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Evolution of Dub, Volume 8: The Search for New Life

Evolution of Dub 8

Hoppla, damit hatte ich nicht gerechnet: Im fünften Jahr ihres Bestehens, überschreitet die Evolution of Dub-Serie endlich die Zeitenwende zum digitalen Reggae. Nachdem die zuvor erschienenen sieben CD-Boxen weitestgehend in den 1970er Jahren feststeckten, steigt Evolution of Dub, Vol. 8 (Greensleeves/VP) in die Mitte der 1980er Jahre ein und spannt den Bogen bis fast in die Gegenwart. „The Search for New Life“ lautet der Untertitel der aktuellen Box und kommentiert damit den Niedergang des jamaikanischen Dubs seit Ende der 1970er Jahre fast schon zynisch. Ohne große Mühe gelang es den Dub-Kuratoren im Hause Greensleeves/VP die bisher in der Evolution-Serie erschienenen 28 Album-Rereleases allein mit Material der 1970er Jahre zu füllen. Die folgenden 30 Jahre passen nun spielend in eine 4-CD-Box – zumindest wenn die Evolutionsgeschichte auf in Jamaika produzierten Dub beschränkt bleibt. Über die Gründe, warum Dub in Jamaika so dramatisch an Beliebtheit einbüßte, während er zuerst in England und später in der ganzen Welt immer populärer wurde, darf spekuliert werden. Nicht selten ist als Erklärung zu hören, dass der Reggae-Sound des digitalen Zeitalters keine gute Grundlage für Dubs sei: zu reduziert, zu perkussiv, zu schnell. Mal sehen, ob da etwas Wahres dran ist.

Comuterised Dub

Bereits im Jahr Eins nach Sleng Teng hat Prince Jammy himself gezeigt, dass digitale Rhythms und Dub kein grundsätzlicher Widerspruch sein müssen: Computerised Dub, das erste digitale Dub-Album der Reggae-Geschichte, sorgte 1986 für Furore und wurde deshalb aus gutem Grund für die vorliegende CD-Box ausgewählt. Es enthält Dubs von zehn digital produzierten Rhythms der damaligen Pioniere des neuen Sounds: Steelie & Cleevie. Star dieses Albums ist allerdings weniger der Dub-Mix als vielmehr dieser unsägliche und doch geniale 8-Bit-Sound, den die beiden Musiker ihren Billig-Keybords entlockten und zu synthetisch-schönen Reggae-Beats formten. Jahtari hält das Erbe dieses Sounds bis heute wach. Auf „Computerised Dub“ ist das Original zu hören.

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Wenige Jahre später hatte Gussie Clarke in seinem Music Works-Studio den digitalen Sound des Reggae zu einem clean-polierten, ziemlich kühlen, aber auch vergleichsweise komplexen, Sound weiterentwickelt. Mitglied des Music Works-Teams war Mikey Bennet, der Anfang der 1990er Jahre zusammen mit Patrick Lindsay das Two Friends-Label gründete und im Music Works-Studio Aufnahmen für Cocoa Tea, Brian & Tony Gold, Gregory Isaacs und Shabba Ranks produzierte. Aus dieser Zeit stammt das zweite Album der Box: Voyage Into Dub, das den typischen Music Works-Sound in Reinkultur bietet – und damit unfreiwillig die Frage beantwortet, warum Dub im digitalen Zeitalter auf Jamaika keine Rolle mehr spielte: Die digitalen Rhythms, wie wir sie hier hören, widerstreben auf natürlich Weise dem Dub-Treatment. Statt des offenen, langsamen, klar strukturierten Rhythmus des Roots Reggae, zeichnen sich die digitalen Produktionen eher durch Überfrachtung, Betonung perkussiver Strukturen sowie schneller Polyrhytmik aus und wirken dadurch oft kompliziert. Auch spielte die für Dub so entscheidende Bassline eine zunehmend geringere Rolle (bis sie schließlich im Dancehall-Sound vollständig verschwand). Daher ist „Voyage Into Dub“ zwar ein interessantes Zeitdokument, aber kein gutes Dub-Album.

Juke Box Dub

Mit dem nächsten Album macht die Box einen großen Sprung in das 21. Jahrhundert: Juke Boxx Dub vom Produzenten Shane Brown. Es präsentiert u. a. Dub-Versions von Chuck Fendas „Freedom of Speech“, Romain Virgos „Can’t Sleep“ und Morgan Heritages „Brooklyn & Jamaica“. Die Aufnahmen sind dem klassischen Reggae verpflichtet, wahrscheinlich handgespielt, und bauen auf dem guten, alten Fundament von Drum & Bass auf. Die perfekte Basis also für ein Dub-Reworking. Und in der Tat: hier haben wir das erste gute Dub-Album der Box. Es folgt dem Vorbild des jamaikanischen 70ies-Dub, nutzt die gleichen Techniken und kreiert einen vergleichbaren, super-klassischen Sound. Erstaunlicherweise greifen jamaikanische Produzenten jedoch bis heute keinerlei Einflüsse internationaler Dub-Produktionen auf, die den Blick über das Seventies-Vorbild hinaus führen könnten. Steppers, Dubstep oder Crossover-Experimente scheinen tabu, obwohl sie eigentlich eine fantastische Inspirationsquelle wären.

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Das letzte Album der Box hat mich wirklich überrascht, obwohl es eigentlich ganz folgerichtig ist, die „Evolution of Dub“-Serie damit zu beschließen: Dub Clash von Alborosie. Komplett analog mit historischem Studio-Equipment produziert, schließt es dort an, wo Dub in den 1970ern angefangen hat. Nicht ohne Grund hat Alborosie das Album King Tubby gewidmet und rekuriert auf klassische Riddims wie „Full Up“, „Bobby Babylon“ oder „“When I Fall in Love“. Ein absolut superbes Album – und, obwohl ich höchsten Respekt vor den alten Meistern habe, muss ich sagen: das beste Album der ganzen „Evolution of Dub“.
Rating 3 Stars

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