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Jäh Division: Dub Will Tear Us Apart… Again

Wieder einmal kein klassisches Dub Album im Reggae Offbeat. Also auch nicht unbedingt etwas für Dub-Puristen. Trotzdem ist es doch immer wieder verblüffend, zu hören, welche akustischen Blüten unser kleines aber feines Genre Dub so treibt.
Aus einer Schnapslaune heraus entwickelten die beiden amerikanischen Musiker Brad Truax (Bass) und Barry London (Keyboards) die Idee, Tracks der britischen Post-Punk-Band Joy Division im Dub-Kontext einzuspielen. Um das Projekt in die Tat umzusetzen, wurden der Oneida Perkussionist John Colpitts (aka Kid Millions), Chris Millstein an den Drums und ein paar zusätzliche Musikerkollegen der Bands „Oneida“ und „Home“ mit ins Studio geholt. Die Aufnahmen waren innerhalb eines Tages im Kasten. Das war 2004 und Jäh Division verkaufte die mit vier Titeln und in einer Miniauflage von 800 Stück gepresste EP ausschließlich bei ihren Live-Konzerten. 15 Jahre später wird ein um fünf Tracks angereichertes Reissue Jäh Division: „Dub Will Tear Us Apart… Again“ (Ernest Jenning Record Co.) erneut der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zu den vier bereits veröffentlichen Joy Division Covers gesellen sich bei der Neuauflage zwei Aufnahmen aus der Original-Session plus drei eines verworfenen Albums. Dem „Isolation Dub“, ein weiteres Joy Division Cover, folgen zwei Eigenkompositionen (die fast 10-minütige Bandimprovisation „Paramount Lobby“ und „Sloppy Homework“) sowie ein Desmond Dekker („Fu Manchu Dub“) und ein Jackie Mittoo („Champion Of The Arena Dub“) Cover.

Die im Schatten der New Yorker Williamsburg Bridge entstandenen psychedelischen Dub-Interpretationen spannen gekonnt einen Bogen vom englischen Manchester über die uns bekannten jamaikanischen Mixing Desk Wizards bis New York.
Jäh Division bleibt lediglich beim Titeltrack relativ nahe am Original. Die Melodie von „Love Will Tear Us Apart“ ist so markant, dass sie selbst denen vertraut sein könnte, die Joy Division nur flüchtig kennen. Meines Erachtens muss man aber nicht zwingend mit der Post-Punk-Band Joy Division vertraut sein, um „Dub Will Tear Us Apart…Again“ schätzen zu können. Die restlichen Tracks offenbaren eher einen dekonstruktivistischeren Ansatz im Dub-Gewand. Töne werden bis zum Äußersten gedehnt, um den Songs einen fast elastischen, pulsierenden Klang zu verleihen. Das Album ist tatsächlich vielmehr als eine eigenständige Einheit zu sehen, welches die Musik der Joy Division Klassiker als Ausgangspunkt nimmt, um sie genüsslich durch den Dub-Wolf zu drehen. Jäh Division schien vielmehr auch die Idee zu gefallen, alle Möglichkeiten zu erkunden, was Dub zu bieten hat. Das Ausloten, was das analoge Equipment und das Studio „dubtechnisch“ so hergeben, hat Jäh Division und Barry London „at the controls“ hörbar Spaß gemacht.
Spätere Elaborate der Easy Star All-Stars wie „Radiodread“ und „Dub Side Of The Moon“ oder auch DubXanne: „Police In Dub“ sind da wesentlich näher am Original geblieben. Dennoch oder gerade deshalb ist und bleibt „Dub Will Tear Us Apart… Again“ ein faszinierendes Beispiel gediegener Dub-Kunst.

Trivia: Jäh Division musste die „Umlautversion“ wählen, weil es bereits eine polnische Band namens Jah Division gab.

Bewertung: 4.5 von 5.

10 Antworten auf „Jäh Division: Dub Will Tear Us Apart… Again“

Vielen Dank für die ausführliche Besprechung und all die Hintergrundinfos zu der Platte. Ich hab mir den Release Lp+Single letztes Jahr gekauft und war ganz begeistert. „Natürlich“ weil ich Joy Division mag, aber weil das eine rundum gelungene Platte ist die ich gerne hören mag. Tolles Album. Dank dieser Besprechung gleich mal wieder raussuchen…

Danke Ras, wegen solcher Tipps schätze ich den dubblog ganz besonders. Das ist wieder ein Album so ganz nach meinem Geschmack. Macht weiter so!!!

