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Prince Fatty meets The Gorgon in Dub

Alleine mit der Person Edward O’Sullivan Lee, besser bekannt als Bunny „Striker“ Lee oder The Gorgon, könnte man hier Seiten füllen. Ohne Striker und selbstverständlich Osbourne Ruddock aka King Tubby sähe das Dub-Genre wahrscheinlich ganz anders aus. Die Zusammenarbeit der beiden ist und bleibt ein Meilenstein in der frühen Entwicklung des Dub. Bunny Lee war eine Ghetto-Größe, man könnte fast sagen eine Art Pate, einer, der fast alles regeln konnte. Bis zu seinem Tod im Oktober 2020 war er in Uptown Kingston genauso beliebt und respektiert wie bei den Sufferahs in Trenchtown. Bunny Lee fungierte oft als Vermittler, der auch Kredite vergab, Probleme löste und Geschäfte abwickelte. Als Byron Lee die Dynamik Studios modernisierte und sein altes Mischpult rauswarf, machte Striker den Deal perfekt, sodass King Tubby es kaufen konnte. So begann King Tubby mit einem richtigen Mehrspurstudio. Bunny Lee war von Anfang an von King Tubbys Arbeitsweise begeistert und die Produktionen der beiden sind und bleiben unerreicht. Jeder King Tubby Dub ist einzigartig. Tubby fügte die einzelnen Komponenten nicht mühselig zusammen, sondern startete einfach das Tape und legte live drauflos. Die Ergebnisse sind weithin bekannt und erfreuen sich immer noch großer Beliebtheit.

Der britische Produzent, Tontechniker und DJ Prince Fatty hat bereits die jüngeren Generationen an Reggae-, Soul- und Latin-Grooves herangeführt. Mit seinen eigenen Alben hat er sich den Ruf als einer der besten modernen Dub-Produzenten und Sound-Engineers der Welt erworben. Mit den ersten beiden Hollie Cook Alben, die er in den Jahren 2011 und 2014 produzierte, trug er einen wesentlichen Teil dazu bei, ein neues Kapitel des britischen Lovers Rock zu schreiben. In den vergangenen Jahren hat Prince Fatty durch verschiedene Singles eher dazu beigetragen, altgediente Künstler wie Little Roy, Winston Francis, Earl Sixteen sowie seinen Kollaborateur Horseman, der Schlagzeuger der britischen Gruppe Reggae Regular, in neuem Licht erscheinen zu lassen. Nach einer längeren Schaffenspause kehrt er mit dem Album „Prince Fatty meets The Gorgon in Dub“ (VP Records / Greensleeves) zu der Handwerkskunst zurück, die vor 50 Jahren von King Tubby, Prince Philip, Prince Jammy und vielen unbesungenen Helden kreiert wurde. Ein sorgfältig ausgewähltes Set von Masteraufnahmen aus der alten Bunny „Striker“ Lee / King Tubby-Ära wird von Fatty in die Gegenwart transferiert. Konzeptionell sieht die Idee vor, dass Prince Fatty die klassischen Sounds der verstorbenen jamaikanischen Musiklegenden Bunny „Striker“ Lee und King Tubby neu interpretiert. Das vorliegende Album ist mit seinen 10 Dubs also das klangliche Destillat einer interessanten Geschichte. Nachdem Prince Fatty auf die Sammlung archivierter Striker Lee Aufnahmen gestoßen war, nutzte der junge Dub-Produzent die Gelegenheit, die Versionen nach seinem eigenen Geschmack zu remixen. Ziel war es wieder einmal, die Tracks jüngeren Hörern zugänglich zu machen und das Feuer für Striker Lees Dub-Zeitgeist erneut zu entfachen. Für das echte Remixing hat Prince Fatty das Audiomaterial in den analogen Bereich transferiert: Er hat die Aufnahmen durch ein sorgfältig rekonstruiertes analoges Audiosystem geschickt, welches dem von King Tubby ähnelt. Das Ergebnis ist ein knackiges, modernes Dub-Meisterwerk, bei dem Fatty selbst den Status der Songs als Klassiker anerkennt.

