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Sly & Robbie: Red Hills Road

Fast habe ich den Eindruck, dass die Welt inzwischen bereit ist für instrumentalen Reggae. Mag sein, dass die stets wachsende Popularität von Dub der kleinen Schwester „Instrumentals“ den Weg bereitet hat. Es kann aber auch sein, dass es manchen Dancehall-Afficionados – ausgehungert vom Minimalismus der Beats zwischen Hip Hop und Trap – inzwischen nach sattem Sound, rollenden Grooves und echten Arrangements verlangt (wir alle werden älter). Clive Hunts phantastisches Album „Blue Lizzard“ sowie das superbe „Jamaica By Bus“ von Addis Records – beide erst vor wenigen Wochen erschienen – wecken da Hoffnung. Ganz zu schweigen von „Manasseh Meets Praise“ oder den schönen Alben von Marcel-Philipp – alles beeindruckende Instrumentalwerke jüngeren Datums. Für die Kollegen aus der Ska-Fraktion wahrscheinlich Standard, versetzt es uns Reggae-Hörer*innen in Aufregung. Und nun kommen auch noch Sly & Robbie mit ihrem neuen Instrumentalalbum „Red Hills Road“ (Taxi) um die Ecke – kein Dub, wohlgemerkt. „Ich hege eine große Liebe für instrumentalen Reggae.“, erklärt Sly Dunbar, „In Zeiten von Ska und Rocksteady gab es viele Instrumentals, doch danach nicht mehr. Insbesondere nicht bei Dancehall“. Ganz ähnlich entwickelte sich ja auch die Dub-Musik. In Zeiten volltönender Roots-Rhythms blühte das Genre, um dann – zumindest in Jamaika – mit dem Aufkommen digitaler Dancehall Beats schließlich das Zeitliche zu segnen. Nur außerhalb der Insel lebt das Genre weiter und bildet heute eine Reggae-Parallelwelt, die selbst den Globetrotter Sly überrascht und vom gewaltigen „Rumbeling Sound“ europäischer Dub-Soundsytems schwärmen lässt: „Europa ist ein Riesenmarkt für Dub – Dub ist dort einfach nice“. Aber Sly & Robbie wären nicht die Riddim Twins, wenn sie einfach nur Trends nachlaufen würden. Mit ihrem Lebenswerk in der Tasche und den Schäfchen wahrscheinlich halbwegs im Trockenen, müssen sich die beiden nichts mehr beweisen und machen einfach ihr Ding, jenseits von Trends, Mainstream-Erwartungen und Chart-Platzierungen (ganz so wie sie es schon immer gern gemacht haben). Mit dieser entspannten Haltung entstanden im Pop-Studio der beiden körperlich so unterschiedlichen wie seelisch eng verwandten Zwillinge verrückte Instrumental-Tunes, die jeglichem Konzept sowie stilistischer Einheitlichkeit spotten. Der kleinste gemeinsame Nenner besteht darin, dass ein Großteil der Tunes versucht, Dancehall instrumental zu denken. Es gibt aber auch Kumina- und Mento-Anleihen, schmalzige Soul-Schnulzen sowie uralte Aufnahmen aus den 1990er Jahren. Die Sammlung „Album“ zu nennen, ist jedenfalls Hochstapelei. Aber, was soll ich sagen: hier passt nichts zusammen, Dancehall in Form von Instrumentals funktioniert definitiv nicht und Schnulzen mit Dean Fraser-Saxofonspiel braucht auch niemand – und dennoch ist „Red Hills Rd.“ ein irgendwie charmantes Werk. Die schrullig skurrilen Produktionen, das radikale Wechselbad der Sounds (alles muss raus) sowie die Unverfrorenheit, mit dem guten Reggae-Geschmack so böse zu brechen, verleiht „Red Hills Rd.“ den Status „hörenswert“.
Übrigens war die Red Hills Road in den 1970er Jahren die Straße der Nightclubs in Kingston. Hier haben sich Sly & Robbie kennen und schätzen gelernt, als sie in konkurrierenden Clubs spielten (Sly in „Tit for Tat“ und Robbie in „Evil People“) und die Pausen nutzten, um sich gegenseitig zu besuchen und zuzuhören. Das Album ist also so etwas wie eine Hommage an diese legendäre Straße – in deren Hausnummer 30 sich außerdem bis heute das Studio der beiden befindet.

Bewertung: 3.5 von 5.

2 Antworten auf „Sly & Robbie: Red Hills Road“

„Es kann aber auch sein, dass es manchen Dancehall-Afficionados – ausgehungert vom Minimalismus der Beats zwischen Hip Hop und Trap – inzwischen nach sattem Sound, rollenden Grooves und echten Arrangements verlangt.“

Nit möööglich ! ………… ;-)

