Kategorien
Review

Manasseh meets Praise

Ich will nicht lange herumdrücken und gleich vorweg gestehen: Das ist kein Dub Album. Da gibt’s keine Echos, kaum Hall oder sonstige Effekte. Das ist beileibe keine Reise durch’s Dub-Universum geschweige denn ein mehrdimensionaler Soundflash in Trip-Qualität. Aber es ist ein schönes, atmosphärisches Instrumental-Album der anderen Art – und ich stehe nicht an es als einen der bislang besten Releases des diesbezüglich dürren Jahres 2020 zu bezeichnen.

Die Rede ist von der neuen Produktion von Nick Manasseh, die er mit Praise eingespielt hat. Letzterer ist, soweit man der allwissenden Datenmüllhalde Google glauben möchte, ein versierter und gefragter Violinist, der schon mit diversen Größen im Studio und auf der Bühne zugange war. Damit wird klarer, in welche Richtung wir uns hier bewegen: Zum Clash der anderen Art – wenn Streichinstrumente auf Reggae treffen. Das ist per se keine Sensation und auch nicht neu, wie etwa Cat Coore, Ras Divarious oder zahlreiche Sherwood-Produktionen belegen. Bei „Manasseh Meets Praise“ (Roots Garden Records) gehen die beiden Komponenten allerdings eine nahezu perfekte Symbiose ein. 

Das mag einerseits am Produzenten Manasseh liegen, der hier seinen sanften aber unerschütterlichen, vom Earl Sixteen-Release „Gold Dust“ bekannten Stil weiterführt: Akustische Gitarren schweben über einem trägen Bassmonster. Hier kann sich Praise mit mehrschichtigen Streicher-Aufnahmen perfekt einbringen, sodaß mitunter der Eindruck entsteht als ob ein Streichquartett melancholische Musik zu einem ebensolchen Film einspielte – wie man auch im Video zum Track „Yes Mic“ nachvollziehen kann:

Warum man gerade dieses Stück für das Promo-Video ausgewählt hat, entzieht sich meiner Kenntnis; mein Verkaufsargument wäre jedenfalls „London Babylon“ gewesen, das mit seiner Melodieführung und seinem ausgeklügelten Arrangement mein Highlight des Albums ist. Vielleicht fiel die Auswahl schwer, weil die Tracks von „Mannasseh Meets Praise“ ein wunderbar abgestimmtes Potpourri ergeben und letztlich wie aus einem Guß wirken – und das obwohl die Aufnahmen über einen Zeitraum von nahezu zehn Jahren stattfanden.

Seinen größten Charme entfaltet das Album aber durch seinen wohltemperierten Klang. So wohlig weich, so tief und gleichzeitig mächtig hört man selten einen Reggae-Bass, auch die Höhen sind angenehm zurückhaltend. Im Mixdown sind die Violinen (und mitunter eine Querflöte) sanft eingebettet; da kreischt nichts, da ist kein Klang enervierend – und trotzdem ist man von „glattgebügelt“ meilenweit entfernt. Im rezensionsüblichen Selbstversuch habe ich auch diesen Release in Dauer-Schleife gehört; er war niemals langweilig oder hat durch die Wiederholungen genervt – aber er hat immer wieder neue Nuancen offenbart: Im Klangbild, im Arrangement, in der (imo klassischen) Melodieführung.

Wenn ich schlussendlich die Qualitäten des Albums in ein Wort zusammenfassen müsste, dann wäre es wohl „feinsinnig“. Diese Einschätzung wird nicht jedem behagen – Hardcore Dubheads könnte das alles zu lasch sein. Wer sich hingegen offen für nuancierte akustische Klänge zeigt, wird das Album und die Art, wie es latent ins Unterbewusstsein sickert, mögen. 

Bewertung: 4 von 5.

13 Antworten auf „Manasseh meets Praise“

Was heißt hier „mögen“ ?

