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Five Star Review

Late Night Tales Presents Version Excursion Selected by Don Letts

Wir Dubheads leben in unserer kleinen, hermetischen Dub-Blase und feiern unser very, very special interest Sub-Genre als den Nabel der Welt. Einen Nabel, dessen Existenz 99,999999 Prozent der Menschheit allerdings noch nicht einmal erahnen. Im Vergleich zu Rock, Pop und Hip Hop lebt die Musik, um die wir Zeitlebens kreisen, absolut in Verborgenen. Geradezu zynisch ist diese Unbekanntheit angesichts der Tatsache, dass die Abkömmlinge von Dub, wie z. B. Discomixes, Remixes oder Bass Music, längst Teil des Mainstreams geworden sind. Aber was soll’s? Solange es noch Musiker und Produzenten gibt, die unsere Blase mit Nachschub versorgen, kann es uns ja egal sein, ob die Welt da draußen Notiz von uns nimmt. Und doch … Irgendwie regt sich der Missionar in mir: „Hey Leute, hört euch das hier mal an. Es wird euer Leben verändern!“. Na, ja, man wird träumen dürfen. Aber in der Tat eröffnet sich gerade eine fantastische Chance, zwar nicht dem Mainstream, aber doch musikinteressierten Menschen außerhalb unserer Blase einen Blick auf die Schönheit von Dub zu gewähren: „Late Night Tales Presents Version Excursion Selected by Don Letts“. Late Night Tales ist eine Compilation-Reihe, die seit 2001 Artists und DJs einlädt, tief in ihre persönliche Sammlung einzutauchen und den „ultimate late night mix“ zu kuratieren. Vor 20 Jahren war das ein komplette neues und äußerst beliebtes Konzept. Wir erinnern uns z. B. an die äußerst populäre KJ Kicks-Reihe, oder an die legendären Fabric-Compilations. Was diese CD-Serien damals so interessant machte: Mit aufwändigem Marketing richteten sie sich an ein aufgeschlossenes Musikpublikum und ermöglichten den versammelten Genre-Produktionen eine unvergleichliche Reichweite. Im Spotify-Zeitalter ist das vielleicht nicht mehr ganz so bedeutsam – funktioniert aber immer noch. Deshalb ist es schon etwas ganz Besonderes, wenn eine Serie wie „Late Night Tales“ (laut GQ der „Rolls Royce unter den Serien“) den DJ, Radio-DJ und Filmemacher Don Letts einlädt, ein Dub-Album zu kuratieren.

Wer, wenn nicht Don Letts, wäre der perfekte Mann, um dieses missionarische Crossover anzuführen, steht er doch seit je her für die Mischung diverser Musikkulturen und Dub. “A disciple of sound system, raised on reggae n’ bass culture my go to sound was dub. Besides being spacious and sonically adventurous at the same time, its most appealing aspect was the space it left to put yourself ‘in the mix’ underpinned by Jamaica’s gift to the world – bass. But that’s only half the story as the duality of my existence meant I was also checking what the Caucasian crew were up to not to mention the explosion of black music coming in from the States.“ Erläutert Don Letts seinen musikalischen Hintergrund und fährt fort: „That’s why „Late Night Tales Presents Version Excursion“ crosses time, space and genre, from The Beach Boys to The Beatles, Nina Simone to Marvin Gaye, The Bee Gees to Kool & The Gang, The Clash to Joy Division and beyond. You’d think it impossible to draw a line between ‚em? But not in my world. Fortunately, the ‘cover version’ has played an integral part in the evolution of Jamaican music and dub covers were just a natural extension.”

Was für eine coole Idee! Da Dub – zumindest in Letts Auffassung – Remix bedeutet, offeriert er hier ausschließlich Versions von Songs, die außerhalb des Reggae entstanden sind. Ein starkes Konzept, das nicht nur ästhetisch eine Runde Sache, sondern ideal geeignet ist, ein Mainstream-Publikum außerhalb des Reggae anzusprechen.

Ja, Don Letts ist der Missionar, der ich gerne wäre. Sich seiner Chance bewusst, begnügte er sich zudem keineswegs damit, eine schnöde Titelliste bei Late Night Tales einzureichen, sondern macht aus seiner kleinen Dub-Ausstellung ein richtiges Meisterwerk, indem er das Remix-Prinzip von Dub nicht nur zum Prinzip seiner Auswahl an Cover Versions, sondern auch zum Prinzip seiner Präsentation machte. Deshalb sind 13, seiner 21 Tracks „Exclusives“, also Remixe, bzw. Re-Dubs historischer Produktionen, die von Leuten wie Mad Professor, Scientist oder Dennis Bovell erstellt wurden.

