„Ton Steine Scherben in Dub“ (Echo Beach) – das kann nix werden, dachte ich. Krautrock zu dubben ist unmöglich. Wo soll der Bass herkommen? Rockgitarren – igitt! Und dann noch die politischen Texte von Rio Reiser – bestimmt viel zu sakrosankt, um sie im Dub verhallen zu lassen. Warum war Nicolai von Echo Beach so versessen darauf, eine Ikone der deutschen Rockgeschichte der 1970er und frühen 1980er Jahre durch die Echokammer zu schicken? Was versprach er sich davon? Ein Album zwischen allen Stühlen? Sieht er den Flop nicht kommen? Okay, ich gebe zu: es waren Vorurteile, denn die Scherben hatte ich nie zuvor bewusst gehört. Jetzt weiß ich: Bass ist da – muss man nur lauter drehen. Die Gitarren lassen sich im Dub ausblenden und überhaupt ist die Musik der späten Scherben (aus den 1980ern) gar nicht so trocken krautrockig, wie befürchtet. Nur der Gesang, nun, da hatte ich Recht. Außerdem hatte ich keine Ahnung, dass Nicolai zwei Trümpfe im Ärmel hatte: Aldubb und den Dubvisionist. „Unser Konzept bestand darin, echte Dub-Versionen zu kreieren und keine Remixe“, erklärt Dubvisionist, „also möglichst viel Originalmaterial zu verwenden und auf Overdubs zu verzichten“. Womit die Beiden ein eindrucksvolles Lehrstück in Studio-Mischkunst abgeliefert haben. Denn hört man im Vergleich die Scherben-Original-Songs, dann ist es schier unglaublich, was mit Studio-Dub-Techniken soundtechnisch da heraus zu holen war. Es klingt, als wären die Stücke neu eingespielt worden – was aber tatsächlich nur für ein einziges Stück, das ikonische „Keine Macht für Niemand“, tatsächlich zutrifft. Hier hat Gentlemans Evolution-Band ein wunderbares Reggae-Backing aufgenommen und Nina Hagen Gast-Vocals abgeliefert. Alles andere ist wirklich Krautrock-Dub! Wüsste ich es nicht persönlich aus dem Munde des Dubvisionisten, ich würde es nicht glauben. Deshalb noch eine Frage an den Meister: Ist es nicht generell kompliziert, Musik anderer Genres als Reggae zu dubben? „Um lupenreinen Dubreggae ging es bei diesem Projekt in der Tat nicht,“ antwortet er, „hier stand eher die Philosophie des Dubs im Vordergrund, das Aufbrechen von Hörgewohnheiten, Bekanntes in neuen Verhältnissen darzustellen und bislang Unerhörtes in den Fokus zu rücken.“ Was so erstaunlich gut gelungen ist, dass sich jeder Dub-Freund dieses Album als akustische Pflicht-Lektüre zu Gemüte führen sollte, um die Macht der Dub-Kunst wirklich zu begreifen.
Hier gibt es übrigens einen rbb-Radiobeitrag mit Aldubb zum Thema.
2 Antworten auf „Ton Steine Scherben: In Dub“
Puh, vielleicht ist meine Laune heute einfach zu schlecht und ich sollte lieber die Finger still halten aber bei mir funktioniert die Scheibe so gut wie gar nicht. Ich musste beim abchecken immer ziemlich schnell weiter skippen, weil sich einfach keine Magie entwickelt hat. Es gibt wohl schon ein paar dubbige, magische Momente aber es ist wohl doch so, wie Mr. Sherwood es gesagt hat. „At first, you need a good rhythm , before you can make a good Dub.“ Tja …. und die richtig guten riddims gab es für mich und unsereins nun mal nicht im krautrock, sondern ziemlich weit weg auf einer Insel in der Karibik. Von dort sind viele super riddims auch mit nach Hinglan herübergeschwappt. Aber bis nach d-land haben es die guten Rhythmen dieser Welt nicht geschafft. Nix gegen Ton Steine Scherben, die waren schon nicht so schlecht aber ich bzw. wir sind – glaube ich – doch etwas anders unterwegs.
Mein verlangen, die Scheibe noch mal durchzuskippen hält sich jedenfalls in Grenzen.
Nix für ungut ……………… lemmi
Kann ich gut verstehen. Ging mir auch zuerst so. Habe das Album dann aber mehrfach intensiv über Kopfhörer gehört und dann gab es diesen Moment, wo es mich doch ziemlich geflasht hat. Vielleicht muss man seine Hör-Erwartungen mal vergessen und sich ganz unvoreingenommen drauf einlassen.