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Jah Schulz: Railroad Versions

Letztes Jahr um diese Zeit schwärmte ich noch von Jah Schulz’ „Railroads Sessions“. Nun hat Michael „Schulz“ Fiedlers mit „Railroad Versions“ (Railroad Records) eine Versions-Version nachgeschoben, die – so wie ich das sehe – aber auch neue Tracks enthält. Und ich muss zugeben, ich könnte schon wieder ins schwärmen geraten. Herr Fiedlers weiß einfach, wie intensiver, purer, betörender Dub geht. Weglassen und Konzentration aufs Wesentliche gehört jedenfalls schon mal dazu. Wuchtige Basslines im Zentrum des Universums auch. Tighte Beats ebenso. Jah Schulz hat sie alle!

Bewertung: 5 von 5.
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Ras Blas: The Smoker Trombonist (Showcase)

Manchmal glaube ich, dass die beste Musik kostenlos zu haben ist, weil ihre Produzenten sie den Menschen da draußen einfach nicht vorenthalten möchten. Und so heißt es auch bei dem grandiosen Album „The Smoker Trombonist (Showcase)“ (Fat Bird Recording) von Ras Blas auf Bandcamp nur „Name your price“. Wer fair ist, sollte hier allerdings einen vollen Albumpreis eintragen, damit Mr. Blas und seine Produzenten genug Geld verdient, um weitere Musik aufnehmen zu können. Es wäre zu schade, wenn der Mann seine Posaune an den Nagel hängen müsste. Hier beschenkt er uns mit sechs unglaublich schönen Instrumentals und den dazu passenden Dub-Versionen. Warme, handgespielte Rhythms, inspirierte Arrangements, bester Sound und natürlich nette Trombone-Melodien machen glücklich. Die Dubs sind eher traditionell gemixt, was aber gut zum generellen Retro-Charme der Musik passt.

Bewertung: 5 von 5.
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Kanka: Interaction

Der vielleicht kompromissloseste Sound System-Dub unserer Tage kommt aus Rouen in Frankreich, wo Kanka in seinem Kellerstudio sitzt und an den Reglern schraubt. Nur den Knopf für den Bass rührt er nicht an. Der ist standardmäßig ganz nach rechts gedreht. Bereits im November des letzten Jahres, veröffentlichte er sein neues Album „Interaction“, das – wie bei ihm gewohnt – kostenlos bei Bandcamp herunter zu laden ist. Warum der Titel „Interaction“? Vielleicht, weil es im Sound System gespielt, seinen Hörern eine physische Reaktion abverlangt? Der Bass lässt jedenfalls die Lunge vibrieren und die Hosenbeine flattern. Ich liebe das und empfehle das Album auch fürs heimische Wohnzimmer – sofern ein Turm aus Subwoofern vorhanden ist.

Bewertung: 5 von 5.
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International Observer: Free from the Dungeons of Dub

Endlich frei! Der International Observer liebt offenbar weite Dramaturgiebögen: Nach „From the Dungeons of Dub“ (2010) über „More Tales from the Dungeons of Dub“ (2013) und „Escape from the Dungeons of Dub“ (2017), erscheint nun mit: „Free from the Dungeons of Dub“ (Dubmission) der vielleicht letzte Teil der Dungeons-Saga. Beim letzten „Escape“ habe ich mich weit aus dem Fenster gelehnt und von meiner „persönlichen Definition modernen Dubs“ gesprochen, handele es sich doch „um hundert Prozent Reggae-Dub in absoluter handwerklicher Perfektion, die sich aber zugleich völlig vom Reggae emanzipiert hat.“ Tja, da kann ich jetzt wohl kaum noch einen drauf setzen: „Großartige Kompositionen, schöne Melodien, ausgeklügeltes Arrangement, perfektes Timing und unglaublich dynamischer, sauberer Sound“ – besser lässt sich die Musik des Ex-Thompson-Twins-Kopfes Tom Bailey nicht beschreiben. Auch das neue Werk rückt kein Nanometerchen von dieser Qualität ab. Mit jedem Beat wird deutlich, dass mit Tom Bailey ein Ausnahme-Talent am Werk ist, das sich jenseits kommerzieller Interessen und Szene-Credibility ganz egoistisch der reinen Lust an guter Dub-Music verschrieben hat. Ein absolutes Spitzen-Dub-Album, das hier nur deshalb nicht mehr Text erhält, weil schon alles gesagt wurde.

