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The Orb Featuring Lee Scratch Perry: Present The Orbserver In The Star House

Lee Perry ist ein Mythos. Und obwohl er – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – seit Ende der 1970er Jahre nichts Nennenswertes mehr auf die Reihe bekommen hat, steht sein Name (zumindest bei europäischen und amerikanischen Produzenten) nach wie vor hoch im Kurs. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zweifellos gehörte Perry in den siebziger Jahren zu den innovativsten und kreativsten Protagonisten des Reggae – was aber niemanden interessiert hätte, wenn nicht just zu diesem Zeitpunkt der Punk sein Faible für Reggae entdeckt hätte und The Clash nicht Perrys „Police and Thieves“ gecovert hätten. Seit diesem Zeitpunkt ist im Bewusstsein Indie-Rock-sozialisierter Musikfans der Name Lee Perry eine feste Marke, die für pure (wenn auch artfremde) Innovationskraft steht. Dazu passt perfekt, dass der nunmehr rund dreißig Jahre andauernde Wahnsinn des exzentrischen Mr. Perry meist mit dem Genie seiner frühen Schaffensperiode verwechselt wird. Außerdem gilt (zumindest für jene oben erwähnte Zielgruppe) Lee Perry als Erfinder des Dub. Und da Dub bekanntermaßen die Blaupause der Remix-Kultur war, gerät Lee Perry leicht zum Urvater moderner Clubmusik. Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig überraschend, dass der Mythos Lee Perry, vor allem von Produzenten und Musikern außerhalb des Reggae-Kontexts, gerne zur Aufwertung ihrer eigenen Werke instrumentalisiert wird. Jüngstes Beispiel für diese Praxis ist „The Orb Featuring Lee Scratch Perry Present The Orbserver In The Star House“ (Cooking Vinyl/Indigo). Nicht, dass The Orb es nötig hätte mit dem Namen Perry CD-Verkäufe zu pushen, immerhin genießt die 1988 von Alex Paterson aus der Taufe gehobene Band als Begründerin des House-Subgenres Ambient-House selbst Kultstatus. Trotzdem hege ich den starken Verdacht, dass die Wahl Perrys nicht musikalisch motiviert war. Die elektronischen Orb-Beats und Perrys scharfer, weitgehend melodiefreier Gesang harmonieren wie Apfelkuchen und Tabasco – nämlich gar nicht. Zwar geht The Orb (in der Inkarnation des Duos Alex Patterson und Thomas Fehlmann) die Sache ähnlich geschickt an, wie vor zwei Jahren Doubblestandart mit ihrem Album „Return From Planet Dub“, indem Perrys „Gesang“ eher sporadisch, wie ein Sample, eingesetzt wird und die Musik so mehr Raum bekommt – aber dann hätten Patterson und Fehlmann konsequenterweise auch gleich ein Instrumentalalbum aufnehmen können. Dieses wäre zudem keineswegs schlecht geworden – hätte dann allerdings in diesem Blog nichts zu suchen. Und das führt uns geradewegs zu der Frage, liebe Leser und Freunde des Reggae, was euch an diesem Album überhaupt interessieren könnte? Nicht viel, sofern ihr nicht auch begeisterte Hörer von Minimal-Elektronik seit, – oder wirklich fanatische Sammler von Perry-Material, die, aus Gründen der Vollständigkeit, auch dieses jüngste Perry-Tondokument der Kollektion einverleiben wollt. Sollte beides nicht zutreffen, dann könnt ihr „The Orbserver In The Star House“ sowie diesen Text getrost vergessen und bei der nächsten Rezension weiterlesen.

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