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Dub (R)evolution Review

Dub Revolution, Juli 2004

Mit Dub aus den USA ist das ja immer so eine Sache. Irgendwie kriegen die Amis (vielleicht wegen ihrer ausgeprägten Rock-Historie) keine wirklich groovende Dub-Tunes hin. Das gilt zwar auch in sehr abgeschwächter Form für das Debut-Album „Knives to the Treble“ (Mars Records/Import) von Slade Anderson aka Burning Babylon aus Boston, Massachusetts, aber er gleicht diesen Mangel mit anderen Qualitäten mehr als aus. Anderson war Punk-Guitarrist und kam über The Clash zum Reggae. Als er in den 90ern zum Bass wechselte, stieß er etwa zeitgleich auf das Glen Brown/King Tubby-Album „Termination Dub“ – was ihn auf direktem Wege zum rein instrumentalen Dub brachte. Seit nunmehr zehn Jahren frickelt Anderson in seinem kleinen Home-Studio an den Tunes für sein aktuelles Album und ließ sich von Dub-Acts wie Dry and Heavy oder Twilight Circus beeinflussen. Insbesondere letzteres Vorbild ist deutlich zu spüren, denn wie Ryan Moore bevorzugt Anderson analoges Aufnahmegerät und sehr bodenständige Produktionsmethoden. Vielleicht liegt es daran, dass sein Sound eher leicht, offen und handgespielt klingt. Ein gewisser Rock-Appeal ist dabei nicht zu überhören. Doch ganz anders als bei Moore, überzeugen Andersons Stücke durch wunderbar melodiöse Basslines und sehr abwechslungsreiche Arrangements. Vor allem seine Vorliebe für Worldmusic-Samples und eingestreute Ethno-Klänge bereichern seine Kompositionen sehr. Hinzu kommt, dass er – ganz anders als viele seiner UK-Kollegen – auf das Mixing viel Sorgfalt verwendet und wirklich interessante, komplexe Dub-Songs produziert. Für ihn ist Dub ein großes Experimentierfeld, eine freie musikalische Form, deren Möglichkeiten es auszureizen gilt. Dass seinen Stücken dabei manchmal das letzte Quäntchen Groove fehlt, verzeihen wir ihm großzügig.

Nach Dry & Heavy und Audioactive dürfte wohl klar sein, dass Dub in Japan ein angesagtes Thema ist. Einen weiteren Beleg dafür liefert Fire Blender, die von jedem ihrer bisher erschienenen fünf Alben dreißigtausend Stück verkauft haben. Damit gehört die 1992 von Kunst-Studenten gegründete Band zu den populärsten Club-Acts Tokyos – was zu glauben schwer fällt, angesichts ihres neuen Albums „Little Tempo“ (M Records/Import). Mainstream klingt zweifellos anders, als diese streckenweise ziemlich verschrobenen, experimentellen Tunes, die manchmal an frühe On-U-Sound-Aufnahmen (Playgroup oder Starship Africa) erinnern. Nicht selten wird hier die Grenze zwischen geordnetem Rhythmus und Sound-Chaos ausgelotet. Doch immer kurz bevor die Disharmonie nervig wird, rollen die warmen Beats heran und besänftigen die Gehörgänge. Wer Mucke für den Hintergrund braucht, sollte von Little Tempo die Finger lassen. Wer aber spannende Musik zum Hinhören genießen will, bekommt hier ein großartig inspiriertes Album.

Als durchaus inspiriert und experimentell darf auch der Katalog von BSI-Records gelten. Zwar haben die Amerikaner einige eher geradlinige UK-Acts, wie Jah Warrior oder Henry & Louise oder Alpha & Omega gelistet, aber auch so schräge Vögel wie Tone Scientist, Systemwide oder Muzlimgauze. Die besten Tunes dieser und anderer Label-Artists der letzten fünf Jahre werden nun auf dem Jubiläumsalbum „Dub After Time: A Look Back at BSI Records“ (BSI/Import) präsentiert. Der Sampler ist weit mehr als eine kleine Labelschau. Während er mit straighten UK-Dubs beginnt, wandelt er sich zusehends zu einer Reise an die Grenzen des Dub-Universums: Zu schrägen, experimentellen Tracks im Crossover-Bereich zur Knister-Elektronik. Vom Einfachen zum Komplexen, vom Bauch zum Kopf – womit die beiden Tugenden des Dub schön vereint wären!

