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Five Star Review

The Mikey Dread Show: African Anthem Dubwise

„Him don’t steal, him don’t gamble, talking ‘bout man called Michael Campbell“ heißt es an einer Stelle auf der LP . Michael Campbell (1954 – 2008) alias Mikey Dread kam zu Ruhm, als er 1976 nach einer Ausbildung zum Radio- und Tontechniker eine enorm erfolgreiche Radioshow beim Jamaican Broadcasting Service (JBC) startete, mit der er an sechs Tagen der Woche vier Stunden lang um Mitternacht das Reggae-Radio-Format erfand. Er war der Erste, der im Sound System Style live on air ging. Nach zwei Jahren überwarf sich Campbell mit JBC. Er kündigte, gründete das Dread At The Control (DATC) Label und begann, sich selbst und andere zu produzieren. Die ersten LPs aus dem Jahr 1979 kopierten sowohl das Prinzip wie auch den Titel seiner eingestellten Radiosendung: Auf dem Debüt „Dread At The Controls“ (a.k.a. „Evolutionary Rockers“) präsentierte sich Campbell als eine Mischung aus MC und Deejay. Gleich mit dem Nachfolger „African Anthem Dubwise“ gelang ihm dann nicht nur sein bestes Album überhaupt, sondern auch eine der brillantesten Dub LPs aller Zeiten. Ein Monster der Version-Kultur, das wesentlich zur europäischen Erfolgsgeschichte des Dub beitrug. Als Basis dienten je zwei von Mikey Dread produzierte Songs von Rod Taylor („Behold Him“ + „His Imperial Majesty“) und Edi Fitzroy („Country Man“ + „Miss Molly“) sowie fünf seiner eigenen Titel. Die Riddims wurden von Prince Jammy in einer Nachtsession bei King Tubby gemischt und anschließend nach London verfrachtet. Dort kübelte der 2016 verstorbene, mit Campbell und Jammy eng befreundete Engländer Dave Hendley, auf dessen kurzlebigem Cruise Label „African Anthem Dubwise“ zuerst erschien, eine Wagenladung an Jive Talk, Synthie-, Sound- und Stimmeffekten über die rohen Dubs, was ihnen eine archaische Wildheit verlieh. Im Gegensatz zu den ebenfalls in England vorgenommen Overdubs bei den Greensleeves Alben von Scientist war die Aktion mit Mikey Dread abgesprochen bzw. ausdrücklich von ihm bestellt. Er hatte Hendley dafür ein vorbereitetes Tape mit Gimmix gegeben, die alle aus seiner Radioshow stammten. Darunter viele Jingles wie „Oh my gosh, the music just turns me on“, „Riddim full of culture, ya“ oder „Brandnew – Good For You“, die zu tausendfach gesampelten Klassikern wurden. „African Anthem Dubwise“ erschien zuletzt vor 15 Jahren in einer erweiterten Deluxe Version mit anderem – banalen – Cover. Music On Vinyl hat die LP im Original Artwork wiederveröffentlicht, mit modernem, bauchigen und weniger schrillen Sound. Zuerst erschien sie limitiert auf 1.000 nummerierten Exemplaren in blauem Vinyl, am 29.01.2020 kommt sie in schwarzem Vinyl. Alles was es sonst zu der Platte zu sagen gibt, erklärt Big Youth im Auftakt zu Seite Zwei: „Who is the man who plays Roots Rock Reggae? Michael Campbell, the Dread at the control, to thrill your soul. Alright? Alright!“ (Der Text erschien zuerst in RIDDIM 04/20 und wurde aktualisiert.)

Bewertung: 5 von 5.

15 Antworten auf „The Mikey Dread Show: African Anthem Dubwise“

Interessantes Album, Helmut. Ich mag, dass Du das Wort „kübeln“ in Zusammenhang mit Trojan’s Dave Hendley benutzt – ich hab‘ mir immer schon gewünscht, es gäbe das Album ohne diese unsäglich-dümmlichen Sprüche (wo war die JBC wenn man sie mal braucht?). Im Grunde sind’s ja feine S&R/Revolutionaries-Riddims, deren Dub-Mix ich niemals einem Prince Jammy zugetraut hätte. Mir war nicht bewußt, dass der 1979 zu solch ausgefeilten Mixes fähig war.

