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Rockers All Stars: Chanting Dub With The Help Of The Father

Vor ziemlich genau einem Jahr wurde dieses Album in Frankreich durch Onlyroots Records neu aufgelegt. Man habe kein Interesse an Promo, hieß es damals, ihre Platten würden sich auch so verkaufen. Klar, im inneren Zirkel der Nerds, der Rest der Welt kriegt aber nix mit. Ein Gespür dafür, dass eine derartige Haltung eine der Ursachen ist warum Reggae und Dub inzwischen auf einem eigenen, unbeachteten Kometen siedeln, fehlt hier völlig. Doch für eine derartige Weltunoffenheit sind Platten wie diese einfach zu gut! Chanting Dub With The Help Of The Father steckte bisher in einem blassblauen Cover. Jetzt ist das ursprüngliche Artwork mit Selassie-Foto rot-gelb-grün unterlegt. Die original LP erschien 1978 mit grünem Schriftzug auf dem Rockers Label von Augustus Pablo und kostet inzwischen einen mittleren dreistelligen Betrag. Nachpressungen hatten rote Schrift auf gelbem Label, sind aber auch kaum noch zu finden. Parallel zu den Dubs kam ein ultra-rares, titel- und coverloses Deejay-Album von Prince Mohammad (i.e. George Nooks) auf Hungry Town. Bei einigen Exemplaren wurde damals aus Prince „Price“, als hätte man geahnt, dass für die Deejay-LP mal ein vierstelliger Betrag aufgerufen wird. Die Dubs basieren auf Tunes wie „New Broom“, „Youths Of Today“ und „Don’t Let Problems Get You Down“ von Horace Andy, Roman Stewarts „If I Had A Hammer“ und Lacksley Castells „Love In Your Heart“. Das neue Vinyl rumort deftig in den Leerrillen, was aber bei den lautstarken, von Prince Jammy bei King Tubby gemischten Dubs untergeht. Ein All Killer No Filler Reissue, das bei Only Roots immer noch erhältlich ist. Vielleicht erbarmt man sich ja irgendwann und legt auch die Prince Mohammad LP neu auf. Und überdenkt mal die eigene Einstellung zur Öffentlichkeitsarbeit.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Five Star Review

