das Ungewöhnliche“ spricht mich immer an, bzw. reizt und fasziniert mich am meisten. Ich muss gestehen, am Dubbing kann ich nichts „Ungewöhnliches“ feststellen. Es gibt bei jedem DubWizard immer wieder mal einen neuen oder unbekannten Effekt und genau das ist ganz Gewöhnlich bzw. Standart für DubMusik. Es gibt immer wieder mal was Neues, Unbekanntes und nie Gehörtes, was für mich dazu führt, daß DubMusik immer innovativ ist und bestimmt immer bleiben wird. Wie Mad Professor so schön sagte : „Du kannst dir einen und den selben Dub 1000 und eins mal anhören, du wirst jedesmal etwas anderes hören und neu entdecken.“ Die Wahrheit kann so simpel sein.
Ganz wichtig finde ich deine Hinweise auf die Alben „Hard Curves“ und
„Time is now“ Ras Vorbei !!!
Es sind nämlich eher die „Riddims“, die für mich ungewöhnlich sind und nicht unbedingt sofort an eine ReggaeBiassLine erinnern. Wobei Ausnahmen ja immer die Regel bestätigen und ich bei „Rumba Queen“ eine gewisse Verwandschaft zu der BiassLine von Mutabarukas´
„Whiteman Country“ zu erkennen glaube. „Hard Curves“ ist für meinen Geschmack jedenfalls auch ein fantastisches InstrumentalAlbum mit Riddims, die bei mir durchweg sehr gut grooven. Mein momentanes HighLight ist nach „Rumba Queen“ das stark vorantreibende „Mischief“, welches mich besonders wegen der BiassLine richtig in den Hintern tritt. Ich kann noch gar nicht genau sagen, ob ich das Instrumental oder doch den Dub dazu bevorzuge. Ich empfinde beide Versionen gerade als große Bereicherung meines MusikHorizonts. Auch wenn ich auf die übrigen Riddims jetzt nicht noch speziell eigehe, muss ich „sagen“, daß die mich alle sehr positiv nach vorne bringen.
Genauso wichtig finde ich den Hinweis auf „Time Is Now“. Auch ein eher ungewöhnliches Album, für einen Sänger, der seine Wurzeln ganz tief in Jamaika hat. Aber genau wie Horace Andy nicht das geringste Problem hat, auch Ambient bzw. TripHop-Riddims mit seinem jamaikanischen Flair zu veredeln.
Ich finde es daher sehr bereichernd Ras Vorbei, daß du uns auf diese Scheiben von Brynovsky auch noch aufmerksam gemacht hast.

Vielen Dank Ras Vorbei und nicht müde werden, weiter zu machen ……

Greetings ……………. lemmi

Typisch dubblog, wieder so eine Empfehlung, die ich ohne euch niemals gehört hätte. Ein sehr gelungenes Album, das Grenzen überschreitet und teilweise im Hip Hop angesiedelt ist. Danke dafür!

Ich habe mal Trip Hop mit Ambient „verwechselt“.
Aus der Nummer kam ich mit nem „Schreibfehler“ nicht so einfach raus.
Eventuell ist das auch Quatsch aber für mich ist Trip Hop quasi eine Art „Ambient Hip Hop“. Oder „Hip Hop Dub“ ohne Hall und Echo, bzw. ohne Dub ;-) ……. ach nee, „Hip Hop Dub“ ohne Dub ist ja dann wieder nur Hip Hop. Mmmmmh, der geborene Musikstiltheoretiker bin ich wohl echt nicht.

Is nich wirklich wichtig aber is mir grad so eingefallen und vielleicht kann mir ja auch jemand erklären, warum ich da eventuell sogar „falsch“ liege.

So long …………….. lemmi

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