Bewertung: 5 von 5.
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Alpha Steppa & Nai-Jah: The Great Elephant

Ich bin bekennender Fan von Alpha Steppas militant-meditativem Sound. Viel hat er von Vater und Tante (= Alpha & Omega) gelernt und zu einem eigenen Style weiterentwickelt. Die mystisch-dunkle Atmosphäre der beiden UK-Dub-Pioniere behält er bei, produziert aber insgesamt akzentuierter, mixt phantasievoller und garniert seine stoischen Beats zudem gekonnt mit elegischen Melodien. Vor allem aber hat er ein untrügliches Gespür für kongenial zu seinen Dubs passenden Gesang. Im nigerianisch-französischen Sänger Nai-Jah hat er nun den idealen Partner gefunden. Einen Créateur starker Melodien und engagiert-intelligenter Texte. Endlich mal ein Conscious-Sänger, der nicht die alten Muster reproduziert, sondern über den Horizont von Rastafari hinaus zu blicken vermag. So singt er von Korruption, Gier und Leiden in Nigeria, beschwört aber trotzig und sich selbstvergewissernd zugleich die Größe und Schönheit Afrikas. Vor allem ist es jedoch Nai Jahs faszinierende Stimme, die das gemeinsame Album von Alpha Steppa & Nai-Jah, „The Great Elephant“ (Steppas), zu einem sehr intensiven Erlebnis werden lässt. Es bietet 11 Vocal-Tunes gefolgt von 10 Dub-Versions. Auch wenn ich normalerweise die Dubs besonders empfehle, favorisiere ich in diesem Fall definitiv die erste Hälfte des Albums.

Bewertung: 5 von 5.
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Teflon Zincfence: Dub Policy

Oft habe ich mich an dieser Stelle darüber ausgelassen, dass aktueller Dub aus Jamaika entweder kaum vorhanden oder aber lediglich ein Aufguss alter Konzepte sei. Nun gibt es in Kingston eine Person, die mich Lügen straft: Teflon Zincfence. Hinter diesem Namen verbirgt sich Romaine Arnett, der zusammen mit Chronixx Zincfence Records gründete und 2014 dessen erste EP „Dread & Terrible“ produzierte. Inzwischen hat Romaine Arnett eine Menge anderer Artists mit Rhythms versorgt und trägt den Titel des offiziellen „Dub Selectors“ im Kingstoner Dub Club. Der Mann hat’s also drauf. Bereits im September erschien sein Dub-Debut-Album „Dub Policy“ (Zincfence) und es hat mich in vollem Sturm umgeblasen. Wow, was für kraft- und zugleich kunstvolle Dubs, welch kreatives Mixing! Lupenreiner Sound, cooles Cover mit einer ziemlich unbescheidenen Anspielung, Teflon Zincfence als neuen King Tubby zu stilisieren. Seine Version von King Tubbys „Ruffer Version“ schlägt in die gleiche Kerbe. Ein fantastischer Tune, spannend instrumentiert, sorgfältig produziert und mit Wumms artikuliert – der Höhepunkt dieses nur sechs Tracks kurzen Albums. Was mir besonders gefällt: Romaine Arnett bekennt sich zu hundert Prozent zum guten, alten, klassischen Dub-Reggae, reproduziert dabei aber keineswegs überkommene Klischees, sondern kreiert eine absolut zeitgemäße, hoch-moderne Interpretation davon. Obwohl Romaine den Bass so sehr in den Vordergrund mischt, dass jeder UK-Soundsystem-Betreiber glänzende Augen bekäme, behält er die für Jamaika typische, lebendigere, weniger repetitive Spielweise bei. So muss moderner Dub in jamaikanischer Tradition heute klingen!

Bewertung: 5 von 5.
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Dub Spencer & Trance Hill: Christmas in Dub