Noch ein Tipp: Ich würde den Link zu den diversen Plattformen auf die 1979er-DATC-Version ausrichten, die expanded-2004er-Version klingt imo grottig. Ich fordere Arbeitsverbot für den Mastering-Ingenieur der das verbrochen hat :-)

Den Link am Ende des Textes habe ich eingefügt. Helmut ist unschuldig. Poste den Link zu 1979er DATC-Version doch mal hier in die Kommentare.

„Interessant“ sagt man doch, wenn man nicht wirklich überzeugt ist, oder? :-) Das Album ohne die „Sprüche“ wäre imho nicht die Hälfte wert. Gerade der Jive-Talk und die Jingles machen den Reiz des Albums aus. Nicht vergessen: Die LP ist aufgezogen wie Mikey Dreads Radio-Show. Und nach der war nicht nur Jamaika sondern auch Europa verrückt. Kassetten-Mitschnitte wurden hoch gehandelt. Ich habe mich nicht auf die 2004er Version bezogen, weil da ein schreckliches Cover und zu viel unpassendes Bonusmaterial im Spiel ist. Die neue MOV Version dagegen ist dezent nachgemastert. Und in Sachen Jammy’s muss ich dann ja wohl nachlegen, um zu zeigen, was für rasante Mixe er in Tubbys Studio geschraubt hat. Soon come…

„Gerade der Jive-Talk und die Jingles machen den Reiz des Albums aus.“

Greetings ! Yo, das empfinde ich genauso. Die ein oder andere DubVersion gibt es auch auf anderen DubScheiben von Mikey Dread. Als einfacher Kommentator muss ich mir hoffentlich nicht die Mühe machen, das jetzt exakt zu verlinken aber ich bin mir sicher, das ich da noch gewisse andere Versions „im Ärmel“ hätte.
Ich bräuchte jetzt auch nicht zu jeder DubScheibe diese Jingles aber diese Scheibe habe ich genau deswegen so gefeiert und sie macht immer noch richtig Party !
Ja, ich freue mich ja immer sehr, wenn über Scheiben gesprochen wird, die ich schon lange kenne. Da sitze ich dann immer ganz relaxt auf meinem DubTron und
setze ein erhabenes Grinsen auf. Is auch mal ganz schön, wenn ich nicht gleich wieder loshecheln muss, um meine Lücken zu füllen.
Aber da werden ja schon wieder „Drohungen“ ausgesprochen, die mir wohl all meine Abgründe – in Form von Unwissenheit – knallhart um die Ohren fliegen lassen werden. Bin sehr gespannt, was ich von Prince/King Jammy so alles nacholen muss.

„Dub Is The Roots“ …………………… lemmi

Jetzt hat mir wordpress doch glatt meinen Kommentar zerschreddert… war ihm wahrscheinlich zu frech. Here I go again:

Nein, nein, Helmut – das war nicht abwertend gemeint. Das ist ein durchaus interessantes Album, ebenso Deine Rezension. Ich mag halt diese sinnfreien Jingles nicht. Die lassen beim ersten Mal noch aufhorchen, aber dann nervt’s nur noch. Als ob man einen Witz ein paar hundert mal erzählt bekommt oder ein und dasselbe Comic x-mal liest. Die imo durchaus feinen Dubs gehen darunter verschütt – und das nicht nur weil das Volume-Verhältnis zwischen Musik und Jingle absurd ist.

Noch ein Gedanke: Es wird durchaus so gewesen sein, dass ein paar tausend Menschen aus der damaligen und vielleicht auch der heutigen Reggae/Dub-Bubble große Fans der DATC-Sendung gewesen sind. Aber eine ganze Insel und auch gleich noch einen Kontingent als verrückt danach zu bezeichnen, halte ich doch für sehr übertrieben, selbst als Stilmittel. Wir hier sind natürlich auch in unserer eigenen Bubble – sind aber ebenso Chronisten, denen ein möglichst unbefangener Blick gut steht.