Lieben ( ! ) tue ich das. Auch wenn ich hier nicht in einen Dubstorm hineinfliege, kann ich nicht anders, als diese Scheibe ( ? ) auf Händen zu tragen und ebnso in den 7. Himmel zu loben.
Genauso, wie einige andere Empfehlungen, die mir in „konspirativen Sitzungen“ ,-) in den lezten Tagen empfohlen wurden. Nick Manasseh kann anscheinend gar keine Musik produzieren, die mir nicht gefallen könnte. Ich bin schon seit seinem ersten Release ( hab keine Ahnung was sein erster war ;-) ) ein großer Fan von ihm. Der Mann hatte schon immer fantastische, innovative Ideen.
Das Promo-Stück ist schon gut aber ich empfinde es auch nicht als das Beste auf der Scheibe. Da könnte ich mich dem Tip „London Babylon“ durchaus anschließen. Aber die Rezension
ist so wie sie ist, komplett. Ich empfinde alles genau so und besonders, was den Klang der Instrumental-Dub-Tunes angeht, ist nun wirklich kein einziges Härchen in der Suppe mehr zu finden. Ich kapituliere ! Diese Scheibe ist perfekt ! Den einen „Punktabzug“ kann ich mir nur so erklären, das wir Dubheads hier eventuell doch hin und wieder mal ein Echo und einen Hall
mehr gebraucht haben könnten. Vielleicht wurde der Punkt aber auch einfach nur vergessen oder die Farbe war eben alle ;-)

Hardcore DubFans, die das zu lasch finden, haben anscheinend ihre Geschmacksnerven schon zu sehr überstrapaziert. Das ist Musik für „feinsinnige Feinschmecker“ …….

……… eben genau für solche „Connoisseure“ wie mich ;-) …………………………… lemmi

Hey lemmi,
nein, die Sternen-Farbe ist uns nicht ausgegangen :)
Das ist ein feines Album, aber ich meine da ist noch Luft nach oben… und die wäre theoretisch reserviert für ein „Manasseh meets Praise in Dub“.

Also dieses Album spiegelt Dub in neuen Facetten dar, das wäre der einzigst mir erklärliche Grund dieses Album zu beginn nicht zum Dub-Style zuzuordnen. Die Sounds, vorallem die Geigen und die Aufteilungen der Parts erinnern mich milde an Merkmale von Bombay Dub Orchesta.
Die Basslines und die Offbeats rufen jeden Dub/Reggae Liebhaber dazu auf, sich ihren Akzenten voll hinzugeben und ihre Früchte in dessen Ohr offenbahren zu lassen.
Zwei Songs erinnern mich an Betstandteile von Lee Perry & Mad prof., sowie Dreadzone’s liedern. Ich finde es immer sehr spannend wenn in versch. Songs die etwaige selbe bassline oder intro oder was auch immer gespielt wird, wobei das Wort „selbe“ keineswegs abwertend gemeint ist. Es gibt viele Facettenreiche songs, welche viele „Brüder und Schwestern“ haben, wenn man so will.

zurück zu dem was mir bei *Manasseh meets Praise* aufgefallen ist.

London Babylon ? Dread’pon Sound – Dreadzone
Wobei die intros sich einander ähneln, und im Verlauf doch in verschiedene Richtungen weisen.

Dub With Difference ? True Meaning of Dub – Lee Perry, MAd Professor and the Robotiks
Hier sind die Basslines eng verwandt und gehen stimmungstechnisch andere Wege

vielleicht sieht sich dazu jemand related :)

Hey Carter,

ich bin eher der konservativen Dub-Fraktion zuzurechnen und habe eine entsprechende Vorstellung was Dub ist und was nicht.
Kurzfassung: Dub ist die Neuinterpretation eines existierenden Musikstücks durch Bearbeitung mit den einschlägigen Dub-Techniken. Nichts davon trifft auf „Manasseh meets Praise“ zu… und trotzdem ist es ein sehr schönes und hörenswertes Album. Andere Dubheads haben freilich eine andere Definition was Dub ist… und das ist gut so :)

Es gibt ja diese klassischen Basslines / Riddims die immer und immer wieder verwendet und/oder neu interpretiert werden. Ich finde es sehr spannend wenn diese bekannten Basslines recycled werden und durch die restliche Instrumentierung / den Vocals ein neues Leben eingehaucht bekommen.

