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Pachyman: At 333 House

Hier haben wir also eine Veröffentlichung, die „from scratch“ als Dub-Album konzipiert wurde; eine Produktion, die wohl aus Freude und Liebe zum klassischen Reggae bzw. zur analogen Dub-Technik entstanden ist. Das Album scheint aber auch einem Trend zu entsprechen, der in letzter Zeit vermehrt zu hören ist: Es präsentiert ein Klangbild, dass den Eindruck erweckt, als würde man sich mit dem Künstler in einen ziemlichen muffigen, dumpfen, zur Schallisolierung ausgepolsterten Proberaum befinden. Da ist nichts geschönt; das laute Hi-Hat und die Becken klingen blechern, die Bass-Drum als auch der Bass trocken und flach. Musiker werden sich beim Hören an ihre Anfänge zurückversetzt fühlen – damals, mit der Band im feuchten, kalten Keller für den die Bezeichnung „Proberaum“ ein schlechter Witz war. 

Ein Sound also, der so gar nichts mit den tiefen Bässen und den scharfen Höhen von z.B. jamaikanischen Produktionen zu tun hat. Insofern werden klassische Dubheads keine große Freude an Pachyman’s „At 333 House“ (Mock Records) haben. Es ist das zweite (Solo-)Album des in LA lebenden Puerto-Ricaners, der die Inspiration für seine selbstgeschriebenen und nahezu im Alleingang eingespielten Riddims offensichtlich aus den späten 70ern bezieht. Auch damit ist er nicht allein; in den letzten Monaten gab es immer wieder Produktionen, die sich in jeglicher Hinsicht der goldenen Ära des Reggaes verschrieben haben. Die Revolutionaries oder die frühen Roots Radics lassen grüßen – wenn es damals schon großartig war, warum nicht auch heute?

Dieses Konzept geht nur bedingt auf. Pachyman mag zwar talentiert sein und mehrere Instrumente spielen können – dass alles aber anscheinend nur durchschnittlich. Die Qualität seiner Bassläufe reicht von unsäglicher Langeweile („Smokeshop“) bis wunderbar groovend („Babylon Will Fall“). Der Sound-Mix ist schwierig und ermüdend, da die Instrumente annähernd gleich laut, sprich ohne Dynamik, abgemischt sind. Der Dub-Mix per se ist unspektakulär und bar jeglicher Höhepunkte: Da mal ein Hall, hier mal ein Hall; mit Echo geht Pachyman ziemlich knausrig um und die stellenweise hochgepitchten Bässe hat der Mad Professor wesentlich besser drauf. Und unter uns: Fade-outs sind heute nicht mehr notwendig oder üblich, da kann man gerade auch als Dub-Mixer geniale Sachen zaubern.

Kann man „At 333 House“ also getrost wieder aus der Playlist schmeissen? Vielleicht; man sollte aber Pachyman ohne weiteres zugestehen, dass da gefühlt jede Menge Potential vorhanden ist. Ich vermute er könnte es besser nutzen, wenn er den Kokon verlassen und seine Ideen von Band, Mixing-Engineer bzw. Tontechniker filtern, beleben und umsetzen ließe. Einen Versuch wäre es wert, Pachyman.

Bewertung: 2 von 5.

6 Antworten auf „Pachyman: At 333 House“

Hi,

nachdem ich mir jetzt 2x das Album durchgehört habe, muss ich nun doch für Pachy García aka Pachyman eine Lanze brechen. Wenn ich die Augen schließe, hört sich das Werk beinahe 1:1 wie ein klassisches Roots Radics Album an und von den Radics gibt es meines Erachtens wesentlich schlechtere und langweiligere Elaborate. Auch Bassläufe von Flabba Holt sind nicht immer das Gelbe vom Ei. Für einen in den USA lebenden Puertorikaner, der fast alles in Eigenarbeit bewerkstelligt hat, klingt „At 333 House“ als wäre es in den späten 70ern – ergo der Blütezeit des Reggaes – entstanden. Kurz, so schlecht, muffig und langweilig finde ich Pachyman’s neues Album jetzt beim besten Willen nicht.

Hello everyone …….. we are Audio Active !