Ich kann’s nicht beschwören, aber ich hege den starken Verdacht, dass wir es hier mit einer Weltneuheit zu tun haben: Einem Weihnachts-Dub-Album. Welch eine Erlösung! Endlich der passende Soundtrack für die Familienweihnachtsfeier! Okay, jeder hat wohl ein paar semi-peinliche Reggae-Christmas-Scheiben in der Sammlung, die jedes Jahr ran mussten. Doch damit ist nun Schluss. Denn jetzt gibt es Weihnachten mit unserer Lieblingsmusik: Dub! Richtiger Dub und nicht bloß instrumentaler Reggae mit Weihnachtsmelodien. „Es war keine leichte Aufgabe, traditionelle Weihnachtslieder so zu interpretieren, dass sie erkennbar bleiben, die kitschigen Melodien aber soweit entschärft werden, dass es nicht aus den Speakern tropft, sondern nach fettem Old-School-Dub klingt.“, sagt Marcel Stadler und präsentiert stolz das neue Album von Dub Spencer und Trance Hill: „Christmas in Dub“ (Echo Beach). „Wenn sich Reggae-Künstler des Weihnachtsthemas annehmen, erklingen oft genre-typische Grooves, auf welche die Christmas-Themen gelegt werden. Wir wollten einen anderen Weg gehen und suchten nach Möglichkeiten, die Melodie ins Zentrum zu stellen, die Vorlage dabei aber soweit wie möglich zu verlassen.“, erklärt er, „Manchmal wird erst beim zweiten Hören deutlich, worum es geht und welcher Weihnachtssong gemeint ist. Der Bass ist tonangebend, er ist es meist, der die weihnachtlichen Themen intoniert – alle anderen Instrumente ordnen sich darum herum an.“ Well done, Marcel, das Konzept geht voll auf. Entstanden ist ein absolut anspruchsvolles Dub-Album, das uns nicht mit Weihnachtsmelodien bedrängt, sondern mit top-ausgefeilten, handgespielten Dub-Produktionen. Ich bin sogar der Meinung, dass sich unser Dub-Quartett aus Zürich bei diesem Album soundtechnisch noch einmal deutlich weiter entwickelt hat. Denn der für sie typische raue Live-Sound, ist hier einem cleaneren Studio-Sound gewichen. Besonders begeistern mich aber die vielen Details im Arragangement, die ich bei früheren Alben so nicht wahr genommen habe. Markus Maier erklärt: „Zum ersten Mal in unserer nunmehr 12-jährigen Arbeit, haben wir auf die althergebrachte Verfahrensweise für Studio-Aufnahmen zurückgegriffen. Bei den bisherigen Alben haben wir immer alle zusammen im Studio aufgenommen. Danach kamen noch wenige Overdubs dazu. Beim Christmas-Album sind wir klassischer vorgegangen und haben die Spuren einzeln und in verschiedenen Studios aufgenommen und erst später zusammen gesetzt.“ Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten beim Dub-Mixing. „Die Mixes wurden alle „von Hand“ auf dem Mischpult und an den Effektreglern gefertigt.“ fährt Markus fort, „Kein Total Recall, keine Faderautomation, keine Möglichkeit, kleinere Mischfehler im Nachhinein zu korrigieren. Hast du einen Fehler gemacht beim Mix, musst du zurückspulen und den Song nochmals von vorne mischen.“
Das Ergebnis ist ein großartig ausgearbeitetes, reifes Dub-Album, das nebenbei auch noch ein paar kurze Phrasen bekannter Weihnachtmelodien bietet. Der perfekte Vorwand gegenüber der Familie, es die ganzen Feiertage nonstop rotieren zu lassen. PS: Zu Ostern passt es auch hervorragend!

Bewertung: 5 von 5.
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Lightman: Roots

Mit aktuellen Aufnahmen so zu klingen, als seien sie vor 40 Jahren aufgenommen worden, ist offenbar ein großer Sport in der Roots- und Dub-Community. Wahrscheinlich verklären die inzwischen grauhaarigen Produzenten jenes Gefühl der Erleuchtung, das sie in den 1970ern ergriffen hat, als sie im zarten Teenager-Alter die Welt des Roots-Reggae entdeckten. Natürlich gelingt es niemals, dieses einzigartige Gefühl zu reproduzieren – anders als den Sound jener Zeit. Das klappt inzwischen erstaunlich gut. Ein weiterer Anwärter auf einen der ersten Plätze auf der Retro-Sound-Bestenliste ist Lightman, aka Timi Valo aus Helsinki, der mir schon 2004 mit seinem Album „Spring Time“ über den Weg gelaufen ist. Damals war ich begeistert von der melancholischen Poesie seiner Kompositionen. Nun legt die Lichtgestalt ihr (erst) drittes Album „Roots“ (Helmi Levyt) vor – und zieht mich auch damit wieder in ihren Bann. Eigentlich brauche ich keinen Retro-Sound, aber Lightmans Kunst ist wirklich faszinierend perfekt. Wäre da nur der schrammelige Sound und Lightmans souliges Orgelspiel – man würde wohl auf ein verschollenes Jackie Mittoo-Album tippen. Aber natürlich kann auch der Finne nicht aus seiner Haut und baut selbstredend moderne Beat-Strukturen, die einfach satter grooven, als die Originale aus der geborgten Zeit. Aber da ist mehr als Sound: Superschön komponierte Instrumentals, die in jedem Sound-Design eine gute Figur machen würden. Die positive „skandinavische Melancholie“ seines ersten Albums scheint jedoch nur noch in einem einzigen Track durch, der auch zugleich mein Favorit ist: „Roiboos Dub“. Hört selbst und lasst euch verzaubern.