Soul Revivers: Grove Dub

Ein neuer Name mit altbekannten Protagonisten aus dem Sound-System-Dub-Umfeld der West-Londoner Nachbarschaft von Ladbroke Grove und Notting Hill. Hier entstand in den späten 70ern das Coverfoto, hier hat Nick Manasseh sein Studio The Yard, wo er zusammen mit David Hill die Soul Revivers ins Leben gerufen hat. Beide sind eher dem linken Flügel der jamaikanischen Musik zugetan und lieben die Roots der 70er Jahre. Der eine war Steppaz-Influencer der ersten Stunde und hat mit Sound Iration gespielt, der andere wurde nach seiner Zeit bei den Ballistic Brothers Berater für Label wie Soul Jazz oder Auralux. Mit Musikern der lokalen Jazz- und Reggae-Szene produzierten Manasseh und Hill im Yard das Album „On The Grove“, eine Kollektion von Vocal- und Instrumental-Tunes. Daran beteiligt unter anderen der Gitarrist und Gründer der Band Galliano und der Ruff Cut Drummer Adrian McKenzie, dessen filigran-virtuoses Spiel in dem Retro & Roots Set die stilistische Brücke zur Gegenwart baut. Die Hälfte der Songs sind jazzig angehauchte Instrumentals, zwei davon dienen dem Gitarristen Ernest Ranglin als Vorlage für Improvisationen. Ein opulenter Bläsersatz ist mit Veteranen wie Henry Tenyue, der schon auf Aswads „Live & Direct“ dabei war, und jungen Stars der Szene besetzt. Darunter die Trompeterin Sheila Maurice-Grey, deren Afro-Jazz-Band Kokoroko derzeit in London alles abräumt. Sie spielt das Solo auf der Instrumental-Version zu Earl 16s „Where The River“. Die Vocaltunes stammen durchweg von prominenten Artists. Earl 16 hat noch einen zweiten Tune, basierend auf seinem 1976 für Augustus Pablo aufgenommen Song „Changing World“. Der Song erlebt hier seine Auferstehung als „Got To Live“ und ist jetzt gesegnet mit einem Bläserthema für die Ewigkeit. Der 1997 verstorbene jamaikanische Sänger Devon Russel, den Manasseh noch kurz vor dessen Tod aufgenommen hat, singt Curtis Mayfields „Underground“. Das alte Studio One Playback „Tripe Girl“ der Heptones  wird aufgefrischt für einen neuen Song der Soul-Sängerin Alexia Coley. Und Ken Boothe steuert einen Tune bei, über den David Rodigan sagt: „Glaubt mir, mit der Zeit wird ‚Tell Me Why‘ als einer seiner größten Tracks angesehen werden.“ Es war klar, dieses Album brauchte ein Dub-Pendant. Und es war ebenso klar, dass die Dubs analog am Mischpult entstehen mussten. „In Zeiten in denen Musik komplett am Computer entsteht“ sagt Nick Manasseh, „bleibt das Mischen von Dub ein Bereich, in dem Old School Mischpulte sowie Filter-, Hall- und Echogeräte unersetzlich sind für das organische Gefühl von Dub.“ Dort wo die Aufnahmen von „On The Grove“ entstanden, hat Manasseh auch „Grove Dub“ gemischt. Von der Musik hinter den Gesängen schuf er filigrane, zu keinem Zeitpunkt grobschlächtige Mixe, über die sich ein Netz malerischer Echos spannt. Schon der Auftakt „Meanwhile Dub“ zelebriert die Dubkunst als dynamisches Wechselspiel zwischen Offbeat, Posaunen-Fills und Drum’n’Bass-Parts. Der dezente Charme des unaufdringlichen Openers setzt sich fort in den weiteren Titeln, bei denen die ursprünglichen Sänger und Instrumentalisten nur noch Farbtupfer liefern. Am Computer wäre etwas anderes entstanden, da ist sich Manasseh sicher, seine Mixe stehen für den Augenblick in dem sie passieren: „Dub ist spontan. Du entscheidest on the fly und es dauert genauso lange wie der Tune läuft. Drei Minuten dreißig und du hast einen Dub.“ Die Veröffentlichung beider Alben auf dem renommierten Acid Jazz Label zeigt den hohen Stellenwert beider Platten, die vom NuJazz-Hype Londons genauso geprägt sind wie von den goldenen Jahren der Dread & Roots Ära.

Bewertung: 5 von 5.
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Concrete Jungle Dub

Die Erwartungen waren hoch, nachdem Dub Store Records 2016 mit Errol Browns „Orthodox Dub“ einen wahren Dub-Schatz geborgen hatte und danach die Neuauflage des „Concrete Jungle Dub“ von Winston Riley ankündigte. Schließlich handelt es sich dabei um ein heiß begehrtes Album, von dem 1976 in London gerade mal 300 Stück gepresst wurden. Die LP steckte in einem neutralen Cover und wurde nach der Veröffentlichung kaum noch gesehen. Die Mythenbildung der King Tubby zugeschriebenen LP stieg ins Unermessliche. Für die seltenen Exemplare, die auf dem Sammlermarkt auftauchten, wurden exorbitante Summen gezahlt. 2018 legte Dub Store dieses obskure Objekt der Begierde zu einem normalen Preis neu auf, sowohl als LP wie auch als CD. Das Reissue hatte nun ein Cover mit einem Foto, das von der Rückseite der jamaikanischen Pressung der 1976er Pat Kelly LP „Lonely Man“ stammte. Es zeigt Winston und Buster Riley am Pult des Harry J Studios. Nüchtern betrachtet sind die hervorragend klingenden Dubs wie der „Stalag“-Riddim, Donovan Adams‘ und I Roys „Who Is The One“ oder Johnny Osbournes „Ready Or Not“ weitaus unspektakulärer als es der Mythos erwarten lässt. Ob tatsächlich alle Versionen von Tubby selbst gemischt wurden, ist nicht so eindeutig wie behauptet. Die Linernotes bringen wortreich wenig Licht ins Dunkel. Das Vinyl der Neuauflage ist aktuell wieder zu haben. Ob nachgepresst oder als Lagerbestand ist unklar. Aber egal woher die Exemplare kommen, es ist eine dieser sagenumwobenen Platten, die irgendwann definitiv ausverkauft sein wird. Und dann werden die Preise wieder steigen.

