Nach dem Dub-Album von Jan Delay (Rezension in der letzten Kolumne), gibt es nun erneut ein Dub-Werk aus deutschen Landen. Offensichtlich ist die Reggae-Szene hierzulande mittlerweile so gut entwickelt, dass nun auch Special Interest-Sounds neben Dancehall und Gentleman ihren Platz finden. In dieser Szene groß geworden ist der 26 Jährige Produzent und Multiinstrumentalist Phillip Winter, der, trotz seines jungen Alters, bereits an über 50 Alben mitgewirkt hat (z. B. Jamaram, Jahcousticx, Headcornerstone). Dabei hat er des öfteren über den Tellerrand des Reggae hinausgeblickt und sich mit Jazz, Punk Pop oder Hip Hop beschäftigt. Dass seine Liebe jedoch dem Reggae gehört und dass er vor allem als feinfühliger Soundmixer einiges auf dem Kasten hat, beweist er nun mit dem Album „Dubtrain“ (19/Enja). Unter dem schönen Namen Umberto Echo hat er hier 12 hoch spannende Tracks versammelt, die nicht nur fantastisch klingen, sondern zudem so abwechslungsreich produziert und gemixt sind, dass man dieses Album stundenlang im Replay-Mode laufen lassen kann, ohne sich zu langweilen. Jeder Track besteht aus einem Feuerwerk an Ideen: Rhythmuswechsel, Arrangementwechsel, Stilwechsel zudem Vocal-Fragmente von großen Sängern wie Earl 16, Luciano und Paul St. Hilair – Andere Produzenten machen aus dem Material fünf Alben. Echos große Leistung ist es jedoch nicht nur, diese Ideen umgesetzt, sondern auch dafür gesorgt zu haben, dass alles so wunderschön homogen zusammen passt – statt im Produktions-Overkill zu implodieren. Höchst angenehm begibt sich der Hörer im Dubtrain auf eine Reise durch die weiten Welten des Dub, gleitet durch Raum und Zeit, entlang kühn geschwungener Assoziationsketten im sanften Auf und Ab der warmen Wogen des Bass. Schade, das der Zug schon nach einer Stunde am Ziel ist. Ich könnte ewig mit ihm fahren.
Vor nicht allzu langer Zeit, war in dieser Kolumne die Rezension des Showcase-Albums der Abassi All Stars zu lesen. Trotz Showcase, waren darauf keine reinen Dubs zu hören. Jedoch war der Sound des Albums so eindeutig Dub, dass es seinen Platz zu recht in dieser Kolumne fand. Doch Zion Train-Chef Neil Perch, Produzent des Albums, ist kein Freund halber Sachen, weshalb er nun, ein Jahr später, die puren, unverfälschten Dub-Versionen zum Showcase vorlegt. Der Titel des Albums ist folgerichtig – wenn auch etwas tautologisch: „Dub Showcase“ (Universal Egg). Doch wer sich als hartgesottener Dub-Freund nun auf eine abermalige Steigerung des Genusses freut, dem sei gesagt, dass die Vocal-Versionen der hier versammelten Stücke definitiv spannender waren. Woran mag das liegen? Die nahe liegende Erklärung wäre, dass die Dubs das Fehlen der durchweg starken Vocals nicht durch gute Mixe kompensieren können, da ja bereits die Vocals über gute Dubs liefen. Mag sein. Doch es gibt noch eine zweite Erklärung für das schlechte Abschneiden der Dubs: Ohne Vocals liegt die Konzentration des Zuhörers alleine auf dem Sound – und hier hat der Dub Showcase seine Schwächen: Trotz guter Rhythms und tougher Basslines, schaffen es die Tracks nicht, sich vom Steppers-Sound der 90er-Jahre zu lösen. Das gesamte Album klingt wie ein einziges, großes Dejà-vu. Insbesondere die Love-Grocer-mässigen Bläsersätze bewirken einen Zeitsprung ins letzte Jahrhundert. Schade, vielleicht hätte etwas mehr Mut beim Drehen der Regler gereicht, um den Sound mehr dem State of the Art anzunähern.
