Kategorien
Dub (R)evolution Review

Dub Revolution, November 2004

Der Name „Dub Funk Association“ ist clever gewählt, lässt er doch einen mit vielen einflussreichen Mitgliedern besetzen Interessenverband zur Förderung von Dub- und Funkmusik vermuten. Die Speerspitze einer Bewegung, die Dub als universelles Prinzip moderner Dance-Music proklamiert und die Verschmelzung der beiden Stile vorantreibt. Nichts davon ist war. Die „Dub Funk Association“ besteht tatsächlich aus nur einem einzigen Mann, Kelvin Richards, der zwar in der Tat seine Vorstellung von zeitgemäßer Dub-Music hat, die allerdings nicht sonderlich viel mit Funk zu tun hat. Seit den 90er Jahren stellt er (neben eigenen Produktionen) Dub-Kompilationen zusammen, die seine Sicht auf das Genre präsentieren. Nun ist seine Sicht bei weitem nicht so progressiv, wie von ihm selbst angenommen, was aber der Qualität seiner „Roots Of Dub Funk“-Alben keinen Abbruch tut. Versammelt sind hier nicht mehr und nicht weniger als einfach richtig gute Dub-Tunes, die Richards aus aller Welt zusammenträgt. Für „Roots Of Dub Funk 4“ (Tanty/Rough Trade), das soeben erschienen ist, hat er 14 Stücke aus rund 125 Dub-Alben ausgewählt – und dabei keinen einzigen Fehlgriff getan. Denn neben fetten Basslines und inspirierten Mixes, sind es vor allem Melodien, die Richards als Qualitätskriterium anführt. Und wie sehr wir, aufgeklärte Beat-Junkies, die wir sind, dann doch auf Harmonien und schöne Melodien abfahren, ist schon erstaunlich. Und ob man es glaubt oder nicht: Dub bietet viel Platz für Melodien. Sei es die Bassline, seien es Bläsersamples oder gut gesetzte Keyboard-Akkorde – es gibt eigentlich keine Ausrede dafür, in der Polyrhythmik der Beats auf Melodien zu verzichten, wie uns Mr. Richard wieder einmal beweist.

Harry Mudie – Producer-Veteran Jamaikas, von dem z. B. die legendären Dub-Konferenzen mit King Tubby stammen, ist offensichtlich immer noch aktiv. Soeben ist eine neue Folge seiner „In Dub Conference„-Serie herausgekommen, die allerdings nicht mehr in Anwesenheit von King Tubby gehalten wurde, sondern an dessen Stelle einen gewissen I-Tek Paul (Moodisc/Import) an den Konferenztisch, respektive Mischpult, setzte. Ganz im Gegensatz zur eher fragwürdigen Qualität seines Namens, beweist I-Tek Paul am Mischpult einige Fingerfertigkeit und liefert ein durchweg interessantes, sehr aktiv und inspiriert gemischtes Dub-Album ab. Bei seinem Mix-Material handelt es sich allerdings nicht um klassische Mudie-Produktionen, sondern um neue, digital eingespielte Rhythm-Tracks – auch wenn sie gerne die eine oder andere Mudie-Bassline reanimieren. Das Album ist in Deutschland übrigens nur über Irie-Records in Münster erhältlich (www.irierecords.de).

Dubmatix nennt sich Jesse King, Sound-Frickler aus Toronto, der nun mit „Champion Sound Clash“ (MPLA/Import) sein Debut-Album vorlegt. Sein Titel ist wörtlich zu nehmen, denn auf diesem Album treffen unterschiedliche Dub-Sounds aufeinander. So werden z. B. astreine Steppers Dubs im Stil der UK-Schule, mit stark Dancehall-beeinflusste Uptempo-Stücken kontrastiert. Aber auch melodische Roots-Dubs mit gesungenen Hooklines bis hin zu zuckersüßen Lovers-Backings sind hier zu finden. Nicht in allen „Sounds“ ist Mr. King gleich dermaßen souverän unterwegs, doch es macht Spaß, ihn auf seinem Weg durch das Dub-Universum zu begleiten – lediglich über seine sporadisch dargebotenen Sangeskünste lässt sich streiten.