Was die 2004er-Version des Albums betrifft… ich bin durchaus ein Fan von „Deluxe Version“-Releases, aber das Teil klingt einfach nur hässlich blechern. Es kam damals meiner Erinnerung nach auf dem Auralux-Label raus, wird jetzt aber wieder unter DATC gelistet.

Ich freu‘ mich schon, was Du in Sachen Jammy’s bringst, Helmut. Ich bin da sehr an der pre-SlengTeng-Zeit interessiert.

So… ob wordpress diesen Kommentar wohl annimmt? :-)

Du sagst es ja selbst, Helmut: Alle, die damals Reggae gehört haben, waren scharf drauf. Das ist von einer Insel oder gar einem Kontinent weit entfernt. Das erinnert mich an meine erste Reise nach Jamaica – ich dachte doch tatsächlich, dort würd‘ ich tagein-tagaus Reggae hören können. Dem war natürlich überhaupt nicht so, ich war da voll naiv in meiner europäischen „One Love Positive Vibration“-Bubble gefangen… da hab‘ ich noch so sehr die Insel abgrasen können, Reggae war eine Randerscheinung, eher noch in den Touristenressorts, Negril, MoBay. Zur Orientierung: Das war in den 80ern – vielleicht war’s in den 70ern anders.

Um nochmal den Punkt aufzugreifen: Wenn Europa nach DATC verrückt gewesen wäre, dann hätten das so geschätzte 740 Millionen Menschen sein müssen. Dem war nicht so; es waren bloß etliche in einer im Gegensatz dazu winzig kleinen Bubble. Mir sind Realitätsbezüge dieser Art wichtig; diese differenzierte Betrachtung aus der Distanz hat sich Reggae/Dub verdient. Objektivität schaffen wir sowieso nicht :-)

Eins noch: Wenn ein Mädel „Oh my gosh, the music just turns me on“ quasi dahin stöhnt, ist das in meinen Ohren keine historische Reimkunst. Die restlichen Jingles genauso wenig.

Doch noch was: Ich kommentiere Deine Rezension nicht, um Dich zu piesacken oder so… ich versuche lediglich eine andere Perspektive einzubringen. Fördert manchmal die Diskussion, oft auch nicht.

„Ich bin da sehr an der pre-SlengTeng-Zeit interessiert.“

;-) ……. ich auch ! …. ;-)

Blos keine „nintendo dubs“ !!!, die so klingen, als ob man beim Zocken in der Spielhölle mal wieder die Ausspielung verkackt hat.

Come on wordpress ! Do It ! …………………….. lemmi

Drehen wir einmal die Zeit bis 1979 zurück. Damals war es verdammt schwer bis unmöglich, außerhalb der Major-Labels überhaupt an guten vor allem authentischen Reggae zu kommen. Mikey Dreads Ruf war ihm mindestens zwei Jahre vorausgeeilt. Jeder, der gerne Reggae hörte und von einem Karibikurlaub (Jamaika, Kuba, Trinidad, Tobago etc.), auch Florida zurückkam, schwärmte von einem Michael Campbell aka Mikey Dread und seiner 4 1/2- stündigen Radioshow, die nachts von 0:00 Uhr bis 4:30 Uhr täglich außer Sonntags ausgestrahlt wurde. Das Gerücht über diese Radioshow-Tapes kursierte in Fachkreisen und jeder – auch ich – versuchte an diese obskuren, fabelhaften Tapes heranzukommen oder wenigstens eine Kopie eines Original-Tapes zu ergattern. Darauf war der Reggae zu hören, der in den 70ern schwer bis überhaupt nicht zu bekommen war und auch nicht im Radio gespielt wurde. Heute nicht mehr vorstellbar war aber so. Und dann kam: „The Mikey Dread Show – African Anthem Dubwise“ auf den Markt und war auch noch relativ leicht in gut sortierten Plattenläden zu bekommen. Damals wie heute ein epochales Album, das nicht nur bei Reggaeliebhabern einschlug wie eine Bombe. Mikey Dread hat mit „African Anthem Dubwise“ neue Maßstäbe gesetzt. Bester Beweis dafür ist „Sandinista!“ von The Clash. Die Jungs waren von „African Anthem“ dermaßen beeindruckt, dass sie sich dann gleich einmal Mikey Dread für den Mix ihres Triple-Albums ins Studio holten. Danach kannten Mikey Dread nicht nur Reggae-affine Musikhörer. Für ASWAD hat er dann 1982 die „A New Chapter Of Dub“ gemixt. Ach, was soll ich da weiter dozieren, hört’s euch einfach an und macht euch selbst ein Bild:
https://www.youtube.com/watch?v=h0uVN-8yM1Q