Bewertung: 5 von 5.
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Dub Terminator: Dubmental

Spätestens seit Fat Freddies Drop und den Black Seeds wissen wir, dass in Neuseeland ein recht entspannter, dubbiger Reggae-Sound gepflegt wird. Der Dub Terminator macht da mit seinem neuen Album „Dubmental“ (Soul Island) keine Ausnahme – wenn man einmal davon absieht, dass er den Bass noch feister aufdreht als seine Landsleute. Sehr, sehr, sehr langsame Beats, minimales Sound-Design und maximal reduzierte Instrumentierung – jede einzelne Zutat seiner Dubs ist klar heraus zu hören, präsent und selbstbewusst. Das ergibt messerscharf akzentuierte Tunes, quasi die Antithese zum klassischen, analogen Dub mit all seinen Sound-Schichten. Würde bei den Dubs des Terminators auch nur eine Spur entfernt, sie hinterließe eine auffällige Lücke. Reduced to the max. Doch was hier nach verkopftem Dub-Minimalismus klingt, ist tatsächlich das Gegenteil. Die Kunst des Dub Terminators besteht darin, dass, trotz der rigiden Reduktion, voluminöse, harmonische, emotionale und wunderbar relaxte Dubs entstehen – die mich übrigens gelegentlich an den International Observer denken lassen. Einer meiner Favoriten des Albums ist der Track „Dub 4000“, der im Zeichen eines Dialogs zwischen einer spanisch anmutenden, akustischen Gitarre und eines Moog-Synthesizers steht. Sehr nice ist auch „Crypto Dub“, ebenfalls von Synthie-Sounds geprägt, dominiert von einem verzerrten Electro-Bass und wenigen, spärlichen Sound-Effekten. Ein faszinierender Minimal-Tune, bei dem oft nur eine, maximal zwei Spuren gleichzeitig zu hören sind. Der Dub Terminator hat’s drauf. Er ist definitiv ein Modell T-1000!

Bewertung: 5 von 5.
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Dubmatix: King Size Dub Special

 

Es gibt so Momente, da habe ich die Nase voll von Dub. Zuletzt war das nach dem Besuch des dreitägigen International Dub Gatherings in Alicante so. Absolut berauschend – aber ein Bass-Overkill. Ich war mir sicher, ich würde nur noch Jazz und Bach hören. Bloß nichts mehr mit heftigen Beats und tiefem Bass. Aber dann kommt so ein Album wie Dubmatix’ „King Size Dub Special“ (Echo Beach) daher – und ich bin wieder versöhnt. Jesse King ist einfach der King. Ich bin seiner Musik hörig. Sie verkörpert schlichtweg mein Idealbild modernen Dubs. Aber okay, jeder darf seine persönlichen Favoriten haben – allerdings nur, wenn Dubmatix dabei auf Platz 1 steht ;-). Jetzt mal im Ernst und zurück zur absoluten Objektivität: „King Size Dub Special“ ist schon geil. Die 20 Tracks geben einen schönen Überblick über Dubmatix’ Schaffen der letzten zehn Jahre. Dabei sind mehr als die Hälfte der Tracks bisher unveröffentlichte Remixes – oder gänzlich neues Material. Gewissermaßen ein „Best of Dubmatix“ in Dub, Remix und Mashup. Jeder einzelne Track birst vor Energie und Dynamik. Dubmatix ist zwar Perfektionist, aber kein introvertierter Dub-Frickler-Nerd. Ihm geht es stets um Tanz, Bewegung und Upliftment. Das „King Size Dub Special“ könnte man auf einem Sound System Dance einfach durchlaufen lassen. Wer dabei keinen Bewegungsdrang verspürt, muss taub sein. Ups, jetzt ist es schon wieder mit mir durchgegangen. Ab Track 15 gibt’s übrigens ausschließlich neues Dub-Material und das ist –, wenn man wirklich ehrlich ist – auch absolut GENIAL!

Bewertung: 5 von 5.