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Dub (R)evolution Review

Dub Revolution, Januar 2004

Was für ein Dreamteam! Davon träumte jeder die-hard Dub-Enthusiast – jetzt ist es Wirklichkeit geworden: Sly & Robbie und der verrückte Professor dubbing out crazy! Drei Tage im April letzten Jahres saßen sie gemeinsam im Ariwa-Studio in Süd-London und drehten die Zeiger der Uhr zurück in die 70er Jahre, in die goldene Zeit des Rockers-Sound und der Dub-Music und nahmen das Album „Sly & Robbie meet the Mad Professor: Dub Revolutionaries“ (RAS/Sanctuary/Zomba). Mad Professor, begeisterter Fan dieses Sounds, nutzte die Chance, dessen Erfinder, Sly Dunbar, im Studio zu haben: „Ich wollte diesen Sound von Joe Gibbs und Channel One wiedererwecken, mit handgespielten Drum & Bass. Die Platte sollte genau so klingen, als wäre sie 1978 aufgenommen worden.“, erklärt Neal Fraser. Dazu wählte er einige Dub-Tracks aus seiner legendären „Dub Me Crazy“-Serie aus und ließ sie von Sly, Robbie, Sky Juice, Bubbler und anderen Mitgliedern der Taxi-Gang im Rockers-Style neu einspielen. „Er wollte „four to the floor“ und den typischen Rockers-Rim-Shot“, erinnert sich Sly, „Mir machte es viel Spaß diesen Style wieder zu spielen. Es gab keine Einschränkungen –  We just go for it!“. Etwa eine Woche nach dieser Session kam Dean Fraser ins Studio und hat die Aufnahmen zusätzlich mit seinem schönen, einfühlsamen Saxophon-Spiel veredelt. Ursprünglich sollte eine ganze Horn-Section antreten, doch Dean Fraser behielt sich vor, alle Blasinstrumente selbst zu spielen und sie später übereinander zu kopieren. Herausgekommen ist ein großartiges, toughes Dub-Album ohne allzu aufdringliche Dub-Effekte, in dem Slys Rockers-Drumming wieder zum Leben erweckt wird und kongenial mit dem typischen Ariwa-Sound verschmilzt. Ein Album, das seinen Platz in der Dub-History einnehmen wird.

Nach zweieinhalb Jahren meldet sich Style Scott zurück, der das Dub Syndicate inzwischen komplett von Adrian Sherwood übernommen hat. „No Bed Of Roses“ (EFA) heißt das neue Werk des Syndikates, das komplett im jamaikanischen Tuff Gong Studio aufgenommen – der soundtechnischen Konsistenz wegen aber in London von Adrian Sherwood overdubbt wurde. Dieser hat seine Arbeit allerdings so gründlich verrichtet, dass ein fantastisch inspirierter, durch und durch britisch klingender Dub-Sound entstanden ist. Doch Mr. Scott wollte es gar nicht bei einem noch so spannenden instrumentalen Dub-Album belassen und bat daher verschiedene Vokalisten wie Cederic Myton (Congos), Cornell Campbell oder gar Gregory Isaacs ein paar Lyrics beizusteuern. Diese konnten bei den grandiosen Rhythm-Tracks wohl nicht anders, als ihre Bestleistung abzuliefern. So ist nun auf einem Album vereint, woraus clevere Producer gemeinhin zwei Alben machen: Solide, hochinspirierte Dub-Tracks mit wundervollen Songs als Zugabe. Ein Meilenstein!

In der hoch gelobten „Hi-Fidelity Dub Sessions“-Serie des amerikanischen Labels Guidance ist soeben das „5. Chapter“ (Import?) erschienen. Anders als bei den vorangegangenen Alben, die sich stärker auf den britischen Dub-Sound konzentrierten, vollzieht „Chapter 5“ eine Kehrtwendung  in Richtung klassisch anmutender Uptempo-Beats mit deutlichem Vocal-Anteil. Abgesehen vom G Corp-Remix des Thievery Corporation-Tracks „Richest Man In Babylon“ weist das Tracklisting keine dem Reggae-Geek bekannte Namen auf. Vielleicht hat das House-Label Guidance diesmal verstärkt in den vertrauten Gewässern von House und Club nach interessanten Dub-Remixen gesucht. Was sie dort gefunden haben, ist nicht uninteressant, kann aber mit dem bisher von der Hi-Fidelity-Serie gewohnten Niveau nicht mithalten. 