Bewertung: 3.5 von 5.
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King Jammy: Destroys The Virus With Dub

Heute erscheint via Greensleeves / VP Records ein neues Dub Album von King Jammy. Nein, kein Re-Issue, sondern tatsächlich ein neues, reales, haptisches Album. Würde der Senior – er ist mittlerweile 74 Jahre alt – nicht von Zeit zu Zeit seine Bestände durchforsten und sich nochmal ans Pult begeben, Jamaikas Dub-Szene läge vollends brach. Die hohe Veröffentlichungs-Frequenz von Alborosie fällt aus der Bewertung, er ist als Zugereister ein Sonderfall. Eine lokale Next Dub Generation existiert nicht. Obwohl 2018 Teflon Zincfence mit dem vielversprechend soundkreativen Statement-Album „Dub Policy“ überraschte und mit zahlreichen Reminiszenzen an die Goldene Ära des Dub Geschichts-bewusstsein gezeigt hat. Am Ende war‘s nur ein kurzes Aufbäumen, das nicht zu einer haptischen Veröffentlichung geführt hat. Der Dubtonic Kru Gitarrist Jallanzo versucht es mit Neo-Dub ina UK Style und hat bislang ein digitales Album auf den Weg gebracht. Rory Stoneloves militant-düstere Dubs sind die positive Ausnahme, kennen aber nur Insider, die bereit sind, für LPs wie Samory I‘s „Black Gold“ sehr viel Geld in Showcase-Vinyl zu investieren (Was sich aber unbedingt rentiert!). Und das zurecht als Album des vergangenen Jahres gefeierte „Still“ des jamaikanischen Nu Roots Sängers Micah Shemaiah ist zwar ambitioniert dubwize gemischt und hat vier Dubs an Bord, entstand aber unter den Händen eines Amerikaners in Florida. Die letzten Dub-Aktien Jamaikas hält einzig Lloyd James. Nach seinem eher spannungsarmen „Waterhouse Dub“ von 2017 legt er jetzt „Destroys The Virus With Dub“ auf und demonstriert Haltung. Während sich auch Jamaika aufreibt zwischen Denken und Anders Denken, votiert der Dub-Virologe für Injektion, Lockdown, Social Distance, Quarantäne, Nachverfolgung… Jeder einzelne Track ein Fanal gegen jene, die wegen der Corona-Maßnahmen mit Bob Marleys „Get Up Stand Up“ durch die Straßen ziehen. Die Mixe basieren auf Songs von Barry Brown, Sugar Minott, Patrick Andys „Every Tongue Shall Tell“ oder Hugh Mundells „Jah Fire Will Be Burning“ von 1980, das in der Kurzform „Jah Fire“ zum Titelstück der LP mit Lacksley Castell wurde. Aus dem von Jammy 1981 mit Bläsern aufgerüsteten Remix von Black Uhurus „Time To Unite“ wird ironischerweise „Closed Border Dub“. Alle Tracks sind mit altersweiser Leichtigkeit inszeniert. Jammy hatte schon früh begonnen, seine Produktionen komplett zu digitalisieren. Jetzt dubbt er mit digitalem Equipment von digitalen Quellen. Was seinen Dubsound zwangsläufig verändert. Er schraubt die Tunes nicht mehr durch endlose Echoschleifen, sondern gestaltet sie mit klaren Basstönen als groovende Instrumentals. Der Hall rumpelt in dumpfen Kellern und wird oft von einem Gate beschnitten, darüber boostern Bläser Injektionen aus scharfem Blech. Das neue Klangdesign schafft es, selbst digitale Riddims, die Mitte der 1980er den Absturz des jamaikanischen Dub verursacht haben, organisch zu integrieren. Tracks von Junior Delgado oder Frankie Pauls „Peel Off A Mask“ von der 1987er LP „Sara“ fallen ebenso wie Gregory Isaacs Thinking Riddim von dessen 1988er LP „Come Along“ nur durch ihren maschinellen Drumsound aus dem Rahmen. Sie bilden keine Störfaktoren zwischen den analogen Playbacks. Alle Mixe leben von den Hooklines der weithin bekannten Tunes des Erfolgsproduzenten. „Destroys The Virus With Dub“ kommt auf Vinyl mit 10 Titeln, die CD-Version hat zwei mehr.