Hier bietet sich die Überleitung zu anderen großen Dub-Protagonisten der 90er Jahre an. In der limitierten 4 x 10“-Vinylsingleserie „Scoops – Rewind & Remixed“ machen sie unter der Regie der Vibronics gemeinsame Sache: Alpha & Omega, Bush Chemists, The Disciples und Twiglight Circus. Das Konzept ist etwas kompliziert: Auf jeder Single gibt es vier Tracks eines Dub-Artists, je zwei Vocal-Stücke mit anschließendem Dub-Mix, wobei die A-Seite von den Vibronics remixed wurde und die B-Seite von dem jeweiligen Artist. Alles klar? Eigentlich ist es nur wichtig zu wissen, dass wir es hier erneut mit Recycling zu tun haben – und das sogar im doppelten Sinne, denn wir sprechen hier von Dub-Mixen von Dub-Mixen. Und wem die Namen der hier vereinigten Dubber noch aus den 90er Jahren geläufig sind, der weiß auch was zu erwarten ist: Steppers, Steppers, Steppers. Wieder so ein Dejà-vu – zumal der engagierte Dub-Sammler alle Stücke schon von den Originalalben kennt.
Wie allgemein bekannt ist, werden seit einiger Zeit alle Wackie’s-Alben unter den geschickten Händen von Mark Ernestus und Moritz von Oswald in Berlin rereleased – und zwar exklusiv. Umso größer war die Überraschung, als ich das Album „Wackies in Dub: Partfounder-Dubstation“ (Wackie’s/Import) erblickte. Die Unterzeile: „A Bullwackies Production“ führte zum Kauf des Albums – natürlich nur aus rein selbstlosen Recherchegründen, denn meine Skepsis war groß. Zu Recht, wie sich zeigte. Scheinbar hat Mr. Barnes tatsächlich noch einmal höchstselbst in die Regler gegriffen, doch das Material, das er remixte, besteht aus weitgehend langweilig runtergespielten Rhythms unbekannter Herkunft. Vom Zauber des Wackie’s-Sound jedenfalls keine Spur. Man fühlt sich unweigerlich an die lieblosen Produktionen erinnert, mit denen Scientist, ebenfalls ein alter Recke des Dub, in letzter Zeit an die Öffentlichkeit getreten ist. Wahrscheinlich nichts weiter als ungelenke Versuche, aus dem bekannten Namen noch ein paar Dollar herauszupressen – und ich bin darauf reingefallen.
Da greife man doch lieber zu den Original-Dubs der Veteranen wie z. B. zu jenen aus den 70er Jahren, die King Jammy jüngst eigenhändig für das Album „Dub Explosion“ (Jamaican Recordings/Import) zusammengestellt hat. Alle Tracks sind Jammys eigene Produktionen, die er im Channel One-Studio hat einspielen lassen. Die Linernotes des Albums weisen zurecht auf die präzise Produktion und die überragende Soundqualität hin, die heutige Hörer dazu verleitet, die Tracks in die frühen 80er Jahre zu datieren. Schöne, klassische Dubs mit schönen, klassischen Basslines. Nicht aufregend, aber grundsolide und perfekter Background-Stuff fürs Büro.
Zum Abschluss noch ein weiteres Dub-Album aus Deutschland, von einem Bedroom-Produzenten mit dem witzig ausgetüftelten Namen Sir Larsie I (Wahrscheinlich abgeleitet von Lars?!). Auf dem Album „Dub Buds Vol. 1“ (www.sirlarsiei.com) präsentiert er 17 Steppers-Dubs, die stark an den synthetischen Sound der Disciples erinnern. Dafür wird er gewiss keinen Innovationspreis bekommen, wohl aber den Respekt der Bass-Junkies, denn „Earthshaking“ (wie das Cover verspricht) sind seine Basslines in der Tat. Mein Tipp: Die Atari-Sounds durch gute Qualitätssamples ersetzen und die Sache ist geritzt.