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Dub (R)evolution Review

Dub Revolution, November 2005

St. Germain hat vor einigen Jahren gezeigt, wie sich House auf äußerst elegante Art und Weise mit Jazz verbinden lässt. Patrick Bylebyl und Guillaume Metenier, ebenfalls aus Paris, wendeten seine Methode der Housierung auf Reggae an und kreierten unversehens eine so ungemein soulige Variante von House-Dub (nicht Dub-House!), dass sich ihr Projekt-Name „Seven Dub“ tief im Gedächtnis aufgeschlossener Dub-Enthusiasten verankerte. Ihr Tune „Rock it Tonight“ war die Initialzündung, der anschließend zwei Alben folgten. Nun liegt mit „Dub Club Edition: Rock With Me Sessions“ (Echo Beach/Indigo) Album Nr. 3 vor und passt sich perfekt in die Reihe ein. Wunderbar groovende Tunes, gekrönt von den warmen Stimmen großartiger Vokalisten wie Angelique (sie hat „Rock it Tonight“ gesungen), Paul St. Hilaire, Zakeya und DJ-Veteran Lone Ranger. Beat-technisch orientieren sich Bylebyl und Metenier zwar an dem schmalen Grenzpfad zwischen House und Reggae, genehmigen sich aber teilweise recht umfangreiche Exkursionen zu beiden Seiten – ohne dabei jedoch den für sie typischen Dub-Groove, der das ganze Album wie ein roter Faden durchzieht, reißen zu lassen. Ein gutes Beispiel für diese Technik ist die kongeniale Cover Version von Gregorys „My Only Lover“: Ein sehr offen und leicht gespielter One-Drop-Rhythm bildet hier die Basis. Weiche Synthie-Akkorde, eingestreute Gitarren-Picks und verhalten jazzige Piano-Klänge sowie natürlich Angeliques zauberhafte Stimme legen sich wie in transparenten Ebenen darüber und erzeugen so ein äußerst faszinierendes, vielschichtiges Klangbild – zugleich voller Dynamik und entspannter Gelassenheit. Sehr sehr schön. Hier sind Seven Dub in ihrem Element. Da ist das Schielen nach einem „Rock Me Tonight“-Nachfolge-Hit, wie es der Titelsong „Rock With Me“ zu sein versucht, unnötig. Das erzeugt nur latente Déjà vu-Effekte, die den Eindruck vermitteln, Bylebyl und Metenier träten auf der Stelle. So wird der vermeintlich stärkste Track des Albums tatsächlich zu seinem schwächsten. 

Anfang letzten Jahres überraschte uns Ryan Moore mit einem Vocal-Artist-Album aus seinem für reine Dub-Workouts bekannten Haus „Twilight Circus“. Es folgte ein hervorragendes Solo-Album von Michael Rose, zu dem Moore nun – wie sollte es anders sein – unter dem Titel „African Dub“ (M Records/Import) das passende Dub-Album vorlegt. Doch das Problem mit dem Zwielicht-Zirkus war immer, dass seinen Dubs die gewisse Würze fehlte – weshalb Moores Entscheidung, seinen Dubs die Lyrics großartiger Foundation-Artists angedeihen zu lassen, genau die Idee war, die zum großen Wurf noch fehlte. Zwangsläufig führt der umgekehrte Weg, nämlich den Gesang für die Dub-Version wieder zu streichen, zum alten Problem: Gute Fleißarbeit, aber im Ergebnis nicht wirklich spannend. Hinzu kommt, dass Moores Dubs auf Michael Roses Album ohnehin so präsent sind, dass das Dub-Album eigentlich obsolet ist. Wer die Songs ein paar mal gehört hat, wird auf diesem Dub-Album nicht viel neues entdecken – außer Manassehs Mix von „No Burial“, der hier einen schön synthetisch klingenden Computer-Bass unterlegt hat.