Minimalistische Beats zwischen HipHop und Trap ! Das hält man doch eh nicht lange aus. Typische Heipa Heipa Musik ohne Klasse. Trendy Andy Musik. Masse statt Klasse. Schuldigung, wenn ich gleich wieder noch einen draufsetzen musste aber der zitierte Satz spricht mir einfach vollkommen aus der Seele.
Wie gut, das Sly and Robbie schon immer trendfest waren, ihr Ding gemacht haben und immer noch machen. Und auch dem europäischen “ Rumbeling Sound“ müssen sie nicht folgen.
Wenn, dann haben sie die Trends gesetzt und so war das auch gut so. Wenn alle immer nur irgendwelchen Trends oder Hypes folgen würden, wäre das ja wie ein Algorithmus, bei dem irgendwann alles angepasst ist und es keine Diversität mehr gibt. Bis dann wieder jemand nen neuen Trend erfindet, dem dann alle wieder nachlaufen können oder wollen. Dann könnte man Sly And Robbie nicht mehr an ihrem unverwechselbaren Style erkennen und sie würden z. B. ( im Moment ) auch nur noch „Rumbeling Sound“ machen. Is doch gut wenn jeder sein Ding macht, denn so entsteht Abwechslung, bzw. bleibt Abwechslung erhalten.
Auch wenn hier auf „Red Hills Road“ so gut wie kein Reggae drauf ist, hätte ich wahrscheinlich sofort erkannt, dass hier Sly And Robbie am Werk sind. Zumal ich schon eine ähnliche Scheibe von den Beiden bzw. von der Taxi Gang habe. Diese hier gefällt aber sogar noch besser. Ich habe zwar nicht jeden Tag Bock drauf aber zum Beispiel heute Morgen hat es meine gute Freitagslaune sofort in beste Urlaubslaune katapultiert. Schon der erste Tune „Yaw yaw yippee“ kitzelte meine Pobäckchen und es viel mir schwer, still sitzen zu bleiben. Bis dann das Keyboard kam und ein paar „verbotene Töne“ spielte und diese hin und wieder auch noch wiederholte. Da war ich dann raus aus der Nummer. Mad Piano hat mich auch noch nicht so richtig gepackt und ich dachte schon, alles klar, zu den Akten mit der Scheibe. Aber dann folgt ja „Linsted Market“ ! Ganz große klasse finde ich das. Der Riddim pusht mich sehr und die Geige und das Benjo ( ? ) spielen ein paar sehr charmante kleine Melodien ein. Das reicht schon fast, um auf KAUFEN zu klicken. „Belly Dancer“ hat nicht ganz so feines „Lametta“ um den Riddim herum aber da bleibe ich auch gleich auf dem Tanzparkett und hotte weiter. Sweet „Dub“ ist schwierig für mich. Bass and Drum pumpen mich gewaltig auf und ich brauch noch nicht mal mehr inna Kabadose zu übernachten, um ein kleines bischen „Größenwahn“ zu erlangen. Aaaaaaaber lieber Sly Dunbar den Klang von der Snare – bzw. der Beat, auf dem sonst immer die Snare dropt – geht bei mir gar nicht. Ich mag diesen Drumsound überhaupt nicht. Ich kann mir das nun folgende „leider“ auch nicht verkneifen ;-) …. „So far away“ !???
Wie gut, das René hier den Weg für mich schon mal ein bischen „frei geräumt“ hat. „Schnulzen mit Dean Fraser-Saxofonspiel braucht auch niemand.“
Genau !!! Aber hey, einer geht doch noch ;-) …….. Bei mir weckt es die Assoziation, es läuft gerade eine neue Folge vom Bergdoktor und Dean Frazer spielt zum „happy end“.
( Sein Saxophonsound klingt für mich nur noch so, als ob er zu sehr gegendert worden wäre ).
„When Love Is New“ …… NAAIIN ( NEIN ) Doch ! Oooh ! „Barry White“ oder was ? Neeeee, da bin ich weg. Da gehe ich freiwillig ins Tor.
Dann lieber „Hall and Pull Up“ ! Ich weiß nicht, wie lange das bei mir anhalten wird aber momentan fetzt das richtig gut bei mir. „santa Barbara“ nehme ich dann so nebenbei auch noch mit,
wobei mir hier die „Snare“ auch wider zu penetrant klopft. „El Bang Bang“ !!! Yeah Mann !!! Caribian Roots Music !!! „Nayabinghy“ a la „Beat Box“ geht bei mir auch immer. Die Unterdrücker müssen täglich gekillt werden, sonst kommen wir hier niemals zum Frieden auf Erden. „Two Thirty“ plätschert komplett an mir vorbei, ohne mich nass zu machen.
Und „Coronation Market“ passt mir schon allein wegen dem Akkordeon sehr gut in meinen Kram. Genau so mag ich Akkordeon und genau so könnte man das für mich dann in den einen oder anderen Dub transferieren.

Habe ich jetzt echt so viel zu der Scheibe geschrieben ? So gut isse nun auch wieder nicht ! Aber gefällt mir …………………………. lemmi

Ich fand ja besonders interessant, dass Sly Dunbar bei seinem Gleaner-Interview (aus dem ich zitiert hatte) das Bedürfnis verspürte, seine jamaikanischen Leser:innen über den Dub-Sound aus Europa aufzuklären. Daran erkenn man, wie weit sich die Welten von zeitgenössischem Reggae/Dancehall und Dub sich auseinander entwickelt haben.

Man muss aber auch eingestehen, dass Dub sich viel, viel langsamer entwickelt, als Dancehall-Reggae. Dafür ist er aber deutlich eigenständiger – und wie ich finde auch musikalisch anspruchsvoller – als Dancehall. Letzterer ist von den im Artikel zitierten Stilen kaum mehr zu unterscheiden.

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