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Dub (R)evolution Review

Dub Evolution, März 2008

Seit Mitte der 1990er Jahre mischen die Vibronics aus Leicester Dub-Sounds made in the UK – und jeder Dub-Freund weiß genau was das heißt: kraftvolle Steppers-Beats mit dröhnenden Basslines und four to the floor durchmarschierenden Bassdrums. Dazu gesellen sich die typischen Synthie-Offbeats und massig Hall und Echo. Einst synonym für das große Dub-Revival, das Anfang der 1990er Jahre durch von Jah Shaka inspirierte Acts wie den Disciples, Zion Train oder Alpha & Omega eingeläutet wurde, ist dieser Sound heute ein Dub-Style unter vielen, aber einer, der untrennbar mit dem Vereinigten Königreich identifiziert wird. Die Vibronics sind ihm treu geblieben, variieren ihn innerhalb der engen Grenzen und spielen als eine der letzten überlebenden Dub-Bands der 1990er unverdrossen ihre Sound System Sessions. Ihre neue Platte „UK Dub Story“ (Scoop/Import) feiert diesen UK-Dub-Sound – nicht in Form einer Compilation, wie der Titel vermuten lässt, sondern mit neuen Produktionen. Natürlich sind hier keine Überraschungen zu erwarten. Brauchtumspflege trifft den Sinn und Zweck des Albums besser. Doch daran muss nichts schlechtes sein. Die   allgemeine Fixierung auf Innovation ist ohnehin höchst fragwürdig. Warum nicht einfach ein handwerklich gutes, solides Album ohne den Anspruch auf Entdeckung neuer Soundwelten produzieren? Die meisten Entdeckungen gehen sowieso in die Hose, da freut sich der Fan doch lieber über gut gemachte Genrekost. Und genau diese liefern die Vibronics. Kein Zweifel, sie beherrschen ihr Handwerk nach 13 Jahren im Dub-Business perfekt und wissen, wie man massive Rhythms strickt und ihnen das richtige Dub-Treatment verabreicht. Bass galore, flirrende Soundpartikel, angerissene Melodien und eine stoisch stampfende Bassdrum – was braucht es mehr zum Glück?

Mossburg heißt ein US-Label, das nun mit zwei reinrassigen Dub-Alben erstmals meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Das erste Album stammt von den Hi Fi Killers und ist „Turf War Dub“ (Mossburg/Import) betitelt. Es enthält 12 ziemlich interessante Dubs, die virtuos mit Sounds des vordigitalen Zeitalters spielen und die Killers unverkennbar als Fans von Scientist und King Jammy outen. Hier steckt viel Liebe im Detail, der Sound ist warm und reichhaltig und das Rauschen und Knistern weckt wehmütige Erinnerungen an frühere Zeiten. Nun würde das nicht viel zählen, wenn die Rhythms nicht gut wären. Kein noch so detailverliebt arrangierter Dub kann gut sein, wenn der Rhythm, das aus Drum & Bass gebaute Fundament nicht überzeugt. Doch die Hi Fi Killers sind hervorragende Tiefbauexperten, wise men, die ihr Haus auf Fels und nicht auf Sand bauen. Und so ist klamm und heimlich auf diesem unbekannten, nur über Import erreichbaren, Underground-Label ein überraschendes, sehr schönes Dub-Album entstanden, das ich jedem, der zu hören weiß, ans Herz legen möchte.

Das andere bei Mossburg erschienene Album, „Terrible Riddims“ (Mossburg/Import), stammt von Dub Fanatic und bietet einen viel klareren, saubereren, präzisen Sound, der weniger schillert, als vielmehr geradlinig die Beats abarbeitet. Den Arrangements ist eine Vorliebe für die Dubs der Revolutionaries anzuhören und die Riddims sind natürlich ganz und gar nicht terrible. Wer mit einem Album aus dem Hause Mossburg bedient ist, der sollte zu den Hi Fi Killers greifen, wer sich aber den Luxus von zwei Dub-Packungen geben will, der kann auf die Label-Website www.mossburgmusic.com gehen und dort für nur 9 Dollar die „Terrible Riddims“ herunterladen – und zwar nicht als mp3, sondern als unkomprimierte AIF-Dateien, die sich anschließend ohne Verlust auf CD brennen lassen. Das ist mal eine interessante Vertriebsstrategie!

Beim nächsten Album bin ich auf einen saublöden Etikettenschwindel hereingefallen, der sich dann aber durchaus als Segen erwies. In dem Order-PDF meines Reggae-Dealers fiel mir sofort das typische gelbrote Souljazz-Cover mit dem kreisrunden Bild in der Mitte in die Augen: „Homegrown Dub – 100% Remixed“ (Mai/Import) lautete der Titel, und ich kombinierte blitzschnell: Nach den zwei CDs „Box of Dub“ 1 und 2 bringt Souljazz nun ein Portrait der aktuellen britischen Dub-Szene. Weit gefehlt! Als mir die CD schließlich vorlag, fand ich im Kleingedruckten unten auf dem Cover, wo normalerweise „Souljazz“ steht, worum es tatsächlich ging: Um Dubs der neuseeländischen Band Katchafire. Von Souljazz keine Spur! Ziemlich übel gelaunt legte ich das Werk in den Player und war dann doch einigermaßen überrascht. Statt den Rip Off mit billig produziertem Material perfekt zu machen, erklangen handgespielte, komplex arrangierte und durchkomponierte Dub-Versions (der beiden Katchafire-Alben „Revival“ und „Slow Burning“). Der Sound erinnert tatsächlich ein wenig an Fat Freddies Drop, auch wenn er weit weniger lässig ist. Nicht selten klingt Katchafire wie eine Rockband, die Reggae spielt, bietet dabei aber schöne Melodien und richtig spannende, traditionell gemixte Dub-Effekte. Auf CD 2 befinden sich dann sieben Club-tauglich remixte Versionen, wobei der Song „Rude Girl“ gleich drei mal remixed wurde. Alles in allem hätte Katchafire den Etikettenschwindel gar nicht nötig gehabt. Das Album ist gut genug, um um seiner selbst wegen gekauft zu werden.

Eine Hommage an das Dub Syndicate bietet uns Rob Smith mit einem Megamix diverser Tracks der Band von Style Scott. „Overdubbed by Rob Smith (courtesy of Smith & Mighty)“ (Collision/Groove Attack) lautet denn auch der vollständige Titel und versucht, das Material diverser Dub Syndicate-Alben mit dem Hinweis auf das Zauberduo aus Bristol aufzuwerten. Die dadurch gesteigerte Erwartungshaltung wird beim Hören leider nicht ganz eingelöst, denn von den Overdubbs ist nicht all zu viel zu hören. Mr. Smith liefert hier mehr oder weniger ein auf Dub Syndicate-Tunes beschränktes DJ-Set. Kaum der Rede wert, wären die Songs nicht so gut, wie sie es sind. Style Scott hat mit Hilfe von hervorragenden Vokalisten wie Big Youth, Junior Reid, Cederic Myton, Capleton sowie den beiden hervorragenden Dub-Mixern Adrian Sherwood und Scientist im Tuff Gong-Studio einfach ein paar superbe Songs produziert. Vielleicht liegt der eigntliche Sinn der Overdub-Aktion darin, die ursprünglich etwas untergegangenen Dub Syndicate-Alben erneut in das Blickfeld der Dub- und Reggaefreunde zu rücken. Verdient haben sie es.

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