Noch ein Wort zu „Computer-Bass“: Wer darauf steht, der findet den ultimativen Computer-Bass-Tune auf dem Kankal-Album „Don’t Stop Dub“ (Hammerbass/Import). Nach einem spannungsvollen Intro und der altbekannten Fuzzy Jones-Ansage, knallt eine unglaubliche Bassline los, die dem Labelnamen alle Ehre macht. Überhaupt hat Monsieur Kanka hier ein äußerst bemerkenswertes Dub-Album vorgelegt, das so voller Energie steckt, dass man sich daran fast die Finger verbrennt. Hier heißt es: „Four To The Floor“ im für Dub maximal zulässigen Höchsttempo. Wie Kong Kong durch die Straßen New Yorks, stampft Kankas Drummachine durch die Beats und lässt es ringsum scheppern und donnern. Damit der Bass dagegen eine Chance hat, türmt er sich zu einem wahren Frequenzgewitter, das mühelos die Nachbarn von der anderen Straßenseite aus den Schlaf vibriert. Also, Dubheads, hier lohnt sich ein wenig Import-Recherche – dieses Album ist ein Killer!

Mal schauen, ob die Bush Chemists mit ihrem neuen Werk „Raw Raw Dub“ (Roir/Import) degegenhalten können. Es beginnt zunächst ganz am Anfang mit „New Beginning“. Doch was hier so vielversprechend heißt, entpuppt sich als gewohnt gutbürgerlich. Neo-Dub, oder auch UK-Dub, in Reinstform, nicht mehr und nicht weniger. Der nächste Track „Speaker Rocker“ baut schon etwas mehr Tempo auf und noch einen Track weiter, in dem Love Grocer-Remix „East Of Jaro“ kommt noch etwas Melodie dazu. Nein, gegen Kanka machen die Dub-Veteranen keine allzugute Figur, doch je länger man ihnen zuhört, sich auf ihre Musik einlässt, desto mehr verblasst der Vergleich und das Album entfaltet seine Qualitäten – und die bestehen darin, dass es den eingeschränkten Möglichkeiten des Neo-Dub (seiner Rhythmik, seinen Arrangements und seiner Instrumentierung) irgendwie doch noch weitgehend interessante Tunes abgewinnt. 

Hören wir lieber mal beim Original nach, hören wir, wie alles begann… 1991 nahm Zion Train das Debutalbum „A Passage To Indica“ auf, ein braves, unspektakuläres Album, das jetzt zusammen mit seinem Nachfolger „Natural Wonders of the World in Dub“ (Universal Egg/Import) – ein Neo-Dub-Meilenstein – frisch remastered neu veröffentlicht wird. Vor allem „Natural Wonders“ ist immer noch sehr hörenswert. Hier deutet sich schon sehr klar die für Zion Train typische Liaison zwischen Digi-Dub und schnellen  Acid-House-Rhythmen an. Das Album steckt voller bahnbrechender Ideen, jeder Track ist eigenständig und rhythmisch wie melodiös so prägnant, dass sich die Dubs beinahe als „Songs“ bezeichnen lassen, wie z. B. insbesondere beim letzten Track „Zion Canyon“ mit seiner sanften Ohrwurm-Piano-Melodie über der unweigerlich hypnotisierenden Bassline. Rückblickend zeigt sich das Album als ein erstes Manifest der neuen Möglichkeiten des Neuen Dub.

Abschließend noch ein historischer Blick auf den jamaikanischen Dub. Das amerikanische Label „Silver Kamel Audio“ widmet sich dem Oeuvre des Deejay und Produzenten Jah Thomas. Die letzten Veröffentlichungen sind der Sampler „Big Dance A Keep“ und das Dub-Pendant „Big Dance a Dub“ (Silverkamel/Import). Aufgenommen von den Roots Radics, Mafia und Fluxy sowie der Firehouse Crew im Tuff Gong und im Black Scorpio-Studio, bietet das Album 14 frisch eingespielte Tracks, die so klingen, als stammten sie aus den 80er und 90er Jahren. Das Album wäre keiner besonderen Erwähnung wert, wären da nicht all die schönen Studio One-Riddims, die hier in crisp eingespielter Fassung gewissermaßen pur zu hören sind. Ein Verneigung Nkrumah Thomas’ vor dem großen Erbe Studio Ones? Oder bloße Einfallslosigkeit? Egal, diese Riddims machen Spaß und tragen jedes Album.

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