Kategorien
Review

The Grapes of Dub: Combat Dub

Fangen wir mal mit Fragen an: „Wer würde das im Radio spielen? Welcher Veranstalter würde es wagen, dieses Material live zu präsentieren? Woher kommt diese Musik?“ Der legendäre Moderator John Peel, einst eine Institution in der britischen Radiolandschaft, ist leider schon lange (2004) tot. Er hätte sicherlich „The Grapes of Dub: Combat Dub“ (Giant Pulse Records) in seiner Sendung ein Forum geboten und einem breiteren Publikum vorgestellt. Auch das ON .U-Sound-Mastermind Adrian Sherwood hat bereits Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre im Londoner Berry Street Studio einen ähnlich vertrackten Sound produziert und sich über alle existierenden Regeln, Gesetze und Grenzen hinweggesetzt.

Auch ich kann sagen, dass ich mich seit Erscheinen des Albums intensiv mit ihm beschäftigt habe, denn von Zeit zu Zeit braucht auch mein Geist solche, etwas schwer zugängliche, psychedelische Hörerlebnisse. Das liegt nicht unbedingt an der Einnahme irgendwelcher bewusstseinsverändernder Substanzen. Abstrakte Klänge, die durch den unverhohlenen Einsatz und Missbrauch modernster Technik entstehen, finde ich schon immer sehr spannend und erfrischend. Edgar Varèse, Karlheinz Stockhausen oder CAN sind da nur einige Beispiele.

Über die Grapes of Dub habe ich im »Netz« sehr wenig gefunden, außer, dass die Aufnahmen im Puzzle Studio in Barcelona entstanden sind und im Mai dieses Jahres veröffentlicht wurden. Weitere Information zu den acht Tracks habe ich keine … null, nix, nada. So bleibt mir nur die akustische Annäherung, und die hat es in sich. Zu hören ist eine freie Rhythmusgestaltung, die auf den Prinzipien des Reggae basiert und doch von musikalischer Avantgarde in Verbindung mit harter Punk-Ethik beeinflusst ist. Klanglich ist „Combat Dub“ eine weitgehend instrumentale Angelegenheit, mit Hunderten von Effekten, entfernt klingenden Geräuschen und ohne erkennbare Gesangssamples. Im Grunde lässt sich der Sound in keine bestimmte Kategorie einordnen. Die Klangexperimente mit aktiven Frequenzen, aus dem Takt geratenen Geräuschen, Rhythmen innerhalb von Rhythmen und endlosen Bandbearbeitungen finde ich wie zu alten African Head Charge, New Age Steppers und Barmy Army Zeiten extrem spannend. Ja, der On .U Sound Addict wird bei „Combat Dub“ mühelos viele Parallelen heraushören, dennoch ist den Grapes of Dub über 40 Jahre nach den Vordenkern aus dem Berry Street Studio ein sehr spannender Hightech-Rhythmus-Mix aus menschlichen, tierischen und maschinellen Geräuschen gelungen. Solche Sounds bekommt man leider viel zu selten zu hören. Diese Kopfmusik finde ich schlicht und ergreifend großartig!

Bewertung: 4 von 5.

5 Antworten auf „The Grapes of Dub: Combat Dub“

I always discover something extraordinary on Dubblog.de. This time everything sounds even more experimental than usual. I like Combat Dub very much. It sounds a bit like a rediscovered On-U Sound product from the vault. Very Exciting!