Tja, der Mann ist konzeptverliebt – bin ich aber auch und kann daher seine Late Night Tales Version Excursions nur in den höchsten Tönen loben. Da die ganze Sache mit ordentlichem Budget und viel Marketing und aufgezogen wird, gibt es auch ein unterhaltsames Video, in dem Letts die Kriterien seiner Auswahl erläutert und ein paar Anekdoten zu den einzelnen Titeln zum Besten gibt. Cooler Typ und reichlich eloquent. Ein geborener Ambassador of Dub.

Bewertung: 5 von 5.

Eine Antwort auf „Late Night Tales Presents Version Excursion Selected by Don Letts“

Ja, is wirklich ein sehr schöner Sampler geworden. Musikproduktionen, die mit Ghetto Priest kommen, sind mir schon mal gleich ein höchstmaß an Aufmerksamkeit wert. Auch wenn er hier eher als Träger der Spiritualität – mit nur ganz wenig Text – dabei ist. Ghetto Priest ist für mich auch so etwas wie ein Guru für spirituelle Musik. Damit meine ich nicht nur den Bezug zu JAH, sondern das was ich unter Spirituell verstehe. Musik, die nicht nur für eine Woche hält, sondern bis ans Ende der Tage ganz tief im Bewusstsein bleibt und sich darüber hinaus auch noch ins Unterbewusstsein eingräbt und den ganzen Baum des Lebens mit Nährstoffen versorgt. „You know what im mean ?!?“
Der Sampler ist mit viel Liebe zum Detail zusammengestellt, bildet – auch aus meiner Sicht – einen großen Teil der Bandbreite von Dub ab, was die Diversität und vor allem auch die Flexibilität von Dub im allgemeinen zeigt. Und das, obwohl oder auch genau weil hier nicht nur auf Riddims aus Jamaica zurückgegriffen wurde.
So geht die Bandbreite hier von coolem funky HipHopStyle ( ihr dürft mich gern korrigieren, wenn es sich hier doch eher um eine Art von Jazz handelt, denn ich kenne mich in erster Linie nur mit Reggae aus ), wie zum Beispiel „Hercules“ – Ghetto Priest, über Hall – und Echogewitter, wie bei Capitol 1212 mit Earl 16, bis hin zu, mit Geigen untermalten und sehr entspannten Dubs. Und alte Reggae und DubHeads werden dann bei Dubs wie „Uptown Top Ranking“ komplett auf Links gedreht, weil sie bei dem Titel doch etwas ganz anderes erwartet haben und nun trotzdem positiv überrascht sind. Es gibt Dubs, wie den von Matumbi / Dennis Bovell, wo DubJunkies wie ich, atmosphärisch in der TwilightZone verweilen dürfen und sich gelegentlich fragen dürfen, is das jetzt Dub oder schon Motown. Ja, ich weiß es müsste heißen, is das noch Motown oder schon Dub. Rein vom Zeitlichen betrachtet aber auch qualitativ bewertet, steht Dub selbstverständlich über Motown. Natürlich aus der Sicht eines Dubheads ( oder sollte ich vielleicht lieber schreiben, aus meiner Sicht ). Ganz davon ab, fand und finde ich vieles von Motown richtig klasse. Ohne mich allerdings wirklich gut damit auszukennen.
Und es gibt Dubs wie den von O.B.F. ! Kurz und knackig, auf das wesentliche beschränkt und mit wenig Space auf, bzw. in den Effekten.So wird wohl die Zukunft von Dub aussehen, bzw. klingen. Auch solche Dubs höre ich hin und wieder sehr gern, solange es auch in der Zukunft noch analoges DubMaterial zu bestaunen gibt.
Auch wenn Mad Professor mit den Jahren schon mal ne Kritik von mir einstecken mussste, so zeigt er hier wieder, was ich unter analoger DubAtmosphäre verstehe. Gar nicht witzig wäre es jetzt, wenn er hier gar nicht mit analogem Equipment spielen würde. Dann müsste ich halt nochmal in der „DubSchool Supanava“ ein paar NachhilfeStunden nehmen oder ich würde sagen, dann hört euch halt die Senior Allstars an, die hier auch in allerfeinster DubManier mit dabei sind.
Lediglich auf DubExkursionen ins „DeepField Of Dub a la African Head Charge oder Audio Active“ mit Special On U. Sound Flair wurde verzichtet. Wahrscheinlich, weil man ja dem Mainstream etwas anbieten und sich nicht gleich wieder komplett über das Deep Field Of Dub hinauswagen wollte. Denn dort haben ja anscheinend nur Aliens a la Lee Perry und Leute wie ich, die sich gelegentlich auch für ET halten, noch richtig Spass.