Gestern habe ich die Rezension gelesen, hatte aber noch keine Zeit, das Album zu checken. Der Satz ist wichtig, damit man das nun folgende besser versteht.
Zunächst muss ich sagen, das mir die DubEffekte und sphärischen „Aerosole“ richtig gut gefallen. Rein Dubtechnisch habe ich überhaupt nix auszusetzen.
Aber die Basslines hier bezeichne ich – als ein vom Reggae verwöhnter Basslinefetischist – schlichtweg als grottig. Diese Basslines sind ein Hauptgrund dafür, warum ich „weiße Musik“
und dazu gehört auch Punk nicht wirklich respektieren kann. Und um das nochmal zu untermauern, komme ich jetzt auf meinen ersten Satz zurück. Ich hatte die Details von der Rezension echt nicht mehr alle parat, weil von Gestern auf Heute schon „sehr viel Zeit“ vergangen ist. Und so bin ich ganz unvoreingenommen zu der Erkenntnis gekommen, das die einzige (n) Bassline (s), die hier was taugt, die vom Desmond Dekker „Fu Manchu Dub“ ist. Und ob ihr es nun glaubt oder nicht, mit „Champion Of The Arena Dub“ ging es mir exakt genauso. Man könnte mich jetzt sogar blosstellen und sagen …… ätschibätsch lemmi, wir haben dich nur verarscht, hier läuft keine einzige basic Bassline strictly from Jamaica. Die beiden Basslines waren bzw. sind mir in keinster weise geläufig. Daher kann ich mich mit dem „strictly from Jamaica“ auch voll irren. In dem Fall wäre ich aber vorbereitet ,-) und würde sagen, wenn diese Basslines tatsächlich von einem PunkBassisten kommen, dann hat eben das berüchtigte blinde Huhn auch mal wieder ein Korn gefunden. Jedenfalls empfinde ich die erwähnten Basslines als Balsam für meine Seele, während mich die restlichen Basslines echt nur anöden. Und wenn ich euch inzwischen langweile, mit meinem „Manifest“ für Basslines, so müsste ich sagen, ihr habt kein Recht, gelangweilt zu sein, denn Reggae und Dub besteht zu 99% aus Bassline !!! ( Ja, ich gebe zu, mein Enthusiasmus für Basslines ging hier grad wieder mit mir durch. Wie immer hoffe ich, das ich nicht zu sehr übertrieben habe und niemandem zu nahe getreten bin ).

„Listen to the riddim of the Drum and The Bassline“ ASWAD LIVE AND DIRECT … „you know what Live and Direct mean ? Mean LIVE AND DIRECT“ ……………….. lemmi

Hi lemmi,

du kannst noch nicht einmal sagen, dass ich dich nicht bereits in den ersten beiden Sätzen meiner Rezension gewarnt hätte. ;-)
Richtig satte Basslines sind auch reichlich vorhanden, für dich leider nicht die reggaetypischen. Persönlich kann und will ich mit dem Umstand von Zeit zu Zeit ganz gerne leben. Wenn’s dann noch ein „Dub-Album“ ist…umso besser.
Vielen Dank für deine – wie immer – ehrliche Antwort. War mir ziemlich sicher, dass „Dub Will Tear Us Apart… Again“ ganz gewiss nicht dein „Album Of The Year“ werden wird. ;-)))

High RasVorbei !

Ja, deine Warnung war sehr gut gemeint aber da du diese für mein Verständnis eher an Dub-Puristen gesendet hast, fühlte ich mich nicht im geringsten angesprochen. Es muss für mich echt nicht unbedingt aus dem Reggae kommen
aber bitte nicht vom Punk. Ich mag Punk Musik überhaupt nicht und da hilft dann auch kein Hall und kein Echo um mir das dann doch Schmackhaft zu machen.
Allerdings stammt von mir auch der Spruch, „ein Adrian Sherwood würde es bei mir schaffen, das ich sogar Punk gut finde“.
Schön ist es aber doch zu sehen, das es auch Kommentatoren gibt, die das ganz anders sehen bzw. hören als ich. Und diese Art von Diversität ist dann letztenendes
das Salz ( nicht das Haar ) in der Suppe.

„Tune in fe di Kings of Sound and Blues a Reggae Music I will never refuse“ ……………………..lemmi

Hi lemmi,

es lag mir auch fern, dich als „Hardcore-Dub-Puristen“ – der du de facto nicht bist – an den Pranger zu stellen. Wer ON-U Sound und Adrian Sherwood schätzt, ist weit vom Puristen entfernt. Da gebe ich dir zu 100% recht.
Die Liaison von Punk und Reggae wurde häufiger vollzogen. Selbst Misty In Roots hatten häufiger Punkbands als Suppoting Act im Vorprogramm. The Clash haben sich gleich zweimal mit Reggae-Größen zusammengetan. Auf ihrem Debüt-Album wurde „Remote Control“ von keinem geringeren als Lee Scratch Perry produziert. Ein weiteres Mal war’s dann Michael Campbell (Mikey Dread), mit dessen Hilfe sie die Triple-LP „Sandinista“ schufen. „Sandinista“ hat dann in umgekehrter Richtung das Interesse einiger Punker für Reggae/Dub geweckt. So bedingt(e) das Eine das Andere. Aber wie wir schon immer sagen: alles eine Frage des persönlichen Geschmacks.