„London Babylon ? Dread’pon Sound – Dreadzone“

Yeah Mann ! Stimmt !!! Ob mir das in nächster Zeit so schnell aufgefallen wäre, weiß ich echt nicht. Ich musste hier aber noch mal kurz was schreiben, weil „Dread pon Sound“
ein Dub ist ( sorry gtkriz ;-) … ) der zu meinen „All Time Favorite Dubs“ gehört, die bei mir immer wieder sehr gut kommen. Nach dem Intro gehen beide andere Wege aber da die Erde ja rund ist, treffen die sich genau in meinem Kopf wieder und erzeugen ein fantastisches Musikgefühl.

Take It „Straight To A Sound Boy“ …………………. lemmi

lemmi,

ich höre sofort, wenn zwei Songs selbe, Stimmige Parts haben. Dann fesselt mich das so, dass ich erstmal gut ne Stunde den anderen Song dazu finden muss.
Werd jetzt öfter meinen Salat zu sowas dazugeben :D

„Zum Clash der anderen Art – wenn Streichinstrumente auf Reggae treffen. Das ist per se keine Sensation und auch nicht neu, wie etwa Cat Coore, Ras Divarious oder zahlreiche Sherwood-Produktionen belegen.“

Nicht zu vergessen „Dub with strings“ von den „Twinkle Brothers“.

Die Streicher im Reggae/Dub haben eine sehr lange Tradition. Harry Mudie war nach meiner Kenntnis der Erste, der Streicher bei seinen Produktionen benutze.

Paradabeispiele sind:
„Harry Mudie with King Tubby in Dub Conference Volume 1 (1975) – Volume 3 (1977)“. Für ewig Meilensteine des Dub!
Streicher-Sections ließ Mudie erstmals 1973 bei Aufnahmen zu John Holt’s „Time is the Master“ einfließen.

Spot on, dr.div! In diesem Sinn könnte man auch noch die zahlreichen Trojan- und Islands-Releases nennen, die entweder mit Streichern komplett in England aufgenommen wurden oder die JA-Produktionen, die ebendort nachträglich mit Streichern „verschlimmbessert“ wurden. Waren en vogue damals, die Streicher… siehe Bob & Marcia’s „Young, gifted & black“ (1970) oder die Beispiele, die Ras Vorbei hier gepostet hat.

moin gtkriz,

und doch kann ich dich verstehen, vorallem als u.a Autor dieses Blogs wenn man das Album nicht als Volldub Album bezeichnet. Das würde einfach zu sehr in die Breite gehen. „Dub ist die Neuinterpretation eines Existierenden Musikstücks“ ist eine Feine Definition. Da muss ich gerade an Lee Perry denken, der sagte mal so viel wie, Dub sei Unfertige Musik, die die Leute zu lieben begannen. Aber klar, heutzutage ist Dub mehr als Unfertige Reggae Songs und Riddims, aber doch entstand es so, wie wir wissen :)