Auch von Echo Beach gibt es wieder progressive Dub-Sounds zu hören. Soeben ist dort das Album „Heavy Heavy Monster Dub“ (Echo Beach/Indigo) von Dubblestandart erschienen. Der Titel macht den Anspruch des Albums klar: ein ultrafettes Ding sollte es werden. Dazu wurde ein Riesenaufwand (mit Reisen nach Kingston, New York, London, Paris und Wien) betrieben und unzählige Kollaborationen organisiert. So haben Sly & Robbie Rhythms eingespiel, Mad Professor gemixt und Dreadzone, Manasseh, Sounds From The Ground und 7Dub remixt – von den beteiligten Vocalisten ganz zu schweigen. Kaum zu glauben, dass dabei noch ein geordnetes Ganzes im typischen Dubblestandart-Sound herausgekommen ist – auch wenn dieser Sound immer ein bisschen an Dub Syndicate erinnert. Allerdings, gemessen am Monster-Anspruch, ist das Album dann doch erstaunlich unspektakulär geraten. Vielleicht hat diese Selbsterkenntnis dann auch zur einen oder anderen etwas überproduzierten Passage beigetragen.

Kommen wir abschließend zum Real Stuff: Auf Augustus Pablos eigenem Label „Rockers Production“ (wer auch immer das jetzt betreibt) ist soeben eine 3 CD-Box mit dem anspruchsvollen Titel „The Definitive Augustus Pablo“ (Rockers Production/Import) erschienen. Auch wenn man sich darüber streiten kann, ob sich Pablos Werk auf 3 CDs verdichten lässt, so ist nicht zu leugnen, dass diese Box den wohl besten Näherungswert bietet. Jeder Track ist hier ein Pablo-Klassiker, in astrein remasterter Qualität. Versammelt sind hier nicht nur die berühmten Melodika-Instrumentals und -Dubs, sondern auch einige von Pablo produzierte Vocal-Aufnahmen mit Sängern wie Jacob Miller, Hugh Mundell, Horace Andy und anderen. Die Sammlung konzentriert sich im Wesentlichen auf die 70er Jahre und macht nur auf der letzten CD einen Ausflug in die 80er. Wer Pablos große Alben wie „ King Tubby Meets Rockers Uptown“ oder „East of River Nile“ etc. in der Sammlung hat, dem wird diese Box – außer einer meisterhaften Zusammenstellung und einer schönen Covergestaltung – nichts Neues bieten. Wer aber den Meister der Melodica erst noch kennen lernen will, für den ist dies das Portal zu einem Universum großartiger Musik. 

Kaum zu glauben, dass immer noch unbekannte King Tubby-Aufnahmen entdeckt werden. Das Label Jamaican Recordings hat sich bereits mit ihrer ersten Veröffentlichung den „verlorenen Schätzen“ des Dub-Meisters gewidmet. Nun gibt es Nachschub: „Dub Mix Up“ (Jamaican Recordings/Import). Versammelt sind hier ebenfalls rare und bisher verschollen geglaubte Dubs der Jahre 1975 bis 1979, die alle auf Produktionen von Tappa Zukie basieren. Die Stücke fügen sich nahtlos ins Tubby-Oeuvre der 70er ein – spektakuläre Entdeckungen sind hier nicht zu machen. Dafür gibt es schöne, klassische Rhythms wie „Declaration of Rights“ oder „Shank I Sheck“ zu hören und einige Vocal-Fetzen der weitgehend unbekannten Band Knowledge. Richtig spannend ist der letzte Track „Dub Faith“, der von Sly & Robbie im Black Ark-Studio aufgenommen wurde. Das klingt zwar – Black Ark-typisch – so als würde die Platte in der Nachbarwohnung abgespielt – ber als Dub-Connoisseure stehen wir Sound-Experimenten ja grundsätzlich positiv gegenüber.

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