Bewertung: 3 von 5.

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Michael Palmer: Showcase I’m Still Dancing

Dub Mixe von Peter Chemist zeichnen sich durch eine eigenwillig spröde Ästhetik aus. Da Chemists Output mit nur einer Handvoll Dub-LPs recht überschaubar geblieben ist, hier ein von ihm produziertes Showcase Album. So genau weiß man es nicht: Trägt die LP nun den Titel „Showcase“ oder ist es lediglich ein Hinweis darauf, dass „I’m Still Dancing“ ein Showcase Album ist? Fest steht jedenfalls, dass der Sänger nicht wie auf dem Cover Micheal sondern Michael Palmer heißt. Dessen erste LP von 1983 war seit langem und zu Recht gesucht und kaum unter einem dreistelligen Betrag zu kriegen. Angereichert mit Liner Notes von John Masouri auf einem Extrablatt gibt es die Platte jetzt originalgetreu auf dem französischen Iroko Label. Mit dem alten Cover inklusive Druckfehler, Limonious Comic-Rückseite und ohne schnöden Barcode. Der 1960 geborene Michael Palmer hatte als Teenager für Ossie Thomas seine erste Single „Mr. Landlord“ aufgenommen, erfolgreich wurde der Tune auf dem Get In The Groove Riddim aber erst, nachdem Sonia Pottinger ihn 1980 nochmal aufgenommen hatte. Ab da wurde Palmer einer der gefeierten Sänger der letzten Jahre der prä-digitalen Dancehall-Foundation. Er war kein Dread, er verstand sich als Roots-Reality-Sänger. Palmer kam aus der „feurigen Hölle“ von Kingston 13 (Maxfield Park) und sang im Opener seines bei Channel One produzierten Debüts: „Uptown people want to dance funky – people in the ghetto dance the waterpumpee. Uptown people dance electric boogie – people in the ghetto do the cool & deadly“. Die Riddims stammten von den Roots Radics und wurden vermutlich von Scientist aufgenommen. Anders lässt sich nicht erklären, wie dessen Name auf das Cover kam. Denn „I’m Still Dancing“ ist das Werk von Peter Chemist, den Palmer ausdrücklich in „Ghetto Dance“ erwähnt. Auch der Sound der Produktion, mit kaum wahrnehmbarer Hihat und eigenwilligen Echos, weist auf Peter Chemist. Der fabriziert hier außergewöhnlich spartanisch raue Dubs zu den sechs Vocaltunes. Den Party Time Riddim mischt er ganz ohne Hihat mit verspielten Echos und Akzent auf der Snare. „Ghetto Dub“ positioniert die Drums mit Gated Reverb Effekten um ein verzerrtes Gitarrenthema. „Gwan Dub“ reduziert das Schlagzeug auf Bassdrum mit unterlegten Snare-Echos. Palmer setzte die Zusammenarbeit mit Peter Chemist bei seinem von George Phang produzierten, extrem erfolgreichen Nachfolgealbum „Lick Shot“ fort, auf dessen Coverrückseite er von seiner Art des Songschreibens erzählt. Was die Angabe „all tracks written by Jah Thomas“ auf „I’m Still Dancing“ fragwürdig erscheinen lässt. Thomas hatte das Album für sein Midnight Rock Label produziert, sich ansonsten aber rausgehalten. Den Deejay-Part für eine Greensleeves Maxi des Krachers „Ghetto Dance (Babylon give wi a chance)“ überließ er Jim Brown, eine weitere Greensleeves Maxi mit dem Titelstück der LP und Robert Frenchs „No War“ auf der B-Seite ist aufgrund der Peter Chemist Mixe heute eine gesuchte Rarität, die jede Investition wert ist. Die klanglich überzeugende Neuauflage der LP lockt neben starken Vocaltunes mit seinem ungewöhnlichen Dub-Style. (Der leicht geänderte Text erschien zuerst in RIDDIM 02/21)

Bewertung: 4 von 5.