Das Tape sagt mehr als 1000 Worte und auf genannter Plattform findet der Interessierte noch viiiiiel mehr. Für eine Sammlung dieser Tapes hätte ich damals ein Vermögen geopfert.
Übrigens: Mikey Dread wurde in den 1970ern auf Jamaika zweimal zum „Broadcaster of the Year“ gewählt und das für eine Sendung, die nachts ausgestrahlt wurde.

Ich mag mich irren, aber hat nicht ein anderer Michael Campbell „A New Chapter of Dub“ und weitere Aswad-Alben & Singles gemixt?

Ich möchte noch das Album erwähnen, dass für mich das Meisterwerk Mikey Dread’s ist: „Jungle Signal“. Eines der wenigen Riddim/Versions-Alben, die ich liebe. Der Riddim ist einfach nur fetzgeil.

„Ich mag mich irren, aber hat nicht ein anderer Michael Campbell “A New Chapter of Dub” und weitere Aswad-Alben & Singles gemixt?“

Ich dachte eigentlich auch immer, das es ein anderer war bzw. ist.

Es gibt da – so glaube ich zu wissen – auch noch einen Mikey Dread, der sich diesen Namen zu eigen gemacht hat. Irgendso ein Sound Boy aus Hinglan glaube ich.

Glauben heist Nicht Wissen ! ……………………… lemmi

Nein lemmi, es gibt nur zwei Michael Champbell. Einen Michael „Reuben“ Champbell, der hat “A New Chapter Of Dub” und „Live & Direct“ gemixt. Mikey Dread wurde am 4.06. geboren, muss also wenn schon ein Michael „Levi“ Champbell sein. Also mein Fehler. Was lernen wir daraus: Ein bisschen vorher „googlen“ hilft meistens. ;-)

Stimmt RasVorbei !

Ich hatte den „Namensklau“ verwechselt. Es gibt da jemanden, der „sich erlauben tut“
auch Dub Judah zu heißen. Da war ich schon mal sehr verwirrt.
Für mich gibt es nur einen, der sich Dub Judah nennen darf und das ist der ( Main ) Bassist von den Twinkle Brothers !!!

Eventuell bin ich aber auch generell zu nah mit allgemeiner Verwirrung verwandt.

Ich geh wieder ins Tor ;-) …………………….. lemmi

Und bei meiner Suche zu Mikey Dread habe ich gerade das als Ergänzung zu meinem Kommentar gefunden:

But Mikey’s first impact on the reggae business was to be a revolutionary one, an impact that meant they had to take him seriously right from the very start. At first Mikey was a radio DJ and audio engineer with the Jamaica Broadcasting Corporation (JBC), the Island’s establishment radio station. He actually began his broadcasting career in 1976 and somehow landed four whole hours of airtime on Saturday nights. Mikey soon firmly established his “Dread at the Controls” radio show as the Number One Radio Show in Jamaica, due to the fact that he was the first to play rough, deep, revolutionary reggae music on Jamaican radio!! As if this wasn’t enough he developed his own unique broadcasting style. His laughing, tangy, bubbling voice was joined by a selection of the wildest jingles ever to hit the airwaves and furthermore he regularly treated his listeners to the wickedest dub plate specials. At last the Jamaican people had a radio show that reflected their music as they knew and loved it. Mikey became a massive hero in Jamaica and was awarded Top Radio Personality of the Year in 1977-1978.
Quelle: Reggae Vibes

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