Noch einige Anmerkungen zur gelungenen Songauswahl: Die Riddims stammen aus Linval Thompsons „Jah Jah A The Conqueror“, die mit Tommy McCooks Instrumental-Arrangements des gleichen Tracks verarbeitet wurden. Ebenfalls enthalten sind Jackie Edwards‘ „The Invasion“, das ursprünglich von Burning Spear bekannt ist. Gefolgt von Cornel Campbells „Press Along“, Horace Andys „Don’t Try To Use Me“ sowie Ronnie Davis‘ „Sun Is Shining“, das wir ursprünglich von Bob Marley kennen. Nachfolgend hören wir Barry Browns „Give Thanks & Praise“ und Rod Taylors „Garden Of Eden“. Die Riddims von Neville Browns „Prophesy“ sind auch von Don Carlos‘ „Late Night Blues“ bekannt. Bei Leroy Smarts „No Love“, kennt man das Instrumental auch als Horace Andys „Zion Gate“ und Don Carlos‘ „Ababajonoi“ geht auf das Instrumental „Real Rock“ von Jackie Mittoo und Vin Gordon zurück. Insgesamt ein neu bearbeitetes Dub-Album mit Klassikern für die moderne Ära, das in ein paar Jahrzehnten möglicherweise selbst zum Klassiker wird.

Bewertung: 4 von 5.

5 Antworten auf „Prince Fatty meets The Gorgon in Dub“

Nun, das Album ist eine Klassikeransammlung, die Originale bekannt (danke Ras Vorbei für die minutiöse Aufzählung der Originals), da fragt sich meineiner, weshalb überhaupt nochmals neu aufmischen, dubben und rausgeben?
Klar, alles Klassiker und klar, vielleicht bringt man so „neue“ Hörerinnen und Hörer zu Dubmusik… ich hätte eigentlich lieber die alten Tracks weitergehört (werde ich auch machen, denn denen ist meiner Meinung nach nichts hinzuzufügen) und von Prince Fatty neue Riddims!
Vielleicht fehlt ihm ja dazu die Inspiration, so spekuliere ich jedenfalls.

Hi Philipp,

hätte es dieses Album gebraucht? Eine berechtigte Frage, wie ich finde. Was mir bei den Prince Fatty Remixes aufgefallen ist: Er hat das Striker Markenzeichen – die Flying Cymbals – zur Freude einiger [z.B. lemmi ;-)] hörbar zurückgenommen. Die Flying Cymbals sind immer noch hörbar, aber nicht mehr omnipräsent. Mir gefällt auch die Trackauswahl, die Prince Fatty mit sicherer Hand aus dem riesigen Striker/Tubby-Pool gefischt hat. Bisher habe ich noch nicht die Zeit gefunden, Prince Fattys Remixe mit den Originalen zu vergleichen. Was ich für mich sagen kann: Mir gefallen die Neubearbeitungen und Prince Fatty hat es schon jetzt geschafft, dass ich mich wieder intensiver mit dem Dub-Erbe beschäftige.

Das meint Prince Fatty zu seiner Herangehensweise: „These are classic songs, we all know the arrangements inside out, so to me it’s nicer and fresher to hear a new structure,” explains Prince Fatty of his approach. “I’ve had a lot of fun with this and it’s been very educational for me. To hear the quality, not just of the musicianship, but the engineering is spectacular.”
„The personalities of all the characters involved, I think that is underestimated,” he continues. “People always talk about the equipment or the tape machine or the mixing desk, but I defy anyone to sound like the Aggrovators. That’s what’s beautiful about all these recordings. The personality is just jumping out of the speakers. Hearing the vocals in isolation just makes the hair on my arms stand up.“