Zur Zeit bin ich mal wieder ein wenig genervt, daß ich es einfach nicht schaffe, die vielen guten neuen DubErscheinungen alle gebührend zu würdigen. Und so gehe ich nahezu über alles hinweg, was hier bei euch keine 5 Sterne schafft. Zion Train konnte ich ganz schnell durchwinken, weil Neil Perch und ich leider nur sehr selten im DubFeeling zueinander finden. Die Spellbreakers waren mir musikalisch auch zu gewöhnlich unterwegs, wobei ich bei den DubEffekten hier und da jedoch sehr angetan war, zumal diese – für mich – durchaus neu und frisch klangen bzw. immer noch klingen. Aber seitdem die Europäer mal wieder so gut wie alles an sich gerissen haben und aus Jamaika so gut wie nix mehr kommt, weil es eh nicht „unterstützt“ wird und wohl auch von der jamaikanischen Bevölkerung kaum Beachtung findet, sind mir solche Alben wie „The Grapes Of Dub : Combat Dub“ sowas wie galaktische Inseln im großen Cosmos der DubMusik. Und wer hat´s in diesem Fall mal wieder „erfunden“ ? Auch die Europäer !!! (?)
Die Beschreibung der Musik wurde in der Rezension meiner Meinung nach exakt und genau auf den Punkt gebracht. Gerade weil (!) es wohl kaum jemand wagen würde, das im Radio zu spielen ist es anscheinend genau mein Ding. Radio hört man meistens nebenbei und nutzt es als zusätzlichen NervFaktor bei der Arbeit. Zum Glück habe ich schon lange einen ArbeitsPlatz, wo ich keine Radiomucke mehr ertragen muss. Hier läuft Reggae und Dub und gelegentlich auch gern African Dance Music. Den „Link“ dazu bekam ich auch hier im DubBlog !!! Dafür auch nochmal einen großen Dank an René !
Als On .U Sound Addict war ich vom ersten Ton an auch von diesem Album sehr fasziniert. Ich dachte sofort an jene, die, wenn man sie nach ihrem Musikgeschmack fragt, antworten, „och, ich höre eigentlich alles“. Dabei bin ich mir sicher, daß sie bei „Combat Dub“ doch lieber schnell ein Ticket für die nächste govanni zarella show buchen und das weite suchen. Ehrich gesagt, nehme ich das niermandem übel, bzw. kann ich das durch mein extrem gut ausgeprägtes Einfühlungvermögen sogar gut nachvollziehen. Diese Musik geht halt sehr weit über das einfache, banale Musikhören hinaus. Sowas hört man sich nicht zwischen Tür und Angeln an. Dabei wird auch nicht geredet. Das ist schon fast ein LSD – Trip und eine Reise in das innere Selbst. Türlich kann man das auch nüchtern hören aber das wäre für mich mal wieder so, als ob man einen Hawai-Urlaub ohne SurfBrett buchen würde. Richtig entfalten kann sich diese Musik nur in einem erweiterten Bewusstsein. Jedenfalls ist das meine Erkenntnis seit den ersten Tagen von On .U Sound. Ich höre hier von „Starship Africa“ bis hin zu „Drastic Season“ alles, was mein DizzyDubbyBrain am liebsten hat. Ich kann mit Punk ( Musik ) nicht das geringste anfangen aber die „PunkAttitude“ passt für mich einfach perfekt zu Dub. Adrian Sherwood kam vom Punk ( soweit ich das zu wissen glaube ) und das macht vielleicht auch, den für mich, so kleinen aber feinen Unterschhied aus.
„This is an aggro Dub Version“ !!! And I feel it like Jacob ! „VERY EXCITING !“
Warum gehts hier eigentlich so viel um On .U Sound ? Nun, ich finde „Combat Dub“ ist durch und durch On .U Sound, nur ohne Adrian Sherwood.

