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Keith Hudson: Pick a Dub

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Keith Hudsons „Pick A Dub“ (VP) ist Kult, gehört zum Reggae-Weltkulturerbe und wurde von der UNESCO zu einem der sieben Weltwunder erklärt. Mit den Lobeshymnen über dieses Album ließen sich ganze Bücher füllen. Hört man es heute, drängen sich doch Fragen auf wie: Klingt so ein Meisterwerk? Oder besser: Klang so ein Meisterwerk? Nun: hier hilft ein Blick auf die Rezeption in ihrer historischen Dimension: „Pick A Dub“ erschien 1974 in England und war damit eines der ersten Dub-Alben (wenn auch definitiv nicht das Erste, wie gelegentlich zu lesen ist). Gemessen an dem, was die Welt an Musik zu diesem Zeitpunkt kannte (auch mit Blick auf Reggae), ist die Erfindung des Dub als Innvoationsleistung jamaikanischer Produzenten und Studioingenieure gar nicht hoch genug zu schätzen. Dub war radikal neu und ungehört – eine Sensation. Und wenn Dub schon radikal neu war, dann war „Pick A Dub“ seine bis dahin radikalste Manifestation. Die Faszination, die ein Album wie „Pick A Dub“ Anfang der 1970er Jahre auf seine Hörer ausübte, ist aus heutiger Sicht kaum mehr nachvollziehbar. Heute, im Zeitalter der musikalischen Globalisierung, sind neue Sounds, extreme Beats, schräge Dub-Experimente und unzählige Spielarten des Reggae an der Tagesordnung. Hört man heute „Pick A Dub“, so ist es, als würde man eine alte Schwarzweissfotografie anschauen. Neben den bunten, prallen, bewegten Bildern unseres Alltags kann sich das alte Foto kaum behaupten. Doch als sich Mitte des 19. Jahrhunderts die sichtbare Welt wie durch Geisterhand von selbst auf einer silberbeschichteten Glasplatte ablichtete, war das Foto eine Sensation unfassbaren Ausmaßes. Was uns heute an dem Foto interessiert, ist nicht mehr die schlichte Tatsache seiner Existenz, sondern seine historische Authentizität. Es ist ein historischer Zeitzeuge, sagt etwas über Leben und Kultur der Zeitgenossen aus. Doch rein formalästhetisch hat es natürlich längst nicht mehr das Zeug zu einer Sensation. Mir geht es mit „Pick A Dub“ genau so: Die Musik hat eine beeindruckende, historische Aura, aber die ihr einst innewohnende Kraft ist leider nicht mehr nachvollziehbar. Was vor vierzig Jahren radikal neu war, der minimalistische Drum & Bass-Sound, der betonte Bass und der Dub-Mix überhaupt, ist heute klassischer Standard. Daher muss ich gestehen, dass mich meine mangelnde Begeisterung beim Hören des Albums etwas betrübt. Wie gerne würde ich die Aufregung der frühen 70ies-Dub-Entdecker angesichts dieses epochalen Albums erleben. Tja, aber das ist leider die Ungnade der späten Geburt. Apropos Geburt: „Pick A Dub“ hat bereits einige Inkarnationszyklen hinter sich. So wurde es im Laufe der 1970er Jahre gleich mehrfach veröffentlicht und war 1994 das dritte Album des Blood & Fire-Labels – jedoch immer mit dem originalen Umfang von 12 Tracks. Nun erscheint es erstmals mit acht Bonus-Tracks – meist Vocal-Versions – und remastert von Kevin Metcalfe.

Rating 4 Stars

3 Antworten auf „Keith Hudson: Pick a Dub“

Mit Verlaub, dass was wir heute hören können hat nichts mit dem Original zu tun. Das ist völlig anders gemastert als das Original, was z.b. besonders an den permanent überpräsenten Mitten und Höhen herauszuhören ist. Auch der B&F-Release war imo meilenweit weg vom Original und dessen „Dynamic Range“. Das mag nicht nur an der Quelle liegen, sondern auch an den Wiedergabegeräten und nicht zuletzt an geänderten Hörgewohnheiten. Wer das heute abspielt hört imo etwas ganz anderes als in den 70ern.

Unbedingt… das ist aber nur die Hälfte der Geschichte, denn da sind auch noch die Wiedergabegeräte, die Boxen von anno dunnemal und wenn man ganz pingelig ist wäre dann auch noch die Grammatur des Vinyls, welche Matrize usw. usf. und dann selbstverständlich auch die eigene veränderte Hörgewohnheit im Vergleich zu den 70ern/80ern. Und vielleicht eine gewisse Neigung von der guten alten Zeit zu schwärmen ;-)

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