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Super Hi-Fi: Yule Analog Vol. 2

Sonntag haben wir den ersten Advent. Eines kann ich heute schon sagen: Es wird wegen Corona ein Advent, wie ihn bisher niemand von uns kennt.
Was bietet sich mehr an, als eine Sammlung klassischer Weihnachtslieder im Reggae-Rhythmus und ordentlicher Dub-Behandlung zu besprechen?
Beim Gedanken an Weihnachten habe ich Visionen unserer Familienfeiern mit Tante, Onkel, Cousinen, Cousins und dem von mir so verhassten Weihnachtsliedersingen mit Blockflöte, Klarinette und dem ganzen Schmus. Mit fortschreitender Dauer des Abends wurden dann die Erwachsenen, dank Mums selbstgemachtem Eierlikör für die Damen und dem Punsch mit reichlich Rum für die Herren, immer breiter und dichter. Dann war die Stimmung auf dem Siedepunkt und das Ganze kaum noch zu ertragen. Was hätte ich aus heutiger Sicht dafür gegeben, wenn es mal eine Platte wie die von „Super Hi-Fi: Yule Analog Vol. 2“ auf den Plattenteller geschafft hätte? Aber so etwas geiles gabs vor über 50 Jahren leider noch nicht.
In medias res: Bassist Ezra Gale hat sich mit seinen Hi-Fiers ein weiteres Mal zehn Weihnachtslieder vorgeknöpft und eine schräge, Gebläse-lastige, jazzige Mischung aus Weihnachtsstandards mit tiefen Dubs und Remixes gebastelt. Ezra Gale und Schlagzeuger Madhu Siddappa beherrschen die Kunst, sirupartige Grooves aus den Weihnachtsklassikern herauszukitzeln. Für mich sind die zwei Posaunen das Markenzeichen der Band. Eine ziemlich coole Mischung aus schnoddrigem und auch keckem „Gebläse“, gemischt mit einem stellenweise etwas weicheren Posaunenspiel à la Rico Rodriguez. Das Album beginnt mit einer „Stille Nacht“ Version, wie könnte es anders sein? Eine sehr schöne, eigenwillige Version von Pyotr Ilych Tschaikowskys „Tanz der Zuckerfee“ aus der Nussknacker-Suite ist auch vertreten, gefolgt von Bob Browns interaktivem White Board Song, hier: „Santa bring me an Echoplex“ im Ska-Rhythmus. Sehr witzig! Die Dubs wurden, wie bereits „Yule Analog Vol. 1“, von Prince Polo gemixt- siehe auch dazu „Destroy Babylon„.
Mein Fazit: Die jazzige Horn-Section bietet uns die Essenz alter Standards in neuem Gewandt und ist für meine Ohren wie geschaffen, um diese dunkle Zeit der kommenden Rauhnächte (25. Dezember bis 06. Januar) gut zu überstehen. Prince Polo macht „Yule Analog Vol. 2“ erneut zu einem sehr angenehmen Hörerlebnis. Wer Lust auf feine Hörner im Reggae-Stil mit Dub-Magie hat, ist hier bestens beraten.

Bewertung: 4 von 5.

2 Antworten auf „Super Hi-Fi: Yule Analog Vol. 2“

Also „Super Hi-Fi“ ist der Sound ja nun nicht gerade. Bin geneigt zu fragen, „Bass wo bist Du ?“ Teilweise dachte ich dann auch an den Sound von Victor Rice aber eben noch schlechter gemastert. Und so ganz daneben lag ich wohl nicht, denn der erste Tune, den mir der „Autopilot“ von Spotify nach Durchlauf der Scheibe angeboten hat, war ein Dub vom Victor.
Aber auch Dubs, die nicht den Super Sound haben, müssen ja deswegen nicht gleich komplett schlecht sein.
Ras Vorbei, du stellst mich hier aber wieder auf eine harte Probe. Bläserlastige Dubs höre ich selten wirklich gern. Obwohl es sich hier um Weihnachtslieder handelt, werden die Blasinstrumente – aus meiner Sicht – aber keineswegs, wie ich das so oft empfinde, bieder gespielt. Ziemlich crazy würde ich sogar sagen. Ob ich damit aber auf lange Sicht letztendes besser klar komme, kann ich im Moment echt nicht sagen. Ich bin, was Weihnachten betrifft aber auch nicht so abgehärtet wie Du. Wenn wir bei uns zuhause Weihnachtslieder hätten singen müssen, wäre ich von zuhause ausgerissen und niemals wiedergekehrt. Ich musste, sollte mal bei einem Besuch unserer Großeltern das Martinslied zusammen mit meiner Schwester vorsingen. Während der ganzen Fahrt im Auto ist mir nicht eine Möglichkeit eingefallen, wie ich aus dieser Nummer wieder rauskomme. Letztendlich standen wir vor der Wohnungstür meiner Großeltern und als die sich öffnete, fing ich an, hemmungslos zu weinen, weil es mir so peinlich war, jetzt – vor meinen Eltern und Großeltern – singen zu müssen.
Habe keine Ahnung, warum mich das so viel Überwindung gekostet hat, zumal ich in der Schule immer ganz gern gesungen habe und auch hier auf der Arbeit den ganzen Tag vor mich hin trällere. Allerdings sind das keine Weihnachtslieder ;-)

Kling Glöckchen klingelingeling ……………………. lemmi

Ja lemmi, diese Weihnachtserinnerungen haben eine tiefe Scharte hinterlassen, hab’s aber überlebt. Sobald es mir möglich war, habe ich mich dann zum Leidwesen meiner Eltern ausgeklinkt. Mit 14 war ich dann lieber mit ein paar Kumpels in der Peterskirche in Heidelberg Weihnachten feiern. Damals waren dort vom Hippie bis zum Obdachlosen alles zur „alternativen“ Weihnachtsfeier mit Plätzchen und Glühwein vertreten. Das ging die ganze Nacht. Diese sehr angenehme, friedliche Stimmung habe ich immer noch in bester Erinnerung.
Mit 14??? Ja, das war in den 70ern noch locker möglich und niemand wäre auf die Idee von wegen Verletzung der Aufsichtspflicht gekommen. „Helikoptereltern“ waren noch eine unbekannte Spezies. Meine Mum hat mir immer eine große Dose selbst gebackener Plätzchen mitgegeben, die dann unter den Leuten verteilt wurden. Jede*r, der konnte, brachte eine Kleinigkeit mit. Kurz die „heilige Nacht“ unter social Outcasts hat mich wirklich für den Rest meines Lebens geprägt.

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