Für mich der einzig plausible Grund, warum das Album nur 4 Sterne bekommen konnte ;-) ………………………. lemmi

Hi lemmi,

das habe ich ganz genau gewusst, dass „The Grapes of Dub“ das Richtige für den ON .U Sound Connaisseur sind. Jacob hat in seinem Kommentar auch recht, wenn er „Combat Dub“ als eine Art wiederentdecktes Album aus dem ON .U Soundarchiv beschreibt – so habe ich es auch empfunden. Ich sage immer, dass man für viele ON .U Sound Alben erst ein Gehör entwickeln muss, sonst klingt alles wie die reinste Kakophonie. Aber wenn man dieses Gehör erlangt hat, wird man dafür wirklich belohnt. Das klingt jetzt fast wie eine Art von »Erleuchtung« und ehrlich gesagt, ein bisschen ist es auch so. Das ist keine Musik für mal so zwischendurch oder als Hintergrundbeschallung. Diese Musik erfordert Konzentration, ja, sie fordert dich geradezu heraus. Man könnte diese Musik mit dem Motto beschreiben: „Disturbing the comfortable and comforting the disturbed“. Damit ist schon fast alles gesagt, und das ist wahrscheinlich für viele zu viel des Guten. Vielleicht muss da auch schon die Brain Damage ein Stück weiter fortgeschritten sein. Wer weiß?

So ganz nebenbei, Felix Wolter aka Dubvisionist zählte 2013 „African Head Charge: My Life in A Hole in The Ground“ zu seinen fünf persönlichen Top-Dub-Alben. (https://dubblog.de/19-fragen-an-felix-wolter/)
Also Lemmi, irgendwie fühle ich mich schon wieder in meinem etwas schrägen Musikgeschmack bestätigt, denn Alben wie „Combat Dub“ oder vertrakte ON .U-Sachen sind auch für mich immer noch das Salz in der Suppe.

Ja Ras Vorbei !

Man kann deinen ( unseren ) Musikgeschmack auch als schräg bezeichnen, wobei ich eigentlich daruf bestehe, ihn als progressiv zu deuten.
Ich finde auch, daß man genau das unter „Open Minded“ verstehen könnte bzw. muss. Ja und wahrscheinlich hast du Recht, daß es auch eine gewisse, sich im Laufe des Lebens entwickelte – oder wie in meinem Fall, eine angeborene – Brain Damage braucht, um bei dieser „Art Of Dub“ in Verzückung zu geraten.
„Disturbing the comfortable and comforting the disturbed“ ……………… ist das nicht sogar ein Zitat aus dem Hause On .U Sound ? Kommt mir jedenfalls sehr bekannt vor ( aber wohl nicht bekannt genug ). Klingt so, als ob das ein gewisser Andy Fairley schon mal zum Besten gegeben haben könnte.
Du hast ja auch schon geschrieben, daß man für viele ON .U Sound Alben erst ein Gehör entwickeln muss, sonst klingt alles wie die reinste Kakophonie. Die Betonung liegt dabei auf dem Wort „VIELE“ wie ich finde und ich wollte hier nur nochmal einen drauf setzen und klarstellen, daß On U. Sound bzw. Adrian Sherwood durchaus auch sehr viele Dubs und Art Of Dubs produziert hat, die nicht mal im Ansatz nach Kakophonie klingen, sondern im Prinzip, sowas wie der Schlüssel zum Tor in das Klang – und Sound Nirvana sind. Ja, sowas geht bei mir nicht ohne ein wenig Theatralik ;-) …………….
Nur für den Fall, daß hier Menschen lesen, die immer noch nicht wissen, daß Adrian Sherwood der Beste ist ;-) …………

So, nach dieser „Selbstbeweihräucherung“ meines ( unseres ) Musikgeschmacks und einer kleinen Laudatio für On U. Sound darf es jetzt meinetwegen wieder „normal“ weitergehen ;-)

Bis denne ……………………… lemmi

„„Disturbing the comfortable and comforting the disturbed“ ……………… ist das nicht sogar ein Zitat aus dem Hause On .U Sound ? “
Ja, das stimmt, „die Bequemen beunruhigen – die Beunruhigten trösten“ ist das Motto von On .U Sound. Ich weiß aber, dass ich dieses Zitat auch schon im Zusammenhang mit Literatur und bildender Kunst gelesen habe. Ob es im Englischen ein geflügeltes Wort ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.