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Pyrotechnist: Fire Crackers

Langsam reicht’s dann auch wieder mit dem 70s Revival. Neuaufnahmen mit verklärten Blick auf die gute alte Zeit gab’s ja in letzter Zeit zuhauf: Hier ein Teil Roots, da ein Teil Lovers Rock, gewürzt mit einem Hauch Ska und/oder Rocksteady, das ganz wahlweise gerührt oder geschüttelt mit analogen Instrumenten und Dub-Effekten – fertig ist der neue, alte Cocktail wie er jetzt auf amerikanischen und europäischen Plattformen serviert wird. Dass der durchaus schmecken kann, haben vor allem die eher Roots-orientierten Produktionen von Roberto Sanchez bewiesen: Ihm ist es gelungen, die Essenz jamaikanischer Produktionen der späten 70er zu replizieren und ins heute zu verfrachten. Sanchez hat damit einen Meilenstein gesetzt, anhand dessen man andere Produktionen durchaus messen kann – auch wenn sie zeitlich eher ansetzen und Aufnahmen der frühen 70er als Referenz nehmen.

Man kann und sollte die Frage in den Raum stellen, ob so ein 70s Revival-Trend überhaupt Sinn macht: Warum einen Sound reproduzieren, von dem es dank Labels wie Pressure Sounds exzellente Originale zuhauf gibt? Wozu die alten Meister des Genres imitieren, wenn man nicht deren Ideenreichtum, Experimentierfreude, aber auch Unverfrorenheit und Respektlosigkeit gegenüber jeglichen technischen Standards und Gepflogenheiten aufbringen kann? Das waren damals keine bedachten, ausgewogenen Klänge die das Ohr umschmeichelt haben, sondern die volle Breitseite über den Anschlag hinaus: Einem King Tubby war es hörbar egal, ob ein Effekt völlig übersteuert und die PA bzw. die Studiomonitore über Grenzen hinaus belasten; allein das Ergebnis zählte. Dieser Wagemut fehlt den Replika völlig; mitunter kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass lediglich Mittoo-eske Hintergrundbeschallung für gediegene Einkaufstempel à la Galerie Lafayette aufgenommen wurde: Langweilig, belanglos. Und doch ist den Revival-Bands als Live-Act ein gewisser Stellenwert zu zusprechen; mit wesentlich druckvollerem Sound machen sie die Bühne zum Ort, wo die Arrangements á la 70s so richtig Spaß machen können. 

Ich gehe davon aus, dass es sich beim belgischen Band-Projekt Pyrotechnist ähnlich verhält. Deren Album „Fire Crackers“ (Badasonic Records) ist dieser Tage erschienen und bietet neben sauberem Sound gediegene Arrangements, die nicht zu knapp mit Dub-Effekten versetzt sind. Die frühen 70er stehen im Mittelpunkt; es werden Erinnerungen an Jackie Mittoo, Augustus Pablo, Dave Barker & Ansel Collins, aber auch Sly Dunbar bemüht. Das ergibt in summa eine eklektische und unspektakuläre Mischung aus Reggae und Rocksteady mit Ska-Anklängen. Spannend wird es lediglich dann, wenn Bläsersätze ins Spiel kommen; wenn Drums soweit in den Hintergrund gemixt werden, dass nur mehr Snare und Fills hörbar sind; wenn (endlich wieder einmal) das Clavinet eine Rolle spielt oder sich die mitunter hervorragenden Dub-Effekte in den Mittelpunkt drängen. 

Freilich kann man das Album in seiner Gesamtheit als Verbeugung vor den obgenannten Meister-Instrumentalisten verstehen; die Aufnahmen werden den Originalen aber nicht gerecht. Wer wird also Freude an „Fire Crackers“ haben? Vermutlich Nostalgiker und die Galerie Lafayette; allen anderen empfehle ich die entsprechenden Releases von Blood & Fire, Pressure Sounds & Co.

Bewertung: 2 von 5.

3 Antworten auf „Pyrotechnist: Fire Crackers“

Ich kann mit Rocksteady nicht viel anfangen, deshalb empfehle ich die Roberto Sanchez Produktionen „Ten Thousand Lions“ (Ras Teo)
https://open.spotify.com/album/77fQw2MoiWbW3CCilCzc45?si=4nvO85nhRp-K0NJs8rBVGQ
und „Natty Farming“ (Earl Sixteen)
https://open.spotify.com/album/05qt8lEQd7baYREZhpiNcK?si=2CnQCZaVTY-_99OIh9bOiw
sowie die wunderbare Compilation „Deep Roots Music & Dub: The 10″ Collection“
https://open.spotify.com/album/0kihxjAzpQz1eiiU39gPSs?si=3JAXPb5XQs2YHSic0WkKHQ

Sorry, wenn das jetzt nur kurz wird ( na endlich will er sich mal kurz fassen, denken vielleicht einige oder alle ) aber ich kann nur soviel sagen, das ich diese Scheibe hier auf meinem Einkaufszettel stehen habe, von daher fand ich die wohl gar nicht so schlecht. Wahrscheinlich hat mich die Verbindung zu den fantastischen Originalen wieder geblendet. Aber wie gtkriz schon so schön geschrieben hat, kommen die Remakes mit sauberem Sound, gediegenen ( nicht biederen ) Arrangements und nicht zu knapp gehaltenen Dubeffekten in unsere Ohren und da kann ich wohl wieder nicht aus meiner Haut. Ich bin eh ein Nostalgiker, mit
dem Hang zu Science Fiction. Also eine gespaltene Persönlichkeit mit festen Prinzipien …… if anyone knows what I mean ;-)
Ja und die neue Alpheus wird mir bestimmt auch wieder gefallen, so wie alles von Ihm.

Greetings ……………………. lemmi

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