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Five Star Review

Alborosie: Back-A-Yard Dub

Es ist Freitag, der 23. April, heute erscheint Alborosies sechstes Dub Album. Machen wir uns nichts vor, der Kandidat ist damit gekürt. Man wird „Back-A-Yard Dub“ kaum von der Pole Position der diesjährigen Dub-Charts verdrängen können. Weil es nicht nur grandios klingender, moderner Old School Dub in der Tradition echter Versions ist, sondern auch ein für sich allein funktionierendes Hörereignis, das selbst ohne Deejay, Dancehall oder Sound System mit mörderischen Wellen alles wegbläst, was sich ihm in den Weg stellt. Das Album ist das Pendant zu der vor wenigen Wochen veröffentlichten Wailing Souls LP „Back A Yard“, die Alborosie mit viel Eighties Tamtam, Simmons und Synthie Drums in seinem Studio produziert hat. Flabba Holt von den Roots Radics hat den Bass gespielt, Tyrone Downie von den Wailers die Keyboards. Nachdem das Kraft strotzende Alterswerk der Wailing Souls im Kasten war, hat Puppa Albo die „Alborosie Dub Station“ angeschmissen. Es ist sein neuestes Spielzeug, ein von ihm entwickeltes Plug-In, das in der Lage ist, die typischen Effekte aus King Tubbys Studio zu reproduzieren. Wobei der Hall und der Sound des Tubby Tape-Echos weniger spektakulär, aber doch sehr nice sind. Absolut krass jedoch der digitale Nachbau des High Pass Filters. In Kombination mit der Instrumentenvielfalt der Wailing Souls Vorlage und den Dubskills von Alborosie sorgt das neue Effektboard für ein monströses Spektakel. Montiert zu einem anarchischen Ping-Pong-Exzess voller Hall- und Filtereffekte, die man so noch nicht gehört hat. Vergleichbar mit der Soundgewalt eines Groucho Smykle. Der aber muss zusätzliche Keyboards aufnehmen, um seinen Wall Of Sound zu inszenieren. Alborosie dagegen profitiert von der Vielschichtigkeit seiner Produktion und packt für den Dub noch ein paar gefühlte dB mehr drauf. No matter what the people say, these sounds lead the way! Sein Mix ist wie eine Verkaufsempfehlung für das von ihm entwickelte Gerät, und erste Reaktionen in den Social Media lassen bereits erkennen, dass dieses Plug-In in nächster Zeit den Dub auf breiter Fläche beherrschen wird. Dass die LP „Back-A-Yard Dub“ heißt – und damit meint: zurück in Jamaika – und die Verpackung an die Ästhetik der alten Stempeldruck Cover erinnert, spielt nicht nur zufällig darauf an, dass Alborosies Dub dort entsteht, wo er herkommt. Gäbe es 10 Sterne, diese LP würde 15 kriegen.

PS: Als der Text geschrieben wurde, waren noch keine Streaming-Links freigeschaltet. Hörproben gibt’s hier. Oder man vertraut dem Rezensenten und besorgt sich gleich die LP. Das Vinyl wird’s eh nicht ewig geben.

Bewertung: 5 von 5.
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Raiders of the Lost Dub