Inspiriert von der dem historischen Punk-Reggae gewidmeten „Wild-Dub“-Compilation, stellt das Hamburger Echo Beach-Label nun „Modern Wild Dub“ (Echo Beach/Indigo) vor. Untertitelt mit „Dread meets Disco Punk Rocker Downtown“ bietet die neue Compilation diverse Remixes gegenwärtiger Dancefloor-Formationen wie Playgroup, Chicken Lips, Radio 4, LCD Soundsystem, Kid Loco oder Colder. Das Ganze lässt sich vielleicht am ehesten als Punk-disco-trip-dub bezeichnen, wobei „Punk“ weniger für Rock als vielmehr für Sound-Anarchie steht. Es versteht sich von selbst, dass sich dieser Sampler nicht an Dub-Puristen richtet. Die Dancefloor-Avantgarde jedoch und very open minded Dubheads dürften viel Spaß dabei haben, sich die Tracks um die Ohren prügeln zu lassen.

Zurück zum puren Dub-Sound. Mit „Dub Em Zukie“ (Indigo?) stellt das Jamaican Recordings-Label ein klassisches 70er-Jahre Dub-Album von Tappa Zukie vor. Versammelt sind hier Zukie-produced Dubs der Jahre 1976 bis 1979 wie z. B. Johnny Clarkes Version von „Ballistic Affair“ oder Horace Andy „Natty Dead Ah Wey She Want“. Und so sind es weniger die Dub-Mixes, die an diesem Album Spaß machen, als die wundervollen klassischen Rhythms, die hier mit schön melodischen Interpretationen dargeboten werden (schon lange nicht mehr gehört: „My Conversation“ oder „Hypocite“). Sly Dunbars Rockers-Style gibt es dabei gewissermaßen als Bonus.

Decoder Muzique ist ein Projekt des DJs Javier Verdes und des Grafikdesigners und VJs Giovanni Jubert. Inspiriert von der Stadt Barcelona haben sie eine Dub-Compilation, namens „Barcelona In Dub“ (Indigo?) mit aufwendigem Cover-Artwork, einem Videofilm auf DVD und ein Live-Projekt zusammengestellt. Interessant ist vor allem die Compilation, auf der wider Erwarten keineswegs die lokalen Dub-Acts vorgestellt werden, sondern worauf internationale Artists wie Up, Bustle & Out, Sugar Minott (Wackies), Playgroup, International Observer oder Don Air vertreten sind. Kunstvoll ineinander gemischt vermitteln die ausgesuchten Stücke eine dunkle, schwermütige Stimmung, wie sie zu den frühen Morgenstunden in einem Club passt. Unglaublich sensibel zusammengestellt mit einer Menge überraschender Tracks, ist „Barcelona In Dub“ die zur Zeit wohl interessanteste Dub-Compilation. 

Mit „Combat Dub II“ (Hammerbass/Import) präsentiert das französische Dub Projekt Brain Damage eine zweite Folge von Dub-Remixen ihres Albums „Always Greener“. Vertreten sind hier u. a. Alpha & Omega, Manutension, Mossman Vs Mr. Tsunami und Vibronics. Trotz der unterschiedlichen Herkunft der Protagonisten, ist „Combat Dub II“ ein durch und durch typisches UK-Dub-Album mit wuchtig rollenden Steppas-Rhythms und massig Hall in allen Ecken und geilem Cover-Artwork. Sehr schön, dass es so etwas noch gibt! Schade hingegen, dass noch immer keinen Vertrieb dafür in Deutschland existiert!

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