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King Jammy: Destroys The Virus With Dub

Heute erscheint via Greensleeves / VP Records ein neues Dub Album von King Jammy. Nein, kein Re-Issue, sondern tatsächlich ein neues, reales, haptisches Album. Würde der Senior – er ist mittlerweile 74 Jahre alt – nicht von Zeit zu Zeit seine Bestände durchforsten und sich nochmal ans Pult begeben, Jamaikas Dub-Szene läge vollends brach. Die hohe Veröffentlichungs-Frequenz von Alborosie fällt aus der Bewertung, er ist als Zugereister ein Sonderfall. Eine lokale Next Dub Generation existiert nicht. Obwohl 2018 Teflon Zincfence mit dem vielversprechend soundkreativen Statement-Album „Dub Policy“ überraschte und mit zahlreichen Reminiszenzen an die Goldene Ära des Dub Geschichts-bewusstsein gezeigt hat. Am Ende war‘s nur ein kurzes Aufbäumen, das nicht zu einer haptischen Veröffentlichung geführt hat. Der Dubtonic Kru Gitarrist Jallanzo versucht es mit Neo-Dub ina UK Style und hat bislang ein digitales Album auf den Weg gebracht. Rory Stoneloves militant-düstere Dubs sind die positive Ausnahme, kennen aber nur Insider, die bereit sind, für LPs wie Samory I‘s „Black Gold“ sehr viel Geld in Showcase-Vinyl zu investieren (Was sich aber unbedingt rentiert!). Und das zurecht als Album des vergangenen Jahres gefeierte „Still“ des jamaikanischen Nu Roots Sängers Micah Shemaiah ist zwar ambitioniert dubwize gemischt und hat vier Dubs an Bord, entstand aber unter den Händen eines Amerikaners in Florida. Die letzten Dub-Aktien Jamaikas hält einzig Lloyd James. Nach seinem eher spannungsarmen „Waterhouse Dub“ von 2017 legt er jetzt „Destroys The Virus With Dub“ auf und demonstriert Haltung. Während sich auch Jamaika aufreibt zwischen Denken und Anders Denken, votiert der Dub-Virologe für Injektion, Lockdown, Social Distance, Quarantäne, Nachverfolgung… Jeder einzelne Track ein Fanal gegen jene, die wegen der Corona-Maßnahmen mit Bob Marleys „Get Up Stand Up“ durch die Straßen ziehen. Die Mixe basieren auf Songs von Barry Brown, Sugar Minott, Patrick Andys „Every Tongue Shall Tell“ oder Hugh Mundells „Jah Fire Will Be Burning“ von 1980, das in der Kurzform „Jah Fire“ zum Titelstück der LP mit Lacksley Castell wurde. Aus dem von Jammy 1981 mit Bläsern aufgerüsteten Remix von Black Uhurus „Time To Unite“ wird ironischerweise „Closed Border Dub“. Alle Tracks sind mit altersweiser Leichtigkeit inszeniert. Jammy hatte schon früh begonnen, seine Produktionen komplett zu digitalisieren. Jetzt dubbt er mit digitalem Equipment von digitalen Quellen. Was seinen Dubsound zwangsläufig verändert. Er schraubt die Tunes nicht mehr durch endlose Echoschleifen, sondern gestaltet sie mit klaren Basstönen als groovende Instrumentals. Der Hall rumpelt in dumpfen Kellern und wird oft von einem Gate beschnitten, darüber boostern Bläser Injektionen aus scharfem Blech. Das neue Klangdesign schafft es, selbst digitale Riddims, die Mitte der 1980er den Absturz des jamaikanischen Dub verursacht haben, organisch zu integrieren. Tracks von Junior Delgado oder Frankie Pauls „Peel Off A Mask“ von der 1987er LP „Sara“ fallen ebenso wie Gregory Isaacs Thinking Riddim von dessen 1988er LP „Come Along“ nur durch ihren maschinellen Drumsound aus dem Rahmen. Sie bilden keine Störfaktoren zwischen den analogen Playbacks. Alle Mixe leben von den Hooklines der weithin bekannten Tunes des Erfolgsproduzenten. „Destroys The Virus With Dub“ kommt auf Vinyl mit 10 Titeln, die CD-Version hat zwei mehr.

Bewertung: 3 von 5.

6 Antworten auf „King Jammy: Destroys The Virus With Dub“

3 Sterne bedeuten ein gutes Album. Für eine sehr gute (4 Sterne) oder überragende (5 Sterne) Bewertung fehlt trotz vieler großartiger Riddims und der Haltung ein bisschen der Thrill.

Danke fürs Erklären! Ich empfinde die drei Sterne gar nicht als unfair und respektiere deine Expertise (und deinen Geschmack). Ich wollte nur mehr verstehen, warum. Aber wenn da jetzt sogar noch eine „gefühlter“ vierter Stern dabei ist, können King Jammy und wir sehr gut ins Wochenende gehen, glaube ich.

Hi Claas & Helmut, alleine das McDermott’sche Cover und endlich mal wieder ein respektables Dub-Album des Urgesteins Prince/King Jammy lassen bei mir in Gedanken noch einen Stern leuchten.

Das schöne dabei ist für mich vor allem die Haptik ! Musik zum Anfassen ;-)

Ich freue mich, das es mal wieder etwas über das banale streamen hinaus gibt. Bisher habe ich nur den 45 Sekunden Check gemacht und festgestellt, das mir wohl auch ein wenig der Thrill fehlen könnte. Aber wenn ich die Scheibe erst mal Zuhause habe, werde ich schon für den nötigen Thrill sorgen ;-)

„Dub never dies, just becomes immediately probably“ …………………………………… lemmi

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