1981 begann für Indiana Jones die Jagd nach dem verlorenen Schatz, was nicht nur im Kino ein Beben auslöste. Noch im selben Jahr reagierte die gerade boomende Dubwelt auf den Hype mit „Raiders of the Lost Dub“. Es war nicht das erste Mal, dass sich Dubalben von Hollywood inspirieren ließen – man denke nur an „Star Wars Dub“, „Scientist & Jammys Strike Back“ oder die „Tough Guys“ der Fatman Riddim Section – doch selten wurde so dreist kopiert wie in diesem Fall. Das Cover-Artwork war eine Kopie des „Raiders Of The Lost Ark“ Soundtracks von John Williams, sogar der Schriftzug war identisch. Island Records hatte die Fälschung abgesegnet, schließlich stammten die Vocalversionen der Dubs aus ihrem Greatest Hits Katalog. Burning Spears „Social Living“ und I Jah Mans „Moulding“ waren von Karl Pitterson durch das Effektboard gezogen worden, „Man Next Door“ in der Version der Paragons bekam eine Dubbehandlung durch Steven Stanley. Sechs der zehn Titel hatten Sly & Robbie produziert und selbst gedubbt, darunter Junior Delgados „Fort Augustus“ und „Guess Who’s Coming To Diner“ von Black Uhuru, die mit vier Songs an der Jagd teilnahmen. Das Album war davon geprägt, dass sich die Studio-Technik nicht mehr auf vier Spuren beschränkte und der Zugriff beim Dubben dadurch variabler geworden war. Dementsprechend hart und modern wirkten die Mixe, als die LP noch im selben Jahr wie Film und Soundtrack veröffentlicht wurde. So schnell wie sie kam, verschwand sie auch wieder. Es heißt, rechtliche Probleme wegen des Covers hätten dazu geführt, dass „Raiders of the Lost Dub“ nie nachgepresst wurde. Music On Vinyl hat das Brutal-Deluxe-Dub-Abenteuer durch ein entstaubtes Master aufgefrischt und die LP nach knapp 40 Jahren zum ersten Mal im Original Artwork wieder aufgelegt. (Der leicht geänderte Text erschien zuerst in RIDDIM 01/21)

Bewertung: 4 von 5.

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Dub Attack

Zwei kurze Jahre lang, zwischen 1979 und ’80, brachte das ursprünglich mit Bunny Lee verbundene ATTACK Label, das zu der Zeit bereits Trojan gehörte, exorbitant knallende Maxis raus, die meisten erkennbar am gelb unterlegten Logo, mit roten Lettern auf dunkelgrünem Grund. In einigen Fällen wurde auch mit blauem Trojan Label gepresst. Insgesamt gab es 25 Stück, von denen die meisten heute heiß begehrt sind wegen der hier und nur hier zu findenden Mixe von Prince Jammy und Scientist. Darunter extended Killer-Versions von Barry Browns „Living As A Brother“, „Separation“ und „Cool Pon Your Corner“, Morwells „Kingston Twelve Tuffy“, Linval Thompsons „Pop No Style“ und Michael Rose’s „Born Free“. Das Bild mit den Labels dieser Maxis stammt aus dem Booklet einer merkwürdig zusammen gestellten DoCD, auf der man, abgetrennt von den Vocals, 19 jener Attack-Dubs als – wie es das Booklet nennt – „generöses“ Bonusmaterial findet. Dabei auch die zuvor erwähnten Titel. Aufhänger der Kompilation jedoch sind zwei ganz andere Dub-Alben, die stilistisch absolut nicht zueinander passen. Zum einen „A.1 Dub“, 1980 von Blacka Morwell in Kingston gemischt, mit Dubs zu der Morwells LP „Cool Runnings“ von 1979 sowie Mixen der „Taxi“ und „Get In The Groove“ Riddims. Zum anderen „Cry Tuff Dub Encounter Chapter IV“, dem Gegenstück zu Prince Far Is „Voice Of Thunder“, ein Jahr später in London von Adrian Sherwood gemischt. Obwohl die Linernotes der DoCD sich bemühen, einen Link zwischen den Alben herzustellen und beide LPs einzeln betrachtet hervorragend sind, die Attack-Bonus-Dubs sind der wahre Grund, warum man dieses Set besser nicht verpassen sollte. Zumal man für jede einzelne dieser Maxi deutlich mehr Geld investieren müsste als für die stets preiswerten DoCDs des englischen Re-Issue Labels Doctor Bird. (Eine kürzere Version des Textes erschien in RIDDIM 01/21)

Bewertung: 4 von 5.