Ja ich musste erst mal herzlich schmunzeln. Der Sound erinnert an den „feuchten kalten Keller von damals“ und dann heist das
Label auch noch „Mock Records“,so als ob man den feuchten kalten „SchimmelSound“ sogar riechen kann.
Da mein Bett Zuhause oft vor Silberfischen nur so wimmelt ( lemmi, du bist manchmal ganz schön eklig ) fühle ich mich in diesem Ambiente und in dieser Atmosphäre jedoch sehr geborgen und kann da gar nicht so viel schlechtes dran finden. Das Gegenteil davon wäre ja dann wider diese Sterilität, die wir ja auch schon oft aus allen erdenklichen Playlisten geschmissen haben. Die goldene Mitte liegt da für mich seit geraumer Zeit bei Umberto Echo, Aldubb und dem Dubvisionisten sowie auch bei Paolo Baldini
und sicherlich kann man da noch weitere Beispiele aufzählen …… aber soll erst mal reichen.
Die Qualität der Bassläufe, empfinde ich nahezu genauso. „Smokeshop“ ist ein „schönes“ Beispiel für eine schlaffe Bassline und
„Babylon Will Fall“ könnte auch aus der Feder eines Errol „Flabba“ Holt stammen. Wobei ich es wie RasVorbei sehe, das auch ein Flabba Holt nicht jeden Tag die weltumspannenste, alles Böse niederwalzende, Bassline hervorgezaubert hat. Da wir positiv eingestellte Menschen sind, merken wir uns aber nur die guten Basslines, die Flabba Holt mit seinen Goldfingern produziert hat
und hoffentlich weiterhin produziert. Die meisten Basslines von Pachyman haben aber den jamaikanischen Groove bzw. Charme
und treffen mich von daher doch mitten in mein ReggaeHerz. Man merkt lediglich, das Pachyman nicht so viel Kraft in seinen Fingern hat, wie zum Beispsiel Flabba Holt oder Robbie Shakespeare. Ich bilde mir umindest ein, das ich es heraushören kann, ob jemand Mühe hat, dem Basslauf mit seinen Fingern zu folgen oder ob die Finger den Groove mit einer gewissen „unbeschwerten Leichtigkeit des Seins“ erzeugen können. Pablo Gad von ASWAD ist für mich auch so ein Bassist, dem die Basslines wie von selbst von der Hand gehen. Natürlich gibt es da noch mehr …….. aber soll erst mal reichen.
Ich gehöre ja nicht zu den klassischen Dubheads, denn ich mag nahezu alle Spielarten von Reggae und deshalb hätte ich mit diesem Album durchaus auch meine Freude aber beim Streamen ist es nunmal so, das es genauso wie das Wasser eines Flusses
– im warsten Sinne des Wortes – an mir vorbeiströmt und danach dann komplett den Bach runter geht. Es sammelt sich dann irgendwo im großen Ozean der Musiken und kommt nur vielleicht als vereinzeltes Regentröpfchen zu mir zurück.
Wenn all diese Dubs in der Echokammer von Victor Rice entstanden wären, würde ich mich nicht im geringsten wundern. Klingt für mich nahezu exakt nach Victor Rice auch wenn dieser meistens doch noch etwas enthusiastischer an den Nippeln schraubt.
Jedenfalls finde ich das MusikDatenPaket auch auf keinen Fall schlecht und auch nicht im geringsten langweilig. Wenn es etwas
muffig klingt, so wäre das bei weitem nicht das erste mal und wie ich das schon öfter mal erwähnte, auch nicht so schlimm, solange die Musik was taugt.
Es geht mir mit diesem Album genauso, wie mit vielen anderen auch. Wenn ich nicht schon so lange Dub bzw. Reggae hören würde und wenn ich nicht schon so viel kennen würde , dann müsste dieses Album mit zu mir nach Hause. So höre ich mir ein anderes Victor Rice Album an und freue mich, das es MEINS ist.

Greetings ……………….. lemmi

Flabba H. dürfte fast nur mit dem Daumen spielen, bei Robbie S. hab‘ ich’s auch schon öfter gesehen. Also von wegen kraftvollen Fingern :)

Ein Tipp noch zu Pachyman: Seine Videos auf Instagram & YouTube – wenn man die Optik dabei hat, werden die Tracks imo interessanter.

Ihr habt natürlich recht damit, dass auch die Ikonen mitunter ziemlich danebenhauen im Lauf Ihres Schaffens. Ich arbeite gerade intensiv an der „deeper in dub“ Spotify-Playlist, die sich mit Dubs der späten 70er und frühen 80er beschäftigt. Da gibt es viele, viele feine Arbeiten, aber auch einigen soundtechnischen Müll. Hat mich etwas überrascht, weil ich diese Zeitspanne für die goldene Ära des Dubs bzw. Reggaes schlechthin halte und auch die Studiotechnik schon fortgeschrittener war (als z.B. zu Black Ark-Zeiten). Schlussendlich finde ich’s aber befreiend, wenn man seine musikalischen Heros mitunter vom Podest runterholt und das eigene musikalische Wertesystem re-kalibriert.