Hehe, the Clash !

Letztenendes haben sie es dann doch einigermaßen hinbekommen.
In einem Interview mit Lee Perry hat er ein wenig mit den Augen gezwinkert,
als die Sprache auf seine Zusammenarbeit mit the Clash kam. Wenn ich es richtig verstanden habe, musste er The Clash erst mal beibringen eineigermaßen zusammen zu spielen. Von Groove hatten die überhaupt keinen Plan. So schien seine Meinung zu sein und ich würde das zu 100%
bestätigen.
„Thats why I am Sitting on my Throne Of Gold“ arrogant und abgehoben
gegenüber allem, was nicht High Grade Music ist. Mit anderen Worten
REGGAE IST DAS MASS All MEINER DINGE !!!

Ich weiß, das ist nicht OK für jedermann ( Frau schon gar nicht ) aber ich
schreibe mal wieder aus dem Bauchgefühl heraus und meinen Kopf lasse ich da einfach mal außen vor. Der is sowieso ziemlich weit entfernt von meinem Bauch.

Wenn De Niro in „The Fan“ nicht so eine unsympathische Rolle gehabt hätte, würde ich sagen,

I am „THE FAN“ ……………. lemmi

Teil 2 :

Ich habe das so in Erinnerung, das die Punks sich für Reggae interressiert haben, während das wiederum die Rastas ganz sympathisch fanden.
Deshalb durften die Punks da vielleicht auch mal im Vorprogramm spielen.
Auch heute gehört es für Punks wohl traditionsgemäß immer noch zum „guten Ton“, hin und wieder einen echten ReggaeKlassiker mit in ihre
Playlist zu packen. Ich weiß allerdings echt nicht, ob sich Punks immer noch
zum Pogo treffen. Da fällt mir eigentlich auch schon wieder ne kleine „garstige“ Bemerkung zu ein. Dieses Pogo“tanzen“ is ja irgendwie auch nicht gerade im Rhythmus der Musik, sondern dient eher dazu die überschüssige Energie unkonrtolliert auslaufen zu lassen.

An alle Punks, die hier was lesen, nehmt mich nicht so ernst bitte.

Mich hats erwischt, ich bin positiv bekloppt und daran möchte ich nicht das geringste ändern. Weils einfach so geil ist auf Wolke Sieben.

„Talking about togetherness“ ( was für ein Vocal – Dub vom Syndikat ! ich könnt´ schon wieder auflippen, durchdrehen und komplett die Kontrolle verlieren / Wo ist blos meine Jogginghose hin ? ) ………………….. lemmi

Es gibt da jede Menge wissenschaftlischer Abhandlungen warum Reggae mit Punk oder auch andersherum. „Pogo“ hat sich auch mir bis heute nicht erschlossen.

Zu Perry:
Also taken by punk’s socio-political awareness was producer Lee „Scratch“ Perry, who, while less than impressed with the Clash’s version of a song he had co-written, „Police and Thieves“ (1977), was sufficiently excited by the ethos of the band to work with them on the recording of their major label-bashing single, „Complete Control“ (1977). It was Perry who explained to Marley how punk’s engagement of the still underground reggae style could help promote the music and spread its messages (Gilbert, p.159). By the end of the year reggae’s primary performer had penned „Punky Reggae Party“ (1977), releasing it as the B-side to „Jamming“. On the song Marley proposed „party“ unity between the two uprising movements, positioning both reggae and punk against the „boring old farts“ of the mainstream music industry. (Iain Ellis, popmatters)

@ lemmi
Wie du siehst, hast du dich wieder einmal sehr gut erinnert. Dein Wissenspektrum ist fabelhaft.

„Unnachahmlich: Dub Spencer & Trance Hill“

Sehe bzw. höre ich genau so ! Ich kenne die Originale nicht ( außer London Calling
und der is echt auch im Original gar nicht mal so schlecht / Nein, ich gebe es zu,
der ist sehr gut ! …… is der überhaupt von The Clash ? )

Dub Spencer and Trance Hill machen für mich definitiv High Grade Music wobei ich deren Debut Scheibe noch im Laden stehen gelassen habe. Der Funke ist bei mir erst „Live And Direct“ getunnelt bzw. übergesprungen. Nachdem sie mich dann „kannten“ haben sie wohl gedacht, ok, für den Lemmi müssen wir uns noch etwas steigern ;-) Was sie dann ja auch immer wieder getan haben.

Its Dub Time Now ( Feierabend ) ……………….. lemmi

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