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Star Wars Dub

Der Hype um das Imperium wird niemals aufhören. Daher hat Secret Records die vor vier Jahren wiederaufgelegte Star Wars Dub LP von Burning Sounds noch einmal in „authentischem“ roten Vinyl nachgepresst. Es ist eine dieser gesuchten Dub LPs, die Phil Pratt Ende der 70er ohne weitere Informationen an das englische Label verdealt hat, deren Erstpressungen immer in buntem Vinyl kamen. Man hört, die Heimatstation der Tracks war das Channel One Studio und im Maschinenraum saß Sly Dunbar. Aber man muss lange durch die jamaikanische Galaxie cruisen, um auf Originale wie Jimmy Londons „Ride On“ oder „Open The Gate“ von Well Pleased & Satisfied zu stoßen. Schwer zu sagen wer gemischt hat. Dennoch, trotz Darth Vader auf dem Cover, dramatisch an Wissenswertem vorbei fliegenden Linernotes und gelegentlichem Knacken der Pressung erleidet man bei den Mixen keine Bruchlandung. (Eine frühere Version des Textes erschien in RIDDIM 04/20)

Bewertung: 3 von 5.

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The Mikey Dread Show: African Anthem Dubwise

„Him don’t steal, him don’t gamble, talking ‘bout man called Michael Campbell“ heißt es an einer Stelle auf der LP . Michael Campbell (1954 – 2008) alias Mikey Dread kam zu Ruhm, als er 1976 nach einer Ausbildung zum Radio- und Tontechniker eine enorm erfolgreiche Radioshow beim Jamaican Broadcasting Service (JBC) startete, mit der er an sechs Tagen der Woche vier Stunden lang um Mitternacht das Reggae-Radio-Format erfand. Er war der Erste, der im Sound System Style live on air ging. Nach zwei Jahren überwarf sich Campbell mit JBC. Er kündigte, gründete das Dread At The Control (DATC) Label und begann, sich selbst und andere zu produzieren. Die ersten LPs aus dem Jahr 1979 kopierten sowohl das Prinzip wie auch den Titel seiner eingestellten Radiosendung: Auf dem Debüt „Dread At The Controls“ (a.k.a. „Evolutionary Rockers“) präsentierte sich Campbell als eine Mischung aus MC und Deejay. Gleich mit dem Nachfolger „African Anthem Dubwise“ gelang ihm dann nicht nur sein bestes Album überhaupt, sondern auch eine der brillantesten Dub LPs aller Zeiten. Ein Monster der Version-Kultur, das wesentlich zur europäischen Erfolgsgeschichte des Dub beitrug. Als Basis dienten je zwei von Mikey Dread produzierte Songs von Rod Taylor („Behold Him“ + „His Imperial Majesty“) und Edi Fitzroy („Country Man“ + „Miss Molly“) sowie fünf seiner eigenen Titel. Die Riddims wurden von Prince Jammy in einer Nachtsession bei King Tubby gemischt und anschließend nach London verfrachtet. Dort kübelte der 2016 verstorbene, mit Campbell und Jammy eng befreundete Engländer Dave Hendley, auf dessen kurzlebigem Cruise Label „African Anthem Dubwise“ zuerst erschien, eine Wagenladung an Jive Talk, Synthie-, Sound- und Stimmeffekten über die rohen Dubs, was ihnen eine archaische Wildheit verlieh. Im Gegensatz zu den ebenfalls in England vorgenommen Overdubs bei den Greensleeves Alben von Scientist war die Aktion mit Mikey Dread abgesprochen bzw. ausdrücklich von ihm bestellt. Er hatte Hendley dafür ein vorbereitetes Tape mit Gimmix gegeben, die alle aus seiner Radioshow stammten. Darunter viele Jingles wie „Oh my gosh, the music just turns me on“, „Riddim full of culture, ya“ oder „Brandnew – Good For You“, die zu tausendfach gesampelten Klassikern wurden. „African Anthem Dubwise“ erschien zuletzt vor 15 Jahren in einer erweiterten Deluxe Version mit anderem – banalen – Cover. Music On Vinyl hat die LP im Original Artwork wiederveröffentlicht, mit modernem, bauchigen und weniger schrillen Sound. Zuerst erschien sie limitiert auf 1.000 nummerierten Exemplaren in blauem Vinyl, am 29.01.2020 kommt sie in schwarzem Vinyl. Alles was es sonst zu der Platte zu sagen gibt, erklärt Big Youth im Auftakt zu Seite Zwei: „Who is the man who plays Roots Rock Reggae? Michael Campbell, the Dread at the control, to thrill your soul. Alright? Alright!“ (Der Text erschien zuerst in RIDDIM 04/20 und wurde aktualisiert.)

Bewertung: 5 von 5.