@lemmi
„Es geht mir mit diesem Album genauso, wie mit vielen anderen auch. Wenn ich nicht schon so lange Dub bzw. Reggae hören würde und wenn ich nicht schon so viel kennen würde , dann müsste dieses Album mit zu mir nach Hause.“

Treffender hätte man es nicht formulieren können. Bei der Flut, die tagtäglich über uns hinwegrollt, erfahren viele gute bis sehr gute Alben nicht im geringsten die ihnen zustehende Anerkennung. Das ist ganz genau unser aller Problem, „die Dosis macht das Gift“. Wir sind schlichtweg überfüttert. Jeden Tag ein neues, wegweisendes Dub-Album zu finden, kann nicht funktionieren. Das war zu Beginn des Dub sowieso undenkbar, aber auch heute kann kein Sound-Engineer das „Dubbing“ neu erfinden. Aus diesem Grund strecke ich auch häufig meine Fühler nach andersartigen Dub-Spielarten aus. Frischer Wind tut immer gut.

Mein „Problem“ ist vor allem auch, das mir im Grunde jeder Dub gefällt. Egal wie viele Haare ich in der UK-EinheitsDub-Suppe finde, über einen Uk-DubDance in unserer Straße würde ich mich trotzdem freuen. Sollte nur nicht die ganze Nacht dauern.
Dann diese ganzen „Heimwerker“ die mit ProTools und Computermischpult teilweise auch ganz passable Dubs zusammenschrauben. Kann bzw. will ich auch nicht alle ignorieren. Aber mein Hauptinterresse liegt bei Scheiben wie „Heavy Rain“!!! Zum Einen, weil Alte Liebe Niemals Rostet und durch solche Alben noch tiefer und inniger wird. Zum Anderen, weil hier nicht nur der Engineer ein positiv durchgeknallter SoundForscher ist, sondern das gesamte Team und vor allem die Musiker. Hier wird eben nicht einfach nur mit Wasser gekocht, sondern mit ganz speziellen Zutaten, die sich einem irdischen Gaumen nicht oder nur sehr schwer erschließen. Und richtig spannend wird es, wenn man Wasser im Vakuum kocht. Dann reichen schon 20 grad Celsius und es passiert das Selbe, wie bei Atmosphäre. Faszinierend, wenn ich den guten alten Spock mal zitieren darf.
Also, ich bekomme das einfach nicht auf den Punkt. Einerseits schaue ich vor allem hier im DubBlog täglich nach, ob es denn einen neuen Dub gibt und andererseits wünsche ich mir, das es keine neuen Dubs mehr gibt, damit ich meine ganzen alten Dubs
endlich gebührend oft hören kann.
Hört bloß nicht auf mich !!! Vergesst meinen Schwachsinn und haut die Dubs hier rein, bis alle Server verglühen. Ohne eure Tips bin ich niemand und ich kann mir viel schlimmere Probleme vorstellen, als im Grunde jeden Dub zu mögen.
Und wenn ich nicht bei jedem Dub vollkommen ausflippe, dann nur, weil ich auch mal einen normalen Moment in meinem Leben haben möchte. Ich brauche auch eigentlich gar keinen frischen Wind. Für mich muss der Wind nur immer aus der richtigen Richtung kommen. Wenn ich nach Norden will, sollte der Wind am besten direkt aus Süden kommen und dementsprechend verhält es sich mit allen anderen Himmelsrichtungen. Leider kann der Wind auch nicht immer wissen, wo ich denn nun gerade hin will.

Ich glaub ich will nach Hause ……………………… lemmi

[…] Mein Kollege gtkriz kritisierte einst Pachys Sound hart: „Er präsentiert ein Klangbild, dass den Eindruck erweckt, als würde man sich mit dem Künstler in einen ziemlichen muffigen, dumpfen, zur Schallisolierung ausgepolsterten Proberaum befinden. Da ist nichts geschönt; das laute Hi-Hat und die Becken klingen blechern, die Bass-Drum als auch der Bass trocken und flach.“ Tja, wo er Recht hat, hat er Recht. Die Frage aber ist: Ist das tatsächlich so negativ zu bewerten? Oder sollte Retro-Dub nicht genau so klingen? Falls man die letzte Frage bejaht, dann schließt sich natürlich sofort die Folgefrage an: Warum die Kopie, wenn es doch das Original gibt? Womit wir dann beim philosophischen Proseminar gelandet wären. Deshalb will ich das hier mal nicht weiter vertiefen, sondern einfach kundtun: Mir gefällt sein neues Album „The Return oh Pachyman“ ausnehmend gut. Die Dubs sind wunderbar verspielt, die Melodien nisten sich in meinen Ohren ein und der Mix sorgt für gute Unterhaltung. Und ja: Ich habe auch Spaß daran, die vielen Zitate zu dechiffrieren. Ich bekomme das Gefühl, Pachyman und ich sind „one of an kind“. Deshalb mag ich ihn, schaue ihm gerne in seinem Kellerstudio zu und höre „Return …“ wenn ich gute Laune habe. Willkommen zurück, Pachy! […]

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