„Dub ist die Neuinterpretation eines existierenden Musikstücks“

Das ist mir definitiv zu sehr zusammengefasst. Der Satz bedeutet so ja nix anderes, als wenn jede Coverversion, ob mit oder ohne Gesang schon ein Dub wäre.
Dann wäre z..B. Eric Claptons „I Shot The Sheriff“ die Dubversion von der original
Wailers Version. Oder „Every Breath You Take“ in der „Hip-Hop-Version“ wäre die DubVersion von der Sting Version, die eventuell auch kein original sein könnte. Für mich ist das weder HipHop noch Dub, sondern einfach nur schlaffe weichgespülte radiomusik.
Nun habe ich euch vielleicht auch mit Absicht falsch verstanden. Denn gtkriz hat ja den Zusatz „durch Bearbeitung der einschlägigigen Dubtechniken“ verwendet und das kann ich dann schon viel eher akzeptieren. So wie ich Lee Perry verstehe meint er, man hat aus einem fertigen Tune einen unfertigen gemacht.
Dub ist für mich weder fertig noch unfertig. Dub ist in erster Linie Fun !!! Sowohl für den Engineer als auch für den Hörer, der für diese Art Spaß zu haben ist. Dub ist Spiel, Spaß
und Fantasie.
Gtkriz hatte mal eine Definition, die ich jetzt nicht mehr finde aber die konnte ich sehr gut nachvollziehen. Sie ließ aber im Endeffekt doch nur einen gewissen Spielraum zu, der sich vor allem auf die Art der Produktion bezog. Sorry gtkriz, wenn ich das falsch in Erinnerung habe.
Ich meine ja immer, es ist Dub, wenn ich es sage ! Es ist Dub, wenn ich ein DubFeeling
habe. Das geht natürlich auch nicht als allgemeingültige Definition durch.
Vielleicht ist es auch nahezu unmöglich, etwas Übersinnliches wie Dub zu definieren.
Selbst wenn es so etwas wie eine ursprüngliche Definition für Dub geben würde, so kann sich auch Dub dem Raum-Zeit-Kontinuum nicht entziehen. Mit anderen Worten, auch Dub entwickelt sich mit der Zeit und schafft neue Räume. Die Techniken und die Technik
selbst schreitet unaufhaltsam voran und bringt stetig neues ans Licht.
Auch Autos und Flugzeuge haben sich im Vergleich zum Beginn enorm weiterentwickelt
und haben inzwischen sogar schon ihre Antriebsmöglichkeiten nicht nur verfeinert sondern auch komplett umgestellt. Dennoch heißen die Teile immer noch Auto und Flugzeug.
Und deshalb bezeichne ich jeden Tune, mit dem man ein DubFeeling bekommt, also quasi so etwas wie ein Fahr-oder gar Flug – bis hin zum Schwebegefühl, als DUB !!!

Schwebegefühl gibt mir selbst nochmal ein Stichwort, um das ganze noch mal mehr ins „Obskure“ zu übertragen. Schweben können wir inzwischen auch ! Zum Beispiel in der ISS im Orbit. Das ist dann sozusagen die Steigerung von Fahren und Fliegen. Womit wir bei On-U. Sound wären ;-)
On-U.Sound ist für mich definiert als :

„DUB PLUS X ZUM QUADRAT GETEILT DURCH WURZEL SIEBEN“

Ihr braucht das nicht nachzurechnen, da kommt eh immer 42 raus ……. lemmi

Tja, lemmi… hier haben wir wieder die offensichtlich ewig geführte Diskussion, was Dub ist und was Dub nicht ist. Mein Beitrag dazu: Jeder hat da seine eigene Auffassung, und das ist gut so. Schlussendlich wurde ja – wie auch schon bis-zum-abwinken diskutiert – noch immer keine Studie angefertigt, was unter den div. einschlägigen Begrifflichkeiten verstanden wird bzw. anhand der zeitlichen Entwicklung zu verstehen ist.

Und ja, Du hast zu Beginn Deines Kommentars den wirklich wichtigen, sozusagen alles-entscheidenden Satzteil weggelassen :)))

„Und ja, Du hast zu Beginn Deines Kommentars den wirklich wichtigen, sozusagen alles-entscheidenden Satzteil weggelassen“

Ja, sorry ;-) Aber eigentlich hatte Carter L. deine zasammengfasste Definition
nicht vollständig zitiert. Er hat dabei natürlich ein Mindestmaß an Intelligenz
vorausgesetzt und zurecht erwartet, das man ihn schon richtig verstehen würde. Für mich war das aber eine Steilvorlage, um hier nochmal ein bischen
rum zu spinnen.
Schleißlich hat Lee Perry auch schon mal gesagt und der muss es ja Wissen :

„Sex is Dub“ …………………….. lemmi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.