Ganz anders klingt das Album „Conquering Dub“ (Reggae Retro/Import) von Alien Dread (ein mir unbekannter Name über den nichts in Erfahrung zu bringen ist). Ruhig und gelassen fließen hier die Beats, stellen sich bescheiden in den Hintergrund und scheinen nicht mehr im Sinn zu haben, als den Raum mit warmen Vibes füllen zu wollen. Ich habe das Album oft beim Arbeiten gehört – gewissermaßen als Anti-Stress-Mittel. Es hat wunderbar funktioniert. Bewusstem Zuhören hält das Album jedoch nicht stand. Dafür sind die Stücke dann doch uu gleichförmig und uninspiriert.

Sound Imperium ist auch eines dieser bisher unbekannten Dub-Projekte, das nun erstmals mit einem Album an das Licht der Öffentlichkeit tritt. Hinter dem Sound Imperium stehen drei Namen aus Minneapolis: Paul Harding, Dave Park und Aaron Bellamy. Über Jahre hinweg haben sie mit unterschiedlichen Artists aus Jamaika, Cuba, Sierra Leone, Costa Rica und den USA an ihrem Album „Pre-Emptive Dub Attack“ (Revolucion Disks/Import) gearbeitet. Entsprechend viele Einflüsse sind dann auch auf dem Album zu hören, wobei vor allem das Cumbia-Stück „Mi Gente“ positiv heraussticht. Diese lateinamerikanische Orientierung macht im Zusammenspiel mit Song-Titeln wie „Dub Annihilation (State Terror Mix)“, „C.I.A.“, oder „No Dub for Babylon“ die politische Botschaft des Sound-Imperiums deutlich: Mit Drum & Bass geht es hier gegen das neokonservative Amerika unter der Bush-Regierung. Da sich diese Botschaft allerdings kaum mit ausschließlich instrumentaler Dub-Musik vermitteln lässt, werden die Dub-Exkursionen durch vier Gesangsstücke ergänzt. Stilistisch lässt sich das Album ob seiner vielfältigen Einflüsse kaum fassen. Dub scheint hier der kleinste gemeinsame Nenner gewesen zu sein. Daher stehen die einzelnen Stücke auch oft recht disparat nebeneinander. Auch Soundtechnisch passt hier wenig zusammen. So gesehen haben wir es mit einem schlechten Album, aber einer guten Kompilation zu tun, die interessante, aber sehr unterschiedliche Stücke versammelt. Aber kein Konzept ist ja auch ein Konzept.

Kommen wir nun zu einem sehr simplen, aber absolut effektiven Konzept: Live Dubs. Die Rede ist hier von drei amerikanischen Musikern, D. P. Holmes (Gitarre und Keyboards), Stu Brooks (Bass und Keyboards), und Joe Tomino (Schlagzeug und Melodica), die unter dem Namen Dub Trio auf ihrem Album „Exploring The Dangers Of“ (ROIR/Import) ihre Dubs komplett analog und live in Echtzeit einspielen. Selbst die Effekte wie Hall und Echo werden life produziert. Dieses Konzept stellt die Produktionsweise von Dub auf den Kopf. Definiert als reine Studiomusik, die zuvor aufgenommenes Material nachbearbeitet, ist Dub das genaue Gegenteil eines Live-Gigs wie ihn das Dub Trio praktiziert. Gemäß dieser Definition sind die Stücke des Dub Trios kein Dub. Rein phänomenologisch gesehen sind sie es aber sehr wohl, weil sie wie verdammt gute Dub-Tunes klingen. Das ganze Konzept um das Live-Spiel wäre nämlich keiner Erwähnung wert, wenn die so entstehende Musik nicht eine sehr einzigartige Qualität hätte. Eine sehr interessante sogar: Die Musik klingt rau und derb, kraftvoll und direkt und sie atmet echte Live-Atmosphäre, indem man den Raum, in dem gespielt wurde, mithört. Besonders deutlich wird dies bei den drei Konzertmitschnitten, wo die Response des Publikums mit eingefangen wurde. Durch den Applaus wird die außergewöhnliche Virtuosität der Musiker plötzlich sehr spürbar. Was da klingt wie eine Wall of Sound sind lediglich drei Musiker! Ein faszinierendes Album also, was aber letztlich leider nur die „Dokumentation“ der Live-Aktion ist, um die es hierbei ja eigentlich geht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.