Ding Dong ! High „Freunde“ ! Ich bin wieder hier im DubRevier und freue mich, meine „SenfTube“ wieder ein wenig auszudrücken.
Prince Fatty ist auch einer meiner ganz großen Helden im ReggaeMusicCircle und im Gegensatz zu mir, labert der nicht nur rum, sondern lässt Taten sprechen. Zudem haben wir in etwa die selbe „Definition of a boombastic DubStyle“ !
Ich möchte mich vor allem der Frage anschließen, ob es dieses Album wirklich gebraucht hat. Auch mir sind die Details im Vergleich zu den Originals nicht auf Anhieb so bekannt, daß ich diese Frage aus dieser Sicht – für mich – sofort beantworten kann.
Für mich hören sich die Neubearbeitungen fast genauso an, wie die Originale, denen auch aus meiner Sicht nix hinzuzufügen war bzw. ist.
Jetzt ist es aber so, daß es auch manchmal von großem Vorteil sein kann, wenn man etwas weg lässt. Und Ras Vorbei spricht mir aus der Seele, wenn er anmerkt, daß Prince Fatty die ( zischenden ) Flying Cimbals hörbar zurückgenommen hat. Ich habe mir aus der Dub Konferenz gemerkt, daß King Tubby den High – Pass – Filter zunächst selbst als „Fehler“ empfand und darauf gar nicht so einen Bock hatte.
( ich konnte mir aber auch inna Schule schon so gut wie nix richtig merken, was irgendwo in Büchern stand, daher bitte ich um Nachsicht, wenn ich mir das mit dem Filter und King Tibby falsch gemerkt habe )
Fakt ist jedenfalls, daß das „gecymbele“ hier von Prince Fatty in einen deutlich angenehmeren Frequenzbereich transferiert wurde, wobei nahezu alles andere beim alten geblieben ist. Wenn ich Prince Fatty aber richtig verstehe, dann hat er da schon eine neue Struktur aufgebaut. Auch gut ! Ebenfalls gemerkt habe ich mir, daß es in Jamaika keine Fehler beim recording, sondern nur neue Stile gibt. „Jeder Fehler ist ein neuer Stil“ !!! Solche Aussagen machen mich glücklich !!! Wobei man Fehler nicht mit Pfusch verwechseln sollte, denn wenn z.B. ein Arzt mir erzählen würde, „sorry ich habe da einen Fehler gemacht, deshalb ist der Patient jetzt tot“, dann würde ich mich ganz und gar nicht darüber freuen, wenn er meint, ich sollte das jetzt mal „neu bewerten“ und es als neuen Stil akzeptieren. Aber bei Musik und ganz besonders im Dub, sind mir Fehler oder eben auch neue Stile durchaus willkommen. Vorausgesetzt, ich kann mit dem Fehler überhaupt etwas anfangen. Ja …. und mit dem „High – Pass – Cymble – Fehler“ konnte ich noch nie etwas anfangen.
So gesehen empfinde ich dieses Album von Prince Fatty wie eine Reparatur eines sehr schönen OldTimers, der leider mitten auf der Windschutzscheibe einen hässlichen Kratzer hatte und nun endlich durch eine neue Scheibe beseitigt wurde. ( Wie schön doch diese Doppeldeutigkeit mit der „Scheibe“ wieder ganz von selbst und rein zufällig entstanden ist ;-) ).
VP-Records ist zwar immer noch ein „rotes Tuch“ für mich aber ich bin mir sehr sicher, daß man dieses Album auch haptisch erweben kann, bzw. „können haben wird“ …… oder so ähnlich.

Noch was in eigener Sache : Es heißt ja immer, früher war alles besser und in diesem Fall stimmt das auch mal wider : Dieser ( zu ) kleine Ausschnitt in der Kommentarspalte ist „Bullenkacke“ …….. Ich verliere oft den Faden und muss immer wieder mal nachlesen, was ich schon geschrieben habe. Früher konnte ich das besser machen, weil man einen großen Teil seines Kommentars auf einen Blick hatte. Jetzt fühlt sich das so an, als ob ich in der BeschwerdeAbleilung von Lidl bin.

Ansonsten würde ich sagen, es wird ja „nix“ schlechter, nur anders ;-)

So long ……………… lemmi

„Ebenfalls gemerkt habe ich mir, dass es in Jamaika keine Fehler beim recording, sondern nur neue Stile gibt.“

Ja, das kann man so sehen, lemmi. King Tubby hat mit seiner Technik noch aus Fehlern Musik gemacht, indem er beispielsweise Gesangsfehler, also falsch gesungene Töne, herausgenommen und/oder durch Soundeffekte ersetzt hat. Manchmal ließ er bis auf Bass und Schlagzeug und vielleicht noch den Riddim alles weg. Wenn er dann den Gesang wieder hinzufügte, kam niemand auf die Idee, dass an den ursprünglichen Aufnahmen noch etwas korrigiert worden war. Dadurch klang alles am Ende so, als wäre es von Anfang an so geplant gewesen.

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