Ich vertrete ja schon lange die These, das DubMusik in erster Linie Musik für Musiker ist. Nur Musiker denken über das normale Musikhören und Musikerleben hinaus. Schon allein aus Berufung ! Sie sind „normalerweise“ immer auf der Suche nach dem nächsten Schritt. Erst neulich habe ich bei Skobel ( eine Sendung über Psychologie und Philosophie auf 3 sat ) ein interressantes Statement dazu gehört. „Musik wird erst richtig interressant und damit auch gut ( Zusatz des Kommentators ), wenn sie Tabus bricht ! Wenn sie dem alltäglichen eine Abfuhr erteilt ! In den meisten Liedchen aus dem Mainstream geht es doch immer nur um das ganz alltägliche Thema Liebe. Dazu wird ein bischen anna Klampfe gezupft und so ein bischen geklimpere wird aus AlibiZwecken noch drum rum gebaut. Es geht aber eigentlich immer nur um den schmalzigen Text. Irgendwer hat immer gerade Liebeskummer und schon ist der Mainsteam zu 99.9999999 % bedient und zufrieden bzw. „glücklich“ in seiner Melancholie. Auch ich musste solche Fasen schon durchleben. Grauenhaft !
Nun bin ich aber kein Musiker und trotzdem geht es mir genau so, wie ich es in meiner These beschrieben habe. Ich mag TabuBrüche für mein Leben gern. Allerdings nur die, die ich auch vor JAH vertreten kann. Das mit dem Mainstream is ja eh relativ. Für Technofans bin ich Mainstream, weil ich von Techno keinen Plan habe. Aber ich finde es wenigstens teilweise richtig gut. Als DubFan bin ich natürlich OpenMinded, wie es immer so schon heißen tut. Und wo werden schon mehr Tabus gebrochen als in der DubMusik !?! Schon allein die herrliche Arroganz
( Zitat von René ), den Gesang mitten im Satz abzubrechen und mit Hall und Echo in den Raum gleiten zu lassen, ist voll und ganz nach meinem ( unserem ) Geschmack. Aber sowas von !
Für die meisten Menschen wohl nicht mehr, als ein TabuBruch. Dazu kommen eben auch die groovigsten Riddims, die weltweit so entstehen. Es ist eben nicht nur „Klampfe und Klavier auf deutsch“ ( ohne pfiffige Ideen ) sondern das, was weltweit so abgeht, wird im Dub verarbeitet bzw. veredelt.
Ich lasse ja auch immer mal wieder meine Komplexe durchscheinen und so schreibe ich hier dazu, das es sich bei alldem was ich hier von mir gebe auch um ziemlichen Schwachsinn halten kann. Aber solange mich niemand vom Gegenteil überzeugt, bleibe ich bei meinen Thesen. Man kann da sicherlich auch noch viel tiefer in die Antimaterie einsteigen aber ich gehe jetzt nur noch so tief runter, wie die Wurzeln der Bäume in den Boden eindringen. Es sind die Wurzeln, die mich veranlassen, da noch etwas in bildhafter Sprache hinzuzufügen. Ich komme deshalb drauf, weil ich zum Dub über RootsMusic gekommen bin. Mikey Dread hat gesungen „Dub Is The Roots“ und überall geht es in meiner ( unserer ) Lieblingsmusik um die Roots.
Die Roots einer jeden Pflanze befinden sich aber generell unter der Erde. Und sind deshalb nicht für jeden sichtbar. Schon gar nicht für den Mainstream, der sich viel mehr für den bunten Blätterwald zu interressieren scheint. Schon in der Grundschule aber spätestens von den vielen RastaReggaeArtists habe ich ( haben wir ) gelernt, das ohne die Wurzeln kein Baum wächst und Blätter schon gar nicht existieren können. Zu all diesen bunten Blättern könnte man ja die oben genannten Beispiele ( Discomixes, Remixes ) aber auch Dubstep, Hip Hop und Rap dazu zählen. Alles wäre nicht existent, wenn es die Roots nicht gäbe. Das auch Reggae seine Wurzeln hat bzw. hatte wird oft behauptet aber das sind nur Verschwörungstheorien ;-)
RootsDubReggae is the one and only ROOTSMUSIC !!! Egal, was Musikwissenschaftler dazu herausgefunden haben wollen. Für mich ist RootsDubReggae das, was noch vor dem Urknall war. So ! Ich hoffe die Mainstreamers ( diese Streamer die ! …. Anwesende ausgenommen ;-) ) haben es jetzt noch ein bischen besser verstanden, warum DubMusic das Beste ist, was die Menschheit je hervorgebracht hat. Davor befand sich die Musik noch in der Findungsphase. Irgndwo in Afrika gab es einen musikalischen Urknall und nur die Musik, wo dieser Urknall noch nachhallt, verfügt über tiefe, feste und satte Wurzeln !

„People ! You´ve Got It Now“ … People ! You´ve Got It Now …. Roots and Culture ! Roots And Culture ! ( Ich könnt´ schon wieder voll abdrehen ) ……………. lemmi

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